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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.05.2001
Aktenzeichen: KVZ 23/00
Rechtsgebiete: VwVfG, GWB


Vorschriften:

VwVfG § 37 Abs. 1
GWB § 19 Abs. 1
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 4
GWB § 26 Abs. 2 a.F.
GWB § 37a Abs. 2 a.F.
GWB § 32
GWB § 50
GWB § 19 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

KVZ 23/00

vom

8. Mai 2001

in der Kartellverwaltungssache

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes hat am 8. Mai 2001 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofes Prof. Dr. Hirsch, die Richter Dr. Melullis, Prof. Dr. Goette und Ball und die Richterin Dr. Tepperwien

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Bundeskartellamts wird der Beschluß des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. August 2000 insoweit aufgehoben, als dieser die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Die Betroffene zu 1. (im folgenden: Scandlines GmbH) und ihre Schwestergesellschaft, die Scandlines A/S, betreiben die Fährverbindung auf der sogenannten Vogelfluglinie zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Rödby auf der dänischen Insel Lolland. Der Fährhafen in Puttgarden gehört der Scandlines GmbH. Ein Teil des Hafengeländes besteht aus Gleis- und Rangieranlagen, die überwiegend im Eigentum der Betroffenen zu 2., der Deutsche Bahn AG, stehen. Die Beigeladenen wollen - unabhängig voneinander - einen eigenen Fährdienst zwischen Puttgarden und Rödby aufnehmen und begehren hierfür das Recht zur Mitbenutzung der land- und hafenseitigen Infrastruktur des Fährhafens Puttgarden. Nachdem ihnen die Scandlines GmbH die Mitbenutzung verweigerte, wandten sie sich an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die sie an das Bundeskartellamt verwies.

Das Bundeskartellamt hat am 21. Dezember 1999 beschlossen:

"1. Der Beteiligten zu 1. wird untersagt, sowohl der Beigeladenen zu 1. als auch der Beigeladenen zu 2. das Recht zu verweigern, die in ihrem Eigentum stehenden see- und landseitigen Infra- und Suprastrukturen des Fährhafens Puttgarden gegen ein angemessenes Entgelt mitzubenutzen, um mit Azimuth-Schiffen einen stündlich zwischen Rödby und Puttgarden verkehrenden Fährdienst für Passagiere und Kraftfahrzeuge zu betreiben. Der Beteiligten zu 1. steht es frei, das Recht auf Mitbenutzung nur der Beigeladenen zu 1. oder nur der Beigeladenen zu 2. einzuräumen.

2. Der Beteiligten zu 1. wird untersagt, sich zu weigern, die für eine Mitbenutzung des Fährhafens Puttgarden erforderlichen Vorkehrungen (insbesondere in bezug auf Umbaumaßnahmen und öffentlich-rechtliche Genehmigungsverfahren) im Einvernehmen mit der ausgewählten Nutzungsberechtigten zu treffen bzw. diese zu ermöglichen.

3. Die sich aus den Ziffern 1 und 2 dieser Verfügung ergebenden Verpflichtungen der Beteiligten zu 1 treten am 1. März 2000 in Kraft."

Das Bundeskartellamt hat ferner die sofortige Vollziehung dieser Verfügung angeordnet, bezüglich der Ziffer 2 i.V. mit Ziffer 3 unter der aufschiebenden Bedingung, daß die ausgewählte Nutzungsberechtigte der Scandlines GmbH rechtsverbindlich zusagt, ihr im Fall der rechtskräftigen Aufhebung des Beschlusses alle nachweisbar aus der Mitbenutzung resultierenden Aufwendungen und Gewinneinbußen zu erstatten, und hierfür angemessene Sicherheiten leistet.

