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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.12.2001
Aktenzeichen: KVZ 7/01
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 23
GWB § 131 Abs. 9
GWB § 24a a.F.
GWB § 35 Abs. 1
GWB § 78 Satz 2
GWB § 37 Abs. 1 Nr. 2 n.F.
GWB § 37 Abs. 1 Nr. 3 n.F.
GWB § 23 Abs. 2 Nr. 5 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

KVZ 7/01

vom

11. Dezember 2001

in der Kartellverwaltungssache

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofes Prof. Dr. Hirsch, den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Ball, Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Raum

am 11. Dezember 2001

beschlossen:

Tenor:

Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluß des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2001 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 bis 3 zurückgewiesen.

Der Verfahrenswert beträgt DM 5 Millionen.

Gründe:

I. Die Beteiligte zu 1 (im folgenden: WAZ) ist neben der Westdeutschen Allgemeinen Zeitungsverlagsgesellschaft E. Brost & J. Funke GmbH & Co. KG die Obergesellschaft des WAZ-Konzerns. Der WAZ-Konzern ist der größte Tageszeitungsverlag in Nordrhein-Westfalen und in Thüringen. Die Beteiligte zu 2 (im folgenden: OTZ) gibt seit Juli 1991 die in Gera erscheinende regionale Abonnement-Tageszeitung "Ostthüringer Zeitung" heraus. Die Beteiligte zu 3 (im folgenden: OTZ-GmbH) ist die persönlich haftende Gesellschafterin der OTZ.

Mit der Führung der Verlagsgeschäfte hat die OTZ die "Zeitungsgruppe Thüringen Verwaltungsgesellschaft mbH" (im folgenden: ZGT) beauftragt. Diese Gesellschaft wurde auch von den Verlagsgesellschaften anderer in Thüringen erscheinender regionaler Abonnement-Tageszeitungen beauftragt, das Zeitungsverlagsgeschäft, insbesondere in den Bereichen Anzeigen, Vertrieb, Rechnungswesen, Einkauf und kommerzielle EDV, nach eigenem Ermessen, im eigenen Namen und für fremde Rechnung durchzuführen. Die WAZ hält 50 % der Anteile an der ZGT; drei weitere Verlagsgesellschaften sind mit 28,5 %, 14,5 % und 7 % beteiligt. Nach dem Gesellschaftsvertrag der ZGT werden Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßt. Dabei ist vorgesehen, daß die WAZ in allen verlagswirtschaftlichen Angelegenheiten eine zusätzliche Stimme hat und in den siebenköpfigen Gesellschafterausschuß vier Personen entsenden kann.

Am 19. Juli 1991 kam es zu einer Vereinbarung, an der u.a. die WAZ, die OTZ, die OTZ-GmbH, die ZGT und die Beteiligte zu 4 (im folgenden: VRM) beteiligt waren. Darin verpflichtete sich die WAZ, 40 % der Anteile an der OTZ und der OTZ-GmbH auf die VRM zu übertragen und die Satzungen dieser Gesellschaften dahin abzuändern, daß es für wichtige publizistische und/oder unternehmerische Entscheidungen einer Mehrheit von 70 % des Kapitals bedürfe. Die entsprechenden Rechtsgeschäfte wurden im August 1991 vorgenommen.

Durch notariellen Vertrag vom 7. November 1995 erwarb die WAZ von der VRM die 1991 übertragenen Anteile zurück. Das Bundeskartellamt hat den Anteilserwerb, der ihm nicht angezeigt worden war, mit Beschluß vom 12. Januar 2000 untersagt (AG 2000, 520). Die hiergegen gerichteten Beschwerden der Beteiligten zu 1 bis 4 wurden vom Beschwerdegericht mit Beschluß vom 31. Januar 2001 zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen (OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 647). Deren Zulassung erstreben die Beteiligten zu 1 bis 3 mit ihrer Beschwerde.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig, aber nicht begründet. Im Streitfall ist weder eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofes (§ 74 Abs. 2 GWB).

1. Die Beschwerdeführerinnen sehen eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung darin, ob die Erhöhung einer Beteiligung der Fusionskontrolle unterliegt, wenn das Beteiligungsunternehmen schon vor dem Anteilsübergang nahezu alle wesentlichen wettbewerbsrelevanten Entscheidungen einem mit dem erwerbenden Unternehmen konzernverbundenen Unternehmen überlassen hat.

Dieser Fragestellung liegt die Annahme zugrunde, WAZ und OTZ hätten bereits vor der Erhöhung der Beteiligung eine wettbewerbliche Einheit gebildet, weil die WAZ über die von ihr beherrschte ZGT nahezu alle wesentlichen wettbewerbsrelevanten Entscheidungen der OTZ habe beeinflussen können. Diese Annahme steht im Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts, auf deren Grundlage über die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu entscheiden ist. Nach der tatrichterlichen Würdigung des Beschwerdegerichts waren wichtige Bereiche der Unternehmenspolitik der OTZ dem Einflußbereich der ZGT entzogen. Es wurden also gerade nicht nahezu alle wesentlichen wettbewerbsrelevanten Entscheidungen von der ZGT bestimmt. Demnach stellt sich die von den Beschwerdeführerinnen als klärungsbedürftig angesehene Frage nicht.

