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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 31.10.2003
Aktenzeichen: IXa ZB 197/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 121 Abs. 2
Die vom Schuldner im Zwangsversteigerungsverfahren beantragte Beiordnung eines Rechtsanwalts setzt voraus, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Erfolgsaussicht läßt sich nur beurteilen, wenn der Schuldner darlegt, gegen welche vollstreckungsgerichtliche Maßnahme er sich im einzelnen wenden oder wie er sich sonst konkret am Verfahren beteiligen möchte; die pauschale Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Verfahren insgesamt kommt bei der Immobiliarvollstreckung nicht in Betracht.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IXa ZB 197/03

vom 31. Oktober 2003

in dem Zwangsversteigerungsverfahren

Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft, die Richter Raebel, Dr. Boetticher, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf und Roggenbuck am 31. Oktober 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 11. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 20. Juni 2003 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 27.000 €

Gründe:

I. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus dinglichem Titel in Grundbesitz, der dem Schuldner und seiner geschiedenen Ehefrau je zu 1/2 gehört. Der erstinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners beantragte, diesem Prozeßkostenhilfe unter seiner Beiordnung zu bewilligen, um dem Zwangsversteigerungsverfahren zum Zwecke der Teilungsversteigerung beitreten zu können. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Dagegen hat der Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, er wolle allgemein im Zwangsversteigerungsverfahren anwaltlich vertreten sein, um insbesondere zu verhindern, daß das Grundstück unter Wert veräußert werde. Seine Beschwerde hatte vor dem Landgericht keinen Erfolg. Dagegen wendet er sich mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II. Das gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, es fehle an den Voraussetzungen des § 114 ZPO. Mangels Gleichartigkeit der Verfahren könne der Schuldner dem Vollstreckungsversteigerungsverfahren nicht mit dem Ziel beitreten, die Teilungsversteigerung durchzuführen. Für das Vollstreckungsversteigerungsverfahren selbst sei die Rechtsverfolgung des Schuldners derzeit nicht zu bestimmen, so daß sich eine Erfolgsaussicht nicht feststellen lasse. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß das Verfahren mit Mängeln behaftet oder in seiner Durchführung unzulässig sei. Es sei ferner nicht erkennbar, daß der Schuldner künftig in seinen Rechten verletzt werde. Ihm bleibe immer noch die Möglichkeit, entsprechend seiner Interessenlage in den einzelnen Verfahrensstadien zu reagieren. Erst dann verfolge er ein konkretes Ziel, dessen Erfolgsaussicht geprüft werden könnte. Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe als vorbeugende Maßnahme sehe das Gesetz nicht vor. Ohne daß die Voraussetzungen des § 114 ZPO erfüllt seien, komme auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Betracht.

Die Rechtsbeschwerde stellt nicht in Frage, daß auch im Zwangsversteigerungsverfahren das Vorgehen der antragstellenden Partei Aussicht auf Erfolg haben muß. Sie meint jedoch, daß nach dem Grundsatz der Waffengleichheit die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich sei, wenn der Gegner in gleicher Weise rechtlich unterstützt werde. Die Gläubigerin sei im gegebenen Fall zwar nicht anwaltlich vertreten. Als Bank verfüge sie aber über eine dem Schuldner weit überlegene Sachkenntnis im Zwangsversteigerungsverfahren; aus der Eigenschaft als Gläubiger und Schuldner ergebe sich eine "natürliche Gegnerschaft" der Parteien.