Zur Begründung seiner Verfügung hat das Bundeskartellamt ausgeführt, die grundsätzliche Weigerung der Scandlines GmbH, einer der beiden Beigeladenen Zugang zum Fährhafen Puttgarden zu gewähren, sei als mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung i.S. von § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4 GWB und Art. 82 EG anzusehen. Die Verfügung sei hinreichend bestimmt. Mit Rücksicht darauf, daß verschiedene Möglichkeiten zur Beseitigung der verbotenen Wettbewerbsbeschränkung in Betracht kämen, sei eine weitere Konkretisierung im Interesse des Schutzes der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit der Scandlines GmbH nicht geboten. Welche Genehmigungsverfahren und Baumaßnahmen erforderlich würden, stehe nicht fest, sondern hänge davon ab, zu welchem Ergebnis die Verhandlungen der Scandlines GmbH mit der von ihr ausgewählten Nutzungsberechtigten führten. Hinsichtlich der Frage, welches Entgelt als angemessen anzusehen sei, gebe es eine Vielzahl verschiedener Anknüpfungspunkte und Bemessungsgrundsätze, zudem werde die Höhe des Entgelts davon beeinflußt, auf welche Baumaßnahmen man sich einige und wer deren Kosten trage.

Auf die Beschwerde der Scandlines GmbH und der Deutsche Bahn AG hat das Beschwerdegericht durch Beschluß vom 2. August 2000 (WuW/E DE-R 569) die Verfügung des Bundeskartellamts aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Verfügung sei schon deshalb rechtswidrig, weil sie der hinreichenden Bestimmtheit entbehre. Aus dem Tenor des angefochtenen Beschlusses ergebe sich, daß das Bundeskartellamt nicht lediglich eine feststellende Teilentscheidung, sondern eine im Vollstreckungswege durchsetzbare Verfügung habe treffen wollen. Die Verwendung unbestimmter Begriffe, die weder in den Gründen der Verfügung konkretisiert würden noch hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Bedeutung zwischen den Parteien außer Streit stünden, führe zur Unbestimmtheit der Untersagungsverfügung. Das gelte einmal für den Hinweis auf ein "angemessenes Entgelt". Die Scandlines GmbH könne nicht erkennen, welches Entgelt sie als zu niedrig zurückweisen dürfe und bei welchem Betrag sie zur Gestattung der Mitbenutzung gehalten sei. Auch unter Berücksichtigung des Verhandlungsspielraums zwischen der Scandlines GmbH und einer der Beigeladenen hätte das Bundeskartellamt zumindest einen Höchstbetrag bestimmen müssen. Soweit sie sich dazu nicht in der Lage sehe, hätte sich die Behörde darauf beschränken müssen, im Wege einer Teilentscheidung zunächst nur über die Zugangsberechtigung der Beigeladenen dem Grunde nach zu befinden, ohne sogleich ein vollstreckbares Gebot oder Verbot auszusprechen. Unbestimmt sei die Verfügung zum anderen durch die Verwendung des Begriffs der für eine Mitbenutzung "erforderlichen Vorkehrungen". Da die angefochtene Verfügung keine Entscheidung darüber enthalte, welche Umbaumaßnahmen oder sonstigen Vorkehrungen der Scandlines GmbH konkret auferlegt würden, bleibe die Konkretisierung dieses Begriffs letztlich dem Vollstreckungsverfahren überlassen. Eine Untersagungsverfügung müsse aber das geforderte Verhalten klar, umfassend und unmißverständlich bezeichnen. Mit Rücksicht auf den Verhandlungs- und Gestaltungsspielraum der Scandlines GmbH habe sich das Bundeskartellamt dabei auf die Festlegung zu beschränken, welche Umgestaltungsmaßnahmen bei Abwägung der widerstreitenden Interessen notwendig, aber auch ausreichend seien, um eine Mitbenutzung des Fährhafens zu ermöglichen. Es habe dementsprechend das Mindestmaß dessen festzulegen, was die Scandlines GmbH beim Umbau ihres Fährhafens hinzunehmen habe, und umgekehrt das Höchstmaß dessen zu bestimmen, was von ihr verlangt werden könne. Diesen Erfordernissen genüge die angefochtene Verfügung nicht.

Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich das Bundeskartellamt mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Die Betroffenen treten dem Rechtsmittel entgegen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Der Frage nach den Anforderungen an die Bestimmtheit einer kartellbehördlichen Verfügung, mit der die Verweigerung des Zugangs zu Infrastruktureinrichtungen untersagt werden soll, kommt grundsätzliche Bedeutung zu (§ 74 Abs. 2 Nr. 1 GWB). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage, die sich voraussichtlich in einer Vielzahl anderer Fälle stellen wird und bislang höchstrichterlich nicht oder nicht hinreichend geklärt ist (BGH, Beschl. v. 3.5.1988 - KVZ 1-3/87, WuW/E 2513 f. - Sportartikelfachgeschäft; Beschl. v. 8.2.1994 - KVZ 22/93, WuW/E 2906, 2908 - Lüdenscheider Taxen; Kleier in Frankfurter Kommentar zum GWB, 3. Aufl., § 73 Rdn. 47 ff., m.w.N.; Hinz in Gemeinschaftskommentar zum GWB, 4. Aufl., § 73 Rdn. 11, m.w.N.).

Für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde ist die Auffassung des Bundeskartellamts zugrunde zu legen, wonach die grundsätzliche Weigerung der Scandlines GmbH, der Beigeladenen zu 1 oder der Beigeladenen zu 2 das Recht zur Mitbenutzung des Fährhafens Puttgarden einzuräumen, kartellrechtswidrig ist. Ferner ist mangels abweichender Feststellungen des Beschwerdegerichts davon auszugehen, daß eine Mitbenutzung des Fährhafens durch eine der Beigeladenen bauliche Veränderungen der landseitigen Hafenanlagen erfordert, daß es aber hinsichtlich deren Art und Umfang, Durchführung und Finanzierung eine Reihe verschiedener Möglichkeiten gibt. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf der Auffassung, daß die angefochtene Verfügung dem Gebot hinreichender Bestimmtheit nicht genügt. Sie hängt damit von der Frage ab, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Kartellbehörde, die dagegen vorgehen will, daß der Inhaber einer Infrastruktureinrichtung einem anderen Unternehmen deren Mitbenutzung verweigert, rechtlich die Möglichkeit hat, diese Weigerung zu untersagen, ohne zugleich die Höhe des dafür zu zahlenden Entgelts zu beziffern oder sonst berechenbar festzulegen. Sie hängt ferner von der Frage ab, ob die Kartellbehörde in einem Fall, in dem eine Mitbenutzung Änderungen an der in Rede stehenden Infrastruktureinrichtung voraussetzte, stets zugleich festlegen muß, welche Änderungen von dem Adressaten der Untersagungsverfügung mindestens und höchstens hinzunehmen sind.

1. Diesen Fragen kommt Bedeutung für eine Vielzahl von Entscheidungen zu, weil sie sich regelmäßig in den Fällen stellen, in denen der Inhaber einer Infrastruktureinrichtung und das Unternehmen, das Zugang zu dieser begehrt, nicht nur über die Modalitäten der Mitbenutzung, insbesondere die Höhe des zu zahlenden Entgelts oder den Umfang eventuell erforderlicher Maßnahmen zur Ermöglichung der Mitbenutzung streiten, sondern darüber, ob überhaupt eine Verpflichtung des Inhabers der Einrichtung besteht, dem anderen Unternehmen Zugang zu dieser zu gewähren. Für diese Annahme spricht zudem, daß der Gesetzgeber der 6. GWB-Novelle mit der Einführung des neuen Regelbeispiels in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB der wachsenden volkswirtschaftlichen Bedeutung sogenannter Netzindustrien und anderer für die Aufnahme des Wettbewerbs wesentlicher Einrichtungen Rechnung tragen wollte (Sonderveröffentlichung der WuW, S. 72 f.).

