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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.03.2005
Aktenzeichen: IX ZR 73/01
Rechtsgebiete: BeurkG, BNotO


Vorschriften:

BeurkG § 17 Abs. 1
BNotO § 14 Abs. 1
Verpflichtet sich der Verkäufer eines bebauten Grundstücks, dem Käufer eine den Anforderungen des § 7 MaBV entsprechende Urkunde auszuhändigen, ist die Vorleistung des Käufers nicht ungesichert.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 73/01

Verkündet am: 10. März 2005

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2005 durch die Richter Dr. Ganter, Kayser, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. Februar 2001 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 4. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte beurkundete am 30. Dezember 1996 einen Vertrag, in dem der Zeuge D. S. (im folgenden: Käufer) von der I. GmbH (im folgenden: Verkäuferin) einen Miteigentumsanteil an einem gewerblich genutzten Grundstück in Chemnitz kaufte. Der Kaufpreis von brutto 1.202.856,90 DM sollte aus steuerlichen Gründen noch am 30. Dezember 1996 vollständig gezahlt werden. Der Miteigentumsanteil war mit Gesamtgrundschulden in Höhe von insgesamt 29.000.000 DM zugunsten der B. AG in München belastet. Die Verkäuferin verpflichtete sich, das Teileigentum lastenfrei zu übertragen und dem Käufer "eine den Bestimmungen des § 7 MaBV entsprechende Bürgschaftsurkunde" auszuhändigen. Zahlstelle war nicht die B. AG, sondern die D. AG Filiale Stuttgart, bei der das Geschäftskonto der Verkäuferin geführt wurde. Der Käufer zahlte den Nettokaufpreis von 1.044.600 DM am 30. Dezember 1996, ohne daß eine Bürgschaft gestellt worden wäre; den verbleibenden Kaufpreisanspruch in Höhe der Mehrwertsteuer (158.256,90 DM) beglich er im Januar 1997 durch Abtretung des Anspruchs auf Vorsteuerabzug. Am 2. Februar 1997 wurde im Rang nach den Grundpfandrechten eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Käufers eingetragen. Am 3. Mai 1997 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Verkäuferin eröffnet.

Die klagende Bank hat für den Käufer den Kaufpreis finanziert. Sie wirft dem Beklagten vor, den Käufer unzureichend über das Risiko einer ungesicherten Vorleistung belehrt zu haben, und verlangt aus abgetretenem Recht des Käufers Schadensersatz in Höhe des Bruttokaufpreises nebst Kosten der Beurkundung, Grunderwerbsteuer und Rechtsberatungskosten sowie die Feststellung, daß der Beklagte auch zum Ersatz des weiteren aus der Nichterfüllung des Vertrages resultierenden Schadens verpflichtet sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsurteil kann bereits aus Verfahrensgründen keinen Bestand haben.

1. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht zwar kein unzulässiges Teilurteil erlassen. Ein Teilurteil (§ 301 ZPO) entscheidet über einen abgrenzbaren Teil des Verfahrensgegenstandes vorab, während die Entscheidung über den Rest zunächst zurückgestellt wird (vgl. BGH, Urt. v. 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98, NJW 1999, 1035; BGH, Beschl. v. 29. Februar 1984 - IVb ZB 28/83, NJW 1984, 1543, 1544). Der Wille des Gerichts, so zu verfahren, muß in der Entscheidung selbst oder wenigstens in den Begleitumständen zum Ausdruck kommen, weil sonst der Umfang der Rechtskraft im Unklaren bliebe (BGH, Urt. v. 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98, aaO). Der Feststellungsantrag findet im Urteil des Berufungsgerichts zwar keine Erwähnung. Das Urteil enthält jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß nicht über den gesamten Streitstoff entschieden werden sollte. Es ist mit "Urteil", nicht mit "Teilurteil" überschrieben, erklärt unter Ziffer 1 des Tenors "die Klage" dem Grunde nach für gerechtfertigt und verweist unter dessen Ziffer 2 "die Sache" zur Entscheidung über den Betrag des streitigen Anspruchs und über die Kosten der Berufung an das Landgericht zurück.

