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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.07.2003
Aktenzeichen: IXa ZB 146/03
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 788 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
18. Juli 2003
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft, die Richter Raebel, von Lienen, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf und Roggenbuck
am 18. Juli 2003
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 19. März 2003 wird auf Kosten des Schuldners zu 3. zurückgewiesen
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 22,43 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Durch einen vor dem Amtsgericht Krefeld am 3. Juni 2002 in ihrer Anwesenheit geschlossenen Vergleich verpflichteten sich die vier Schuldner (als Gesamtschuldner), an den Gläubiger 766,94 € zu zahlen. Mit Schreiben vom 18. Juni 2002 forderte der Gläubiger jeden Schuldner auf, zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen die Vergleichssumme bis spätestens 28. Juni 2002 zu begleichen. Zahlung erfolgte Anfang Juli 2002.
Zum Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung lag dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs vor. Am 19. Juni 2002 wurde den Schuldnern das Sitzungsprotokoll nebst der Niederschrift des abgeschlossenen Vergleichs zugestellt. Zur Zustellung einer vollstreckbaren Ausfertigung an sie kam es nicht mehr.
Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2002 beantragte der Gläubiger, für das Zahlungsaufforderungsschreiben vom 18. Juni 2002 gegen jeden der Schuldner Zwangsvollstreckungskosten in Höhe von 22,43 € festzusetzen, die sich aus einer 3/10 Vollstreckungsgebühr gemäß § 57 Abs. 1 BRAGO und der Auslagenpauschale zusammensetzen.
Das Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt hat mit Beschluß vom 30. Dezember 2002 den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Landgericht Mönchengladbach entschieden, daß jeder Schuldner an den Gläubiger die geltend gemachten Zwangsvollstreckungskosten in Höhe von jeweils 22,43 € nebst (Zinsen in Höhe von) 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 25. Juni 2002 zu zahlen hat. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Schuldners zu 3., mit der er die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags erstrebt.
II.
Das gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts steht dem Rechtsanwalt, der als Gläubiger eine eigene Forderung vollstreckt, für ein Zahlungsaufforderungsschreiben mit Vollstreckungsandrohung eine 3/10 Vollstreckungsgebühr gemäß § 57 Abs. 1 BRAGO zu. Nach § 788 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 ZPO könne der Gläubiger die der Höhe nach zutreffend errechnete Gebühr von 22,43 € als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung von jedem der Schuldner erstattet verlangen. Denn zum Zeitpunkt der Fertigung des Zahlungsaufforderungsschreibens am 18. Juni 2002 sei nicht nur eine angemessene Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Erfüllung der titulierten Forderung verstrichen gewesen, sondern es hätten auch alle Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung mit Ausnahme der Zustellung einer vollstreckbaren Ausfertigung des gerichtlichen Vergleichs vorgelegen. Die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung sei nicht Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit, weil sie nach § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO zusammen mit der ersten Vollstreckungshandlung erfolgen könne. Da die beim Abschluß des Vergleichs persönlich anwesenden Schuldner seit dem 3. Juni 2002 ihre unbedingte Zahlungsverpflichtung gekannt hätten, sei für die Angemessenheit der Frist von diesem Tag auszugehen.
2. Demgegenüber meint die Rechtsbeschwerde, die Erstattungsfähigkeit von Kosten einer Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung setze gemäß § 788 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 ZPO voraus, daß dem Schuldner eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels zugestellt worden und ihm eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der titulierten Forderung eingeräumt worden sei, die erst ab der Zustellung zu laufen beginne.
3. Der Standpunkt der Rechtsbeschwerde vermag nicht zu überzeugen.
a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, daß das Schreiben eines Rechtsanwalts, durch das der Schuldner zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung zur Zahlung aufgefordert wird, die Zwangsvollstreckung vorbereitet und deshalb eine 3/10 Vollstreckungsgebühr gemäß § 57 Abs. 1 BRAGO auslöst (vgl. KG JurBüro 1983, 242; von Eicken in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO 15. Aufl. § 57 Rn. 16). Wie sich aus § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO ergibt, gilt dies auch für einen Rechtsanwalt, der als Gläubiger eine eigene Forderung vollstreckt (Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, aaO § 1 Rn. 77). Das an jeden einzelnen der Gesamtschuldner gerichtete Schreiben vom 18. Juni 2002 ließ die Vollstreckungsgebühr jeweils anfallen, da es sich um mehrere Angelegenheiten im Sinne der §§ 57 Abs. 1, 58 BRAGO handelt (vgl. von Eicken, aaO § 58 Rn. 3; Riedel/Sußbauer/Keller, BRAGO 8. Aufl. § 58 Rn. 8, jeweils m.w.N.).
b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht die Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als notwendig im Sinne des § 788 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 ZPO angesehen und deshalb die der Höhe nach unstreitige Gebühr von 22,43 € als erstattungsfähig bejaht.
