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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.07.2006
Aktenzeichen: IX ZR 90/05
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 17 Abs. 1 Satz 2
Auf Rechtsanwälte und Steuerberater, denen aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein fremdes Unternehmen von diesem Leistungen der Altersversorgung zugesagt worden sind, finden die §§ 1 bis 16 BetrAVG entsprechende Anwendung.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 90/05

Verkündet am: 13. Juli 2006

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer und die Richter Dr. Ganter, Dr. Kayser, Vill und Dr. Detlev Fischer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 10. März 2005 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der 1928 geborene Kläger ist selbständiger Steuerberater und war als solcher seit 1967 für die Beklagte tätig. Für seine beratende Tätigkeit erhielt er eine monatliche Pauschale von zuletzt 900 DM. Die Fertigung der Jahresabschlüsse wurde gesondert vergütet. Zum Jahresschluss 1993 endete die regelmäßige Tätigkeit des Klägers für die Beklagte. Bereits 1982 hatte die Beklagte dem Kläger eine Pensionszusage erteilt, die am 2. Januar 1990 textlich neu gefasst wurde. Mit Vollendung des 65. Lebensjahres erhielt der Kläger ab 1. April 1993 die ihm zugesagte Pension von 700 DM, die sich aufgrund versprochener Steigerungen jährlich um 3 % erhöhte.

Im August 2003 stellte die Beklagte die Zahlungen ein. Mit Schreiben vom 1. September 2003 widerrief sie wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage die Pensionszusage und kündigte sie fristlos aus wichtigem Grund wegen drastischen Geschäftsrückgangs und deshalb drohender Insolvenz.

Der Kläger hat mit der Klage Zahlung der rückständigen Beträge und Weiterzahlung der zugesagten Pension einschließlich der versprochenen jährlichen Erhöhung um 3 % verlangt, außerdem ab 1. April 1999 einen Aufschlag von 0,35 % gemäß § 16 BetrAVG.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte lediglich hinsichtlich des Zuschlags gemäß § 16 BetrAVG Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag im Übrigen weiter.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Zusage sei wirksam erteilt worden. Die Schenkungsvorschriften fänden auf die Zusage keine Anwendung. Es habe sich nicht um eine unentgeltliche Leistung gehandelt. Die Zusage sei mit Rücksicht auf für die Beklagte geleistete Arbeit getätigt worden, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Zusage bereits lange für die Beklagte tätig gewesen sei.

Die Beklagte könne die Zusage auch nicht wegen wirtschaftlicher Notlage widerrufen. Zwar habe die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes eine solche Möglichkeit vorgesehen, die das Betriebsrentengesetz im Jahre 1974 im Kern auch durch § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG a.F. bestätigt habe. Diese Widerrufsmöglichkeit habe der Gesetzgeber aber mit Wirkung vom 1. Januar 1999 durch Streichung des § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG ersatzlos abgeschafft. Der Kläger falle auch gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG in den persönlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.

1. Die Pensionszusage der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Revision nicht als Schenkung anzusehen; sie bedurfte deshalb zu ihrer Wirksamkeit nicht der notariellen Beurkundung (§§ 518, 125 BGB).

Betriebliche Ruhegelder haben nach heutiger Auffassung nicht nur Versorgungs-, sondern auch Entgeltcharakter. Sie sind zugleich Gegenleistung aus dem Dienst- oder Arbeitsvertrag. Der Leistung des Versorgungsschuldners steht als Gegenleistung die von dem anderen Teil erbrachte und weiterhin erwartete Betriebstreue gegenüber (BGHZ 15, 71, 75; 55, 274, 280; 61, 31, 36; BGH, Urt. v. 24. November 1988 - IX ZR 210/87, ZIP 1989, 110, 116; BAGE 22, 252, 265; vgl. auch Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers S. 74).

