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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.09.2007
Aktenzeichen: KZR 48/05
Rechtsgebiete: BadWürttRDG
Vorschriften:
BadWürttRDG § 6 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 25. September 2007
Rettungsleitstelle
in dem Rechtsstreit
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2007 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Dr. Raum, Prof. Dr. Meier-Beck und Dr. Kirchhoff
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. August 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Der Streithelfer der Klägerin trägt die Kosten der Streithilfe.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin beansprucht Schadensersatz wegen Verletzung des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots.
Sie betreibt in der Nähe von R. ein Krankentransportunternehmen. Die Beklagte betreibt die zuständige Rettungsdienstleitstelle R. .
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte habe ihr zu wenige Einsätze zugeteilt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerin und ihr dem Rechtsstreit in der Revisionsinstanz beigetretener Streithelfer, das Land Baden-Württemberg, den zweitinstanzlichen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg. Zutreffend hat das Berufungsgericht - wie das Landgericht - die Klage für unbegründet erachtet, weil die Beklagte als beliehener Unternehmer hoheitlich gehandelt hat und daher nur ein Amtshaftungsanspruch gegen das Land Baden-Württemberg in Betracht kommt.
I. Der Bundesgerichtshof hat die Durchführung des Rettungsdienstes in Baden-Württemberg bisher, anders als etwa die Wahrnehmung der Aufgaben des Rettungsdienstes in Bayern (BGHZ 120, 184; 153, 268; 160, 216) und Nordrhein-Westfalen (BGH, Urt. v. 21.3.1991, III ZR 77/90, NJW 1991, 2954; Urt. v. 26.3.1997 - III ZR 295/96, NJW 1997, 2109, 2110), als privatrechtliche Tätigkeit angesehen (BGHZ 118, 304, 306; zustimmend Staudinger/Wurm, BGB, Bearb. 2002, § 839 Rdn. 600; Erman/Hecker, BGB, 11. Aufl., § 839 Rdn. 35). In der Literatur (Ehmann, NJW 2004, 2944, 2945 f.; Fehn/Lechleuthner, MedR 2000, 114, 117 f.; Güntert/Alber, RDG BW, Bearb. 2003, § 2 Erl. 1 ff.) wird die Auffassung vertreten, dass die sich aus dem Rettungsdienstgesetz vom 16. Juli 1998 (GBl. S. 437) ergebende neue gesetzliche Grundlage eine andere Qualifizierung der Tätigkeit des Rettungsdienstes in Baden-Württemberg erfordere (a.A. für die Notfallrettung OLG Stuttgart, NJW 2004, 2987 f.). Inwieweit dem zu folgen ist, kann offenbleiben. Die im Streitfall allein zu beurteilende Lenkungstätigkeit der Rettungsleitstelle nach § 6 RDG BW ist jedenfalls mit dem Berufungsgericht als öffentlich-rechtliche Tätigkeit zu qualifizieren.
1. Die Aufgabe des Rettungsdienstes, die nach § 1 Abs. 1 RDG BW in der Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Notfallrettung und des Krankentransportes zu sozial tragbaren Bedingungen liegt, stellt eine öffentliche Aufgabe dar (ausführlich dazu Schulte, Rettungsdienst durch Private, S. 62 ff.). Daraus ergibt sich freilich noch nichts für die Rechtsform, in der diese Aufgabe wahrgenommen wird, wie sich schon daran zeigt, dass die privatrechtliche Ausgestaltung des Krankentransports nach baden-württembergischem Recht außer Frage steht (vgl. auch BGHZ 153, 268, 273 zum bayerischen, BVerwGE 97, 79, 85 f. zum Berliner Recht).
Trägerschaft und Durchführung des Rettungsdienstes liegen nach § 2 RDG BW grundsätzlich in den Händen Privater, nämlich der in § 2 Abs. 1 genannten Rettungsdienstorganisationen als Leistungsträger, von denen die Notfallrettung wahrgenommen wird, und privater Krankentransportunternehmer, denen neben den Rettungsdienstorganisationen der Krankentransport obliegt. Nur soweit die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Einrichtungen des Rettungsdienstes nicht nach Absatz 1 sichergestellt ist, ist die Versorgung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 RDG BW Pflichtaufgabe der Land- und Stadtkreise.
