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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.02.2005
Aktenzeichen: KRB 28/04
Rechtsgebiete: GWB, OWiG


Vorschriften:

GWB § 38 Abs. 1 Nr. 1
GWB § 38 Abs. 5 Satz 2 a.F.
GWB § 81 Abs. 1 Nr. 1
GWB § 81 Abs. 3 Satz 2 n.F.
OWiG § 70 Abs. 2
a) Lehnt das Oberlandesgericht die von einem Betroffenen mit der Begründung der Unwirksamkeit seiner Einspruchsrücknahme begehrte Fortsetzung des Kartellbußgeldverfahrens ab, so ist dagegen analog § 70 Abs. 2 OWiG die sofortige Beschwerde zum Bundesgerichtshof zulässig.

b) Die durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 angeordnete Verlängerung der Verjährung für Kartellordnungswidrigkeiten gilt - ohne daß es einer entsprechenden Übergangsregelung bedurft hätte - auch für Taten, die vor Inkrafttreten des Verlängerungsgesetzes begangen wurden, soweit sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

KRB 28/04

vom 22. Februar 2005

Einspruchsrücknahme

in dem Kartellordnungswidrigkeitsverfahren

wegen: Kartellordnungswidrigkeit

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Februar 2005 ohne mündliche Verhandlung durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Raum und Prof. Dr. Meier-Beck

beschlossen:

Tenor:

Die sofortigen Beschwerden der Betroffenen zu 1 und 2 sowie der Nebenbetroffenen gegen den Beschluß des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. November 2003 werden als unbegründet verworfen.

Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

Das Bundeskartellamt hat mit Bescheid vom 31. August 1998 gegen den Betroffenen zu 1 wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 GWB a.F. ein Bußgeld in Höhe von 150.000 DM verhängt. Dem Betroffenen lag zur Last, sich als Mitglied des Vorstands der Nebenbetroffenen, einem bundesweit tätigen Mühlenkonzern, für diese an einem Quotenkartell beteiligt zu haben, das zum Zwecke der Aufteilung des Kundenstamms der stillgelegten O.mühle in B. im Jahr 1995 gebildet worden war. Bis Ende November 1995 wurde nach dem im Bußgeldbescheid enthaltenen Tatvorwurf dieses Quotenkartell durch Zahlungen und Ausgleichslieferungen auch tatsächlich praktiziert. Gegen die Nebenbetroffene hat das Bundeskartellamt wegen dieser Tat ein Bußgeld in Höhe von 750.000 DM festgesetzt. Durch Beschluß vom 27. September 1999 hat das Bundeskartellamt den Betroffenen zu 2, der ebenfalls dem Vorstand der Nebenbetroffenen angehörte, wegen desselben Tatvorwurfs mit einem Bußgeld in Höhe von 50.000 DM belegt.

Gegen die Bußgeldbescheide haben die Betroffenen und die Nebenbetroffene fristgerecht Einspruch eingelegt. Diese Einsprüche haben sie jeweils mit Schriftsatz ihrer Verteidiger vom 26. Juni 2002 zurückgenommen. Nachdem die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Düsseldorf die Einstellung des Verfahrens gegen andere Mitglieder des Quotenkartells wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung angeregt hatte, haben auch die Betroffenen sowie die Nebenbetroffene beantragt, das Verfahren gegen sie trotz Einspruchsrücknahme einzustellen, weil zum Zeitpunkt der Rücknahme der Einsprüche bereits Verjährung eingetreten sei. Durch gemeinsamen Beschluß vom 7. November 2003 hat das Oberlandesgericht zwar das Bußgeldverfahren gegen andere Mitglieder des Kartells wegen Verjährung eingestellt, hinsichtlich der Betroffenen und der Nebenbetroffenen hat es aber festgestellt, daß sich deren Einsprüche durch die erklärten Rücknahmen erledigt haben. Die hiergegen von den Betroffenen sowie der Nebenbetroffenen geführten Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

I.