In aller Regel ist davon auszugehen, dass eine Versorgungszusage sämtliche Leistungen, die der Berechtigte für das Unternehmen erbracht hat und noch erbringen soll, und damit seine beständige Betriebstreue für Vergangenheit und Zukunft abgilt. Deshalb spielt es regelmäßig keine Rolle, ob die Zusage im zeitlichen Zusammenhang mit einer Arbeitnehmertätigkeit oder einer Tätigkeit nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG steht oder ob sie dem Begünstigten in seiner Eigenschaft als Unternehmer erteilt wurde (BGH, Urt. v. 4. Mai 1981 - II ZR 100/80, ZIP 1981, 894, 895; v. 1. Juni 1981 - II ZR 140/80, ZIP 1981, 892, 893; v. 24. November 1988 aaO; v. 25. September 1989 - II ZR 259/88, ZIP 1989, 1418, 1419). In all diesen Fällen liegt keine Schenkung vor. Dies ergibt sich bei Arbeitnehmern aus der zutreffenden ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach ein Versorgungsversprechen nicht der Form des § 518 BGB bedarf, wenn es im Hinblick auf die geleistete oder noch zu leistende Arbeit erfolgt (BAGE 8, 38, 42; 20, 11, 19 f). Bei einer zugesagten Altersversorgung an eine unter § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG fallende Person gilt dies ebenfalls, wenn die Zusage aus Anlass dieser Tätigkeit erteilt worden ist (BAG DB 2001, 2102, 2104 unter II 2 der Gründe; BGH, Urt. v. 28. September 1981 - II ZR 181/80, ZIP 1982, 95, 96; Blomeyer/Otto, BetrAVG 3. Aufl. § 1 Rn. 29; Höfer, BetrAVG, Stand September 2004/Januar 2005, Rn. 218). Auch bei unternehmerischer Tätigkeit, die nicht dem BetrAVG unterfällt, hat der Bundesgerichtshof bei entsprechenden Zusagen § 518 BGB nicht angewandt (BGH, Urt. v. 24. November 1988 aaO; v. 4. Mai 1981 aaO; v. 1. Juni 1981 aaO; v. 25. September 1989 aaO).

Die Pensionszusage an den Kläger erfolgte ausweislich des Zusageschreibens der Beklagten vom 2. Januar 1990 in Anerkennung seiner bisher geleisteten Dienste und im Vertrauen darauf, dass er der Beklagten auch weiterhin die Treue halten werde. Danach hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass die Zusage mit Rücksicht auf die vom Kläger für die Beklagte geleisteten und zu leistenden Dienste erfolgte, also aus Anlass dieser Tätigkeit. Daran ändert sich nichts dadurch, dass dem Kläger auch Honorar bezahlt wurde.

2. Für den Kläger gelten gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG die Vorschriften der §§ 1 bis 16 BetrAVG entsprechend. Auch dies hat das Berufungsgericht zutreffend gesehen.

Der Kläger war nicht Arbeitnehmer der Beklagten (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG). Nach Satz 2 dieser Bestimmung gelten die §§ 1 bis 16 BetrAVG aber auch für Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, wenn ihnen Leistungen der Altersversorgung aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt wurden.

Zwar ist die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG nach Entstehungsgeschichte und Zweck des Gesetzes auf das Leitbild eines wirtschaftlich abhängigen und deshalb besonders schutzbedürftigen Arbeitnehmers ausgerichtet, so dass sie einschränkend auszulegen ist. Unter die Regelung fallen arbeitnehmerähnliche Personen (BGH, Urt. v. 29. Mai 2000 - II ZR 380/98, WM 2000, 1702, 1704; v. 3. Juli 2000 - II ZR 381/98, WM 2000, 2244, 2246; v. 15. Juli 2002 - II ZR 192/00, WM 2003, 599, 600). Der Begriff der "Personen, die nicht Arbeitnehmer sind" ist jedoch weiter.