Die Notwendigkeit von Vollstreckungshandlungen, die Kosten für den Schuldner auslösen, bestimmt sich nach dem Standpunkt des Gläubigers zum Zeitpunkt ihrer Vornahme. Wesentlich dabei ist, ob der Gläubiger bei verständiger Würdigung der Sachlage die Maßnahme zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich halten durfte, wobei dem Schuldner eine nach den jeweiligen Umständen angemessene Frist zur freiwilligen Leistung einzuräumen ist (vgl. MünchKomm-ZPO/Schmidt, 2. Aufl. § 788 Rn. 21; Zöller/Stöber, ZPO 23. Aufl. § 788 Rn. 9a m.w.Nachw.).
Die durch eine Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung ausgelöste Vollstreckungsgebühr ist dann gemäß § 788 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 ZPO erstattungsfähig, wenn der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels ist, die Fälligkeit der titulierten Forderung eingetreten ist und dem Schuldner eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung eingeräumt war. Ob darüber hinaus auch die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung an den Schuldner erforderlich ist, ab der erst die Wartefrist zu laufen beginnt, ist umstritten (vgl. bejahend: OLG München MDR 1989, 652; OLG Bremen JurBüro 1984, 298; OLG Düsseldorf, JurBüro 1981, 1028; verneinend: OLG Frankfurt JurBüro 1988, 786; OLG Köln JurBüro 1986, 1582; KG JurBüro 1983, 242; OLG Saarbrücken JurBüro 1982, 242).
Der Senat folgt der Meinung, der Erstattungsfähigkeit der anwaltlichen Vollstreckungsgebühr für eine an den Schuldner gerichtete Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung stehe nicht entgegen, daß der Rechtsanwalt nicht zuvor die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels bewirkt hatte. Vielmehr ist sie bereits dann zu bejahen, wenn der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung im Besitz hat und dem Schuldner vor der anwaltlichen Zahlungsaufforderung ein den Umständen nach angemessener Zeitraum zur freiwilligen Erfüllung zur Verfügung stand (vgl. KG JurBüro 1983, 242; Zöller/Stöber, aaO § 788 Rn. 6). Denn auch die Kosten eines im Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung an ihrer Stelle erteilten Vollstreckungsauftrages wären unter diesen Voraussetzungen als notwendig anzuerkennen, weil der Gläubiger den Gerichtsvollzieher gemäß § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit der Zustellung und der Pfändung gleichzeitig beauftragen kann und der Schuldner zusätzlich mit den dadurch entstehenden Kosten belastet wird. Demgegenüber stellt sich ein Zahlungsaufforderungsschreiben mit Vollstreckungsandrohung als eine den Schuldner schonendere Maßnahme dar (vgl. KG aaO).
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich im Streitfall bei der für die Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung vom 18. Juni 2002 entstandenen Vollstreckungsgebühr um notwendige und damit erstattungsfähige Kosten der Zwangsvollstreckung (§ 788 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 ZPO). An diesem Tag war der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs. Auch hatte er die schutzwürdigen Belange des Schuldners gewahrt und eine angemessene Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Erfüllung der titulierten Forderung verstreichen lassen, so daß eine voreilige Vollstreckungsmaßnahme nicht vorlag. Da es für die Vollstreckung aus einem Prozeßvergleich keine gesetzliche Wartefrist (§ 798 ZPO) gibt, hatte die Wartefrist bereits am Tag des Vergleichsschlusses zu laufen begonnen. Denn der beim Vergleichsschluß persönlich anwesende Schuldner kannte seit diesem Tage seine unbedingte Zahlungsverpflichtung, weil eine Zahlungsfrist im Vergleich nicht vereinbart und damit die Vergleichssumme sofort zur Zahlung fällig war. Da die Schuldner innerhalb einer angemessenen Zahlungsfrist ohne Angabe von Gründen ihrer Zahlungsverpflichtung nicht nachgekommen waren, durfte der Gläubiger Vollstreckungsmaßnahmen für erforderlich halten.
Ende der Entscheidung
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