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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.05.2004
Aktenzeichen: IXa ZB 224/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 807
ZPO §§ 899 ff.
Kommt die Pfändung eines Taschengeldanspruchs in Betracht, hat der Schuldner in dem Vermögensverzeichnis das Nettoeinkommen des Ehepartners anzugeben.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IXa ZB 224/03

vom

19. Mai 2004

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft, die Richter Raebel, Athing, Dr. Boetticher und die Richterin Dr. Kessal-Wulf

am 19. Mai 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubiger wird der Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 31. Juli 2003 aufgehoben, soweit er zum Nachteil der Gläubiger ergangen ist.

Auf die sofortige Beschwerde der Gläubiger wird der Beschluß des Amtsgerichts Leonberg vom 18. April 2002 weiter dahin geändert, daß der Gerichtsvollzieher ferner angewiesen wird, den Antrag der Gläubiger nicht mit der Begründung zurückzuweisen, der Schuldner sei nicht verpflichtet, Angaben zur Höhe des Nettoeinkommens seiner Ehefrau zu machen.

Die Kosten der Rechtsmittel hat der Schuldner zu tragen.

Beschwerdewert: 1.500 €.

Gründe:

I.

Die Gläubiger betreiben gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Hauptforderung von 2.438,12 € nebst Zinsen und Kosten. Im August 1999 gab der Schuldner die eidesstattliche Versicherung ab. Er erklärte unter anderem, daß er über kein eigenes Einkommen verfüge und von seiner Ehefrau nicht dauernd getrennt lebe.

Das Gesuch der Gläubiger, den Schuldner zur Nachbesserung seiner eidesstattlichen Versicherung zu veranlassen, Angaben zu dem Beruf, dem Arbeitgeber und zu der Höhe des Einkommens der Ehefrau zu machen, lehnte der Gerichtsvollzieher ab. Die hiergegen eingelegte Erinnerung wies das Amtsgericht zurück.

Über die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde der Gläubiger hat zunächst der Einzelrichter entschieden; die erste Rechtsbeschwerde führte deshalb zur Aufhebung und Zurückverweisung (zur Rechtslage vgl. BGHZ 154, 200). Auf die sofortige Beschwerde hat das Landgericht nunmehr den Beschluß des Amtsgerichts dahin abgeändert, daß der Gerichtsvollzieher angewiesen wird, ein vollständiges Vermögensverzeichnis aufzunehmen, in welchem der Schuldner ergänzend zu den bisher aufgenommenen Angaben die Frage beantwortet, ob und gegebenenfalls welchen Beruf sein Ehegatte ausübt und wer dessen Arbeitgeber ist. Im übrigen hat es die sofortige Beschwerde unter Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im übrigen gemäß § 575 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Nach Auffassung des Landgerichts ist der Schuldner zwar verpflichtet, Angaben über eine etwaige Berufstätigkeit seiner Ehefrau zu machen. Da § 807 ZPO nur Angaben zum eigenen Vermögen des Schuldners verlange, erstrecke sich seine Offenbarungspflicht aber nicht auch auf die Höhe des Einkommens der Ehefrau. Zur Wahrung der Interessen der Gläubiger seien Angaben hierzu nicht zwingend erforderlich, weil schon die Angaben des Berufes und der Arbeitsstelle der Ehefrau es den Gläubigern ermöglichten, das von ihnen vermutete Einkommen der Ehefrau zu behaupten.

