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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.02.2006
Aktenzeichen: KRB 2/05
(1)
Rechtsgebiete: OWiG, GWB, StPO
Vorschriften:
OWiG § 79 Abs. 3, 5 | |
OWiG § 79 Abs. 5 | |
GWB § 38 Abs. 4 a.F. | |
StPO § 311a | |
StPO § 356a |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 7. Februar 2006
in der Kartellbußgeldsache
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Februar 2006 ohne mündliche Verhandlung durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch und die Richter Ball, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Raum und Prof. Dr. Meier-Beck
beschlossen:
Tenor:
Die Anträge auf Aufhebung des Senatsbeschlusses vom 28. Juni 2005 und die Bestimmung eines Termins zur Hauptverhandlung werden zurückgewiesen.
Die Antragstellerinnen tragen die Kosten ihrer Rechtsbehelfe.
Gründe:
Der Senat hat durch den oben bezeichneten Beschluss auf Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten der Nebenbetroffenen das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. Mai 2004 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die auf § 79 Abs. 3, 5 OWiG gestützte Teilaufhebung ist mit der Begründung erfolgt, das Oberlandesgericht habe die Frage, ob ein nach § 38 Abs. 4 GWB a.F. zur Erhöhung des Bußgeldrahmens führender Mehrerlös bei den Nebenbetroffenen entstanden ist, nicht rechtsfehlerfrei verneint. Hiergegen wendet sich die Nebenbetroffene zu 6 und begehrt in analoger Anwendung des § 311a StPO die Nachholung rechtlichen Gehörs, das nur im Wege der Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung sachgerecht gewährleistet werden könne. Die Nebenbetroffene zu 2 hat sich diesen Anträgen ohne eigene Begründung angeschlossen und auf die Ausführungen der Nebenbetroffenen zu 6 Bezug genommen.
Die Anträge, die als solche nach § 356a StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG zu behandeln sind, geben keinen Anlass, das beim Bundesgerichtshof abgeschlossene und nunmehr vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf anhängige Verfahren wieder aufzunehmen. Dabei kann offen bleiben, ob die Anträge den formellen Anforderungen nach § 356a StPO genügen oder jedenfalls der Nebenbetroffenen zu 6 auf ihren Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren wäre. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör der Nebenbetroffenen liegt im vorliegenden Fall ersichtlich nicht vor.
1. Der Einwand der Nebenbetroffenen, der Kartellsenat hätte nicht ohne Hauptverhandlung entscheiden dürfen, geht fehl. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren ermöglicht § 79 Abs. 5 OWiG auch dann, wenn die Vorinstanz durch Urteil entschieden hat, eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Anders als im strafprozessualen Revisionsverfahren (§ 349 Abs. 2 StPO) ist das Rechtsbeschwerdegericht insoweit weder an die Antragstellung der Staatsanwaltschaft beim Rechtsbeschwerdegericht gebunden noch erfordert die Entscheidung im Beschlusswege Einstimmigkeit. Vielmehr steht die Durchführung einer Hauptverhandlung allein im Ermessen des Rechtsbeschwerdegerichts (vgl. Seitz in Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 79 Rdn. 39 f.; Steindorf in KK - OWiG, 2. Aufl., § 79 Rdn. 150).
Nach der gesetzlichen Regelung (§ 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG) ist die Beschlussentscheidung der vom Gesetz vorgesehene Normalfall (Steindorf, Seitz aaO). Umstände, die den Senat hätten veranlassen müssen, nur nach einer mündlichen Hauptverhandlung zu entscheiden, sind nicht ersichtlich und werden von der Antragsschrift nicht aufgezeigt. Allein der Gesichtspunkt, dass im Kartellverwaltungsverfahren nach § 76 Abs. 5 i.V.m. § 69 GWB eine mündliche Verhandlung zwingend vorgeschrieben ist, erlaubt keinen entsprechenden Schluss auf die Rechtslage im Bußgeldverfahren. Dort hat der Gesetzgeber in § 84 GWB vielmehr ausdrücklich auf § 79 OWiG Bezug genommen, der eine mündliche Verhandlung auf die Rechtsbeschwerde als Regelfall gerade nicht vorsieht.
Die durch dieses Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen erforderten gleichfalls keine Erörterung in mündlicher Verhandlung. Für die Aufhebung waren Begründungsdefizite in der Beweiswürdigung der angefochtenen Entscheidung maßgeblich, die keiner Erörterung in einer mündlichen Verhandlung bedurften.
2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen stellt der Beschluss des Senats vom 28. Juni 2005 keine Überraschungsentscheidung dar. Bereits die Rechtsbeschwerdebegründung der Generalstaatsanwaltschaft zeigt die vom Senat angeführten Begründungsmängel auf. Mit den Argumenten der Generalstaatsanwaltschaft haben sich die Antragstellerinnen detailliert in ihren Gegenerklärungen vom 31. August 2004 bzw. 14. September 2004 auseinandergesetzt. Dass der Generalbundesanwalt der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft nicht gefolgt ist, ist ohne Belang, weil der Senat an die Antragstellung des Generalbundesanwalts nicht gebunden ist.
Im Übrigen erschöpfen sich die umfänglichen Ausführungen der Antragstellerinnen im Wesentlichen in Überlegungen zur Beweiswürdigung. Zudem enthält ihr Vortrag auch urteilsfremde Tatsachen. Mit solchem Vorbringen können sie im nachträglichen Gehörsverfahren nach § 356a StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG keine Berücksichtigung finden. Den Antragstellerinnen ist unbenommen, sich im wiedereröffneten Verfahren vor dem Oberlandesgericht erneut dahingehend zu verteidigen, dass ihnen kein kartellbedingter Mehrerlös entstanden sei. Der neue Tatrichter ist durch die Aufhebungsansicht des Senats nach § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 358 Abs. 1 StPO nicht gehindert, bei den Nebenbetroffenen wiederum keinen kartellbedingten Mehrerlös festzustellen. Der Bundesgerichtshof hat nämlich nicht die Entstehung eines kartellbedingten Mehrerlöses positiv festgestellt, sondern lediglich die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils beanstandet.
Den Antragstellerinnen sind die Verfahrenskosten aufzuerlegen, weil das Verfahren einen Gebührentatbestand (KV 4500) auslöst (vgl. OLG Köln StraFo 2005, 484).
Mit dieser Entscheidung erledigt sich der weitere Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Senatsbeschlusses vom 28. Juni 2005.
Ende der Entscheidung
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