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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.04.2003
Aktenzeichen: KZR 39/99
Rechtsgebiete: GWB
Vorschriften:
GWB § 20 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 8. April 2003
in dem Rechtsstreit
Konkurrenzschutz für Schilderpräger
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. April 2003 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Raum
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 26. Mai 1999 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 14. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Eigentümerin von Grundstücken in K., auf denen sie das F. -Center errichtet hat, welches eine Vielzahl von gewerblich genutzten Räumen für Verkaufsstätten und Dienstleistungsunternehmen enthält. An die Kläger vermietete die Beklagte im Dezember 1997 im ersten Obergeschoß des Centers gelegene Gewerberäume, die nach dem Vertrag nur "als Verkaufs- und Herstellungsstätte von amtlich zugeteilten Kfz-Kennzeichen sowie zur Betreibung einer Versicherungsmehrfachagentur" verwendet werden durften; eine Änderung des Nutzungszwecks bedurfte der schriftlichen Zustimmung der Beklagten. Die Mietzeit betrug zehn Jahre mit einer zweimaligen Verlängerungsoption für die Mieter von je weiteren zehn Jahren.
In dem Standard-Mietvertrag, dessen § 1 Abs. 6 allerdings das Ergebnis längerer Verhandlungen ist, heißt es in § 1 Abs. 6 und 7:
"(6) Die vertragsschließenden Parteien sind sich darüber einig, daß der Mieter für die Dauer des Mietverhältnisses Konkurrenzschutz, bezogen auf Herstellung und Verkauf von amtlich zugeteilten Kfz-Kennzeichen sowie für eine Versicherungsmehrfachagentur, für sich in Anspruch nehmen kann.
(7) Dem Mieter ist bekannt, daß durch die Vielzahl der im Gebäudekomplex vertretenen Verkaufsgeschäfte unter Umständen eine Mehrfachbesetzung einer Branche, evtl. auch unmitttelbar benachbart erfolgen kann. Der Mieter verzichtet ferner auf jegliche Schadensersatzforderungen aus dem Grunde, daß ein anderer Mieter innerhalb eines gleichen oder innerhalb eines anders gelagerten Sortiments die gleichen Artikel führt. Sofern sich nach Abschluß des Mietvertrages Änderungen in der Zusammensetzung der Mieter bzw. Branchen ergeben, erwachsen hieraus dem Mieter keine Schadensersatzforderungen an den Vermieter."
Mitte Februar 1998 nahmen in dem F. -Center, in ebenfalls angemieteten, unmittelbar an das Geschäft der Kläger angrenzenden Räumen die Führerschein- und die Kfz-Zulassungsstelle von K. ihre Tätigkeit auf. Gleichzeitig eröffnete die Streithelferin der Beklagten, die inzwischen nach Ablehnung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes aufgelöste W. M. gesellschaft mbH, im Erdgeschoß des F. -Centers ein Ladenlokal, in dem sie von ihr hergestellte Kfz-Schilder und außerdem Malerbedarf verkaufte. Noch vor Abschluß eines Mietvertrages zwischen der Beklagten und der Streithelferin erwirkten die Kläger eine nach Widerspruch durch Urteil bestätigte einstweilige Verfügung, durch die der Beklagten aufgegeben wurde, der Streithelferin zu untersagen, in den von dieser benutzten Räumen Kfz-Kennzeichen herzustellen und zu vertreiben. Das Landgericht Potsdam hat den Klägern die Erhebung der Hauptsacheklage aufgegeben. Sie ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, in dem die Kläger - gestützt auf § 1 Abs. 6 ihres mit der Beklagten geschlossenen Mietvertrages - der Beklagten sinngemäß verbieten lassen wollen, Räume im F. -Center an die Streithelferin oder Dritte zur Herstellung oder/und zum Vertrieb von Kfz-Kennzeichen zu überlassen oder die entsprechende Nutzung weiterhin zu gestatten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat zugunsten der Kläger erkannt. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des in erster Instanz ergangenen klageabweisenden Urteils.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, zwischen den Parteien sei zwar ein mietrechtlicher Konkurrenzschutz nicht vereinbart worden, weil die Regelungen in § 1 Abs. 6 und Abs. 7 des Mietvertrages zueinander in einem unlösbaren Widerspruch stünden; die Kläger könnten jedoch auch ohne ausdrückliche Regelung von der Beklagten verlangen, daß sie sie vor Wettbewerb im F. -Center schütze ("vertragsimmanenter Konkurrenzschutz"). Kartellrechtliche Gründe stünden dem schon deswegen nicht entgegen, weil die Beklagte - anders als in den vom Senat bisher entschiedenen Fällen - den Bedarf an zu prägenden Schildern nicht selbst geweckt habe, sondern nur als Vermieterin der Gewerberäume für den Landkreis und für die Kläger in Erscheinung getreten sei. Dies hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
2. Mit der Regelung in § 1 Abs. 6 des Mietvertrages hat die Beklagte die Verpflichtung übernommen, die Kläger davor zu bewahren, daß ihnen ein anderer Mieter oder Nutzer von Räumen im F. -Center Konkurrenz bei der Herstellung und dem Verkauf von amtlichen Kfz-Schildern macht. § 1 Abs. 7 des Vertrages steht diesem Verständnis der vertraglichen Abreden nicht entgegen. Die gegenteilige Auslegung des Berufungsgerichts beruht auf Rechtsirrtum. Denn sie setzt sich darüber hinweg, daß es für den "unlösbaren Widerspruch" eine naheliegende Erklärung gibt. Schon nach seinem Wortlaut regelt § 1 Abs. 7 nur den Ausschluß von Schadenersatzforderungen, behandelt aber nicht die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Vor allem aber übergeht das Berufungsgericht den unstreitigen Umstand, daß die Regelung des § 1 Abs. 7 Teil des Standard-Mietvertrages mit allen Mietern des F. -Centers ist, während die Konkurrenzschutzvereinbarung in § 1 Abs. 6 individuell aufgrund längerer Verhandlungen getroffen worden ist. Dies schließt es aus, beide Vertragsbestimmungen als gleichrangig anzusehen, was die Voraussetzung für den von dem Berufungsgericht angenommenen "unlösbaren Widerspruch" wäre. Vielmehr kann der Vertrag nur dahin verstanden werden, daß § 1 Abs. 6 des Mietvertrages Vorrang genießt und die Beklagte als Vermieterin hierin die - nach dem Standardmietvertrag, der die Art der Nutzung für jedes Objekt bindend festschreibt, ohne weiteres durchsetzbare - Verpflichtung gegenüber den Klägern übernommen hat, ihnen als einzigem Unternehmen die Herstellung und den Verkauf von amtlichen Kfz-Schildern in den Räumen des F. -Centers zu erlauben.