2. Dem Standpunkt der Rechtsbeschwerde kann nicht gefolgt werden.

a) Sie räumt ein, daß die vom Schuldner beantragte Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 121 Abs. 2 ZPO nur in Betracht kommt, wenn sich zuvor die Voraussetzungen des § 114 ZPO bejahen lassen (MünchKomm-ZPO/Wax, ZPO 2. Aufl. § 114 Rdn. 65; Stein/Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. § 121 Rdn. 2; LG Münster Rpfleger 1995, 36; LG Krefeld Rpfleger 1988, 156; LG Bielefeld Rpfleger 1987, 210). Bei mangelnder Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder -verteidigung scheidet eine Beiordnung aus, selbst wenn der Gegner anwaltlich vertreten, der antragstellenden Partei in sonstiger Weise überlegen sein oder sich die Sach- und Rechtslage so schwierig gestalten sollte, daß die Partei zu einer sachgerechten Wahrnehmung ihrer Interessen anwaltlichen Beistandes bedarf. Denn § 121 ZPO regelt lediglich, wann der Partei, der Prozeßkostenhilfe zu bewilligen ist, zusätzlich ein Rechtsanwalt beigeordnet werden muß (vgl. BGHZ 91, 305, 315). Ob ihr aber überhaupt Prozeßkostenhilfe zu gewähren ist, bestimmt sich ausschließlich nach § 114 ZPO. Nur wenn die dort genannten, verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl. BVerfGE 56, 139, 143) Voraussetzungen vorliegen, ist die unbemittelte der bemittelten Partei gleichzustellen. Für das Zwangsvollstreckungsverfahren ergeben sich insoweit keine Besonderheiten. Die von § 114 ZPO geforderte Erfolgsaussicht läßt sich auch dort ex ante beurteilen, worauf das Beschwerdegericht zutreffend verweist. Das gilt für den Gläubiger, der seinen titulierten Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen will, ebenso wie für den Schuldner, der sich gegen konkrete vollstreckungsrechtliche Eingriffe zur Wehr setzen möchte. Soweit im Zuge des Prozeßkostenhilfe-Änderungsgesetzes vom 10. Oktober 1994 (BGBl. I, 2954 f.) in den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drucks. 13/341, 13) eine abweichende - allein auf die Person des Vollstreckungsgläubigers bezogene - Auffassung vertreten wurde, ist dies in den Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO nicht zum Ausdruck gekommen.

b) Das Beschwerdegericht hat im gegebenen Fall eine Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verneint. Das nimmt die Rechtsbeschwerde hin; die Ausführungen des Beschwerdegerichts lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen. Die pauschale Bewilligung von Prozeßkostenhilfe kommt für den Schuldner allein bei der Zwangsvollstreckung in bewegliches Vermögen in Betracht (arg. e. § 119 Abs. 2 ZPO). Bei der Immobiliarvollstreckung kann Prozeßkostenhilfe nicht insgesamt, sondern nur für einzelne Verfahrensabschnitte und Verfahrensziele gewährt werden (Musielak/Fischer, ZPO 3. Aufl. § 119 Rdn. 8; MünchKomm-ZPO/Wax, aaO; Stein/Jonas/Bork, aaO § 119 Rdn. 15; LG Bielefeld aaO; LG Münster aaO; LG Krefeld aaO; a.A. Zöller/Philippi, ZPO 23. Aufl. § 119 Rdn. 33 f.; Stöber, ZVG 17. Aufl. Einleitung 4.52). Das Zwangsversteigerungsgesetz sieht eine Vielzahl von Möglichkeiten für eine Beteiligung des Schuldners am Verfahren vor, deren Erfolgsaussichten für den Einzelfall geprüft werden müssen. Von welchen der ihm eröffneten Möglichkeiten er Gebrauch machen möchte, hat der Schuldner hier nicht deutlich gemacht. Soweit er sich darauf beruft, er wolle eine Veräußerung des Grundbesitzes unter Wert verhindern, ist dies zu allgemein gehalten und läßt konkret beabsichtigte Abwehrmaßnahmen gegen die Art und Weise, wie das Zwangsversteigerungsverfahren durchgeführt wird, nicht erkennen. Das Beschwerdegericht hat zu Recht keinen Anhalt dafür gesehen, daß Rechtsverletzungen des Schuldners eingetreten sind oder künftig drohen. Es läßt sich daher derzeit nicht beurteilen, inwieweit der Schuldner mit Erfolg in den Ablauf des Zwangsversteigerungsverfahrens eingreifen könnte.



Ende der Entscheidung

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