Die als Rechtsbeschwerde bezeichneten Rechtsmittel sind als sofortige Beschwerden nach § 70 Abs. 2 OWiG analog statthaft und auch im übrigen zulässig erhoben.

1. Allerdings liegt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kein Fall einer statthaften Rechtsbeschwerde vor. Nach § 84 GWB ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof nur unter den Voraussetzungen des § 79 OWiG zulässig. Einer der dort enumerativ aufgeführten Fälle liegt hier jedoch nicht vor. Gegenstand der Überprüfung ist nämlich keine Entscheidung des Beschwerdegerichts, durch die ein Bußgeld gegen die Betroffenen oder die Nebenbetroffene festgesetzt wird. Dies ist für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nach der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG aber notwendig. Die Beschwerdeführer erstreben dagegen die Überprüfung der Wirksamkeit ihrer Einspruchsrücknahmen im Hinblick auf den von ihnen behaupteten Eintritt der Verjährung. Dies betrifft eine vorgelagerte und nicht von den Tatbestandsvoraussetzungen des § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG erfaßte Fallgestaltung. Dabei kommt es im übrigen nicht darauf an, ob das Beschwerdegericht im schriftlichen Verfahren nach § 72 OWiG entschieden hat. Auch bei einer Beschlußentscheidung nach § 72 Abs. 3 OWiG müssen die Zulässigkeitserfordernisse für eine Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG vorliegen. Dieses Erfordernis ist hier nicht erfüllt, weil auch insoweit das Beschwerdegericht nicht im Sinne des § 72 Abs. 3 Satz 1 OWiG über eine Einstellung des Verfahrens entschieden hat, sondern über die Frage, ob nach Einspruchsrücknahme im Blick auf die Rechtskraft des Bußgeldbescheids für das Beschwerdegericht überhaupt noch eine Entscheidungszuständigkeit eröffnet ist.

2. Die Rechtsbeschwerden sind jedoch als sofortige Beschwerden in entsprechender Anwendung des § 70 Abs. 2 OWiG statthaft.

a) Zwar ist nach § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO eine Beschwerde gegen Beschlüsse des Oberlandesgerichts im erstinstanzlichen Verfahren außer in den dort ausdrücklich genannten Fällen nicht eröffnet. Für das Bußgeldverfahren, das nach § 46 Abs. 1 OWiG eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften der Strafprozeßordnung vorsieht, ist jedoch eine Modifikation geboten, weil - anders als bei erstinstanzlichen Strafverfahren - bereits eine Entscheidung der Verwaltungsbehörde vorliegt. Erst durch den zulässigen Einspruch des Betroffenen wird das Bußgeldverfahren erstinstanzlich vor dem Oberlandesgericht anhängig. Deshalb ist § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO, der sich auf erstinstanzlich vor dem Oberlandesgericht stattfindende Strafprozesse (§ 120 Abs. 1 und 2 GVG) bezieht, auf solche Fallkonstellationen, die das dort nicht vorgesehene Einspruchsverfahren betreffen, nicht ohne weiteres anwendbar. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß die Vorschrift des § 70 Abs. 2 OWiG für das Kartellbußgeldverfahren grundsätzlich anwendbar ist, wenn das Oberlandesgericht den Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid durch Beschluß als unzulässig verwirft (BGH, Beschl. v. 27.5.1986 - KRB 3/86, NJW 1987, 451 = WuW/E 2296). Der Bundesgerichtshof hat dies damit begründet, daß anderenfalls Wertungswidersprüche zu solchen Sachverhaltskonstellationen bestünden, in denen der Einspruch erst durch Urteil in der Hauptverhandlung als unzulässig verworfen werde. Da in solchen Fällen nach § 79 Abs. 1 Nr. 4 OWiG die Rechtsbeschwerde gegeben sei, müsse - obwohl das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen jenseits von § 84 GWB i.V.m. § 79 OWiG keinen Rechtsbehelf ausdrücklich vorsehe - auch für diese Fälle eine Beschwerdemöglichkeit eröffnet werden.

