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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.07.1998
Aktenzeichen: KZR 19/97
Rechtsgebiete: GWB, ZPO


Vorschriften:

GWB § 26 Abs. 2
GWB § 26 Abs. 1 Satz 1
GWB § 26 Abs. 1 Satz 2
GWB § 35
GWB § 26 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 286
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

KZR 19/97

Verkündet am: 14. Juli 1998

Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 1998 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofes Geiß und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Dr. Melullis, die Richterin Dr. Tepperwien und den Richter Dr. Bornkamm

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. April 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Räumung von Stallungen, die der Beklagte auf dem Rennbahngelände des Klägers nutzt.

Der Kläger veranstaltet als einziger im Großraum M. ansässiger Verein Trabrennen. Zugleich bietet er auf seinem Gelände alle Einrichtungen an, die ein tägliches Training von Rennpferden ermöglichen, und vermietet Trabertrainern Boxen, in denen sie die von ihnen trainierten Pferde einstellen können.

Der Beklagte ist gewerblicher Trabertrainer. Mit Vertrag vom 1. Januar 1993, befristet bis zum 31. Dezember 1995, mietete er bei dem Kläger zwei Pferdestallungen mit je acht Einstellboxen. Der Vertrag sah vor, daß sich das Vertragsverhältnis nach Ablauf der Frist um jeweils ein Jahr verlängert, falls der Vermieter dem Mieter nicht spätestens sechs Monate vor dem vorgesehenen Vertragsende mitteilt, das Mietverhältnis werde nicht fortgesetzt. Form- und fristgerecht setzte der Kläger den Beklagten davon in Kenntnis, daß er das Vertragsverhältnis nicht über den 31. Dezember 1995 hinaus fortsetzen wolle. Gleichwohl räumte der Beklagte die Mietsache nicht.

Der Kläger begehrt die Räumung der Mietsache. Da das langfristige Anmieten von Pferdeboxen auf seinem Gelände keine Voraussetzung für die Ausübung des Trainerberufs sei, stünden seinem Räumungsanspruch weder Treu und Glauben entgegen, noch könne sich der Beklagte auf § 26 Abs. 2 GWB berufen. Zudem sei ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten unzumutbar. Dieser sei wegen vereinsschädigenden Verhaltens von der Mitgliederversammlung aus dem Verein ausgeschlossen worden, weil er Organe des Vereins zu Unrecht in der Öffentlichkeit herabgewürdigt habe.

Der Beklagte verweist darauf, daß er zur Ausübung seines Berufs auf die Stallungen des Klägers angewiesen sei. Ein erfolgversprechendes Trabertraining sei nur unter Rennbedingungen möglich, wie sie die vom Kläger bereitgestellten Einrichtungen böten. Von Landwirten angebotene private Trainingsmöglichkeiten entsprächen diesen Voraussetzungen nicht. Auch die Rennvereine in S. , Mü. und P. verfügten nicht, wie der Kläger, über hochklassige A-Bahnen, sondern nur über B-Bahnen ohne täglichen optimalen Trainingsbetrieb. Darüber hinaus seien sie wegen zu großer Entfernung von seiner "Ranch" für ihn auch nicht zu nutzen. Die vom Kläger gebotenen Trainingsmöglichkeiten seien daher für ihn unverzichtbar. Wegen der Entfernung seiner "Ranch" vom Gelände des Klägers sei es ihm unmöglich, die von ihm betreuten Pferde nebst Zubehör täglich hin- und zurückzutransportieren. Er benötige daher einen festen Standort auf dem Rennbahngelände des Klägers.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil aufgehoben und den Beklagten zur Räumung der Mietsache verurteilt. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision des Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger sei weder ein marktbeherrschendes Unternehmen i.S. des § 26 Abs. 1 Satz 1 GWB noch ein marktstarkes Unternehmen i.S. des § 26 Abs. 1 Satz 2 GWB, dem zur Vermeidung einer unbilligen Behinderung des Beklagten die Verpflichtung zur Fortsetzung des durch Fristablauf beendeten Mietverhältnisses auferlegt werden könne. Der relevante Markt, auf dem die Marktmacht des Klägers zu beurteilen sei, beschränke sich in sachlicher Hinsicht auf das Anbieten von Pferdeboxen mit einer Trainingsmöglichkeit, die die berufsmäßige Ausübung des Trainerberufs sicherstelle. Selbst wenn man - der Auffassung des Beklagten entsprechend - den relevanten Markt in räumlicher Beziehung auf den Raum M. begrenzte, gäbe es auf diesem Markt neben dem Kläger auch andere Unternehmen, die die vom Beklagten nachgefragten gewerblichen Leistungen anböten. Der Kläger habe vorgetragen, daß im Raum M. und Umgebung von Landwirten, die auch Boxen und Koppeln vermieteten, Trainingsmöglichkeiten auf eigenen 800- bis 1000-m-Rennbahnen unter Rennbedingungen angeboten würden. Der Beklagte habe diesen mehrfachen Vortrag des Klägers nicht substantiiert bestritten. Er habe ihn vielmehr indirekt bestätigt, indem er vorgetragen habe, daß mindestens elf Trabertrainer, die auch über feste Stallungen auf dem Rennbahngelände verfügen, private Trainingsmöglichkeiten nutzten. Daß alternativ vorhandene Anbieter zur Leistung an ihn nicht bereit oder imstande seien, habe der Beklagte ebensowenig dargelegt, wie er Gründe genannt habe, weshalb Leistungsangebote, die anderen Trainern genügten, für ihn nicht ausreichend oder zumutbar seien.

