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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.07.2006
Aktenzeichen: KVZ 41/05
Rechtsgebiete: GWB, ZPO
Vorschriften:
GWB § 1 | |
GWB § 70 | |
GWB § 70 Abs. 2 | |
GWB § 74 Abs. 2 | |
GWB § 74 Abs. 2 Nr. 2 | |
GWB § 74 Abs. 4 Nr. 3 | |
GWB § 75 | |
GWB § 76 Abs. 3 | |
ZPO § 544 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 11. Juli 2006
in der Kartellverwaltungssache
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juli 2006 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch und die Richter Ball, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Raum und Dr. Strohn
beschlossen:
Tenor:
Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. September 2005 wird auf Kosten der Beschwerdeführerin als unzulässig verworfen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I. Die Sanacorp e.G. Pharmazeutische Großhandlung beabsichtigt, von der D. B. - Aktiengesellschaft einen Geschäftsanteil in Höhe von 25,0000234% an der Andreae-Noris Zahn AG (ANZAG) zu erwerben. Das Bundeskartellamt hat den Anteilserwerb mit Beschluss vom 18. September 2001 untersagt. Darüber schwebt vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf ein Beschwerdeverfahren (s. dazu BGH, Beschl. v. 13.7.2004 - KVR 2/03, WuW/E DE-R 1301 - Sanacorp/ANZAG). Mit Wirkung zum 23. September 2003 veräußerte die D. B. ihren Geschäftsanteil an der ANZAG zur Hälfte an die Beschwerdeführerin (Celesio). Der Veräußerungsvertrag enthält eine Call-Option für den Fall, dass der Sanacorp der Erwerb der Anteile von der D. B. gestattet werden sollte.
Das Bundeskartellamt hegt den Verdacht, dass Celesio die Geschäftsanteile der D. B. abredegemäß mit dem Ziel erworben hat, einen Erwerb jener Anteile durch die A. U. zu verhindern, um der Sanacorp bei einem erfolgreichen Abschluss ihres Fusionskontrollverfahrens den beabsichtigten Hinzuerwerb zu ermöglichen. Das Bundeskartellamt hat deshalb gegen Celesio ein Verwaltungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen § 1 GWB eingeleitet, dieses Verfahren jedoch bis zum Abschluss des Fusionskontrollverfahrens der Sanacorp ruhend gestellt.
Celesio begehrt die Einstellung des Verfahrens und hat mit ihrer Beschwerde beantragt,
das Bundeskartellamt zu verpflichten, das gegen sie wegen "Anteilsverhältnissen an der ANZAG" eingeleitete Verwaltungsverfahren einzustellen,
hilfsweise (für den Fall, dass das Gericht eine Einstellungsreife verneint), das Bundeskartellamt zu verpflichten, das Verwaltungsverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu betreiben,
weiter hilfsweise (für den Fall, dass das Gericht das Leistungsbegehren für nicht statthaft hält), festzustellen, dass das Verwaltungsverfahren einzustellen, zumindest aber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu betreiben ist.
Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen (OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 1585). Die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Dagegen wendet sich Celesio mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
Ebenso wie in dem vergleichbaren Verfahren nach § 544 ZPO ist auch die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 75 GWB nur zulässig, wenn innerhalb der Begründungsfrist Zulassungsgründe i.S. des § 74 Abs. 2 GWB dargelegt werden (BGH, Beschl. v. 18.5.1993 - KVZ 10/92, WuW/E 2869, 2874 - Pauschalreisen-Vermittlung II). Dazu reicht es nicht, einen Zulassungsgrund nur pauschal zu benennen. Der Beschwerdeführer muss vielmehr die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes, auf den er seine Beschwerde stützt, substanziiert darlegen (BGHZ 152, 181, 185; BGH, Beschl. v. 19.12.1995 - KVZ 23/95, WuW/E 3035, 3036 - Nichtzulassungsbeschwerde). Dabei hat er auch die Entscheidungserheblichkeit aufzuzeigen (BGH, Beschl. v. 19.12.2002 - VII ZR 101/02, NJW 2003, 831). Diesen Anforderungen wird die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hier nicht gerecht.
Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen und dazu ausgeführt: Bei dem auf Verfahrenseinstellung gerichteten Hauptantrag handele es sich um eine vorbeugende Unterlassungsbeschwerde. Diese sei in dem Kartellverwaltungsverfahren unstatthaft, weil sie auf ein im Gesetz nicht vorgesehenes Negativattest hinauslaufe. Überdies fehle das für die vorbeugende Unterlassungsbeschwerde erforderliche qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis. Auch die weitere Begründung der Beschwerdeführerin, das Kartellverwaltungsverfahren sei allein schon deswegen einzustellen, weil es von dem Beschwerdegegner nicht weiter betrieben werde, führe nicht zur Zulässigkeit des Antrags. Die Beschwerdeführerin habe auch insoweit kein Rechtsschutzinteresse, weil nach einer Einstellung jederzeit wieder erneut ein Verfahren eingeleitet werden könne. Der erste Hilfsantrag, den Beschwerdegegner zu verpflichten, das Verfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts fortzusetzen, sei ebenfalls unzulässig, weil es sich auch dabei um eine vorbeugende Unterlassungsbeschwerde handele. Der zweite Hilfsantrag schließlich sei unzulässig, weil das Kartellgesetz eine allgemeine Feststellungsklage nicht vorsehe.