Dieser Gesichtspunkt muß ebenso Beachtung finden, wenn nicht die Zulässigkeit des Einspruchs, sondern die Wirksamkeit seiner Rücknahme in Frage steht. Insoweit beziehen sich beide Fallgestaltungen auf dieselbe Problemstellung, nämlich ob ein wirksamer Rechtsbehelf vorliegt, der dem Gericht erst eine Sachentscheidung über den Rechtsbehelf ermöglicht. Demnach wird auch in der strafprozessualen Praxis im Hinblick auf die Überprüfbarkeit durch das Rechtsmittelgericht die Wirksamkeit der Rücknahme einer Berufung in gleicher Weise wie die Zulässigkeit der Berufungseinlegung behandelt und die Feststellung der Wirksamkeit der Berufungsrücknahme in analoger Anwendung des § 322 Abs. 2 StPO einer Kontrolle durch das Rechtsmittelgericht zugänglich gemacht (OLG Frankfurt NStZ 1988, 328 f.; KG JR 1981, 480; Gössel in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 322 Rdn. 7; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 302 Rdn. 11a).

Die Zubilligung einer Anfechtbarkeit stellt im übrigen hinsichtlich der Rechtsmittelbefugnis die Waffengleichheit mit der Staatsanwaltschaft sicher. Wäre nämlich das Oberlandesgericht der Auffassung der Beschwerdeführer gefolgt und hätte das Verfahren im Hinblick auf die unwirksame Einspruchsrücknahme wegen Verjährung eingestellt, wäre für die Staatsanwaltschaft eine Rechtsbeschwerdemöglichkeit nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG eröffnet gewesen. Auch dieser Gesichtspunkt spricht dafür, den Betroffenen und der Nebenbetroffenen jedenfalls in analoger Anwendung von § 70 Abs. 2 OWiG die Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde einzuräumen.

b) Die formellen Voraussetzungen der sofortigen Beschwerde sind hier gewahrt. Der Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist den Verteidigern der beiden Betroffenen und der Nebenbetroffenen jeweils am 8. Dezember 2003 zugestellt worden. Die als Rechtsbeschwerde bezeichneten Beschwerdeschriften sind am 12. Dezember 2003, mithin innerhalb der Frist nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 311 Abs. 2 StPO, eingegangen.

II.

Die Rechtsmittel bleiben jedoch in der Sache ohne Erfolg, weil die beiden Betroffenen und die Nebenbetroffene ihre Einsprüche gegen die Bußgeldbescheide wirksam zurückgenommen haben.

1. Die Einspruchsrücknahme - an deren Ordnungsmäßigkeit hier keine Zweifel bestehen - ist eine Prozeßhandlung. Sie führt die Bestandskraft des Bußgeldbescheids herbei, ohne daß es darauf ankäme, ob der Einspruch zum Zeitpunkt seiner Rücknahme Erfolg gehabt hätte. Deshalb ist die Erfolgsaussicht eines Rechtsbehelfs auch kein Entscheidungskriterium für die Wirksamkeit der Einspruchsrücknahme als Prozeßhandlung. Mit der wirksamen Einspruchsrücknahme entfällt zugleich die Befugnis des Gerichts, den Einspruch in der Sache zu prüfen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein Verfahrenshindernis eingetreten ist. Jedenfalls das durch den Eintritt der Verjährung begründete Verfahrenshindernis erledigt das anhängige Verfahren nicht von selbst (Ruß in KK, 5. Aufl., § 302 Rdn. 5; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 302 Rdn. 12; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 302 Rdn. 6; a.A. BayObLG JR 1975, 120 mit abl. Anm. Teyssen). Ob im Hinblick auf den besonderen Normzweck bei anderen Verfahrenshindernissen (etwa bei einer Amnestie) gleiches gilt, kann hier dahinstehen (vgl. Hanack aaO). Die Feststellung des Eintritts der Verjährung bedarf einer konstitutiven richterlichen Entscheidung, durch die das Verfahren entweder außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß (§ 206a Abs. 1 StPO) oder nach einer Hauptverhandlung durch Urteil (§ 260 Abs. 3 StPO) eingestellt wird. Für eine solche - im übrigen im Einzelfall schwierige und aufwendige - Entscheidung ist aber dann kein Raum mehr, wenn das Verfahren bereits vorher durch Einspruchsrücknahme seine Beendigung gefunden hat. Mit der Einspruchsrücknahme entzieht der Rechtsmittelführer nämlich dem Gericht die Kompetenz, noch über das Vorliegen eines Prozeßhindernisses oder gar über die Sache selbst befinden zu dürfen.

