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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.03.2004
Aktenzeichen: KZR 1/03
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 19 Abs. 1
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 1
GWB § 33
Unter dem Gesichtspunkt des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung begegnet es kartellrechtlichen Bedenken, wenn das den Markt für Festnetzanschlüsse beherrschende Telefonunternehmen zusammen mit einem Tochterunternehmen, das auf dem Markt für den Internetzugang bereits über eine starke Stellung verfügt, ISDN-Anschlüsse gekoppelt mit einem Internetzugang anbietet. Eine solche Kopplung ist kartellrechtlich verboten, wenn von dem Kopplungsangebot eine tatsächliche Sogwirkung ausgeht und ein erheblicher Teil der ISDN-Kunden aufgrund der Kopplung für andere Anbieter von Internetzugängen verloren ist. Dies gilt auch dann, wenn der Internetzugang im Rahmen des Kopplungsangebots den Teilnehmer zu nichts verpflichtet und ihm die Möglichkeit offenläßt, Kunde eines anderen Anbieters zu werden.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

KZR 1/03

Verkündet am: 30. März 2004

in dem Rechtsstreit

Der Oberhammer

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2004 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Raum

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 28. November 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte zu 1 ist die Deutsche Telekom. Sie verfügte in Deutschland bis 1996 über ein Netzmonopol und bis Ende 1997 über ein Monopol für Fernsprechdienstleistungen. Auch heute noch hat sie in Deutschland im Bereich der Netzkommunikation eine beherrschende Marktstellung inne. Inzwischen bieten allerdings in vielen Regionen Deutschlands auch andere Telefongesellschaften Telefonanschlüsse im Festnetz an. Die Beklagte zu 2, eine Tochter der Beklagten zu 1, betreibt den Online-Dienst "T-Online", den größten derartigen Dienst in Deutschland. Sie steht im Wettbewerb zur Klägerin, die zum AOL-Konzern, dem weltweit größten Online-Dienst, gehört und in Deutschland den Online-Dienst AOL betreibt.

Die Beklagte zu 1 bietet seit mehreren Jahren neben analogen Festnetzanschlüssen ISDN-Anschlüsse an, über die der Kunde bei deutlich höheren Übertragungsgeschwindigkeiten gleichzeitig telefonieren, ein Telefax versenden oder empfangen und Zugang zum Internet haben kann. Für einen ISDN-Anschluß gibt es mehrere Tarifvarianten, die durchweg eine monatliche Grundgebühr vorsehen. Seit Januar 2000 warben die Beklagte zu 1 und die Beklagte zu 2 gemeinsam für eine als "Der Oberhammer" bezeichnete Kombination der beiden Produkte T-ISDN und T-Online. Dieses Angebot bestand aus dem T-ISDN-Anschluß zu den üblichen aus Grundpreis und Gesprächsgebühren zusammengesetzten Tarifen sowie aus einem T-Online-Anschluß zu einem "call-by-call"-Tarif, der keine (zusätzliche) Grundgebühr, sondern lediglich nutzungsabhängige Gebühren vorsah (Minutenpreis zuletzt 1,99 Cent). Ein solcher Tarif ist vor allem für Kunden interessant, die den Internet-Anschluß nur gelegentlich nutzen. Für dieses Angebot warb die Beklagte zu 1 mit Aussagen wie "T-ISDN jetzt inklusive T-Online-Anschluß ohne zusätzliche Grundgebühr", "T-ISDN jetzt T-Online-Anschluß inklusive", "Neu bei T-ISDN: Grundgebühr für T-Online entfällt!". Auf einer Pressekonferenz beschrieb der damalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten zu 1 dieses Angebot in der Weise, daß "bei einem neuen T-ISDN-Anschluß ... der T-Online-Anschluß jetzt automatisch und kostenlos mitgeliefert" werde. Dies wurde zunächst in der Weise gehandhabt, daß jeder Besteller eines ISDN-Anschlusses von der Beklagten zu 2 als Kunde begrüßt und registriert wurde und eine "Auftragsbestätigung" sowie die Zugangssoftware für den T-Online-Anschluß mit individueller Kennung erhielt. Später konnten Besteller eines ISDN-Anschlusses ankreuzen, ob sie auch T-Online-Kunde werden wollten. Der "call-by-call"-Tarif der Beklagten zu 2 wurde ferner den Kunden der Beklagten zu 1 angeboten, die bereits über einen ISDN-Anschluß verfügten.