2. Die angesprochenen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Senats bislang nicht geklärt.

a) Maßgeblich für die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Verfügung der Kartellbehörde sind die Grundsätze, die allgemein für Verwaltungsakte gelten. Da das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen insoweit auch in der seit dem 1. Januar 1999 geltenden, durch die 6. GWB-Novelle geschaffenen Fassung keine Regelungen enthält, sind die Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder heranzuziehen. Für das Verfahren des Bundeskartellamts ergeben sich die Anforderungen aus § 37 Abs. 1 VwVfG. Das Bestimmtheitsgebot verlangt, daß der Adressat einer kartellbehördlichen Verfügung in die Lage versetzt wird zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Handelt es sich um einen befehlenden Verwaltungsakt, muß dieser eine Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen sein können. Ob ein Verwaltungsakt im Sinne dieser Norm hinreichend bestimmt ist, richtet sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BVerwGE 84, 335, 338; BGHZ 128, 17, 24 - Gasdurchleitung).

b) Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit einer kartellbehördlichen Verfügung hat den Senat vielfach beschäftigt. Der Senat hat sich auch bereits mehrfach mit der Frage befaßt, welche Anforderungen an die Bestimmtheit einer Verfügung der Kartellbehörde zu stellen sind, wenn das kartellrechtswidrige Verhalten eines Unternehmens darin zu sehen ist, daß es die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen verweigert. Die in diesen Entscheidungen entwickelten Anforderungen an die Bestimmtheit einer Verfügung der Kartellbehörde lassen sich jedoch schon deshalb nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen, weil die dort zur Überprüfung stehenden Verfügungen der Kartellbehörden auf anderen gesetzlichen Grundlagen ergingen und anders gelagerte Sachverhalte betrafen.

aa) Im Fall einer gegen § 26 Abs. 2 GWB a.F. verstoßenden Weigerung eines Unternehmens, ein anderes Unternehmen zu beliefern, hat der Senat zunächst entschieden, daß die Kartellbehörde durch das Gesetz nur zum Ausspruch eines am konkreten Verletzungstatbestand orientierten Verbots ermächtigt ist, die Lieferung bestimmter Waren zu verweigern, die gesetzliche Ermächtigung jedoch überschritten wird, wenn die Behörde ein Gebot zu einem bestimmten Verhalten, etwa zur Belieferung, ausspricht (BGH, Beschl. v. 3.4.1975 - KVR 1/74, WuW/E 1345 - Polyester-Grundstoffe). Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, daß das Gebot zu einem bestimmten Handeln einen stärkeren Eingriff in die Rechte des betroffenen Unternehmens bewirke als das Verbot, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen. Denn das Verbot überlasse es dem betroffenen Unternehmen, auf welche Weise es das ihm zur Last gelegte Verhalten vermeiden wolle. In der Folge hat der Senat klargestellt, daß dies nicht gelte, wenn die Diskriminierung nur durch eine bestimmte Maßnahme beseitigt werden könne, weil die Gebotsverfügung dann in ihren Wirkungen nicht über ein Verbot hinausreiche (BGH WuW/E 2906, 2908 - Lüdenscheider Taxen; BGHZ 127, 388, 390 - Weigerungsverbot).