Mit diesen die Entscheidung tragenden Gründen befasst sich allein die von der Beschwerdeführerin unter B. II. 6. ihrer Nichtzulassungsbeschwerdebegründung aufgeführte Rüge, das Beschwerdegericht habe das Beschwerdebegehren zu Unrecht als vorbeugenden Rechtsschutzantrag aufgefasst. Die Voraussetzungen eines möglichen Zulassungsgrundes werden nicht dargelegt. Es heißt lediglich pauschal: "Die Bestimmung der richtigen Klageart in dem erstrebten Rechtsbeschwerdeverfahren dient zugleich der Fortbildung des Rechts gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 2 GWB." Auch die Bemerkung eingangs der Rechtsausführungen unter B., dass "in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht abschließend geklärte Fragen zur Auslegung von Klageanträgen" zu beantworten seien, führt nicht weiter. Daraus und aus den übrigen Ausführungen wird nicht deutlich, aus welchem Grund sich in Bezug auf die Auslegung der Beschwerdeanträge eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellen sollte oder wieso es insoweit zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der Entscheidung des Senats bedürfen sollte (§ 74 Abs. 2 GWB).
III. Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde aber auch in der Sache unbegründet.
Die Beschwerdeführerin meint, ihr Hauptantrag sei von dem Beschwerdegericht zu Unrecht als vorbeugende Unterlassungsbeschwerde ausgelegt worden. Dem stehe entgegen, dass sie nie in Zweifel gezogen habe, dass bei neuen Anhaltspunkten für ein wettbewerbswidriges Verhalten das Verfahren fortgeführt oder neu begonnen werden könne. Deshalb beziehe sich die begehrte Einstellung des Verfahrens nur auf die Vergangenheit und Gegenwart, nicht dagegen - wie bei der vorbeugenden Unterlassungsbeschwerde - auf die Zukunft. Folglich bedürfe es auch nicht eines - nur für die vorbeugende Unterlassungsbeschwerde erforderlichen - qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses.
Dieses Vorbringen ist schon deshalb unerheblich, weil es nicht auf die Hilfsbegründung eingeht, mit der das Beschwerdegericht den Hauptantrag für unzulässig gehalten hat, nämlich auf die Annahme, auch ein - allgemeines - Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil nach einer Einstellung jederzeit wieder ein neues Verfahren begonnen werde könne. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass der Auslegung des Beschwerdebegehrens durch das Beschwerdegericht eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde gelegen hat, dass insoweit eine Fortbildung des Rechts angezeigt ist oder dass die Einheitlichkeit der Rechtsprechung durch eine höchstrichterliche Entscheidung gesichert werden muss. Die Annahme des Beschwerdegerichts, der Beschwerdeführerin sei es zumutbar, den durch das ruhend gestellte Kartellverwaltungsverfahren entstandenen Schwebezustand hinzunehmen, zumal der Beschwerdegegner angeboten hat, in einer schriftlichen Erklärung Vorgeschichte, Bedeutung und Hintergrund des Verfahrens sowie seiner Einleitung und Aussetzung zu erläutern, ist auch in der Sache vertretbar.
IV. Auf die übrigen Rügen der Beschwerdeführerin, die sich mit der Begründetheit ihrer Anträge befassen, kommt es in dem Verfahren auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht an, da die Beschwerde nicht als unbegründet, sondern als unzulässig zurückgewiesen worden ist.
V. Ebenso wenig ist der Frage nachzugehen, ob das Beschwerdegericht seine Hinweispflicht aus § 70 Abs. 2 GWB verletzt hat - wie die Beschwerdeführerin geltend macht - und ob darin ggf. ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör zu sehen ist (s. dazu BGH, Beschl. v. 23.11.2004 - KVZ 7/03, BGHReport 2005, 1006).
In diesem Fall wäre nämlich gemäß § 74 Abs. 4 Nr. 3 GWB die Rechtsbeschwerde auch ohne Zulassung eröffnet. Die Beschwerdeführerin hat aber innerhalb der Frist des § 76 Abs. 3 GWB eine Rechtsbeschwerde nicht eingelegt. Ob ihre Nichtzulassungsbeschwerde als - auch - Rechtsbeschwerde auszulegen sein könnte, kann offen bleiben. Anhaltspunkte dafür könnten sich nämlich jedenfalls erst aus der Beschwerdebegründung und damit nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 76 Abs. 3 GWB ergeben haben.
Im Übrigen lässt sich den Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht entnehmen, dass ein gemäß § 70 GWB gebotener Hinweis unterlassen worden ist. Bei ihrer Rüge, das Beschwerdegericht habe darauf hinweisen müssen, dass es den Hauptantrag im Sinne des Begehrens einer "endgültigen" Verfahrenseinstellung auffasse, verkennt die Beschwerdeführerin jedenfalls die Hilfsbegründung des Beschwerdegerichts, in der gerade nicht von einer endgültigen Einstellung ausgegangen wird. Der ebenfalls vermisste Hinweis darauf, dass "eine Verpflichtung zur Mitteilung des letzten Sach- und Streitstandes" hätte beantragt werden können, war offensichtlich nicht geboten. Ein Hinweis schließlich, dass "eine Verpflichtung der Kartellbehörde, das Verfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verfahrensrechtlichen Fragen zu betreiben," hätte beantragt werden können, erübrigte sich, weil dieses Begehren von dem ersten Hilfsantrag bereits umfasst war.
Ende der Entscheidung
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