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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.12.2001
Aktenzeichen: KZR 5/00
Rechtsgebiete: GWB
Vorschriften:
GWB § 20 Abs. 1 n.F. |
b) Bezieht ein marktbeherrschendes Unternehmen gleiche Leistungen zu unterschiedlichen Preisen, obliegt es im Hinblick auf die Zielsetzung des § 20 Abs. 1 GWB grundsätzlich ihm, die Gründe darzulegen, die die unterschiedliche Preisgestaltung rechtfertigen. Eine solche Rechtfertigung kann sich allerdings bereits aus einem auf dem Markt vorhandenen Preisgefälle ergeben.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 11. Dezember 2001
in dem Rechtsstreit
Privater Pflegedienst
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2001 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofes Prof. Dr. Hirsch, den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball und Prof. Dr. Bornkamm
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 5. Januar 2000 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin hat sich jedenfalls bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen im Bezirk R. mit der Erbringung von Pflegeleistungen befaßt, die sie im wesentlichen gegenüber in der sozialen Krankenversicherung versicherten Personen erbracht hat. Die Beklagte ist eine regionale Kasse der gesetzlichen Krankenversicherung, zu deren Zuständigkeitsbereich unter anderem der Bezirk R. gehört.
Nachdem Pflegeleistungen zunächst aufgrund von Rahmenabkommen zwischen den Verbänden der gesetzlichen Krankenversicherungen und denen der Anbieter von entsprechenden Leistungen abgerechnet worden waren, sind die Krankenkassen nach Kündigung der Abkommen dazu übergegangen, die Leistungen aufgrund individueller Verträge mit den einzelnen Leistungserbringern abzurechnen. Dabei erhielten private Anbieter wie die Klägerin sowohl aufgrund der Rahmenabkommen als auch aufgrund der individuell ausgehandelten Absprachen für ihre Leistungen (Injektionen, Verbände, Katheterisierung etc.) geringere Vergütungen, als sie den im wesentlichen von den freien Wohlfahrtsverbänden getragenen Sozialstationen zugestanden wurden.
Im Bezirk R. gab es im Jahre 1996 vier Sozialstationen und acht private Pflegedienste, zu denen bis zum Jahr 2000 weitere sechs private Pflegedienste hinzugekommen sind. Etwa 70 bis 75 % der von der Klägerin erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege betrafen bei der Beklagten versicherte Personen. Die Klägerin und die anderen Leistungserbringer wurden jeweils unmittelbar von den Pflegebedürftigen beauftragt; die Abrechnung ihrer Leistungen erfolgte zwischen ihnen und den Krankenkassen.
Die Klägerin hat in der unterschiedlichen Vergütung vergleichbarer Leistungen eine kartellrechtswidrige Diskriminierung gesehen und die Beklagte auf Schadensersatz und Unterlassung in Anspruch genommen. Ihre entsprechende Klage hat das Landgericht abgewiesen. In der Berufungsinstanz, die der Konkursverwalter weitergeführt hatte, nachdem über das Vermögen der Klägerin das Konkursverfahren eröffnet worden war, sind zuletzt auf Feststellung einer sachlich nicht gerechtfertigten unterschiedlichen Behandlung durch die Beklagte und deren Ersatzpflicht gerichtete Anträge gestellt worden. Auch mit diesen Anträgen hatte das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Im Anschluß an die seine Berufung zurückweisende Entscheidung des Berufungsgerichts hat der Konkursverwalter die geltend gemachten Ansprüche freigegeben. Mit ihrer daraufhin eingelegten Revision verfolgt die Klägerin die im Berufungsrechtszug zuletzt gestellten Anträge weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel mit der Begründung entgegen, daß für die Klage der Rechtsweg zu den Kartellgerichten nicht eröffnet sei.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Ohne Erfolg bestreitet die Beklagte die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Kartellgerichten. Zwar sind mit der Änderung des § 87 Abs. 1 GWB durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV - Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2626) auch kartellrechtliche Streitigkeiten aus dem Bereich der Sozialversicherung ausdrücklich den Sozialgerichten zugewiesen, soweit sie Rechtsstreitigkeiten aus den in § 69 SGB V genannten Rechtsgebieten betreffen. Diese Neuregelung erfaßt indessen das vorliegende, vor ihrem Inkrafttreten durch Anrufung der Kartellgerichte eingeleitete Verfahren nicht.