Die Klägerin hat es als mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung und als unbillige Behinderung beanstandet, daß die Beklagten neue ISDN-Kunden der Beklagten zu 1 automatisch zu T-Online-Kunden machten. Sie hat behauptet, vier von fünf Neukunden der Beklagten zu 1 hätten sich aufgrund der Kopplung für den "call-by-call-Tarif" der Beklagten zu 2 entschieden; ein weiterer Anteil bediene sich anderer Tarifangebote der Beklagten zu 2. Nur ein geringer Anteil der ISDN-Neukunden der Beklagten zu 1 (6,24%) gehe überhaupt nicht oder über andere Anbieter ins Netz. Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Ferner hat sie die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten beantragt. Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die - vom Senat zugelassene - Revision der Klägerin, mit der sie ihre Klageanträge weiterverfolgt. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat einen Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagten verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagten eine - unterstellt - marktbeherrschende Stellung mißbräuchlich ausgenutzt und Marktteilnehmer im Wettbewerb behindert hätten. Entscheidend sei, daß es dem Kunden, der neben dem ISDN-Anschluß die Möglichkeit erhalte, einen T-Online-Anschluß einzurichten, unbenommen bleibe, sich für einen anderen Internetzugang als den der Beklagten zu 2 zu entscheiden. Auch wenn er den T-Online-Zugang installiert habe, stehe es dem Kunden stets frei, sich für einen anderen Online-Dienst zu entscheiden. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Kunden unter einem psychischen Zwang zur Nutzung des T-Online-Zugangs stünden. Selbst wenn von dem Angebot der Beklagten eine Sogwirkung ausgehe, liege darin kein Mißbrauch und keine unbillige Behinderung, sondern allein das Ausnutzen der tatsächlichen Vorteile, die den Beklagten ihre Marktstellung biete. Es könne ihnen auch nicht angelastet werden, daß sie Vorteile aus der Kopplung der beiden Angebote zögen. In der kartellrechtlichen Beurteilung seien die Konzernunternehmen als Einheit zu betrachten. Der Konzern sei nicht verpflichtet, sein eigenes Leistungsangebot zurückzuhalten, um fremden Wettbewerb zu fördern.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen Ansprüche der Klägerin aus § 33 i.V. mit § 19 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1 GWB wegen einer mißbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagten verneint.

1. Die Klägerin hat gegenüber dem Berufungsgericht klarstellend darauf hingewiesen, Ziel ihrer Klage sei es zu verhindern, daß neue ISDN-Kunden der Beklagten zu 1 automatisch T-Online-Kunden würden; sie wende sich nicht gegen eine Handhabung, bei der der Neukunde, der bei der Beklagten zu 1 einen ISDN-Anschluß bestelle, auf einem Formular einen Internetzugang über T-Online beantragen oder sein Interesse an einem solchen Zugang bekunden könne. Der Klägerin geht es somit darum, eine gekoppelte Abgabe von Dienstleistungen - ISDN-Anschluß auf der einen und Internetzugang auf der anderen Seite - zu verhindern. Sie befürchtet, die Beklagte zu 1 könne auf diese Weise aufgrund ihrer überragenden Stellung auf dem Markt für Festnetzanschlüsse die Stellung ihrer Tochtergesellschaft auf dem Markt für den Internetzugang stärken. Die Klägerin macht damit geltend, in dem Verhalten der Beklagten liege eine mißbräuchliche Marktbehinderung nach § 19 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1 GWB und eine unbillige Behinderung nach § 20 Abs. 1 GWB.

2. Daß die Beklagte zu 1 auf dem Markt für Festnetzanschlüsse über eine überragende Stellung i.S. von § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB verfügt und insoweit Normadressatin des Mißbrauchsverbots ist, läßt sich bereits dem Tatbestand des landgerichtlichen Urteils entnehmen, auf den das Berufungsurteil verweist. Die beherrschende Stellung der Beklagten zu 1 auf diesem Markt haben die Beklagten im übrigen auch nicht in Abrede gestellt. Da das beanstandete Kopplungsangebot von den Beklagten gemeinsam getragen war, kommt hinsichtlich der Beklagten zu 2, die selbst nicht Täterin einer vom Festnetzmarkt ausgehenden Behinderung sein kann, eine Gehilfenhaftung in Betracht (§ 830 Abs. 2 BGB; vgl. BGH, Urt. v. 24.6.2003 - KZR 32/02, WuW/E DE-R 1125, 1127 - Buchpreisbindung [zum Abdruck in BGHZ 155, 189 bestimmt]).

