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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.02.2004
Aktenzeichen: KZR 6/02
Rechtsgebiete: BGB, EGV, TKG


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 2
EGV Art. 86
EGV Art. 85
EGV Art. 81
EGV Art. 82
TKG § 97 Abs. 3
TKG § 33 ff.
TKG § 35
TKG § 35 Abs. 1
TKG § 35 Abs. 3
TKG § 35 Abs. 5
TKG § 41
TKG § 35 Abs. 3
TKG § 39
TKG § 35 Abs. 1 Satz 3
TKG § 3 Nr. 24
TKG § 35 Abs. 2
TKG § 39
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

KZR 6/02

Verkündet am: 10. Februar 2004

in dem Rechtsstreit

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 2003 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Januar 2002 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte ist die Deutsche Telekom AG, die Klägerin ist ein mit ihr im Wettbewerb stehendes Telekommunikationsunternehmen. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die teilweise Erstattung von Entgelten, die die o. GmbH und Co. sowie deren Rechtsvorgänger (im folgenden sämtlich auch als Klägerin bezeichnet) in der Zeit vom 1. November 1996 bis zum 31. März 1999 an die Beklagte für Telekommunikationsdienstleistungen gezahlt haben. Dabei sind die Zeitabschnitte 1996/97 einerseits und 1998/99 andererseits zu unterscheiden.

Im Hinblick auf das bis zum 31. Dezember 1997 bestehende gesetzliche Monopol der Beklagten beim Angebot von Sprachtelefondienstleistungen an die Öffentlichkeit war die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt lediglich als Anbieterin von Telefondiensten für Firmennetze ("Corporate Network", im folgenden: CN) und geschlossene Benutzergruppen ("Closed User Groups", im folgenden: CUG) tätig. Bei den CN- und CUG-Diensten erbringt der Anbieter die Sprachtelefondienste innerhalb des Firmennetzes oder der geschlossenen Benutzergruppe über ein eigenes oder gemietetes Telefonnetz; für die Verbindung seines Kunden mit Gesprächspartnern aus dem öffentlichen Telefonnetz ist er auf die Herstellung einer Verbindung mit diesem Netz angewiesen. Die Beklagte stellte der Klägerin die hierzu erbrachten Leistungen nach ihren seinerzeit gültigen Tarifen "AGB-Standard" und "Dial & Benefit" (im folgenden: "D&B") in Rechnung. Bei dem Tarif "AGB-Standard" handelte es sich um einen nicht rabattierten Endkundentarif. Der Tarif "D&B" war ein Optionstarif, der auf Geschäftskunden ausgerichtet war und in bestimmten Leistungsbereichen Rabatte vorsah; eine von der Klägerin nicht in Anspruch genommene besondere Form dieses Tarifs mit der Bezeichnung "Dial & Benefit CN" (im folgenden: "D&B CN") war von der Beklagten für Betreiber geschlossener Netzwerke konzipiert. Alle drei Tarife waren vom Bundesminister für Post und Telekommunikation als bis zum 31. Dezember 1997 zuständiger Regulierungsbehörde genehmigt.

Anfang 1996 wandte sich die Klägerin zusammen mit weiteren Unternehmen an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften mit dem Vorwurf, die Beklagte nutze ihre marktbeherrschende Stellung mißbräuchlich aus, indem sie ihre (Endkunden-)Tarife auch gegenüber mit ihr konkurrierenden CN- und CUG-Diensteanbietern anwende und dadurch einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt der Sprachtelefondienste für Firmennetze und geschlossene Benutzergruppen verhindere. Die Kommission leitete daraufhin ein Vorermittlungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein, das im Februar 1997 auch auf die Beklagte erstreckt wurde. Im Verlaufe dieses Vorermittlungsverfahrens entwickelte die Beklagte einen Tarif "AfCN" (Anschluß für Corporate-Network-Anbieter, im folgenden: "AfCN" [alt]), der speziell auf den Netzzugang für Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen für Firmennetze und geschlossene Benutzergruppen ausgerichtet war.