Mit Recht haben Landgericht und Oberlandesgericht für die Frage der Rechtswegzuständigkeit auf die Rechtslage zu dem Zeitpunkt abgestellt, in dem die vorliegende Klage rechtshängig geworden ist (§ 17 Abs. 1 GVG). Der Grundsatz der Fortdauer der einmal begründeten Zuständigkeit ("perpetuatio fori") gilt auch in Fällen einer nachträglichen Veränderung der gesetzlichen Grundlagen. Dies entspricht nicht nur ständiger Rechtsprechung (vgl. RGZ 103, 102, 103 f.; BGH, Urt. v. 1.2.1978 - IV ZR 142/77, NJW 1978, 949; BGHZ 114, 218, 221 f. - Einzelkostenerstattung), sondern auch der einhelligen Auffassung im Schrifttum (vgl. nur Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 17 GVG Rdn. 1; Musielak/Wittschier, ZPO, 2. Aufl., § 17 GVG Rdn. 4; Kissel, NJW 1991, 945, 948; Piekenbrock, NJW 2000, 3476). Durch den von den Parteien angeführten Senatsbeschluß vom 14. März 2000 (KZB 34/99, WuW/E DE-R 469 - Hörgeräteakustik) sollte dies nicht in Frage gestellt werden.
Danach war bei Erhebung der Klage am 3. November 1995 eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben. Die Zuweisung der Auseinandersetzungen über sozialversicherungsrechtliche Fragen zu den Sozialgerichten in § 51 Abs. 2 SGG berührte nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats eine Zuständigkeit für kartellrechtliche Auseinandersetzungen nicht; Verfahren mit einem solchen Gegenstand blieben vielmehr weiterhin den Kartellgerichten zugewiesen, soweit sie kartellrechtliche Anspruchsgrundlagen betrafen (vgl. Sen.Urt. v. 12.3.1991 - KZR 26/89, WuW/E 2707, 2709 - Krankentransportunternehmen II; Sen.Urt. v. 25.6.1991 - KZR 19/90, WuW/E 2721, 2723 - Krankenpflege; Sen.Urt. v. 7.7.1992 - KZR 15/91, WuW/E 2813, 2815 - Selbstzahler). Soweit die Begründung zur Neufassung des § 87 GWB durch die Sechste GWB-Novelle in der Neufassung lediglich eine Klarstellung gesehen hat, gibt dies keinen Anlaß, die genannte Rechtsprechung des Senats aufzugeben. Diese Würdigung durch die Verfasser der Gesetzesnovelle findet im Wortlaut der bis dahin geltenden Vorschriften keine Grundlage.
II. In der Sache beanstandet die Revision zu Recht die Verneinung einer kartellrechtswidrigen Diskriminierung durch das Berufungsgericht.
1. Im rechtlichen Ausgangspunkt stellt das Berufungsgericht zutreffend fest, daß die Beklagte trotz ihrer Stellung als Körperschaft des öffentlichen Rechts den Bindungen durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterliegt. Angesichts ihrer Teilnahme durch Nachfrage von Pflegeleistungen und als Anbieter von Versicherungen unterfällt sie dem weiten Unternehmensbegriff dieses Gesetzes, der auch juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließt, soweit sie als Anbieter oder Nachfrager auf dem Markt eine selbständige Tätigkeit bei der Erzeugung oder Verteilung von Waren oder gewerblichen Leistungen ausüben (vgl. Sen.Beschl. v. 16.12.1976 - KVR 5/75, WuW/E 1474, 1477 - Architektenkammer; Sen.Urt. v. 12.3.1991 - KZR 26/89, aaO).
2. Nach den tatrichterlichen Feststellungen ist weiter davon auszugehen, daß die Beklagte auf dem hier in Rede stehenden relevanten räumlichen und sachlichen Markt, der örtlich im wesentlichen durch den von der Klägerin abgedeckten begrenzten Bezirk R. und sachlich durch die Nachfrage nach häuslichen Pflegedienstleistungen bestimmt wird, eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB n.F. einnimmt. Der hohe Anteil der bei der Beklagten versicherten Personen, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Klägerin und deren Wettbewerbern Pflegeleistungen in Anspruch nehmen, macht deutlich, daß diese Nachfrage von den Anbietern solcher Leistungen nur in geringem Umfang substituiert werden kann. Wie ihre Wettbewerber ist auch die Klägerin weitgehend auf die von der Beklagten durch den Abschluß von Rahmenabkommen bestimmte Nachfrage durch deren Versicherungsnehmer angewiesen. Auch die Beklagte ist davon ausgegangen, daß ihr eine marktbeherrschende Stellung auf dem hier in Frage stehenden Markt zukommt.