3. In der von der Klägerin beanstandeten Kopplung des ISDN-Anschlusses mit dem T-Online-Internetzugang kann eine mißbräuchliche Behinderung der Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen nach § 19 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1 GWB liegen. In Betracht kommen insofern in erster Linie die Wettbewerber der Beklagten zu 2 auf dem Internet-Zugangsmarkt, zu denen auch die Klägerin zählt. Daß die Beeinträchtigung nicht auf dem beherrschten Markt, sondern auf einem Drittmarkt auftritt, steht der Anwendung des § 19 GWB nicht entgegen. Denn es entspricht der weiten Generalklausel der - durch die Anwendungsbeispiele in § 19 Abs. 4 GWB auszufüllenden - Bestimmung des § 19 Abs. 1 GWB, ein mißbräuchliches Verhalten auch dann zu erfassen, wenn es zu einer Beeinträchtigung anderer Marktteilnehmer auf einem anderen Markt führt (BGH, Urt. v. 4.11.2003 - KZR 16/02, WuW/E DE-R 1206 f. - Strom und Telefon I [zum Abdruck in BGHZ bestimmt]; Urt. v. 4.11.2003 - KZR 38/02, WuW/E DE-R 1210, 1211 - Strom und Telefon II, jeweils m.w.N.). Die Fälle des mißbräuchlichen Behinderungswettbewerbs sind somit durch die Formulierung "in einer für den Wettbewerb auf dem Markt erheblichen Weise" im Anwendungsbeispiel des § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB nicht auf Fallkonstellationen beschränkt, in denen eine Beeinträchtigung des (Rest-)Wettbewerbs auf dem beherrschten Markt in Rede steht, auch wenn - wie es der Wortlaut nahelegt - bei der Formulierung des Gesetzestextes diese Fälle im Vordergrund gestanden haben mögen (vgl. Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 19 Rdn. 114). Nach § 33 GWB stehen zivilrechtliche Ansprüche in einem derartigen Fall denjenigen zu, die durch die mißbräuchliche Behinderung auf dem Drittmarkt beeinträchtigt werden (BGH WuW/E DE-R 1206, 1207 - Strom und Telefon I; WuW/E DE-R 1210, 1211 - Strom und Telefon II).

4. Die durch die 6. GWB-Novelle vollzogene Umgestaltung des kartellrechtlichen Mißbrauchstatbestands in eine Verbotsnorm hat dazu geführt, daß nunmehr demjenigen, der durch den Mißbrauch beeinträchtigt wird, Unterlassungs- und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche nach § 33 GWB zustehen. Können diese Ansprüche - wie dargelegt - im Falle eines Behinderungsmißbrauchs (§ 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB) auch von Dritten geltend gemacht werden, die nicht auf dem beherrschten Markt tätig sind, erscheint es fraglich, ob in den Fällen eines Verstoßes gegen das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB der zivilrechtliche Rechtsschutz auch weiterhin nur Unternehmen gewährt werden soll, die auf dem beherrschten Markt tätig sind (so noch BGH, Urt. v. 23.2.1988 - KZR 17/86, WuW/E 2483, 2487 f. - Sonderungsverfahren; Urt. v. 24.9.2002 - KZR 34/01, WuW/E DE-R 1011, 1013 - Wertgutscheine für Asylbewerber; zweifelnd bereits BGH WuW/E DE-R 1206, 1207 - Strom und Telefon I; WuW/E DE-R 1210, 1211 - Strom und Telefon II). Die Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil ein möglicher Anspruch aus § 33 i.V. mit § 20 Abs. 1 GWB im Streitfall nicht weiterreichen würde als ein Anspruch aus § 33 i.V. mit § 19 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1 GWB.