Der Senat kann dabei dahinstehen lassen, ob - wie die Rechtsmittelführer meinen - dieser Auffassung die vom 4. Strafsenat in seiner Entscheidung vom 9. November 1960 (BGHSt 15, 203) geäußerte Rechtsauffassung entgegensteht. Der 4. Strafsenat hat dort ausgeführt, daß ein Verfahrenshindernis auch dann im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten sei, wenn nur eine nicht begründete (und damit nach § 345 Abs. 1, § 346 Abs. 1 StPO unzulässige) Revision eingelegt wurde. Die vom 4. Strafsenat entschiedene Rechtsfrage betraf insoweit eine andere Fallkonstellation, als der Rechtsmittelrichter dort noch über die Zulässigkeit des Rechtsmittels hätte entscheiden müssen, während die Rechtsmittel- oder Einspruchsrücknahme unmittelbar das Verfahren beendet und lediglich noch einen Kostenausspruch notwendig macht. Einer Vorlage an den Großen Senat für Strafsachen nach § 132 Abs. 2 GVG bedarf es jedenfalls deshalb nicht, weil im vorliegenden Fall die Taten nicht verjährt waren (wie nachfolgend unter 2. ausgeführt wird) und somit wegen des Fehlens eines Verfahrenshindernisses hier eine Abweichung von der Rechtsauffassung des 4. Strafsenats für die Entscheidung nicht tragend wäre.

2. Da zum Zeitpunkt der Einspruchsrücknahmen hier keine Verjährung eingetreten war, lag zu diesem Zeitpunkt auch kein Verfahrenshindernis vor. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts (ebenso KG NStZ 2002, 211) erfaßt im Streitfall die Verlängerung der Verjährungsfrist auch die Taten, die vor Inkrafttreten des die Verlängerung anordnenden Gesetzes begangen wurden und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren.

a) Durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 (BGBl. I S. 2038) ist die Verjährungsfrist für Ordnungswidrigkeiten nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 und 8 GWB (in der damaligen Fassung) von drei Jahren auf fünf Jahre verlängert worden (Art. 8 Nr. 1 des Gesetzes). Dieses Gesetz ist am 20. August 1997 in Kraft getreten. Es enthält keine Übergangsregelung oder eine ausdrückliche Erstreckung auf Altfälle. Eine solche Klarstellung durch den Gesetzgeber war allerdings hier auch nicht erforderlich.

Wird die Verjährungsfrist geändert, gilt das neue Recht mangels einer besonderen Übergangsregelung auch für bereits begangene Taten (Jähnke in LK, 11. Aufl., vor § 78 Rdn. 11). Der Eintritt der Verjährung führt lediglich zu einem Verfahrenshindernis, weil er nicht die Strafdrohung an sich, sondern lediglich das "Ob" der Verfolgung berührt (BGHSt 46, 310, 317). Insoweit betreffen die Verjährungsregeln lediglich die Verfolgbarkeit einer Tat; sie haben damit in erster Linie einen verfahrensrechtlichen Bezug. Jedenfalls soweit eine Verlängerung der Verjährungsfrist nicht auf einer nachträglichen Verschärfung der bei der Berechnung zugrundezulegenden Höchststrafen beruht (§ 78 Abs. 3 StGB, § 31 Abs. 2 OWiG), die nach § 2 Abs. 3 StGB, § 4 Abs. 3 OWiG außer Betracht bleiben muß (vgl. BGH, Beschl. v. 20.5.1999 - 4 StR 718/98, BGHR StGB § 78 Abs. 3 Fristablauf 2, m.w.N.), betrifft sie Verfahrensrecht.