2. Soweit das Beschwerdegericht seiner Entscheidung eine Auslegung des § 23 Abs. 2 Nr. 5 GWB a.F. zugrunde gelegt hat, wonach auch ein reiner Anteilserwerb einen Zusammenschluß im Sinne dieser Bestimmung darstellen kann, liegt ein Zulassungsgrund gleichfalls nicht vor. Die Annahme grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, daß der betreffenden Rechtsfrage eine über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung zukommt. Nach § 131 Abs. 9 GWB gelten jedoch die §§ 23 bis 24a GWB a.F. nur noch für Zusammenschlüsse, welche die Umsatzschwellen des § 35 Abs. 1 GWB erreichen, vor dem 1. Januar 1999 vollzogen und nicht angezeigt oder noch nicht abschließend vom Bundeskartellamt geprüft worden sind. Mit Rücksicht auf den seit Inkrafttreten der Neufassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verstrichenen Zeitraum kommt danach eine Anwendung des § 23 Abs. 2 Nr. 5 GWB a.F. allenfalls noch in vereinzelten Fällen in Betracht, in denen - wie hier - ein Zusammenschlußvorhaben nicht angezeigt wurde. Rechtsfragen in bezug auf auslaufendes Recht haben nach der Rechtsprechung regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung (BVerwG, Beschl. v. 20.12.1995 - 6 B 35/95, NVwZ-RR 1996, 712; Beschl. v. 27.6.1996 - 7 B 94/96, NVwZ 1996, 1010; BFH, Beschl. v. 31.7.1987 - V B 36/87, BFH-NV 1988, 172; BSG, Beschl. v. 28.11.1975 - 12 BJ 150/75, SozR (2. Folge) 1500 § 160a Nr. 19).

Die entsprechende Rechtsfrage stellt sich - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen - nach der Neufassung der Zusammenschlußtatbestände durch die 6. GWB-Novelle nicht in gleicher Weise. Sie ergab sich in der Vergangenheit gerade daraus, daß der Wortlaut des § 23 Abs. 2 Nr. 5 GWB a.F. ("jede sonstige Verbindung") auf eine nur subsidiäre Anwendbarkeit hinwies, während sich die Gegenauffassung darauf berief, daß es sich um einen - weit auszulegenden - Auffangtatbestand handele. Dagegen lassen sich weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB n.F. Anhaltspunkte für eine Subsidiarität im Verhältnis zu § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB n.F. entnehmen. Auch zur Fortbildung des Rechts ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu dieser Frage nicht erforderlich.

3. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch insoweit nicht geboten, als sich das Beschwerdegericht mit der Frage befaßt hat, ob die WAZ vor dem Anteilserwerb gemeinsam mit der VRM einen beherrschenden Einfluß auf die OTZ ausgeübt hat und ob der Übergang von der Mitbeherrschung zur Alleinbeherrschung der Fusionskontrolle unterworfen ist. Der Begründung der angegriffenen Entscheidung ist zu entnehmen, daß das Beschwerdegericht unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls sowohl die Beherrschung der OTZ durch die WAZ allein als auch eine gemeinsame Beherrschung durch die WAZ und die VRM verneint hat. Soweit es ausgeführt hat, daß der Zusammenschlußtatbestand nach § 23 Abs. 2 Nr. 5 GWB a.F. auch dann erfüllt wäre, wenn WAZ und VRM die OTZ vor dem Anteilserwerb gemeinsam beherrscht hätten, handelt es sich um eine bloße Hilfsbegründung. Eine grundsätzliche Bedeutung wäre im übrigen wegen des Außerkrafttretens dieser Norm nicht zu bejahen.

4. Die Beteiligten zu 1 bis 3 sehen ferner die Frage als grundsätzlich an, ob eine marktbeherrschende Stellung verstärkt werden kann, wenn das betreffende Unternehmen auf dem relevanten Markt weder aktuellem noch potentiellem Wettbewerb ausgesetzt ist. Ein Zulassungsgrund ergibt sich daraus schon deshalb nicht, weil dieser Fragestellung wiederum eine Prämisse zugrunde liegt, die mit der tatrichterlichen Würdigung des Sachverhalts durch das Beschwerdegericht nicht zu vereinbaren ist. Das Beschwerdegericht hat nicht angenommen, daß die OTZ weder aktuellem noch potentiellem Wettbewerb ausgesetzt sei, was sich schon aus seinem Hinweis ergibt, daß sich die Verbreitungsgebiete der "Thüringischen Landeszeitung" und der "Ostthüringer Zeitung" im Raum der Ortsausgaben Jena und Gera überschneiden. Im übrigen ist nicht zu erkennen, warum nicht zumindest die Verleger von regionalen Abonnement-Tageszeitungen, deren Verbreitungsgebiete an das der "Ostthüringer Zeitung" angrenzen, als potentielle Wettbewerber anzusehen sein sollten. Dem Beschluß des Bundeskartellamts ist lediglich zu entnehmen, daß es davon ausging, die OTZ sei keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt.

5. Für die als grundsätzlich angesehene Frage, ob die Erhöhung der Beteiligung von 60 % auf 100 % zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung führen kann, wenn schon vor dem Zusammenschluß alle wesentlichen wettbewerbsrelevanten Entscheidungen auf ein mit dem Mehrheitsgesellschafter konzernverbundenes Unternehmen übertragen worden sind, gilt das oben unter 1. Ausgeführte entsprechend.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 2 GWB.



Ende der Entscheidung

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