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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.12.2001
Aktenzeichen: KZB 12/01
Rechtsgebiete: GVG


Vorschriften:

GVG § 17 Abs. 1
Soweit Rechtsstreitigkeiten, für die zuvor die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuständig waren, durch die am 1. Januar 2000 in Kraft getretene Änderung der § 51 Abs. 1 SGG, § 87 Abs. 1 GWB den Sozialgerichten zugewiesen worden sind, sind davon Verfahren nicht betroffen, die bereits am 31. Dezember 1999 bei Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit anhängig waren (Grundsatz der perpetuatio fori, Klarstellung gegenüber BGH, Beschl. v. 14.3.2000 - KZB 34/99, WuW/E DE-R 469 - Hörgeräteakustik).
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

KZB 12/01

vom

11. Dezember 2001

LDL-Behandlung

in der Beschwerdesache

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Dezember 2001 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball und Prof. Dr. Bornkamm

beschlossen:

Tenor:

Die weitere sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 6. Juni 2001 wird auf Kosten der Beklagten zu 2 zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der weiteren sofortigen Beschwerde wird auf 100.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie hat ein Behandlungsverfahren zur Vorbeugung von Herzerkrankungen, die sogenannte LDL-Eliminations-Behandlung, entwickelt. Die Beklagte zu 1 ist die für Baden-Württemberg zuständige Allgemeine Ortskrankenkasse. Sie hat mit der Beklagten zu 2, der für Südbaden zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung, eine Vereinbarung getroffen, wonach für ambulante LDL-Eliminations-Behandlungen eine Pauschale von 1.700 DM zu zahlen ist. Mit ihrer im Jahre 1999 erhobenen, auf Art. 81 Abs. 1 EG, § 1 UWG und § 823 BGB gestützten Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch und begehrt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei eröffnet, da Gegenstand der Klage kartellrechtliche Unterlassungsansprüche seien. Dagegen haben die Beklagten die Unzuständigkeit des angerufenen Landgerichts gerügt; insbesondere seien die ordentlichen Gerichte für den vorliegenden Streit nicht zuständig. Die Beklagten haben sich darauf berufen, daß sie bei Abschluß der beanstandeten Vereinbarung im Rahmen der ihnen durch das öffentliche Recht zugewiesenen Aufgaben tätig geworden seien.

Das Landgericht hat durch Beschluß den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für zulässig erklärt. Das Oberlandesgericht hat die sofortigen Beschwerden der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die weitere sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2 ist infolge ihrer Zulassung durch das Oberlandesgericht statthaft und auch im übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Mit Recht haben Landgericht und Oberlandesgericht für die Frage der Rechtswegzuständigkeit auf die Rechtslage zu dem Zeitpunkt abgestellt, in dem die vorliegende Klage rechtshängig geworden ist (§ 17 Abs. 1 Satz 1 GVG). Der Grundsatz der Fortdauer der einmal begründeten Zuständigkeit ("perpetuatio fori") gilt auch in Fällen einer nachträglichen Veränderung der gesetzlichen Grundlagen. Dies entspricht nicht nur ständiger Rechtsprechung (vgl. RGZ 103, 102, 103 f.; BGH, Urt. v. 1.2.1978 - IV ZR 142/77, NJW 1978, 949; BGHZ 114, 218, 221 f. - Einzelkostenerstattung), sondern auch der einhelligen Auffassung im Schrifttum (vgl. nur Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 17 GVG Rdn. 1; Musielak/Wittschier, ZPO, 2. Aufl., § 17 GVG Rdn. 4; Kissel, NJW 1991, 945, 948; Piekenbrock, NJW 2000, 3476). Durch den von den Parteien angeführten Senatsbeschluß vom 14. März 2000 (KZB 34/99, WuW/E DE-R 469 - Hörgeräteakustik) sollte dies nicht in Frage gestellt werden.

2. Nach der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Rechtslage war für den vorliegenden Rechtsstreit die Zuständigkeit der Kartellgerichte begründet.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage unter Berufung auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (WuW/E DE-R 233) u.a. geltend, in der zwischen den Beklagten getroffenen Vereinbarung über den für die fragliche LDL-Behandlung zu zahlenden Preis liege ein nach Art. 81 Abs. 1 EG verbotenes Kartell. Da die Klägerin - gestützt auf diesen behaupteten Kartellverstoß - Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche (§ 823 Abs. 2 BGB) geltend macht, handelt es sich - ungeachtet der Rechtsnatur des zwischen den Beklagten geschlossenen Vertrages - um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, genauer um eine Kartellstreitsache i.S. von §§ 96, 87 GWB (vgl. Bornkamm in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 87 GWB Rdn. 9 und § 96 GWB Rdn. 2). Hieran ändert nichts, daß die Klägerin für die geltend gemachten Ansprüche auch nichtkartellrechtliche Anspruchsgrundlagen (§ 1 UWG, § 823 Abs. 1 BGB) heranzieht.

Zwar sind den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 2 Nr. 3 SGG, und zwar schon in der zum Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Fassung, neben den in § 51 Abs. 1 SGG bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten auch bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zugewiesen, die "in Angelegenheiten nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch entstehen ... auf Grund von Entscheidungen oder Verträgen der Krankenkassen oder ihrer Verbände" (vgl. BGH, Beschl. v. 5.6.1997 - I ZB 26/96, WRP 1997, 1199 - Hilfsmittellieferungsvertrag). § 87 Abs. 1 GWB enthält jedoch für bürgerlich-rechtliche Kartellstreitigkeiten eine spezielle Rechtswegzuweisung, die bis zur entsprechenden Änderung des § 51 Abs. 2 SGG und des § 87 Abs. 1 GWB durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22.12.1999 (BGBl. I S. 2626) auch der Zuweisung bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten an die Sozialgerichte vorging (BGHZ 114, 218, 224 ff. - Einzelkostenerstattung).

3. Im Streitfall war daher zum Zeitpunkt der Klageerhebung der Rechtsweg zu den Kartellgerichten eröffnet. Bei dieser Rechtswegzuweisung verbleibt es trotz der inzwischen eingetretenen Gesetzesänderung. Auch in anderen Fällen ist der Senat davon ausgegangen, daß für kartellrechtliche Streitigkeiten nach § 87 GWB (ggf. i.V. mit § 96 GWB) in der bis Ende 1999 geltenden Fassung ausschließlich die Zuständigkeit der Kartellgerichte begründet war und daß die einmal begründete Rechtswegzuständigkeit durch eine Gesetzesänderung nicht berührt wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 3.7.2001 - KZR 31/99, WuW/E DE-R 747 - Festbeträge).

III. Danach ist die weitere sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2 mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Den Wert der weiteren sofortigen Beschwerde hat der Senat - ebenso wie das Beschwerdegericht - auf ein Viertel des Wertes der Hauptsache festgesetzt (BGH, Beschl. v. 19.12.1996 - III ZB 105/96, NJW 1998, 909, 910; Beschl. v. 30.9.1999 - V ZB 24/99, NJW 1999, 3785).

Ende der Entscheidung

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