Verjährungsrechtliche Fragen sind - soweit die Rückkoppelung zum materiellen Recht fehlt - nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen zu behandeln und deshalb anhand der gesetzlichen Regelungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt der Entscheidung gelten. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage nicht von derjenigen bei anderen verfahrensrechtlichen Fallgestaltungen, die grundsätzlich ebenfalls nicht an das zum Tatzeitpunkt oder am Tatort geltende Verfahrensrecht anknüpfen. Der Tatrichter hat stets das für ihn am Gerichtsort aktuell geltende Verfahrensrecht anzuwenden (BGHSt 2, 300, 308; vgl. auch BGHSt 4, 379, 384 f.; 21, 367, 369). Bereits aufgehobene oder abgeänderte Verfahrensregelungen finden grundsätzlich nur Anwendung, wenn der Gesetzgeber dies ausdrücklich regelt. Insoweit besteht für den Gesetzgeber Anlaß zu Übergangsregelungen, soweit er abgeänderte Verfahrensregelungen für Altfälle oder nicht abgeschlossene Fälle fortgelten lassen will. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof auch die durch Gesetz vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) geänderte Ruhensvorschrift nach § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB, die gleichfalls keine Übergangsregelung enthält und faktisch zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist führt, grundsätzlich auch auf davor begangene Taten angewandt (BGH, Beschl. v. 24.06.2004 - 4 StR 165/04, BGHR StGB § 78b Abs. 1 Ruhen 12). In dem dort entschiedenen Fall schied eine Berücksichtigung der Ruhensfristen nur deshalb aus, weil der Tatvorwurf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Ruhensbestimmung bereits verjährt war.

Eine dem Täter günstige Übergangsregelung hat der Gesetzgeber allerdings in Art. 309 Abs. 3 EGStGB, Art. 155 Abs. 2 EGOWiG im Zuge einer grundlegenden Umgestaltung der jeweiligen Rechtsmaterien getroffen. In diesen Übergangsregelungen ist bestimmt, daß die Verjährungsfristen des bisherigen Rechts für Altfälle dann fortgelten, wenn sie kürzer sind. Die genannten Vorschriften der Einführungsgesetze, die ersichtlich im Zuge der damaligen Reformen mögliche Unsicherheiten zugunsten der Täter lösen wollten, sind in ihrem Regelungsgehalt jedoch nicht verallgemeinerungsfähig, zumal es in der Vergangenheit ebenso gesetzliche Regelungen gegeben hat, die ausdrücklich Altfälle einbeziehen (etwa Art. 2 des Gesetzes vom 16. Juli 1979 <BGBl. I S. 1046> oder Art. 2 des Gesetzes vom 23. Juni 1994 <BGBl. I S. 1310>). Da das Korruptionsbekämpfungsgesetz keine am Tatzeitrecht orientierte Übergangsregelung enthält, verbleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz, wonach bei der Entscheidung über das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses die zu diesem Zeitpunkt geltenden Verjährungsregeln anzuwenden sind.

Aus den Gesetzesmaterialien läßt sich gleichfalls nicht entnehmen, daß der Wille des Gesetzgebers bestanden hätte, die Verlängerung der Verjährung auf solche Ordnungswidrigkeiten zu beschränken, die nach Inkrafttreten des Gesetzes begangen wurden. Zwar waren die - relativ spät in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachten - Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und des Ordnungswidrigkeitengesetzes als flankierende gesetzliche Maßnahme im Zuge der Einführung des Straftatbestandes der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB) für notwendig erachtet worden (BT-Drucks. 13/8079, S. 16). Dies läßt jedoch nicht den Schluß zu, der Gesetzgeber habe auch die verlängerte Verjährungsfrist auf solche Ordnungswidrigkeiten beschränken wollen, die erst nach Inkrafttreten des mit dem Korruptionsbekämpfungsgesetz geschaffenen Straftatbestands des § 298 StGB begangen wurden. Vielmehr ergibt sich aus der Begründung, daß bereits im Hinblick auf häufig erforderliche zeitraubende Ermittlungen wegen des Verdachts des Betruges (§ 263 StGB) die bisherige dreijährige Verjährungsfrist als unangemessen kurz empfunden wurde (BT-Drucks. aaO).

