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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.07.2003
Aktenzeichen: IXa ZB 148/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 829 | |
BGB § 412 | |
BGB § 401 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 18. Juli 2003
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft, die Richter Raebel, v. Lienen, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf und Roggenbuck am 18. Juli 2003
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers werden der Beschluß der 1b Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 31. März 2003 und der Beschluß des Amtsgerichts Schwäbisch Hall vom 19. Februar 2003, soweit er zum Nachteil des Gläubigers ergangen ist, aufgehoben.
Die angeblichen Ansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung aus dem Bankvertragsverhältnis sind gepfändet.
Die Schuldnerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Wert: bis 300 €
Gründe:
I. Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Geldforderung in Höhe von 165,25 € nebst Zinsen und Kosten (insgesamt 762,66 €). Das Amtsgericht hat auf seinen Antrag am 22. Januar 2003 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erlassen, der die angeblichen, im einzelnen näher bezeichneten Forderungen der Schuldnerin aus ihrer Geschäftsverbindung zur Drittschuldnerin umfaßt. Davon ausgenommen hat das Amtsgericht den Anspruch "auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung aus dem Bankvertragsverhältnis". Die gegen diese teilweise Zurückweisung des Pfändungsantrags gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet er sich mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet; gemäß § 577 Abs. 5 ZPO kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.
1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch nicht pfändbar. Er beruhe auf einer Geschäftsbesorgung gemäß § 675 BGB, der Dienstleistungen im Sinne der §§ 611 ff. BGB zum Gegenstand habe. Gemäß § 613 Satz 2 BGB sei der Anspruch auf die Dienste im Zweifel nicht übertragbar; gerade im Bereich des Bankvertrages bestehe eine begründete Vermutung dafür, daß nach dem Willen der Vertragsparteien Daten und Informationen nicht an Dritte - hier den Gläubiger - weitergegeben werden sollten. Die Interessen des Gläubigers seien durch § 840 ZPO ausreichend gewahrt; ihm stünden auch keine weitergehenden Auskünfte zu, als er im Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erhalten könne.
Demgegenüber macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Ansprüche gemäß §§ 675, 666 BGB seien unselbständige Nebenrechte zur Hauptforderung aus dem Bankverhältnis, die ohne weiteres auf den Pfändungsgläubiger übergingen und nicht den Beschränkungen des § 613 Satz 2 BGB unterworfen seien. Diese Ansprüche seien vertraglicher Natur und von den gesetzlichen Auskunftsansprüchen nach § 840 ZPO und §§ 807, 900 ff. ZPO abzugrenzen.
2. Dem Standpunkt der Rechtsbeschwerde ist beizupflichten.
a) Die vom Amtsgericht ausgesprochene Pfändung erstreckt sich auf die Forderungen der Schuldnerin aus der Geschäftsverbindung zur Drittschuldnerin einschließlich aller Nebenansprüche und Nebenrechte. Zu letzteren zählt ihr Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung gemäß §§ 666, 675 BGB, der der Feststellung des Gegenstandes und des Betrages des Hauptanspruches dient. Er kann nicht selbständig, d.h. nicht allein, gepfändet werden. Die mit der - hier erfolgten - Pfändung des Hauptrechts verbundene Beschlagnahme erstreckt sich aber ohne weiteres auch auf alle Nebenrechte, die im Falle einer Abtretung nach §§ 412, 401 BGB auf den Gläubiger übergehen (BGH, Beschluß vom 16. Juni 2000 - BLw 30/99 - ZIP 2000, 1444 unter II 3; vom 22. November 2000 - BLw 1/00 - NL-BzAR 2001, 119 unter II 2 a; Urteil vom 18. Juni 1998 - IX ZR 311/95 - WM 1998, 1689 unter I 1; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 990, 991; LG Frankfurt a.M. MDR 1986, 594; LG Aachen JurBüro 1991, 873; Stein/Jonas/Brehm, ZPO 21. Aufl. § 829 Rdn. 80; Stöber, Forderungspfändung 13. Aufl. Rdn. 669, 1741; Musielak/Becker, ZPO 3. Aufl. § 829 Rdn. 21; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz 3. Aufl. § 829 ZPO Rdn. 57). Einer gesonderten Neben- oder Hilfspfändung bedarf es dazu nicht (Stein/Jonas/Brehm, aaO; Stöber, aaO Rdn. 1741, 940). Das Vollstreckungsgericht kann jedoch auf Antrag des Gläubigers in dem das Hauptrecht pfändenden Beschluß die Mitpfändung aussprechen (Stöber, aaO Rdn. 1741).
Einen solchen Antrag hat der Gläubiger gestellt; das Vollstreckungsgericht ist dem nicht nachgekommen. Die Wirkungen der Pfändung sind daher durch das Rechtsbeschwerdegericht festzustellen. Denn das Vollstreckungsgericht hat den diesbezüglichen Antrag des Gläubigers nicht mit der Begründung zurückgewiesen, der begehrte Ausspruch der Pfändungswirkungen sei mit Blick auf die Pfändung des Hauptrechts entbehrlich. Es hat vielmehr die Ansicht vertreten, eine Mitpfändung scheide nach den §§ 851 Abs. 1 ZPO, 675, 613 Satz 2 BGB aus.
b) Das ist nicht richtig, auch wenn die gepfändeten Ansprüche der Schuldnerin einem Girovertrag mit Kontokorrentabrede entstammen, der als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter im Sinne der §§ 675, 611 ff. BGB zu qualifizieren ist (BGH, Urteil vom 4. Juli 1985 - III ZR 144/84 - MDR 1986, 32 f.; vgl. ferner BGH, Urteil vom 24. September 2002 - XI ZR 345/01 - WM 2002, 2281 unter II 1 b bb). Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß nicht alle von einem Geldinstitut daraus geschuldeten Dienstleistungen personengebundenen Charakter im Sinne des § 613 Satz 2 BGB haben. Insbesondere sind die vom Gläubiger in der Hauptsache gepfändeten Ansprüche auf Auszahlung einer Geldsumme nicht auf eine Dienstleistung gerichtet. Es handelt sich um schlichte Geldforderungen, die - wie andere Geldforderungen auch - grundsätzlich übertragbar und pfändbar sind. Der Umstand, daß das zugrunde liegende Rechtsverhältnis als Dienstleistungsvertrag einzuordnen ist, ändert daran nichts (BGHZ 84, 325, 329 ff.). Ist aber die Höchstpersönlichkeit der als Hauptforderung gepfändeten Leistung zu verneinen, gilt dies auch für unselbständige Nebenrechte, die lediglich darauf abzielen, zugunsten des Gläubigers Gegenstand und Betrag des Hauptanspruchs zu ermitteln.
Ende der Entscheidung
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