In einem weiteren Verfahren hat der Senat eine auf § 26 Abs. 2 i.V. mit § 37a Abs. 2 GWB a.F. (§ 20 Abs. 1 und 2 i.V. mit § 32 GWB n.F.) gestützte Verfügung des Bundeskartellamts, durch die einem Unternehmen untersagt wurde, sich zu weigern, Fertigarzneimittel "nach großhandelsüblichen Bedingungen zu beziehen", als hinreichend bestimmt angesehen (BGHZ 129, 53 - Importarzneimittel). Der Senat hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß das Verbot, einen Vertragsschluß zu verweigern, in einem Spannungsverhältnis zum Bestimmtheitsgebot stehe. Die Verfügung überlasse es dem Adressaten, den Inhalt des Vertrags im einzelnen auszuhandeln. Ein Verstoß gegen die Verfügung liege nur vor, wenn er sich - weiterhin - überhaupt weigere, solche Verträge abzuschließen, oder wenn er in den Verhandlungen Bedingungen stelle, die nicht mehr als "großhandelsüblich" bezeichnet werden könnten. Die in zwei parallel gelagerten Fällen von den betroffenen Unternehmen eingelegten Verfassungsbeschwerden hat das Bundesverfassungsgericht nicht angenommen (BVerfG, Beschl. v. 9.10.2000 - 1 BvR 1627/95, WuW/E DE-R 557 - Importarzneimittel-Boykott). Nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt es keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn einem Unternehmen aufgrund des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots das Unterlassen der Eingehung von Geschäftsbeziehungen untersagt wird, auch wenn dies in der Sache ein Gebot zur Aufnahme bestimmter Geschäftsbeziehungen begründet. Das Bundesverfassungsgericht hat auch nicht beanstandet, daß die Untersagungsverfügung den Vertragsinhalt nicht im einzelnen festlegt. Vielmehr hat es ausgeführt, daß ein Gebot zur Aufnahme bestimmter Geschäftsbeziehungen erst dann problematisch werde, wenn es sich nicht darauf beschränke, die grundsätzliche unternehmerische Entscheidung über die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen zu korrigieren, sondern auch alle wesentlichen Einzelheiten dieser Beziehungen festlege (BVerfG WuW/E DE-R, 557, 559 ff. - Importarzneimittel-Boykott).

Die in diesen Entscheidungen entwickelten Grundsätze lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf Verfügungen übertragen, die auf § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB i.V. mit § 32 GWB oder Art. 82 EG gestützt sind. In den Fällen der Verpflichtung zur Belieferung oder Abnahme kann für die Bestimmung der Konditionen der erzwungenen Geschäftsbeziehung häufig auf die üblichen Bedingungen entsprechender Verträge zurückgegriffen werden. Soll dagegen der Zugang zu einer Infrastruktureinrichtung eröffnet werden, wird ein solcher Anhaltspunkt in der Regel fehlen. In Fällen wie dem vorliegenden kommt hinzu, daß die Höhe des angemessenen Entgelts auch von Umfang und Finanzierung der erforderlichen baulichen Veränderungen beeinflußt werden kann.

bb) In der Entscheidung "Gasdurchleitung" hat der Senat eine Verfügung des Bundeskartellamts als hinreichend bestimmt angesehen, mit der dem betroffenen Unternehmen untersagt worden war, den Abschluß eines Vertrags über die Durchleitung von Gas zu verweigern, sofern sich das andere Unternehmen bereit erkläre, für die Durchleitung ein Entgelt zu zahlen, dessen Höhe den Unterschiedsbetrag zwischen ihrem eigenen Einkaufs- und Verkaufspreis nicht überschreitet (BGHZ 128, 17, 23 ff. - Gasdurchleitung). Der Senat hat in diesem Zusammenhang den Einwand des betroffenen Unternehmens zurückgewiesen, die Kartellbehörde hätte den Inhalt des Durchleitungsvertrags im einzelnen festlegen müssen, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen. Er hat demgegenüber ausgeführt, der Inhalt des Vertrags könne und dürfe dem betroffenen Unternehmen nicht vorgeschrieben werden, weil der beanstandete Mißbrauch durch Verträge unterschiedlichen Inhalts beendet werden könne. Die Kartellbehörde dürfe den Rahmen für die Vertragsgestaltung nicht stärker einschränken, als dies durch den Zweck, den Mißbrauch zu beseitigen, vorgegeben sei. Dementsprechend müßten die Anforderungen an die Bestimmtheit einer derartigen Verfügung gering gehalten werden.