Das ihr von der Beklagten unterbreitete Angebot zum Abschluß eines Vertrages zu diesem Tarif nahm die Klägerin jedoch nicht an. Sie wandte sich vielmehr erneut an die Kommission und machte geltend, auch die Preise des Tarifs "AfCN" [alt] seien überhöht. Ein daraufhin von der Kommission eingeholtes (Vergleichsmarkt-)Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K. kam zu dem Ergebnis, daß die Entgelte des Tarifs "AfCN" [alt] das jeweils (durch einen Aufschlag von 100 % auf den Vergleichsmarktpreis ermittelte) zulässige Maximum um 71 bis 348 % überstiegen. Die Beklagte erklärte sich daraufhin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, die Entgelte des Tarifs "AfCN" auf die in dem Gutachten ermittelten Maxima abzusenken. Den entsprechenden Tarif (im folgenden: "AfCN" [neu]) bot die Beklagte am 28. November 1997 u.a. der Klägerin zum Vertragsabschluß an, wobei sie zugleich ankündigte, daß sie rückwirkend zum 1. November 1996 die Differenz zwischen den nach dem Tarif "D&B CN" berechneten Entgelten und dem Tarif "AfCN" [neu] erstatten werde.

Nachdem Wettbewerber der Klägerin dieses Angebot angenommen hatten, wurde der Tarif "AfCN" [neu] einschließlich einer Erstattung der Differenz zwischen den Entgelten der Tarife "D&B CN" und "AfCN" [neu] für die Zeit ab dem 1. November 1996 mit Verfügung vom 16. Oktober 1998 von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post genehmigt.

Mit der Klage begehrt die Klägerin, nach den Tarifen "AGB-Standard" sowie "D&B" abgerechnete Leistungen wie Leistungen nach dem Tarif "D&B CN" zu behandeln, und demgemäß die Erstattung des Unterschiedsbetrags zwischen den Entgelten der Tarife "AGB-Standard" sowie "D&B" und dem Tarif "AfCN" [neu]. Den Überzahlungsbetrag beziffert sie für die Zeit zwischen dem 1. November 1996 und dem 31. Dezember 1997 einschließlich Umsatzsteuer auf insgesamt 1.508.782,89 € (= 2.950.922,84 DM).

In dem zweiten Zeitabschnitt, der dem Schadensersatzbegehren zugrunde liegt und mit dem Wegfall des gesetzlichen Monopols der Beklagten zum 1. Januar 1998 beginnt, bot die Klägerin auch Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit an. Um bei der eröffneten Anbietervielfalt die netzübergreifende Erreichbarkeit der Anschlußinhaber zu gewährleisten, sieht das Telekommunikationsgesetz die Zusammenschaltung öffentlicher Telekommunikationsnetze vor. Technisch bestehen hierfür verschiedene Möglichkeiten. So kann ein (bis zu dreißig parallele Verbindungen umfassender) Primärmultiplexanschluß verwendet werden. Die Netzzusammenschaltung kann aber auch über einen von der Beklagten speziell für Telekommunikationsdienstleister eingerichteten Netzzugang bewerkstelligt werden, der mit einem anderen, als "ZGS Nr. 7" bezeichneten Zeichengabeprotokoll arbeitet. Der Tarif "AfCN" [neu] setzte einen Netzzugang unter dem Zeichengabeprotokoll "ZGS Nr. 7" voraus. Das gleiche gilt für den von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post genehmigten "IC"-Tarif, den die Beklagte seit dem 1. Januar 1998 für Netzzusammenschaltungen zur Verfügung stellte.