2. Das Berufungsgericht hätte jedoch nicht im Wege des Grundurteils auch über den Feststellungsantrag entscheiden dürfen (§ 304 Abs. 1 ZPO).

a) Das Berufungsurteil erstreckt sich auch auf diesen Anspruch. Im Tenor und in den Gründen der Entscheidung wird "die Klage", die aus dem Leistungs- und dem Feststellungsantrag bestand, insgesamt dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Am Schluß der Entscheidungsgründe heißt es, die Berechtigung "anderer Schadenspositionen" hänge möglicherweise von der weiteren Schadensentwicklung ab. Diese Ausführungen können sich nur auf einen Feststellungsantrag beziehen.

b) Nach § 304 Abs. 1 ZPO kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden, wenn ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig und lediglich der Streit über den Anspruchsgrund entscheidungsreif ist. Eine entsprechende Trennung in Grund- und Betragsverfahren setzt einen Anspruch voraus, der auf Zahlung von Geld oder die Leistung vertretbarer, der Höhe nach summenmäßig bestimmter Sachen gerichtet ist. Über einen unbezifferten Feststellungsantrag kann ein Grundurteil in der Regel nicht ergehen (BGHZ 132, 320, 327; BGH, Urt. v. 27. Januar 2000 - IX ZR 45/98, LM § 304 ZPO Nr. 71 unter I 1b; v. 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99, LM § 301 ZPO Nr. 69 unter II 1a). Feststellungsklagen haben nur dann eine nach Grund und Betrag streitige Verpflichtung zum Gegenstand, wenn ein bestimmter Betrag in dem Sinne geltend gemacht wird, daß die Klage auch zu einem Ausspruch über die Höhe des Anspruchs führen soll (BGH, Urt. v. 9. Juni 1994 - IX ZR 125/93, LM § 675 BGB Nr. 205 unter I 2b). Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich hier jedoch nicht.

II.

In der Sache führt die Revision zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte sei seiner "doppelten Belehrungspflicht" aus § 17 BeurkG nicht ausreichend nachgekommen. Nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme habe der Notar den Käufer zwar über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehrt, ihn insbesondere darauf hingewiesen, daß vor der Zahlung des Kaufpreises die Bürgschaft gestellt werden müsse. Die Belehrung über die den Käufer gegebenenfalls treffenden Nachteile einer ungesicherten Vorleistung sei jedoch unzureichend gewesen. Bei ausreichender Belehrung auch über die Folgen hätte der Käufer den Vertrag zwar geschlossen, jedoch erst nach Aushändigung der Bürgschaft bezahlt.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Belehrungspflichten des Notars bei ungesicherten Vorleistungen herangezogen. Wenn ein Urkundsbeteiligter eine ungesicherte Vorleistung erbringen soll, hat der Notar zum einen gemäß § 17 BeurkG über die Folgen zu belehren, die im Falle der Leistungsunfähigkeit des durch die Vorleistung Begünstigten eintreten (erste Pflicht), und zum anderen Wege aufzuzeigen, wie diese Risiken vermieden werden können (zweite Pflicht) (BGH, Urt. v. 2. Juli 1996 - IX ZR 299/95, WM 1996, 2071; v. 15. Januar 1998 - IX ZR 4/97, WM 1998, 783, 784; v. 15. April 1999 - IX ZR 93/98, NJW 1999, 2188, 2189; v. 12. Februar 2004 - III ZR 77/03, WM 2004, 2028, 2030).

b) Im vorliegenden Fall kommt eine Verletzung dieser beiden Pflichten jedoch schon deshalb nicht in Betracht, weil der Käufer nach dem Vertragsinhalt gerade keine ungesicherte Vorleistung erbringen sollte (vgl. BGH, Beschl. v. 24. September 1996 - IX ZR 8/96, LM BeurkG Nr. 59a).