3. Mit dieser Auslegung, die im Ergebnis dem von dem Berufungsgericht bejahten "vertragsimmanenten Konkurrenzschutz" nahekommt, begegnen die mietvertraglichen Abreden jedoch durchgreifenden kartellrechtlichen Bedenken. Der Vertrag verstößt insoweit gegen § 20 Abs. 1 GWB.
Das Berufungsgericht mißversteht die bisherige Rechtsprechung des Senats zu den sog. "Schilderprägerfällen" (vgl. Urt. v. 14.7.1998 - KZR 1/97, WuW/E DE-R 201 ff. - Schilderpräger im Landratsamt; v. 28.9.1999 - KZR 18/98, WuW/E DE-R 395 ff. - Beteiligungsverbot für Schilderpräger I; v. 3.7.2001 - KZR 11/00, juris KORE742842001 - Beteiligungsverbot für Schilderpräger II; v. 24.9.2002 - KZR 4/01, WuW/E DE-R 1003 - Kommunaler Schilderprägebetrieb), wenn es annimmt, Normadressat des aus § 20 Abs. 1 GWB folgenden Verbots sei allein die Stelle der öffentlichen Verwaltung, welche den Bedarf an der Herstellung und dem Verkauf von amtlichen Kfz-Schildern hervorgerufen habe. Vielmehr richtet sich das Verbot, andere Schilderprägerunternehmen i.S.v. § 20 Abs. 1 GWB unbillig zu behindern, gerade an die Beklagte als dasjenige Unternehmen, das die alleinige Verfügungsgewalt über die Überlassung von Gewerbeflächen für Schilderpräger auf dem hier in Rede stehenden relevanten Markt besitzt.
Der Markt, auf den hier abzustellen ist, umfaßt das Angebot von Gewerbeflächen, die sich für einen Schilderpräger zur Anmietung oder sonstigen Nutzung eignen, der den bei den Besuchern der Kfz-Zulassungsstelle anfallenden Bedarf an amtlichen Kfz-Schildern decken möchte. Wegen der Lage der Zulassungsstelle im Gebäude des F. -Centers, sind alle in demselben Komplex liegenden, erst recht aber die unmittelbar an die genannte Dienststelle angrenzenden Gewerbeflächen den Standorten für Schilderpräger vorzuziehen, die außerhalb des F. -Centers liegen und nur nach Zurücklegen einer größeren Strecke zu erreichen sind. Der Standortvorteil des Schilderprägers im Gebäude schlägt auf den vorgelagerten Vermietermarkt durch und verschafft der Beklagten damit eine überragende Marktstellung. Mit der Vermietung der Räume an die Kläger zu dem festgelegten Zweck der Herstellung und des Verkaufs von amtlichen Kfz-Kennzeichen hat die Beklagte einen Geschäftsverkehr eröffnet, der Schilderprägern üblicherweise zugänglich ist.
Nach der genannten Senatsrechtsprechung liegt ein Verstoß gegen das Verbot unbilliger Behinderung vor, wenn bei der Vermietung von für Schilderpräger geeigneten, nur in begrenzter Zahl bereitstehenden Räumen die Auswahl unter den in Frage kommenden Interessenten nicht unter angemessenen und fairen Bedingungen vorgenommen wird. Der marktbeherrschende Vermieter ist nicht nur verpflichtet, den aktuellen Bedarf auf dem Wege der Ausschreibung zu ermitteln, er darf, wenn er entsprechende Gewerbeflächen vermietet, den Marktzutritt für aktuelle und potentielle Wettbewerber des Mieters nicht für einen längeren Zeitraum als fünf Jahre blockieren, sondern muß die Räumlichkeiten in entsprechenden Abständen neu ausschreiben. Dem wird der hier zu beurteilende Vertrag schon deswegen nicht gerecht, weil er ohne Ausschreibung geschlossen worden ist und den Klägern ein exklusives Recht des Schilderverkaufs im F. -Center mit einer Erstlaufzeit von zehn Jahren eingeräumt hat. Obendrein ist den Mietern die einseitig von ihnen auszuübende Option einer zweimaligen Verlängerung des Vertrages eröffnet worden, so daß alle Wettbewerber der Kläger, falls diese das Optionsrecht ausüben, von der Anmietung der genannten Gebäudeflächen für die Dauer von dreißig Jahren ausgeschlossen und darauf verwiesen sind, ihre Leistung an anderen, weniger günstigen Standorten anzubieten.
Ende der Entscheidung
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