Das Netz der Klägerin ist aufgrund einer Vereinbarung vom 25. November 1997 seit dem 1. Januar 1998 mit dem öffentlichen Netz der Beklagten über Anschlüsse verbunden, die das Zeichengabeprotokoll "ZGS Nr. 7" verwenden; die Leistungen der Beklagten wurden insoweit nach dem "IC"-Tarif abgerechnet. Daneben bestanden Netzzugänge über Primärmultiplexanschlüsse, die von der Beklagten nach den Tarifen "AGB-Standard" und "D&B" abgerechnet wurden. Die Klägerin begehrt hinsichtlich der nach diesen Tarifen abgerechneten Leistungen die Erstattung der Differenz zu dem "IC"-Tarif, die sie für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 31. März 1999 auf 4.402.511,85 € (= 8.610.564,76 DM) beziffert.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge weiter; die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 86 EGV (jetzt Art. 82 EG) wegen der an die Beklagte gezahlten, nach Meinung der Klägerin mißbräuchlich überhöhten Entgelte verneint. Dabei hat es dahinstehen lassen, ob mit der Berechnung von (Endkunden-)Entgelten nach den Tarifen "AGB-Standard" und "D&B" zu Lasten der Klägerin eine Preisschere geöffnet und im Ergebnis ein wirksamer Wettbewerb auf dem Markt der Erbringung von Sprachtelefondienstleistungen für geschlossene Benutzergruppen verhindert worden sei. Denn der Beklagten sei die Geltendmachung eines möglicherweise überhöhten Entgelts nicht als kartellrechtswidriges Verhalten zuzurechnen. Da sowohl der Tarif "AGB-Standard" als auch der Tarif "D&B" vom Bundesminister für Post und Telekommunikation genehmigt worden seien, sei die Beklagte zur Anwendung dieser Tarife gesetzlich verpflichtet gewesen. Über einen hinreichenden Entscheidungsspielraum habe die Beklagte auch nicht deshalb verfügt, weil es ihre freie Entscheidung gewesen sei, welche Entgelte sie zur Genehmigung vorlegte. Der Entgeltantrag der Beklagten habe lediglich zur Folge, daß das vorgeschriebene Genehmigungsverfahren in Gang komme; auf den Verlauf des Genehmigungsverfahrens, den Umfang der Entgeltüberprüfung und den Inhalt der Genehmigungsentscheidung und damit namentlich auf die Höhe der zukünftig zu berechnenden Entgelte habe die Beklagte keinerlei Einfluß.

Ebensowenig stehe der Klägerin ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Die Beklagte habe von der Klägerin nur diejenigen Leistungsentgelte vereinnahmt, die diese nach den jeweils genehmigten Tarifen geschuldet habe; eine rechtsgrundlose Überzahlung liege damit nicht vor.

II. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend angenommen, daß die mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten nicht in Betracht käme, wenn diese hinsichtlich der Höhe der von der Klägerin verlangten Entgelte über keinen Entscheidungsspielraum verfügt hätte. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gelten die Art. 85 und 86 EGV (Art. 81 und 82 EG) nämlich nur für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen, die Unternehmen aus eigener Initiative an den Tag legen (EuGH, Slg. 1985, 873, 880, 885 f. - Italien/Kommission; Slg. 1991, I-5941, 5973, 5980 - Régie des télégraphes et des téléphones/GB-Inno-BM; Urt. v. 9.9.2003 - C-198/01, WuW/E EU-R 727, 730, Tz. 66 ff. - CIF/Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato). Wird den Unternehmen ein wettbewerbswidriges Verhalten durch nationale Rechtsvorschriften vorgeschrieben oder bilden diese einen rechtlichen Rahmen, der selbst jede Möglichkeit für ein Wettbewerbsverhalten ausschließt, so sind die Art. 81 und 82 EG nicht anwendbar, da die Wettbewerbsbeschränkung in diesem Fall nicht, wie es diese Vorschriften voraussetzen, in selbständigen Verhaltensweisen der Unternehmen ihre Ursache finden (EuGH, Slg. 1997, I-6301, 6312 - Kommission/Ladbroke).

2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe keinen solchen Entscheidungsspielraum gehabt, weil sie zur Einforderung der verlangten und genehmigten Entgelte verpflichtet gewesen sei, hält jedoch der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Bedenken gegen diese tragende Erwägung des Berufungsurteils ergeben sich bereits aus dem Umstand, daß damit nur das Verhalten der Beklagten nach Genehmigung der von ihr verlangten Tarife in den Blick genommen wird. Anders als in denjenigen Fällen, in denen das Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens unmittelbar durch nationale Rechtsvorschriften determiniert wird, beruht jedoch die telekommunikationsrechtliche Entgeltgenehmigung auf dem Genehmigungsantrag des Anbieters. Auch wenn das behördliche Prüfungsverfahren darauf abzielt, keine Entgelte zu genehmigen, die sich als Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen (vgl. § 4 Abs. 2 PTRegG, § 24 Abs. 2 TKG), schließt dies die tatsächliche Möglichkeit nicht aus, daß ein Unternehmen einen Tarif vorlegt, mit dem es seine marktbeherrschende Stellung mißbraucht, und hierfür eine Genehmigung erwirkt, weil der Mißbrauch im Prüfungsverfahren nicht aufgedeckt wird. Von diesem für die Anwendbarkeit des Art. 86 EGV (Art. 82 EG) wesentlichen Gesichtspunkt ist die Frage zu unterscheiden, inwieweit und mit Wirkung für welche Beteiligten gegebenenfalls im Einzelfall aufgrund einer bestandskräftigen Entgeltgenehmigung feststeht, daß ein genehmigtes Entgelt keinen Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellt. Das ist jedoch keine Frage des Entscheidungsspielraums des Marktbeherrschers, sondern vielmehr der Bindungswirkung einer Entgeltgenehmigung.

