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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 24.05.2007
Aktenzeichen: IX ZR 8/06
Rechtsgebiete: InsO, EStG, AO 1977, BGB


Vorschriften:

InsO § 38
InsO § 80 Abs. 1
EStG § 26 Abs. 2
AO 1977 § 34
BGB § 397 Abs. 1
Das Wahlrecht der Ehegatten für eine Getrennt- oder Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer wird in der Insolvenz eines Ehegatten durch den Insolvenzverwalter und im vereinfachten Insolvenzverfahren durch den Treuhänder ausgeübt.

Haben Ehegatten eine von der gesetzlichen Regel abweichende interne Aufteilung ihrer Einkommensteuerschulden aus Zusammenveranlagung vereinbart, so sind Ausgleichsansprüche aus einer derartigen Vereinbarung nur Insolvenzforderung. Insolvenzbeständig kann dagegen ein vorweggenommener Erlass des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs bei Zusammenveranlagung sein, dessen Feststellung jedoch strengen Anforderungen unterliegt.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 8/06

Verkündet am: 24. Mai 2007

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf das am 12. April 2007 geschlossene schriftliche Verfahren durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Cierniak

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 20. Dezember 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Über das Vermögen der Klägerin wurde im Januar 2000 das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 17. Dezember 2001 kündigte ihr das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung an. Im Juli 2003 wurde auch über das Vermögen ihres Ehemannes (i.F.: Schuldner), mit dem die Klägerin seit 1983 verheiratet ist, das (vereinfachte) Insolvenzverfahren eröffnet und die Beklagte zur Treuhänderin bestellt. In der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2002 beantragten die Klägerin und der Schuldner die Zusammenveranlagung. Im September 2003 erging ein entsprechender Steuerbescheid, wonach die Eheleute eine Nachzahlung von 230,86 € zu leisten hatten. Gegen diesen Bescheid legte die Beklagte Einspruch ein und beantragte die getrennte Veranlagung.