Demgegenüber ist die Rechtsbeschwerde der Auffassung, die Offenbarungspflicht des Schuldners erstrecke sich auch auf die Höhe des Einkommens seiner Ehefrau. Dies ergebe sich aus dem Zweck des Verfahrens nach § 807 ZPO, dem Gläubiger Informationen über das Vorhandensein von vollstreckungsfähigem Vermögen des Schuldners zu verschaffen und ihm Unterlagen für weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zugänglich zu machen. Ohne Angaben zur Höhe des Nettoeinkommens des Ehepartners habe ein Antrag auf Pfändung und Überweisung des Taschengeldanspruchs eines Schuldners gegen seinen Ehegatten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Da der Taschengeldanspruch nur unter den Voraussetzungen des § 850b Abs. 2 ZPO bedingt pfändbar sei, habe der Gläubiger das Vorliegen dieser Voraussetzungen darzulegen und hierzu substantiierte Angaben über das Bestehen und die Höhe des Taschengeldanspruchs zu machen. Dies sei ihm aber nur dann möglich, wenn ihm zumindest das Nettoeinkommen des verdienenden Ehegatten des Schuldners bekannt sei.

2. Die Auffassung der Rechtsbeschwerde ist zutreffend.

a) Die Offenbarungspflicht des gemäß §§ 807, 899 ff ZPO zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichteten Schuldners erstreckt sich auch auf einen etwaigen Taschengeldanspruch gegen seinen Ehegatten. Einem haushaltführenden Ehegatten steht, sofern nicht das Familieneinkommen schon durch den notwendigen Grundbedarf der Familienmitglieder restlos aufgezehrt wird (vgl. BGH, Urt. v. 21. Januar 1998 - XII ZR 140/96, NJW 1998, 1553, 1554 m.w.N.), ein Anspruch auf Zahlung eines Taschengelds zu, dessen Höhe sich nach den im Einzelfall gegebenen Vermögensverhältnissen, dem Lebensstil und der Zukunftsplanung der Ehegatten richtet und üblicherweise mit einer Quote von 5 bis 7 % des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens bemessen wird (BGH aaO; BGH, Urt. v. 15. Oktober 2003 - XII ZR 122/00, NJW 2004, 674, 677). Der Taschengeldanspruch ist gemäß § 850b Abs. 2 ZPO bedingt pfändbar (BGH, Beschl. v. 19. März 2004 - IXa ZB 57/03, m.N., zur Veröffentlichung bestimmt).

b) In dem gemäß § 807 Abs. 1 ZPO vorzulegenden Vermögensverzeichnis hat der Schuldner für seine Forderungen den Grund und die Beweismittel zu bezeichnen. Soweit es den Taschengeldanspruch gegen seinen Ehegatten betrifft, genügt es hierfür nicht, daß der Schuldner das Bestehen des Anspruchs sowie Namen und Anschrift des Ehegatten angibt (so aber Zöller/Stöber, ZPO 24. Aufl. § 807 Rn. 23 m.N.).

aa) Die §§ 807, 899 ff ZPO schützen das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers. Ihm soll Kenntnis von den Vermögensgegenständen des Schuldners gegeben werden, die möglicherweise dem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen (vgl. BVerfGE 61, 126, 136; BGHSt 15, 128, 130, BayObLG NJW 2003, 2181, 2182; Zöller/Stöber aaO Rn. 1). Diese Regelungen tragen dem öffentlichen Interesse daran Rechnung, dem Vollstreckungsgläubiger, dem der Staat als Inhaber des Zwangsmonopols die Selbsthilfe verbietet, die Verwirklichung seines Anspruchs und als Voraussetzung dafür die mit der Offenlegung bezweckte Feststellung der pfändbaren Vermögensgegenstände zu ermöglichen (BVerfGE aaO). Allerdings muß der Schuldner nicht alles, woran der Gläubiger ein Interesse haben könnte, angeben (vgl. BGHSt 14, 345, 346 f), sondern nur das, was der Gläubiger wissen muß, um an Hand des Vermögensverzeichnisses sofort die möglichen Maßnahmen zu seiner Befriedigung treffen zu können (vgl. OLG Köln, NJW 1993, 3335; BayObLG aaO; Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl. § 807 Rn. 25). Forderungen hat der Schuldner demgemäß so zu bezeichnen, daß dem Gläubiger deren Pfändung möglich ist (Musielak/Becker, ZPO 3. Aufl. § 807 Rn. 13). Zu nennen sind neben Namen und Anschrift des Drittschuldners vor allem auch die Höhe der Forderung (vgl. BayObLG aaO; Musielak/Becker aaO, jew. m.w.N.).