Jedoch bedarf weder die Frage des in einem System der Entgeltregulierung verbleibenden Entscheidungsspielraums noch die Frage, inwieweit eine bestandskräftige Genehmigung die Beurteilung eines Schadensersatzanspruchs wegen mißbräuchlich überhöhter Entgelte präjudiziert, abschließender Klärung, da die in Streit stehenden von der Beklagten verlangten Entgelte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts von keiner der erteilten Entgeltgenehmigungen erfaßt werden.

a) Das gilt zunächst für die Genehmigung des Tarifs "AfCN" [neu]. In der Verfügung der Regulierungsbehörde vom 16. Oktober 1998 (Anl. K 7) werden lediglich die Entgelte für Verbindungsleistungen "für die vorgelegten AfCN-Verträge für den Zeitraum ab der tatsächlichen Inanspruchnahme der "D&B-CN"-Leistung bis zu dem Zeitpunkt, an dem jeweils beide Vertragspartner rechtlich (Lizenz und Abschluß eines IC-Vertrages) und technisch in der Lage waren, die einzelnen "D&B-CN"-Anschlüsse auf IC-Anschlüsse zu überführen", genehmigt. Das besagt nichts darüber, welche Entgelte die Beklagte außerhalb von AfCN-Verträgen verlangen konnte, und demgemäß nichts darüber, ob die Beklagte von der Klägerin Entgelte nach den Tarifen "AGB-Standard" und "D&B" fordern durfte.

b) Daß der Beklagten entsprechende Entgelte zustanden, folgt auch nicht daraus, daß die Tarife "AGB-Standard" und "D&B" ihrerseits - gemäß § 97 Abs. 3 TKG noch vom Bundesminister für Post und Telekommunikation nach den Vorschriften des Gesetzes über die Regulierung der Telekommunikation und des Postwesens - genehmigt waren.

aa) Denn die Tarife "AGB-Standard" und "D&B" sind als Sprachtelefondiensttarife genehmigt worden, die jedem Nutzer der Dienstleistungen der Beklagten offenstanden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die Leistungen der Beklagten - nämlich den Aufbau und das Halten einer Telefonverbindung zwischen einem Netz der Klägerin und dem jeweiligen Gesprächsteilnehmer aus dem öffentlichen Telefonnetz - unbeschadet dessen, daß ihnen nicht der Tarif "D&B CN", sondern die Tarife "AGB-Standard" und "D&B" zugrunde gelegt worden sind, als Anbieterin von Telekommunikationsdiensten zur Erbringung ihrer CN- und CUG-Dienste in Anspruch genommen. In einem solchen Fall ist grundsätzlich anzunehmen, daß der Diensteanbieter von der Beklagten nicht Sprachtelefondienstleistungen verlangt, sondern (besonderen) Netzzugang begehrt. Gegenteiliges ist auch im Streitfall nicht festgestellt.

Der Netzzugang unterliegt jedoch nicht den Vorschriften des Gesetzes über die Regulierung der Telekommunikation und des Postwesens, sondern ist seit dem Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes am 1. August 1996 (§ 100 Nr. 1 Satz 3 TKG) in den §§ 33 ff. TKG geregelt, dessen Vorschriften demgemäß für den hier in Rede stehenden Zeitraum vom 1. November 1996 bis zum 31. Dezember 1997 bereits anwendbar sind.

bb) Der Qualifikation der in Anspruch genommenen Leistung der Beklagten als Gewährung von (besonderem) Netzzugang steht nicht entgegen, daß der Zugang insoweit nicht unter Verwendung des Zeichengabeprotokolls "ZGS Nr. 7" erfolgt ist.