In dieser Entscheidung ging es zwar um die Mitbenutzung eines Erdgasleitungsnetzes, doch war die angefochtene Verfügung im damaligen Fall auf § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4, Abs. 7 i.V. mit § 22 Abs. 4, 5 GWB a.F. gestützt. Dort war ausdrücklich geregelt, daß ein Mißbrauch auch in der Weigerung liegen konnte, mit einem anderen Unternehmen Verträge über die Durchleitung zu angemessenen Bedingungen abzuschließen. Zudem hatte das Bundeskartellamt in der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Verfügung eine Obergrenze für das als Gegenleistung für die Durchleitung zu zahlende Entgelt angegeben. Schließlich hätte die Inanspruchnahme des Netzes keine baulichen Veränderungen vorausgesetzt.

c) Im vorliegenden Fall hat das Bundeskartellamt die angefochtene Untersagungsverfügung auf § 50 GWB i.V. mit Art. 82 EG sowie auf § 19 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 4 i.V. mit § 32 GWB gestützt. Nach Art. 82 EG ist die mißbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen verboten, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Hierzu vertritt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Auffassung, daß eine mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung auch in der Weigerung liegen kann, einem anderen Unternehmen den Zugang zu Einrichtungen zu gewähren, ohne deren Nutzung das andere Unternehmen nicht als Wettbewerber tätig werden kann (vgl. Kommission, Entscheidungen vom 21.12.1993, ABl. 1994 L 15/8 - Sea Containers/Stena Sealink; ABl. 1994 L 55/52 - Hafen von Rödby; Entscheidung vom 14.1.1998, ABl. 1998 L 72/30 - Flughafen Frankfurt; ferner Kommission, Mitteilung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich, ABl. 1998 C 265/2). Nach § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4 GWB kann eine mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung darin liegen, daß sich ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren. Dieses neue Regelbeispiel wurde durch die 6. GWB-Novelle in den Mißbrauchskatalog des § 19 Abs. 4 GWB aufgenommen. Die Frage, welche Anforderungen an die Bestimmtheit einer auf die genannten rechtlichen Grundlagen gestützten Verfügung der Kartellbehörde zu stellen sind, war bislang noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Die Verfügung des Bundeskartellamts regelt nicht, welchem der beiden am Zugang zum Fährhafen Puttgarden interessierten Unternehmen die Mitbenutzung gestattet werden muß. Sie läßt auch offen, welche der bei Gestattung einer Mitbenutzung erforderlichen baulichen Veränderungen vorgenommen werden müssen und welches Entgelt als angemessen anzusehen ist. In einem durch diesen Beschluß eröffneten Rechtsbeschwerdeverfahren könnte erörtert werden, ob sich die Anforderungen an die Bestimmtheit danach richten, wie die Verfügung des Bundeskartellamts zu verstehen ist. Sofern die Behörde mit ihr zunächst lediglich erreichen will, daß die Scandlines GmbH Verhandlungen aufnimmt, und eine Vollstreckung aus der Verfügung nur dann in Betracht zieht, wenn sie dies verweigert, mögen die Anforderungen an die Bestimmtheit der Verfügung geringer sein, als wenn sie auch im Falle eines aus der Sicht der Kartellbehörde unbefriedigenden Verhandlungsergebnisses Grundlage von Vollstreckungsmaßnahmen sein soll.

III. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Rechtsmittelbelehrung:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Beschwerdegerichts ist binnen einer Frist von einem Monat, die mit der Zustellung des vorliegenden Beschlusses beginnt, schriftlich bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen. Die Frist von einem Monat für die Einreichung der Begründung beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muß die Erklärung enthalten, inwieweit der Beschluß des Beschwerdegerichts angefochten und seine Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Begründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies gilt nicht für eine von der Kartellbehörde eingereichte Rechtsbeschwerdeschrift und Rechtsbeschwerdebegründung.

Ende der Entscheidung

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