3. Frei von Rechtsfehlern hat das Berufungsgericht weiter angenommen, daß die Beklagte die Klägerin in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, gegenüber anderen unterschiedlich behandelt hat. Wie auch die Beklagte nicht bezweifelt, wird die Nachfrage nach Pflegeleistungen im Bezirk R. gleichermaßen von der Klägerin und von deren privaten Wettbewerbern sowie den Sozialstationen befriedigt. Sämtlichen dieser Unternehmen ist der Zugang zu diesem Markt und dem darauf stattfindenden geschäftlichen Verkehr ohne Unterschied eröffnet. Bei der Befriedigung des Bedarfs nach Pflegeleistungen erhielt die Klägerin nach ihrer Darstellung, von der das Berufungsgericht ausgegangen ist und die daher im Revisionsverfahren zugrunde gelegt werden muß, für inhaltlich gleichartige Pflegeleistungen eine geringere Vergütung, als sie von der Beklagten den Sozialstationen zugestanden worden ist. Darin liegt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat und letztlich auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird, eine unterschiedliche Behandlung im Sinne des Diskriminierungstatbestandes des § 20 Abs. 1 GWB n.F.
4. Von den tatrichterlichen Feststellungen nicht getragen wird jedoch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die unterschiedliche Behandlung sei sachlich gerechtfertigt, so daß ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot ausscheide.
a) Bei dieser Bewertung ist das Berufungsgericht allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß sich der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nicht, wie die Revision meint, schon daraus ergibt, daß die Beklagte überhaupt die gleiche Leistung unterschiedlich vergütet. Auch ein marktbeherrschendes Unternehmen ist nach § 20 Abs. 1 GWB n.F. nicht schlechthin gehalten, allen Anbietern von ihm benötigter Leistungen ausnahmslos die Vergütung zu zahlen, die es dem Anbieter mit dem höchsten Angebotspreis zugestehen muß.
Mit dem Diskriminierungsverbot des § 20 GWB n.F. soll ein Mißbrauch der wirtschaftlichen Macht marktbeherrschender Unternehmen bereits im Frühstadium unterbunden werden. Sein Zweck ist Schutz und Erhalt eines funktionierenden Wettbewerbs unter Ausgleich der unterschiedlichen wirtschaftlichen Stärke der am Markt beteiligten Unternehmen. Mit diesem Zweck ist eine allgemeine Verpflichtung zu einer Gleichbehandlung aller Vertragspartner in dem Sinne, daß ein marktbeherrschendes Unternehmen bei der Deckung seines Bedarfs stets den höchsten am Markt verlangten Preis zu zahlen hat, nicht zu vereinbaren. Die Begründung einer solchen allgemeinen Verpflichtung hätte nicht eine Stärkung des Wettbewerbs, sondern seine weitgehende Beseitigung auf dem davon betroffenen Markt zur Folge. Das gilt um so mehr, als sie angesichts der herausragenden Stellung des marktbeherrschenden Unternehmens die dringende Gefahr mit sich bringt, daß die von diesem gezahlten Preise das Geschehen und die Preisgestaltung auf dem betroffenen Markt bestimmen und auf diese Weise, weil von ihm die Höchstpreise zu bewilligen sind, zu einer ständigen Erhöhung der Marktpreise führen. Grundsätzlich wird daher auch dem marktbeherrschenden oder marktstarken Unternehmen zugestanden werden müssen, ein auf dem einschlägigen Markt vorhandenes Preisgefälle auszunutzen, seinen Bedarf bei dem jeweils preisgünstigsten Anbieter zu decken und auf höherpreisige Angebote allenfalls in dem Umfang zurückzugreifen, in dem günstigere zur Befriedigung seines Bedarfes nicht ausreichen.