Die Materialien deuten damit eher auf die Absicht des Gesetzgebers hin, generell für Ordnungswidrigkeiten nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 und 8 GWB a.F., bei denen wegen ihres gravierenden wettbewerbsbeschränkenden Charakters häufig auch Straftaten nach § 263 StGB in Betracht kommen werden, die Verjährungsfrist zu verlängern. Daß die Begründung dabei die Formulierung gebraucht, "um künftig für die Verfolgung solcher Taten einen ausreichenden Zeitraum zur Verfügung zu haben", spricht nicht gegen die vorgenommene Auslegung. Die Begründung bezieht sich insoweit mit dem Begriff "künftig" auf die Verfolgbarkeit der Taten und schließt damit auch bereits begangene Ordnungswidrigkeiten ein. Dabei mag die Begründung - wie sich aus der Formulierung "insbesondere wenn ein Strafverfahren wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB) vorher geführt und eingestellt wurde" ergibt - bei diesem neu geschaffenen Straftatbestand eine besondere praktische Notwendigkeit für die Regelung gesehen haben. Eine Beschränkung der Verlängerung der Verjährungsfrist auf solche Taten, die erst nach Inkrafttreten des neugeschaffenen Straftatbestands des § 298 StGB begangen wurden, kann hieraus jedoch nicht entnommen werden. Damit findet auch die durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz seit dem 20. August 1997 angeordnete Verlängerung der Verjährungsfrist auf fünf Jahre Anwendung (Kleinmann/Berg, BB 1998, 277, 281).

b) Die Verlängerung der Verjährungsfrist verstößt nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Rückwirkungsverbot (vgl. hierzu BVerfGE 72, 200, 240 f.). Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 4. November 2003 ausgeführt hat, begegnet eine Verlängerung der Verjährungsfrist jedenfalls dann keinen Bedenken, wenn im Zeitpunkt der Verlängerung der Verjährungsfrist die Ordnungswidrigkeit nach dem bis dahin geltenden Recht noch nicht verjährt war (BGH, Beschl. v. 4.11.2003 - KRB 20/03, NJW 2004, 1539, 1541 - Frankfurter Kabelkartell). Im vorliegenden Fall waren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der gesetzlichen Verlängerung der Verjährung die Ordnungswidrigkeiten noch nicht verjährt. Nach den Feststellungen der Bußgeldbescheide sind die Taten der unter § 38 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 GWB a.F. fallenden Quotenabsprache, die durch entsprechende Ausgleichslieferungen auch umgesetzt wurde, zwischen August und November 1995 begangen worden. Die ursprünglich dreijährige Verjährungsfrist war am 20. August 1997, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der durch die Korruptionsbekämpfung angeordneten Verlängerung der Verjährungsfrist auf fünf Jahre, noch nicht verstrichen. War aber die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen, ist auch kein schutzwürdiges Vertrauen der Betroffenen und der Nebenbetroffenen erkennbar. Sie konnten nicht darauf vertrauen, daß die bei Begehung der Ordnungswidrigkeit geltende dreijährige Verjährungsfrist unverändert bleiben würde.

c) Auch im weiteren Verlauf des Verfahrens ist unter Beachtung der nunmehr geltenden fünfjährigen Verjährungsfrist keine Verjährung eingetreten. Die Verjährung war durch den Erlaß der Bußgeldbescheide (31. August 1998 und 27. September 1999) nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG sowie letztmals durch die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht (29. Juni 2000) gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG unterbrochen. Die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren (§ 33 Abs. 3 Satz 2 OWiG) war zum Zeitpunkt der Rücknahme der Einsprüche nicht erreicht.

Ende der Entscheidung

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