Das Finanzamt änderte im Einspruchsverfahren den Steuerbescheid und führte die getrennte Veranlagung durch. Danach hatte die Klägerin 3.467,87 € Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag nachzuzahlen, während zur Insolvenzmasse des Schuldners 1.056,48 € zu erstatten waren. Hiergegen erhob nunmehr die Klägerin Einspruch und stellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, dem das Finanzamt nachkam. Die Klägerin war bereit, die Nachzahlung von 230,86 € zu erbringen, weigerte sich jedoch, zur Rücknahme des Einspruchs den weiteren steuerlichen Nachteil der Insolvenzmasse von 1.056,48 € auszugleichen.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten, gegenüber dem zuständigen Finanzamt der Zusammenveranlagung für das Jahr 2002 zuzustimmen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landgericht, dessen Entscheidung in ZVI 2006, 255 veröffentlicht ist, hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung gegenüber dem Finanzamt zu. Das Wahlrecht des § 26 EStG sei kein persönliches und ausschließlich im ehelichen Verhältnis begründetes Recht, sondern ein vermögensrechtliches Verwaltungsrecht, welches mit der Verfahrenseröffnung auf den Insolvenzverwalter übergehe. Das Wahlrecht werde im Streitfall auch nicht durch die bürgerlich-rechtliche Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft oder den besonderen grundgesetzlichen Schutz der Ehe eingeschränkt. Die Wahl der getrennten Veranlagung durch die Beklagte sei sachlich gerechtfertigt. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt habe, der Insolvenzmasse die steuerlichen Nachteile im Innenverhältnis unter Beibehaltung der gemeinsamen Veranlagung auszugleichen. Ohne Auswirkung auf das Wahlrecht der Beklagten bleibe, ob sich die in der Wohlverhaltensperiode befindliche Klägerin durch dessen Ausübung erneut verschulden müsse.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Die Klage ist mit dem gestellten Sachantrag zulässig; ihr fehlt insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Beklagte kann ihren beschiedenen Einspruch gegen die Zusammenveranlagung der Klägerin und des Schuldners nach § 362 Abs. 1 AO nicht mehr zurücknehmen, obwohl der Einspruchsbescheid noch nicht bestandskräftig geworden ist (vgl. BFHE 181, 100, 102; Tipke/Kruse, AO § 362 Stand März 2003 Rn. 12). Die mit der Klage erstrebte Zustimmungserklärung der Beklagten zur Zusammenveranlagung der Klägerin und des Schuldners für den Zeitraum 2002 wäre aber auch im noch anhängigen Einspruchsverfahren der Klägerin beachtlich. Denn von der Beklagten wird das Wahlrecht des Schuldners zur Zusammenveranlagung gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2, § 26 Abs. 2, § 26b EStG nach § 80 Abs. 1 InsO und § 34 Abs. 1 und 3 AO ausgeübt. Eine spätere Änderung der nach § 26 Abs. 2 EStG getroffenen Wahl ist bis zur bestandskräftigen Veranlagung grundsätzlich zulässig (vgl. BFH, BStBl. II 2002, 408, 409 m.w.N.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist das Wahlrecht des § 26 Abs. 2 EStG kein höchstpersönliches Recht, sondern ein Verwaltungsrecht, welches beim Tode eines Ehegatten auf dessen Erben übergeht (vgl. BFHE 77, 754, 755 f; 81, 236, 239). Maßgeblich hierfür sind die erheblichen vermögensrechtlichen Auswirkungen des Antragsrechts für den Erben, der im Falle der Zusammenveranlagung als Gesamtrechtsnachfolger für die Steuerschulden nach § 45 AO haftet. Der Senat schließt sich der Auffassung des Bundesfinanzhofs auch für den Fall der Insolvenz eines Ehegatten an. Der Einordnung des Veranlagungswahlrechts als höchstpersönliches Recht steht entgegen, dass es zwar an die bestehende Ehe anknüpft, sich aber nur vermögensrechtlich auf diese auswirkt. Mit der Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses, die nach § 83 Abs. 1 Satz 1 InsO wegen ihrer höchstpersönlichen Natur ausschließlich dem Schuldner zusteht, ist es nicht vergleichbar. Ebensowenig gebietet der verfassungsrechtliche Grundsatz, wonach es sich bei der Zusammenveranlagung um eine am Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art. 3 Abs. 1 GG) orientierte sachgerechte Besteuerung handelt (vgl. BVerfGE 61, 319, 345 ff; BFH/NV 2002, 1137, 1138; 2005, 46 f), das Veranlagungswahlrecht als höchstpersönlich anzusehen.

Der Insolvenzverwalter hat nach § 34 Abs. 1 und 3 AO die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. Die Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters umfasst nach § 80 Abs. 1 InsO das zur Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO) gehörende Vermögen. Die vom Bundesfinanzhof angenommene Unübertragbarkeit des Wahlrechts (vgl. BFHE 191, 311, 317; BFH/NV 1996, 453, 454) steht der Ausübung durch den Insolvenzverwalter nicht entgegen (ebenso Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz 6. Aufl. S. 97 f Fn. 46; a.A. Weiss FR 1992, 255, 261; Kirchhof/Seiler, EStG 5. Aufl. § 26 Rn. 80). Zwar gehören unpfändbare Gegenstände des Schuldnervermögens nicht zur Insolvenzmasse und fallen deshalb nicht unter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Das Veranlagungswahlrecht selbst ist jedoch kein Vermögensgegenstand, sondern ein Verwaltungsrecht, welches lediglich vermögensrechtlichen Bezug aufweist. Der vom Veranlagungsergebnis abhängige Lohn- oder Einkommensteuererstattungsanspruch ist nach § 46 Abs. 1 AO pfändbar (BFHE 187, 1; BGHZ 157, 195) und gehört zur Insolvenzmasse seines Gläubigers. Das gilt auch, soweit der Erstattungsanspruch Veranlagungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrifft (vgl. BGH, Beschl. v. 12. Januar 2006 - IX ZB 239/04, WM 2006, 539, 540). Die Treuhänderin kann daher über den Erstattungsanspruch der Masse nach § 80 Abs. 1 InsO durch die von der Klägerin erstrebte Zustimmungserklärung wirksam verfügen.