5. Mit Erfolg wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht die Kopplung von ISDN-Anschluß und Internetzugang nicht als mißbräuchlich angesehen hat.

a) Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, daß die Kunden im Zuge der beanstandeten gekoppelten Abgabe von ISDN-Anschluß und Internetzugang nicht an die Beklagte zu 2 als Online-Dienst gebunden würden. Der Kunde erhalte zwar alles, was für eine Internetnutzung erforderlich sei; es bleibe ihm aber überlassen, ob er von diesem Angebot Gebrauch machen oder ob er sich für den Internetzugang eines anderen Anbieters entscheiden wolle. Der Kunde werde daher nicht gebunden; vielmehr stelle sich der von der Beklagten zu 2 zur Verfügung gestellte Internetzugang wirtschaftlich als eine Option dar. Mit ähnlichen Erwägungen hat das Bundeskartellamt in seinem Tätigkeitsbericht 1999/2000 begründet, weshalb das aufgrund einer Beschwerde der Klägerin gegen die Beklagten eingeleitete kartellamtliche Verfahren, das ebenfalls die Kopplung des ISDN-Anschlusses mit dem Internetzugang zum Gegenstand hatte, eingestellt worden ist (BT-Drucks. 14/6300, S. 161 f.).

b) Grundsätzlich steht es dem Kaufmann frei, seine Waren oder Dienstleistungen nur gekoppelt mit anderen Waren oder Dienstleistungen abzugeben. Das Kartellrecht schränkt diese Freiheit jedoch ein, wenn die Kopplung zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs führt. Unter dieser Voraussetzung kann die Kartellbehörde nach § 16 Nr. 4 GWB selbst einem nicht marktbeherrschenden Unternehmen untersagen, Waren oder Leistungen, die weder sachlich noch handelsüblich zusammengehören, nur gekoppelt abzugeben. Gehen Kopplungspraktiken von marktbeherrschenden Unternehmen aus, können die wettbewerbsschädlichen Auswirkungen vor allem darin bestehen, daß das marktbeherrschende Unternehmen seine Macht mit Hilfe der Kopplung auf andere Märkte ausdehnt (vgl. Emmerich in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 16 Rdn. 84; Bechtold, GWB, 3. Aufl., § 19 Rdn. 61; Dirksen in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., Art. 82 EG Rdn. 154; Möschel in Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Art. 86 EGV Rdn. 198). Besteht diese Gefahr, ist dem marktbeherrschenden Unternehmen die Kopplung von Waren oder Leistungen, die weder sachlich noch aufgrund einer Branchenübung zusammengehören, nach § 19 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1 GWB stets untersagt (vgl. auch Art. 81 Abs. 1 lit. e und Art. 82 Satz 2 lit. d EG).

c) Die hier in Rede stehenden Leistungen - ISDN-Anschluß auf der einen und Internetzugang auf der anderen Seite - gehören weder sachlich noch aufgrund einer Branchenübung zusammen. Mit Hilfe des ISDN-Anschlusses wird lediglich die Infrastruktur geschaffen, um über die Telefonleitung verschiedene Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können. Dies ist in erster Linie die herkömmliche Leistung des Telefonierens (Sprachtelefonie), aber auch die Fernkopie (Telefax). Der Internetzugang und die weiteren von Internet-Service-Providern üblicherweise angebotenen Leistungen sind von der Einrichtung des Telefonanschlusses sachlich klar abzugrenzen. Überzeugende technische oder wirtschaftliche Gründe für eine Zusammenfassung der beiden Leistungen sind nicht ersichtlich. Die Revisionserwiderung zeigt auch keinen übergangenen Sachvortrag aus den Tatsacheninstanzen auf, wonach eine Branchenübung bestünde, den Festnetzanschluß des Telefons mit dem Internetzugang und den weiteren dazugehörenden Leistungen zu koppeln. Vielmehr werden die beiden Leistungen in der Regel getrennt und von verschiedenen Unternehmen angeboten.