Bei der Abgrenzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht auf die Vertragsparität abzustellen, obwohl diese in der Gesetzesbegründung angesprochen ist. Denn diese hat im Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG keinen ausreichenden Niederschlag gefunden. Auch die Bestimmung der Vertragsparität nach typischen Fallgruppen wäre der Rechtssicherheit abträglich (BGHZ 77, 94, 99 f). Dieser Auffassung haben sich das Bundesarbeitsgericht (BAGE 66, 1, 5; BAG DB 2001, 2102, 2103) und jedenfalls im Ergebnis das überwiegende Schrifttum angeschlossen (vgl. z.B. Blomeyer/Otto, aaO § 17 Rn. 46 ff; Everhardt BB 1981, 681 ff; Hommelhoff/Timm KTS 1981, 1 ff; Höfer, aaO § 17 Rn. 5557 ff; Kayser, in Festschrift Kirchhof, S. 259, 270 f).

Ausgehend vom Einzelkaufmann, der zweifelsfrei nicht dem Betriebsrentengesetz unterfällt, ist vielmehr darauf abzustellen, dass Unternehmer vom Insolvenzschutz ausgenommen werden sollen. Deshalb sind Betriebsrenten von Unternehmerrenten abzugrenzen (BGHZ 77, 94, 101 f; BAG DB 2001, 2102, 2103). Ein Unternehmer kann sich den Insolvenzschutz nicht dadurch verschaffen, dass er sich selbst eine Versorgungszusage erteilt (BAG DB 2001, 2102, 2103). Diese Personen sind nicht "für" ein Unternehmen tätig. Sie bedürfen nicht des Schutzes des Betriebsrentengesetzes, weil sie kraft ihres maßgeblichen Einflusses die Unternehmensgeschicke selbständig leiten und ihnen die Folgen der Ausübung ihrer unternehmerischen Freiheit allein zuzuordnen sind (BGHZ 77, 94, 100 f; BGH, Urt. v. 2. Juni 1997 - II ZR 181/96, ZIP 1997, 1351, 1352; Goette ZIP 1997, 1317 ff).

Unter § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG fallen daher nicht Personen, die sowohl vermögens- wie einflussmäßig mit dem Unternehmen, für das sie arbeiten, so stark verbunden sind, dass sie es wirtschaftlich als ihr eigenes betrachten können (vgl. BGHZ 77, 94, 96 ff; 108, 330, 333; BGH, Urt. v. 2. Juni 1997 aaO; Kayser, aaO S. 271). Hierzu gehören etwa die persönlich haftenden Gesellschafter einer OHG oder KG oder die Allein- oder Mehrheitsgesellschafter einer Kapitalgesellschaft (BGHZ 77, 94, 101 ff; 77, 233, 241 f; 108, 330, 333; BGH, Urt. v. 24. November 1988 - IX ZR 210/87, ZIP 1989, 110, 117).

Soweit keine Tätigkeit für ein eigenes Unternehmen erbracht wird, ist dagegen § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG anwendbar. Deshalb werden auch Rechtsanwälte und Steuerberater erfasst, die für ein fremdes Unternehmen als Selbständige tätig sind (vgl. schon BGHZ 77, 94, 99 f). Eine arbeitnehmerähnliche Position infolge wirtschaftlicher Abhängigkeit und sozialer Schutzbedürftigkeit dieser Personen ist zwar möglich (vgl. Blomeyer/Otto, aaO § 17 Rn. 92; Höfer, aaO Rn. 5577), keineswegs aber Voraussetzung (Blomeyer/Otto, aaO § 17 Rn. 93; Höfer, aaO Rn. 5578 f; Bode in Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/Pühler, BetrAVG, 2. Aufl. § 17 Rn. 3).

Der Kläger, der bei Erteilung der ersten Versorgungszusage im Jahre 1982 bereits 15 Jahre, bei Erteilung der neu formulierten Zusage 1990 ca. 23 Jahre und bei Eintritt in den Ruhestand ca. 26 Jahre für die Beklagte tätig war, hat eine Tätigkeit für die Beklagte als fremdes Unternehmen i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG ausgeübt.