2. Zur Begründung der Klage kommt allein der eherechtliche Anspruch gegen den Insolvenzschuldner in Betracht, an der einkommensteuerrechtlichen Zusammenveranlagung der Eheleute mitzuwirken (§ 1353 BGB). Ein gegen die Beklagte durchsetzbares Recht ist insoweit jedoch nicht begründet worden.

a) Ein Ehegatte braucht der einkommensteuerrechtlichen Zusammenveranlagung ohnehin nur Zug um Zug gegen eine bindende Zusage des anderen Teils zuzustimmen, seine gegenüber einer Getrenntveranlagung entstehenden steuerlichen Nachteile auszugleichen (BGHZ 155, 249, 253; BGH, Urt. v. 23. März 1983 - IVb ZR 369/81, NJW 1983, 1545, 1546; v. 3. November 2004 - XII ZR 128/02, NJW-RR 2005, 225 f). Dazu war trotz Aufforderung der Beklagten die Klägerin nicht bereit. Nach ihrer Vermögenslage wäre überdies von ihr auf Verlangen Sicherheit für den Zug um Zug gegen die Zustimmungserklärung geschuldeten Nachteilsausgleich zu leisten gewesen.

b) Eheleute können allerdings eine von der gesetzlichen Regel abweichende interne Aufteilung ihrer Einkommensteuerschulden vereinbaren. Ist danach bei der Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer der gegenüber der Getrenntveranlagung für einen von ihnen entstehende Nachteil nicht auszugleichen, kann die Zustimmung zur Zusammenveranlagung auch nicht von einer vereinbarungswidrigen Zusage abhängig gemacht werden. Eine solche Vereinbarung abweichender Aufteilung der Einkommensteuerlast kann bereits durch konkludentes Handeln zustande kommen (vgl. BGH, Urt. 20. März 2002 - XII ZR 176/00, NJW 2002, 1570 f; v. 12. Juni 2002 - XII ZR 288/00, NJW 2002, 2319, 2320 f). Das macht die Klägerin jedoch erstmals mit ihrer Revision geltend. Dieser neue Sachvortrag ist für das Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen. Dem in den Tatsacheninstanzen allein vorgetragenen Umstand einer seit mehreren Jahren durchgeführten Zusammenveranlagung lässt sich über die interne Aufteilung der Steuerschuld zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann nichts entnehmen. Ausgleichsansprüche aus derartigen Vereinbarungen wären ohnehin in der Insolvenz eines Ehegatten gegen diesen nicht durchzusetzen. Insolvenzbeständig wäre, sofern nicht angefochten, allenfalls ein vorweggenommener Erlass (§ 397 Abs. 1 BGB) des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs, wobei an die Feststellung des Erlasses strenge Anforderungen zu stellen sind (BGH, Urt. v. 10. März 2001 - VII ZR 356/00, NJW 2001, 2325; v. 7. März 2006 - VI ZR 54/05, NJW 2006, 1511, 1512).

c) Ob hier ein Rechtsbindungswille für die Zukunft zwischen den Eheleuten bei unterbliebenem Nachteilsausgleich schon aus dem Grunde ausscheiden muss, weil in den Veranlagungszeiträumen 2000 und 2001 die Klägerin ihrerseits das Verbraucherinsolvenzverfahren mit Ankündigung der Restschuldbefreiung durchlaufen hat, bedarf deshalb keiner Prüfung. Ebenfalls ist nicht zu entscheiden, ob die Rechtsverteidigung der Beklagten für einen Insolvenzverwalter als Anfechtung einer gesetzesabweichenden Aufteilungsvereinbarung gemäß § 134 InsO zu werten wäre. Die Beklagte war als Treuhänderin nach § 313 Abs. 2 InsO ohnedies nicht zur Anfechtung berechtigt und hat sich hierauf auch nicht berufen.

Ende der Entscheidung

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