bb) Nach diesen Grundsätzen reichen entgegen der Auffassung des Landgerichts bei dem Taschengeldanspruch Angaben des Schuldners zu dem vom Ehegatten ausgeübten Beruf und zu dem Arbeitgeber nicht aus. Vielmehr hat er auch zur Höhe des Einkommens seines Ehegatten die ihm möglichen Angaben zu machen (h.M., OLG Köln NJW 1993, 3335; 1995, 309, 310; OLG München JurBüro 1999, 605; KG NJW 2000, 149; Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 8. Aufl. Rn. 2581; Musielak/Becker aaO § 807 Rn. 7; Thomas/Putzo aaO § 807 Rn. 26; a.A. LG Augsburg DGVZ 1994, 88; Zöller/Stöber aaO § 807 Rn. 23).

Gemäß § 850b Abs. 2 ZPO können die nach Abs. 1 dieser Vorschrift grundsätzlich unpfändbaren Bezüge nur dann nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften (§§ 850c ff ZPO) gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn die Pfändung nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, der Billigkeit entspricht. Dies hat der Gläubiger, der die Pfändung und Überweisung des Taschengeldanspruchs seines Schuldners beantragt, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (vgl. BGH, Beschl. v. 19. März 2004 - IXa ZB 57/03; Musielak/Becker aaO § 850b Rn. 11, jew. m.w.N.). Hierzu bedarf es Angaben auch zur Höhe des Nettoeinkommens des Ehegatten des Schuldners, weil es Berechnungsgrundlage für den Taschengeldanspruch ist. Nach der Höhe des Nettoeinkommens des Ehegatten bestimmt sich, ob die Pfändungsfreigrenzen des § 850c Abs. 1, 2 ZPO einer Pfändung von 7/10 des Taschengeldanspruchs entgegenstehen (vgl. BGH aaO; Musielak/Becker aaO Rn. 4, jew. m.w.N.). Zudem ist für die vom Vollstreckungsgericht zu treffende Billigkeitsentscheidung (vgl. dazu im einzelnen Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz Bd. 1, 3. Aufl. § 850b Rn. 3; Musielak/Becker aaO § 850b Rn. 4, 11) die Höhe der dem Schuldner im Falle der Pfändung des Taschengeldes verbleibenden Bezüge von Bedeutung (vgl. BGH, Beschl. v. 19. März 2004 - IXa ZB 57/03; OLG Brandenburg MDR 2002, 356). Angaben des Schuldners lediglich zu dem Beruf und dem Arbeitgeber seines Ehegatten reichen mithin regelmäßig nicht aus.

cc) Der Schutz vor der Weitergabe höchstpersönlicher Daten steht der Verpflichtung des Schuldners zur näheren Bezeichnung der Taschengeldforderung nicht entgegen (so aber LG Bremen Rpfleger 1993, 119), denn anzugeben sind lediglich die Berechnungsgrundlagen des Taschengeldanspruchs. Zwar ist es bei der näheren Bezeichnung von Forderungen unvermeidlich, daß Dritte - hier die Ehefrau - durch die Angaben in dem zur Rechtsverfolgung nötigen Umfang tangiert werden; diese reflexartige Beeinträchtigung berührt aber nur deren vermögensrechtliche Interessen (vgl. OLG Köln NJW 1993, 3335; OLG München JurBüro 1999, 605). Familienrechtliche Belange stehen ebenfalls nicht entgegen, weil sie bei der vom Vollstreckungsgericht gemäß § 850b Abs. 2 ZPO vorzunehmenden Billigkeitsprüfung Berücksichtigung finden.

Ende der Entscheidung

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