3. Ein Widerruf oder eine Kündigung der Versorgungszusage ist nicht wirksam erfolgt. Auch dies hat das Berufungsgericht richtig gesehen.

a) Die rechtliche Prüfung des Widerrufs der Beklagten erfolgt nach der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung des Betriebsrentengesetzes. Dies ergibt sich aus § 31 BetrAVG, wonach auf Sicherungsfälle, die vor dem 1. Januar 1999 eingetreten sind, das Betriebsrentengesetz in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden ist. Setzte sich der Arbeitgeber vorher nicht mit dem Träger der Insolvenzsicherung in Verbindung, trat der Sicherungsfall nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG a.F. frühestens dann ein, wenn die Ansprüche des Betriebsrentners aufgrund einer entsprechenden Erklärung des Versorgungsschuldners teilweise oder gänzlich gefährdet waren (BAGE 106, 327, 336 f). Da sich die Beklagte ohne vorherige Befassung des Trägers der Insolvenzsicherung erst im August/September 2003 gegenüber dem Kläger auf eine wirtschaftliche Notlage berufen hat, richtet sich die Beurteilung nach der seit 1. Januar 1999 geltenden Rechtslage (BAGE 106, 327, 337).

b) Seit der Neufassung der Regeln über den gesetzlichen Insolvenzschutz in § 7 Abs. 1 BetrAVG zum 1. Januar 1999 ist ein Widerruf von insolvenzgeschützten Versorgungsansprüchen und unverfallbaren Anwartschaften wegen wirtschaftlicher Notlage nicht mehr zulässig (BAGE 106, 327, 337 ff). Das Bundesarbeitsgericht hatte zwar vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes und damit vor Einführung des gesetzlichen Insolvenzschutzes angenommen, ein Arbeitgeber könne auch ohne ausdrücklichen Widerrufsvorbehalt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage unter ganz engen Voraussetzungen die Zahlung eines versprochenen Ruhegeldes aus Gründen einer wirtschaftlichen Notlage verweigern, wenn und solange bei ungekürzter Weiterzahlung der Bestand des Unternehmens gefährdet war. Diese Grundsätze hatte der Gesetzgeber auch in modifizierter Form in § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG vom 19. Dezember 1974 aufgenommen (BAGE 106, 327, 337).

Die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG ist jedoch durch Art. 91 EGInsO mit Wirkung vom 1. Januar 1999 ersatzlos gestrichen worden. Wegen der vom Gesetzgeber gewollten Verknüpfung von Widerrufsrecht und Insolvenzschutz entspricht es auch dem Willen des Gesetzgebers, dass mit dem Wegfall des Insolvenzschutzes für diesen Fall auch das Widerrufsrecht weggefallen ist. Ein Rückgriff auf die Grundsätze der nunmehr in § 313 BGB geregelten Störung der Geschäftsgrundlage ist damit nach der gesetzgeberischen Wertung ausgeschlossen (BAGE 106, 327, 339). Dasselbe gilt für die nunmehr allgemein in § 314 BGB geregelte Möglichkeit der Kündigung von Dauerschuldverhältnissen.

Vielmehr gilt allgemein im Betriebsrentenrecht wieder der Grundsatz, wonach fehlende Leistungsfähigkeit in aller Regel kein Grund ist, sich von übernommenen Zahlungspflichten lösen zu können. Der Gesetzgeber hat vielmehr für wirtschaftliche Notlagen nur die Möglichkeit des außergerichtlichen Vergleichs gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BetrAVG unter Einschaltung des Träger der Insolvenzsicherung belassen und verweist den Arbeitgeber ansonsten auf den Weg des Insolvenzverfahrens (BAGE 106, 327, 339).

c) Dieser gesetzlichen Neuregelung stehen verfassungsrechtliche Bedenken nicht entgegen (vgl. BAGE 106, 327, 340). Solche werden von der Revision auch nicht geltend gemacht.

Ende der Entscheidung

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