b) Auch vor diesem Hintergrund bleibt ein marktbeherrschendes Unternehmen jedoch den Bindungen des § 20 Abs. 1 GWB n.F. unterworfen, die es ihm auch bei der Befriedigung seines Bedarfs verwehren, die Verhältnisse auf dem Anbietermarkt durch Mißbrauch seiner Marktmacht und insbesondere mit Hilfe dieser Stellung die Preise zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Bezieht der Marktbeherrscher für sich oder - wie hier - für andere Vertragspartner gleiche Leistungen zu unterschiedlichen Preisen, so obliegt es allerdings im Hinblick auf die Zielsetzung des § 20 Abs. 1 GWB n.F. ihm, die Gründe darzulegen, die die unterschiedliche Preisgestaltung rechtfertigen. Dabei kann im Einzelfall der Hinweis auf ein Preisgefälle genügen, wenn sich das marktbeherrschende Unternehmen dieses lediglich zunutze macht und nicht zu erkennen ist, daß es die Preisverhältnisse zuvor oder bei der Befriedigung seiner Nachfrage unter Mißbrauch seiner besonderen Marktstellung beeinflußt hat. Sind die unterschiedlichen Preise jedoch - wie hier - das Ergebnis von Verhandlungen der Beteiligten, so muß ein marktbeherrschendes Unternehmen in besonderem Maße dafür Sorge tragen, daß die unterschiedliche Preisbemessung für gleiche Leistungen durch sachliche Unterschiede gerechtfertigt ist und sich nicht allein als Folge der unterschiedlichen Abhängigkeit und eigenen Marktstellung der jeweiligen Vertragspartner im Verhältnis zu ihm ergibt. Bei einem solchen direkten Aushandeln spricht schon nach der Lebenserfahrung alles dafür, daß sich das Maß der Abhängigkeit auch auf die Bereitschaft seines Vertragspartners auswirkt, auf Preisvorstellungen des Marktbeherrschers einzugehen. Auch im Hinblick auf das grundsätzlich anzuerkennende Interesse auch des marktbeherrschenden Unternehmens, Leistungen und Waren nur zu marktgerechten Bedingungen zu beziehen, sind danach an die Darlegung der Gründe, die in einem solchen Fall eine unterschiedliche Preisgestaltung für identische Leistungen verschiedener Anbieter rechtfertigen sollen, hohe Anforderungen zu stellen. Dem genügen die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht.
Aus der gesetzlichen Verpflichtung der Kassen der Sozialversicherung, die freien Wohlfahrtsverbände bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen, läßt sich eine Berechtigung zur Zahlung unterschiedlicher Preise bei gleichem Angebot nicht entnehmen. Die Zahlung höherer als am Markt üblicher Preise wäre eine Subventionierung der Wohlfahrtsverbände durch die Krankenkassen, die mit ihren gesetzlich bestimmten Aufgaben nicht in Einklang zu bringen wäre. Nach den §§ 2, 12, 13 SGB V sollen die Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung ihren Mitgliedern den notwendigen finanziellen Schutz im Krankheitsfall gewährleisten. Bei der Verwendung der zur Finanzierung dieses Aufwandes eingezogenen Beiträge sind die Kassen gesetzlich verpflichtet, ihre Leistungen auf das Notwendige und Angemessene zu beschränken. Schon das läßt für eine Subventionierung von Anbietern durch sie keinen Raum. Diese stünde zudem im Widerspruch dazu, daß die Ausgaben der Kassen durch Pflichtbeiträge der Versicherten finanziert werden, die von diesen nach der Vorstellung des Gesetzes nur zur Finanzierung des notwendigen Aufwandes der Kassen eingezogen werden. Entsprachen die den Sozialstationen gezahlten Vergütungen hingegen dem Marktniveau, vermag die Verpflichtung zur Förderung der Wohlfahrtsverbände eine Zahlung an andere Anbieter unterhalb dieses Niveaus nicht zu rechtfertigen.
Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, daß eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung allein durch die Sozialstationen gewährleistet werde und diese zu einer höheren Kostenbelastung führe, wird von seinen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen. Die Klägerin hat der entsprechenden Darstellung der Beklagten in den Instanzen ausdrücklich widersprochen, wie die Revision mit Recht geltend macht. Das Berufungsgericht ist hierauf nicht eingegangen; dem angefochtenen Urteil sind auch die Gründe, auf denen die von ihm zugrunde gelegte Feststellung einer höheren Kostenbelastung beruht, nicht zu entnehmen.