d) Was die Frage angeht, ob von der beanstandeten Kopplung eine wettbewerbsschädliche Wirkung ausgeht, hat das Berufungsgericht ebenso wie das Bundeskartellamt in der im Tätigkeitsbericht gegebenen Begründung für die Einstellung des Verfahrens gegen die Beklagten zu stark darauf abgestellt, daß die Kopplung nicht zu einer Bindung der Kunden führe. Das Berufungsgericht hat dabei nicht hinreichend berücksichtigt, daß die schädlichen Wirkungen der Kopplung nicht notwendig nur dann eintreten, wenn für die Kunden, die einen ISDN-Anschluß bestellen, ein rechtlicher Zwang besteht, sich für den Internetzugang der Beklagten zu 2 zu bedienen. Vielmehr kann die Beklagte zu 1 ihre dominierende Machtstellung auf dem Markt für Festnetzanschlüsse auch dann zu einer Stärkung der Marktposition der Beklagten zu 2 auf dem Markt der Online-Dienste einsetzen, wenn die beanstandete Kopplung ohne rechtlichen Zwang dazu führt, daß ein Großteil der auf diese Weise geworbenen T-Online-Kunden für andere Online-Dienste praktisch verloren ist. Eine solche tatsächliche Wirkung kann etwa darauf beruhen, daß ein Großteil der Kunden, die einen ISDN-Anschluß bestellt haben, sich die mitgelieferte Software für den T-Online-Zugang sogleich installiert oder installieren läßt und von einem späteren Wechsel zu einem anderen Online-Dienst aus Trägheit oder deswegen absieht, weil die spätere Installation eines weiteren Zugangs - zu Recht oder zu Unrecht - als technisch schwierig angesehen wird. Geht von der beanstandeten Kopplung eine solche Sogwirkung aus, kann dies bedeuten, daß dem marktbeherrschenden Unternehmen ein derartiges Verhalten, das als solches nicht zu beanstanden wäre, verwehrt ist (vgl. BGH WuW/E DE-R 1206, 1210 - Strom und Telefon I; WuW/E DE-R 1210, 1213 - Strom und Telefon II). Dabei bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung, ob den Beklagten nur die beanstandete Kopplung (vgl. oben unter II.1.) oder darüber hinaus auch andere Maßnahmen untersagt werden könnten, mit deren Hilfe ISDN-Kunden der Beklagten zu 1 der Beklagten zu 2 zugeführt werden. Generell gilt, daß der Verhaltensspielraum des Normadressaten je stärker eingeschränkt ist, um so stärker seine Stellung auf dem beherrschten Markt und um so größer die Gefahr ist, daß sich diese Marktmacht mit Hilfe des fraglichen Verhaltens auf den Drittmarkt ausdehnen läßt. Diese Gefahr wird wiederum in der Regel je größer sein, um so stärker schon die bisherige Marktposition des Normadressaten oder seines Konzernunternehmens auf dem Drittmarkt ist.

Dem Berufungsurteil läßt sich bislang - durch Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil - lediglich entnehmen, daß die Beklagte zu 1 über eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Festnetzanschlüsse, insbesondere auf dem Teilmarkt der digitalen Anschlüsse, verfügt und daß die Beklagte zu 2 auf dem Markt der Online-Dienste führender Anbieter ist. Darüber hinaus hat die Klägerin - worauf die Revision hinweist - zu den wettbewerbsschädlichen Auswirkungen, die von dem beanstandeten Kopplungsangebot ausgehen, ausführlich unter Beweisantritt vorgetragen. Da das Berufungsgericht die Kopplung mangels eines rechtlichen Zwangs als unerheblich angesehen hat, hat es hierzu - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen.

e) Das Berufungsgericht führt zur Bekräftigung seiner Auffassung noch an, es könne der Beklagten zu 1 nicht verwehrt werden, das eigene Tochterunternehmen gegenüber Wettbewerbern zu bevorzugen, auch wenn dadurch Dritten der Marktzutritt erschwert werde. Der Beklagten zu 1 stehe es frei, ihre Aktivitäten so zu organisieren, daß ein Tochterunternehmen die Internetdienstleistungen anbiete. Die kartellrechtliche Beurteilung dürfe davon nicht abhängen. Dem ist insoweit zuzustimmen, als der Streitfall ebenso zu beurteilen wäre, wenn die Beklagte zu 1 selbst die Leistungen eines Online-Dienstes erbringen würde. Im Streitfall geht es nicht um die Bevorzugung eines Konzernunternehmens gegenüber anderen Anbietern, sondern um die Verlagerung der auf einem Markt bestehenden Macht auf einen anderen Markt. In einem solchen Verhalten kann unabhängig davon, ob die Aktivitäten der Beklagten zu 1 und zu 2 auf zwei Konzerngesellschaften aufgeteilt sind, der Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegen.

III. Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat verwehrt, da noch Feststellungen zur Stellung der Beklagten zu 1 auf dem Markt für Fernsprechdienstleistungen im Festnetz und zu den Auswirkungen des beanstandeten Verhaltens auf den Markt der Internet-Service-Provider zu treffen sind. Im übrigen hat das Berufungsgericht bereits im angefochtenen Urteil auf Bedenken hinsichtlich der Antragsfassung hingewiesen. Darüber hinaus sollte die vom Berufungsgericht referierte Klarstellung des Klagebegehrens auch im Antrag zum Ausdruck gebracht werden.

Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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