Das schließt indessen nicht aus, dass die privaten Träger des Rettungsdienstes - in der Notfallrettung und soweit ihnen die Lenkung des Rettungsdienstes übertragen ist - gleichwohl öffentlich-rechtlich tätig werden. Anders als bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts streitet bei einer natürlichen und bei einer juristischen Person des privaten Rechts allerdings eine Vermutung für privates Handeln auch dann, wenn sie öffentliche Aufgaben erfüllt und hierbei vom Staat überwacht wird (BVerwGE 61, 222, 225). Tätigkeiten einer Person des Privatrechts schlagen erst dann in öffentlich-rechtliches Handeln um, wenn diese Person durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit öffentlich-rechtlichen Handlungs- und Entscheidungsbefugnissen ausgestattet ist (BVerwGE 97, 282, 285). Dazu bedarf es gesetzlicher Vorschriften, die ausdrücklich anordnen oder nach ihrem Zusammenhang ergeben, dass der Leistungsträger als Beliehener oder als Verwaltungshelfer tätig wird (vgl. dazu Schulte aaO S. 84 ff.). Eine solche Anordnung trifft das Gesetz, wie das Berufungsgericht zutreffend und in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg (Beschl. v. 21.4.2004 - 6 S 17/04, juris) angenommen hat, für die Lenkungstätigkeit der Rettungsleitstelle.
2. Dass die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung den Leistungsträgern durch - möglicherweise als öffentlich-rechtliche Verträge zu qualifizierende - Vereinbarungen übertragen wird, die das Sozialministerium mit den Rettungsdienstorganisationen schließt (§ 2 Abs. 1 RDG BW), ist hierfür allerdings ebenso wenig zureichend wie die notwendige (öffentlich-rechtliche) Genehmigung der Tätigkeit von Krankentransportunternehmen, welcher die Leistungsträger nach § 15 Abs. 1 Satz 1 RDG BW für die Wahrnehmung der Notfallrettung nicht bedürfen. Ebenso wenig hinreichend sind die Instrumente der Aufsicht über den Rettungsdienst und seiner Steuerung und Lenkung, die das Gesetz in Gestalt des Landesausschusses für den Rettungsdienst (§ 4) und der Bereichsausschüsse (§ 5) vorsieht. Denn auch insoweit geht es um die Wahrnehmung der letztlich den Staat treffenden Verantwortung für die Sicherstellung der bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Einrichtungen des Rettungsdienstes. Eine Beleihung oder Tätigkeit als Verwaltungshelfer ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass für Leistungen des Rettungsdienstes nach § 28 RDG BW Benutzungsentgelte erhoben werden, deren Höhe sowohl für die Notfallrettung als auch für den Krankentransport zwischen den Kostenträgern und den Leistungsträgern bzw. Leistungserbringern vereinbart und deren Verbindlichkeit für alle Benutzer gesetzlich besonders angeordnet wird (§ 28 Abs. 7 RDG BW). Der Begriff des Entgelts wird für Zahlungspflichten auf privatrechtlicher wie auf öffentlich-rechtlicher Grundlage verwendet (BGHZ 153, 268, 274; Schulte aaO S. 58). Er bietet daher keinen Anhalt für ein öffentlich-rechtliches Tätigwerden der Leistungsträger (a.A. Ehmann, NJW 2004, 2944, 2945 und Fehn/Lechleuthner, MedR 2000, 114, 117, die Entgelte für ein "Mittel des öffentlichen Gebührenrechts" halten).
3. Mögen hiernach auch die Notfallrettung wie der Krankentransport in Baden-Württemberg weiterhin in den Handlungsformen des Privatrechts erfolgen, so gilt doch anderes für die Lenkungstätigkeit der Rettungsleitstelle.
Die Rettungsleitstelle lenkt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 RDG BW alle Einsätze des Rettungsdienstes in ihrem Rettungsdienstbereich. Diese Lenkungsfunktion ergibt sich aus der Notwendigkeit der Koordination und Steuerung der Tätigkeit der im Rettungsdienst tätigen Leistungsträger und Unternehmen (vgl. LT-Drs. 12/2871, S. 24). Sie stellt sich daher als Konkretisierung der Steuerung des Rettungsdienstes dar. Diese Steuerung beginnt auf Landesebene mit dem vom Sozialministerium in enger Zusammenarbeit mit dem Landesausschuss für den Rettungsdienst aufgestellten Rettungsdienstplan als Rahmenplan (§ 3 Abs. 1 und 2 RDG BW). Sie wird einerseits durch den vom Bereichsausschuss auf der Grundlage des Rettungsdienstplanes erstellten Bereichsplan (§ 3 Abs. 3 RDG BW) ausgefüllt, welcher dem Landesausschuss über die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde vorzulegen und für die Leistungsträger und die Kostenträger verbindlich ist. Andererseits wird sie durch die vom Landesausschuss festgelegten allgemeinen Grundsätze und Maßstäbe für eine fachgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Durchführung des Rettungsdienstes (§ 4 Abs. 2 RDG BW) ergänzt.