Der Vertrag vom 30. Dezember 1996 sah zwar eine Vorleistung des Käufers vor. Der Kaufpreis von 1.202.856,90 DM brutto war nach § 4 Abs. 3 des Vertrags bis zum 30. Dezember 1996 - dem Tag des Vertragsschlusses - unmittelbar an die Verkäuferin zu zahlen. Deren Verpflichtung zur lastenfreien Übereignung des Miteigentumsanteils konnte bis zur Zahlung des Kaufpreises nicht erfüllt werden; das war auch gar nicht vorgesehen.

Die Vorleistung war jedoch nicht "ungesichert". Die während der Beurkundungsverhandlung eingefügte Bestimmung in § 4 Abs. 5 des Vertrages verpflichtete die Verkäuferin, dem Käufer eine den Bestimmungen des § 7 MaBV entsprechende Bürgschaftsurkunde auszuhändigen. Gemäß § 7 Abs. 1 MaBV hat der Gewerbetreibende Sicherheit für alle etwaigen Ansprüche des Auftraggebers auf Rückgewähr oder Auszahlung seiner Vermögenswerte zu leisten. Das bedeutet, daß der Gewerbetreibende, bevor er zur Ausführung des Auftrags Vermögenswerte des Auftraggebers erhält, die Vermögenswerte in dieser Höhe durch Bürgschaft abzusichern hat (Marcks, MaBV 7. Aufl. § 7 MaBV Rn. 4). Der Gewerbetreibende hat die Bürgschaftsurkunde dem Auftraggeber auszuhändigen, bevor er von diesem Vermögenswerte erhält oder deren Verwendung genehmigt (§ 2 Abs. 4 Satz 3 MaBV, auf den § 7 Abs. 1 Satz 2 MaBV verweist). Eine Bürgschaft nach § 7 MaBV sichert alle Geldansprüche des Auftraggebers, die sich aus mangelhafter oder unterlassener Erfüllung des Vertrags ergeben können (BGH, Beschl. v. 2. Mai 2002 - VII ZR 178/01, ZIP 2002, 1197; Urt. v. 22. Oktober 2002 - XI ZR 393/01, NJW 2003, 285). Hätte der Käufer die Zahlung des Kaufpreises von der Aushändigung einer entsprechenden Bürgschaftsurkunde abhängig gemacht, könnte er sich nunmehr schadlos halten.

Die Sicherung, die auf Betreiben des Beklagten in den Vertrag eingefügt worden ist, war zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die angeratene Vorgehensweise - Übergabe der Bürgschaftsurkunde und anschließende Zahlung noch am 30. Dezember 1996 - praktisch durchführbar gewesen wäre. Die Revisionserwiderung weist zwar darauf hin, der Beklagte habe nicht abgeklärt, ob eine Bürgschaft noch rechtzeitig beschafft werden konnte. Sie meint, die vorgeschlagene Sicherung sei deshalb riskant gewesen. Mit dem Argument, das Berufungsgericht habe "die wegen der terminlichen Enge besondere Risikolage" übersehen, läßt sich jedoch die tatrichterliche Feststellung, die gewählte Art der Sicherung wäre praktisch durchführbar gewesen, nicht ausräumen, zumal auch die Revisionserwiderung nicht geltend macht, daß der Erhalt der Bürgschaft und die anschließende Zahlung an dem fraglichen Tag unmöglich gewesen wären.

c) Belehrungspflichten des Beklagten hinsichtlich der Gefahr, welche die Nichteinhaltung des vertraglich vorgesehenen Sicherungsmechanismus mit sich brachte, konnten sich daher allenfalls aus der analog § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO, § 17 Abs. 1 Satz 2 BeurkG bestehenden erweiterten Belehrungspflicht ergeben (vgl. BGH, Beschl. v. 24. September 1996 - IX ZR 8/96, aaO). Muß ein Notar nach den besonderen Umständen des Einzelfalls, vor allem wegen der rechtlichen Anlage oder vorgesehenen Durchführung des Geschäfts, Anlaß zu der Vermutung haben, einem Beteiligten drohe ein Schaden vor allem deswegen, weil er sich infolge mangelnder Kenntnis der Rechtslage der Gefahr nicht bewußt ist, so hat der Notar den gefährdeten Beteiligten aufzuklären und zu warnen (BGH, Urt. v. 9. Januar 2003 - IX ZR 422/99, NJW 2003, 1940, 1941; Ganter, in Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung Rn. 1198 ff.).