2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß der Beklagte dem Räumungsverlangen des Klägers den Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegenhalten könnte, wenn er nach § 35 i.V.m. § 26 Abs. 2 GWB die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen könnte. Die Feststellungen zur Marktstärke des Klägers, auf die das Berufungsgericht seine Überzeugung, dieser sei nicht Normadressat i.S. des § 26 Abs. 2 GWB stützt, hat das Berufungsgericht jedoch unter Verstoß gegen § 286 ZPO und damit verfahrensfehlerhaft gewonnen.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß sich die Marktstärke des Klägers danach beurteilt, ob auch Angebote von Landwirten in den sachlich relevanten Markt einzubeziehen sind. Indem es deren Zugehörigkeit zum relevanten Markt mit der Erwägung bejaht, der Beklagte habe die mehrfache Behauptung des Klägers, auch Landwirte böten Unterstellmöglichkeiten für Pferde verbunden mit Trainingsmöglichkeiten zu Rennbedingungen an, nicht substantiiert bestritten, übergeht es jedoch, wie die Revision mit Recht beanstandet, den unter Beweis gestellten Vortrag des Beklagten (Schriftsatz vom 29. März 1996), den dieser in der Berufungsinstanz in Bezug genommen hat. Während der Kläger in einem Schriftsatz gleichen Datums auf private Trainingsmöglichkeiten im Umkreis von M. verwiesen hat, hat der Beklagte unter Beweisantritt mit zahlreichen Zeugen und mit der Einholung eines Sachverständigengutachtens vorgetragen, daß ein ordnungsgemäßes Training ausschließlich auf einer Trabrennbahn erfolgen könne, da nur dort die späteren Rennbedingungen naturgetreu nachzustellen seien. Hierzu gehörten regelmäßige Probe-Autostarts ebenso wie eine 1000-m-Bahn mit überhöhten Kurven. Sämtliche Berufstrabertrainer verfügten deshalb über einen von den jeweiligen Rennvereinen fest angemieteten Stall auf ihrer "Heimatrennbahn". Mit Schriftsatz vom 10. März 1997 hat der Beklagte erneut bestritten, daß eine Trainingsbahn auf einer "Ranch" die Trainingsmöglichkeiten auf der Rennbahn des Klägers ersetzen könne. Daß der Beklagte selbst Trabertrainer benannt hat, die private Trainingsmöglichkeiten nutzen, bedeutet entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine auch nur indirekte Bestätigung des Klagevorbringens, da der Beklagte zugleich darauf verwiesen hat, daß den von ihm bezeichneten Trainern auch feste Stallungen auf dem Gelände des Klägers zur Verfügung stünden. Dies läßt die Möglichkeit offen, daß jene Trainer Trainingsmöglichkeiten auf einer "Ranch" nur zu einem ergänzenden (Konditions-)Training der von ihnen betreuten Pferde nutzen, ohne dabei auf ein - nach der Behauptung des Beklagten für eine erfolgversprechende Vorbereitung der Pferde auf künftige Rennen unerläßliches - Rennbahntraining zu verzichten.

Die Feststellung, daß die Angebote von Landwirten dem sachlich relevanten Markt zuzurechnen seien, durfte das Berufungsgericht daher nicht treffen, ohne insoweit Beweis zu erheben.

3. Sollte die Beweiserhebung nach Zurückverweisung der Sache zu dem Ergebnis führen, daß Trainingsmöglichkeiten auf "Ranches" nicht zum sachlich relevanten Markt gehören, so wird das Berufungsgericht, das diese Frage - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang offengelassen hat, eine Marktabgrenzung auch in bezug auf die Angebote der vom Kläger als Wettbewerber genannten Rennvereine in S. , Mü. und P. zu treffen haben, die wie der Kläger Trainingsmöglichkeiten bei gleichzeitiger Vermietung von Einstellboxen bereitstellen. Im Blick auf den sachlich relevanten Markt bedarf es hierfür der Klärung der unter den Parteien streitigen Frage, ob Trainingsmöglichkeiten auf B-Bahnen, verbunden mit festen Einstellmöglichkeiten der zu trainierenden Pferde, wie sie von den genannten Rennvereinen angeboten werden, ihrer Qualität nach die Ausübung des Trabertrainerberufs ermöglichen.

Trifft letzteres zu, so wird für den im Rahmen von § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB räumlich abzugrenzenden Markt entscheidend sein, in welchem Umkreis von seinem Betriebssitz es dem Beklagten möglich ist, die von ihm zu trainierenden Pferde mit einem wirtschaftlich und von der Transportfähigkeit der Pferde her vertretbaren Aufwand zu einer Trainingsstätte zu fahren, auf deren Gelände feste Stallungen zur Verfügung stehen. Der Umstand, daß Trainer mit Trainingsmöglichkeiten in S. , P. oder Mü. an Rennveranstaltungen des Klägers in M. teilnehmen, gibt für die Beantwortung dieser Frage nichts her und kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht für eine Ausdehnung des räumlich relevanten Marktes über den Großraum M. hinaus herangezogen werden. Er macht - was vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt wird - lediglich deutlich, daß zwischen dem Training der Pferde und der Teilnahme an Rennen nicht notwendig ein enger örtlicher Zusammenhang bestehen muß, besagt jedoch nichts über die hier allein interessierende örtliche Verknüpfung zwischen der Betriebsstätte eines Trabertrainers und dem Trainingsgelände mit Pferdeboxen, die für die Brauchbarkeit der nachgefragten Leistung entscheidend ist.

Ende der Entscheidung

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