Die der Leitstelle obliegende Konkretisierung der Steuerung erschöpft sich nicht in einer bloßen Vermittlungsfunktion. Insbesondere in der Notfallrettung hat die Rettungsleitstelle vielmehr die Aufgabe, die zur Abwehr drohender Gefahren für Leib und Leben erforderlichen Anordnungen zu treffen. Diese Anordnungen müssen mit Verbindlichkeit für das Personal der von der Leitstelle zum Einsatz bestimmten Fahrzeuge ausgestattet sein, da andernfalls Wirksamkeit, Effizienz und Schnelligkeit des Notfalleinsatzes gefährdet wären. Schon dies spricht für eine hoheitliche Handlungsbefugnis.
§ 6 Abs. 1 Satz 6 RDG BW sieht zudem vor, dass in der Regel Leitstellen für den Rettungsdienst und die Feuerwehr im integrierten Betrieb (integrierte Leitstellen) in gemeinsamer Trägerschaft einzurichten sind. Die Feuerwehr ist nach § 1 Abs. 1 FwG BW eine gemeinnützige Einrichtung der Gemeinde ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Nach § 4 Abs. 1 FwG BW haben die Landkreise ständig besetzte Einrichtungen zur Annahme von Meldungen und zur Alarmierung der Feuerwehren (Leitstelle für die Feuerwehren) zu schaffen und zu betreiben, wobei die Landkreise mit Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften oder dem Träger einer Rettungsleitstelle im Sinne von § 6 RDG BW vereinbaren können, dass diese die Aufgaben der Feuerwehrleitstelle für den Landkreis erledigen. Der Träger der Feuerwehrleitstelle handelt daher ohne Weiteres in den Rechtsformen des öffentlichen Rechts (vgl. BGHZ 20, 290, 292). Es liegt jedoch fern, dass das Landesrecht für die Tätigkeit der integrierten Leitstellen unterschiedliche Handlungsformen gewollt hat, je nachdem, ob die Leitstelle als Feuerwehrleitstelle oder als Rettungsdienstleitstelle tätig wird. Insbesondere wenn es bei einem Notfall sowohl des Einsatzes der Feuerwehr als auch des Rettungsdienstes bedarf, liefe dies auf die rechtliche Aufspaltung sachlich kaum voneinander zu trennender Leitungsfunktionen hinaus.
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 RDG BW ist schließlich die Genehmigung zum Betrieb von Krankentransport mit einer Nebenbestimmung zu versehen, die die Lenkung aller Einsätze des Rettungsdienstes durch die Rettungsleitstelle regelt. Die Missachtung dieser Auflage ist nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 RDG BW bußgeldbewehrt. Die Lenkungstätigkeit der Rettungsleitstelle wird hierdurch auch gegenüber den Krankentransportunternehmern mit öffentlich-rechtlicher Verbindlichkeit ausgestattet. Entsprechende Regelungen enthalten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Vereinbarungen, die das Sozialministerium gemäß § 2 Abs. 1 RDG BW mit den in dieser Vorschrift genannten Rettungsdienstorganisationen geschlossen hat.
II. Da die Beklagte somit hoheitlich gehandelt hat, kommt der von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 33 Abs. 2 i.V.m. §§ 19, 20 GWB nicht in Betracht. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vom Bundeskartellamt vertretenen Auffassung ist es auch nicht möglich, zwischen einer (hoheitlichen) Entscheidung über das Ob eines Einsatzes der Notfallrettung oder eines Krankentransportfahrzeugs einerseits und einer (außerhalb der hoheitlichen Entscheidungsmacht) liegenden Auswahl unter den in Betracht kommenden Krankentransportunternehmern zu unterscheiden. Denn die Auswahl ist, wie das in § 6 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz RDG BW ausdrücklich geregelte Gleichbehandlungsgebot verdeutlicht, notwendiger Bestandteil der einheitlichen Entscheidung der Rettungsdienstleitstelle über das Ob und Wie eines Rettungsdiensteinsatzes.
Ende der Entscheidung
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