Besonders "gefährlich" war der Vertrag vom 30. Dezember 1996 deshalb, weil er teilweise innerhalb weniger Stunden durchgeführt werden sollte. Der Kaufpreis sollte noch am 30. Dezember 1996 gezahlt werden. Der daraus resultierenden Gefahr hat der Beklagte jedoch Rechnung getragen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte während des Beurkundungstermins auf die bis dahin fehlende Absicherung der vorzuleistenden Kaufpreiszahlung hingewiesen und die Vertragsbestimmung über die Bürgschaft handschriftlich in den Vertrag einfügen lassen. Während des Beurkundungstermins und nochmals bei der Verabschiedung hat er dem Käufer und G. als dem Vertreter der Verkäuferin gesagt, daß die Bürgschaft vor Zahlung des Kaufpreises beigebracht werden müsse; man möge zu diesem Zweck sofort die in der Nachbarschaft befindliche Filiale der D. aufsuchen. Mehr konnte der Beklagte in der gegebenen Situation nicht tun. Anhaltspunkte dafür, daß der Käufer diesem Rat nicht folgen würde, gab es aus Sicht des Beklagten nicht. Weder der Käufer noch G. haben ihm gegenüber Bedenken erhoben. Die Stellung der Bürgschaft ist deshalb unterblieben, weil G. den Käufer nachträglich davon überzeugen konnte, daß die Zeit dafür nicht mehr reiche; bei diesem Gespräch war der Beklagte jedoch nicht mehr zugegen.

d) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung war der Beklagte nicht verpflichtet, den Parteien noch andere Sicherungsmöglichkeiten - insbesondere die Zahlung des Kaufpreises zu treuen Händen der Grundpfandgläubigerin - vorzuschlagen. Sogar dann, wenn eine Sicherung letztendlich nicht vereinbart wird, ist ein Notar nicht in jedem Fall verpflichtet, den Parteien alle denkbaren Sicherungsmöglichkeiten vorzuschlagen. In der Regel darf er sich damit begnügen, die sich nach dem Inhalt des Geschäfts sowie dem erkennbaren Willen der Vertragsparteien unter Berücksichtigung auch ihres Leistungsvermögens anbietenden, realistisch in Betracht kommenden Sicherungen zu nennen (BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 - III ZR 77/03, WM 2004, 2028, 2030). Im vorliegenden Fall hätte die Zahlung des Kaufpreises an die Grundpfandgläubigerin nicht dem Willen der Verkäuferin entsprochen, die ausdrücklich Zahlung auf ihr Geschäftskonto verlangt hatte. Die vom Beklagten vorgeschlagene und in den Vertrag aufgenommene Sicherung etwaiger Rückzahlungsansprüche durch eine den Anforderungen des § 7 MaBV genügende Bürgschaft hätte ausgereicht, wenn sie beigebracht worden wäre. Anlaß, weitere Sicherungsmöglichkeiten vorzuschlagen, gab es deshalb nicht.

III.

Das Urteil des Berufungsgerichts kann damit keinen Bestand haben. Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts zurückweisen. Die gegen die Feststellungen zur Belehrung über die Bürgschaft erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Insbesondere mußten die Zeugen Rechtsanwalt Dr. B. und Rechtsanwalt Bl. nicht gehört werden. Vor der Beweisaufnahme über Indiztatsachen hat der Richter deren Bedeutung für die weitere Schlußfolgerung auf die Haupttatsache zu prüfen. Kann aus den unter Beweis gestellten Hilfstatsachen nach der Überzeugung des Tatrichters nicht auf die Haupttatsache geschlossen werden, ist das Absehen von einer Beweisaufnahme kein Verfahrensfehler (BGHZ 53, 245, 260 f). Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 565a ZPO a.F.).

Ende der Entscheidung

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