Eine Rechtfertigung der unterschiedlichen Preise läßt sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand auch nicht daraus herleiten, daß - wie das Berufungsgericht ausgeführt hat - die den privaten Anbietern gezahlte Vergütung ein wirtschaftlich erfolgreiches Arbeiten ermögliche. Daß die Höhe der Vergütung hierfür genüge, hat das Berufungsgericht in erster Linie aus den ihm vorliegenden Bilanzen einiger solcher Anbieter hergeleitet. Demgegenüber hatte die Klägerin geltend gemacht, daß bei ihrer Bilanz einzelne Positionen, wie ein regelmäßiges, angemessenes Geschäftsführergehalt, fehlten, weil die dafür erforderlichen Mittel nicht gezahlt worden seien und eine entsprechende Ausgabe daher in die Bilanz nicht habe eingestellt werden können. Sie hat ferner, wie die Revision mit Recht geltend macht, darauf hingewiesen, daß diesen Arbeitskräften, soweit sie mit fest angestelltem Personal arbeitet, ein kalkulatorisches Gehalt von 72 DM bezahlt werden muß, während von der Beklagten nur ein Stundensatz von 42 DM vergütet wird. Das Berufungsgericht ist dem nicht nachgegangen, so daß diese Darstellung der Klägerin im Revisionsverfahren zugrunde zu legen ist. Damit fehlt der Feststellung des Berufungsgerichts auch insoweit eine hinreichend tragfähige Grundlage. Unbeschadet dessen kann der Umstand, daß der bewilligte Preis für den konkreten Anbieter kostendeckend ist, allein auch generell eine unterschiedliche Behandlung gegenüber anderen Anbietern, die identische Leistungen erbringen, im Hinblick auf § 20 Abs. 1 GWB n.F. nicht rechtfertigen. Es ist nicht Sache des marktbeherrschenden Unternehmens, die Gewinnmargen seines Vertragspartners festzulegen. Ein solcher Eingriff in die Stellung des anderen Teils ist mit den Grundsätzen eines funktionierenden Wettbewerbs nicht zu vereinbaren. Demgemäß vermag der Gedanke, daß dem anderen Teil eine hinreichende Spanne zur Verfügung gestanden habe, als solcher die Bewilligung unterschiedlicher Vergütungen für eine identische Leistung nicht zu rechtfertigen.
Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, den Sozialstationen müsse eine gewisse Übergangszeit eingeräumt werden, um ihre Kostenstruktur den neuen Marktverhältnissen anzupassen. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß es sich bei dieser Überlegung um einen wirtschaftspolitischen Gesichtspunkt handelt, für den im Rahmen der Abwägung nach § 20 Abs. 1 GWB n.F. grundsätzlich kein Raum ist. Ob der vom Berufungsgericht angeführte Umstand dann zu einer anderen Bewertung führen kann, wenn die Beklagte zum einen für die Versorgung der bei ihr versicherten Personen auf die Unterstützung durch die Sozialstationen angewiesen ist und diese zum anderen in der vom Berufungsgericht angenommenen Übergangszeit ohne eine Vergütung nicht zu erhalten sind, die über die sonst bewilligten üblichen Preise hinausgeht, kann dahinstehen. Weder läßt der festgestellte Sachverhalt die Annahme zu, daß die Sozialstationen die gezahlten Vergütungen allein aus einem solchen Grund benötigen, noch rechtfertigt er die Feststellung, daß die Beklagte in diesem Sinne auf die Unterstützung durch die Sozialstationen angewiesen ist.
Nach alledem kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Sie ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung des beiderseitigen Vorbringens zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Preise an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht zugleich Gelegenheit, der von ihm - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig - offengelassenen, vorrangigen Frage nachzugehen, ob die Sozialstationen und die privaten Pflegeanbieter derart übereinstimmende Leistungen erbringen, daß eine unterschiedliche Preisgestaltung für diese Leistungen an § 20 Abs. 1 GWB n.F. gemessen werden muß. Dabei wird es zu beachten haben, daß diese Vergleichbarkeit allein aus der Sicht der Beklagten und der bei ihr versicherten Personen zu bestimmen ist. Sie wird danach insbesondere anzunehmen sein, wenn die Pflegeleistungen der verschiedenen Anbieter nach Art, Inhalt und Verfügbarkeit ohne weiteres austauschbar sind. Gegen eine Vergleichbarkeit könnten dagegen Bedenken bestehen, wenn die Beklagte und die bei ihr versicherten Personen nicht ohne weiteres auf Leistungen der jeweils anderen Anbietergruppe ausweichen können. Das Maß dieser Vergleichbarkeit bestimmt zugleich die Anforderungen, die an eine Rechtfertigung unterschiedlicher Preise zu stellen sind. Für verschiedenartige Leistungen muß die Beklagte auch im Hinblick auf § 20 Abs. 1 GWB n.F. keine einheitliche Vergütung zahlen; unterschiedliche Preise benötigen demgegenüber eher eine Rechtfertigung, je stärker die zu vergleichenden Leistungen ausgetauscht werden können.
Ende der Entscheidung
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