In Literatur und Rechtsprechung ist allerdings umstritten, ob der besondere Netzzugang im Sinne des § 35 TKG technisch definiert ist oder funktional als Zugang, der die Inanspruchnahme von Leistungen gemäß § 35 Abs. 1 TKG durch Nutzer ermöglicht, die diese Leistungen als Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen oder als Betreiber von Telekommunikationsnetzen nachfragen, um Telekommunikationsdienstleistungen anzubieten (§ 1 Abs. 2 NZV). Letzteres entspricht der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum (Fischer/Heun/Sörup in Heun, Hdb. Telekommunikationsrecht, Teil 4 Rdn. 27, 29a; Holznagel/Enaux/Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, S. 93; Immenga, MMR 2000, 141, 143 f.; Piepenbrock in BeckTKG-Komm., 2. Aufl., § 35 Rdn. 16 f.; Schuster in BeckTKG-Komm., 2. Aufl., § 3 Rdn. 12e; Spoerr, MMR 2000, 674, 679; ders. in Trute/Spoerr/Bosch, TKG mit FTEG, § 35 TKG Rdn. 22; a.A. Glahs in Scheurle/Mayen, TKG, § 35 Rdn. 10; unklar Kleinlein, Festschr. f. Bezzenberger, S. 673 f.; Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, § 35 TKG Rdn. 9; Mestmäcker/Schweitzer, Netzwettbewerb, Netzzugang und "Roaming" im Mobilfunk, S. 44 f.). Die erst- und zweitinstanzliche verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung nimmt hingegen an, daß der besondere Netzzugang über eine ihrer Art nach andere Schnittstelle erfolgen muß, als sie sämtlichen Nutzern zur Verfügung gestellt wird (VG Köln MMR 2000, 227, 230; MMR 2002, 840, 841; OVG Münster MMR 2000, 779, 781).

Für einen besonderen Netzzugang ist es als ausreichend zu erachten, wenn der konkrete Zugang ausschließlich einem Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen oder Betreiber eines Telekommunikationsnetzes zur Verfügung gestellt wird, mögen auch technisch gleichartige Zugänge sämtlichen Nutzern offenstehen. Zwar könnte der Wortlaut des Gesetzes darauf hindeuten, der Gesetzgeber habe angenommen, daß der Netzzugang für den Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen in der Regel auch technisch über einen nicht für sämtliche Nutzer bestimmten Netzzugang erfolge, und habe deshalb in § 35 Abs. 3 TKG die Bereitstellung eines besonderen Netzzugangs davon abhängig gemacht, daß der Nutzer die für den beantragten Netzzugang erforderliche Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde besitzt. Dem Zweck der Norm entspricht es jedoch, den besonderen Netzzugang - und als seine Unterform die Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen - hiervon unabhängig zu definieren. Denn die Regelung des besonderen Netzzugangs in § 35 TKG gründet auf der zentralen Bedeutung des Zugangs zum Telekommunikationsnetz des marktbeherrschenden Netzbetreibers für die Marktzutrittschancen der Wettbewerber (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P., BT-Drs. 13/3609, S. 33 ff.; BVerwGE 114, 160, 176; BVerwG, Urt. v. 25.6.2003 - 6 C 17.02, MMR 2003, 734, 736). Der besondere Netzzugang unterliegt demgemäß nach § 35 Abs. 5 TKG besonderen, durch Rechtsverordnung zu erlassenden Vorschriften, die regeln sollen, in welcher Weise der Netzzugang durch Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen zu ermöglichen ist. Hingegen soll die nach § 41 TKG zu erlassende Kundenschutzverordnung zum Schutze der Nutzer, namentlich der Verbraucher, insbesondere Regelungen über nähere Bedingungen für die Bereitstellung und Nutzung allgemeiner Netzzugänge treffen (§ 41 Abs. 3 Nr. 3 TKG). Dieser Zielrichtung des Gesetzes widerspräche es, wenn der marktbeherrschende Betreiber eines Telekommunikationsnetzes die Anwendbarkeit dieser oder jener Vorschriften dadurch bestimmen könnte, daß er eine bestimmte technische Form des Netzzugangs für sämtliche Nutzer zur Verfügung stellt oder nicht.

Nicht überzeugend ist es auch, wenn in der Literatur (s. Rudolf, Das Recht auf Netzzugang in der Telekommunikation, S. 92 f.) versucht wird, eine Abgrenzung nach der technischen Ausgestaltung des Anschlusses gemeinschaftsrechtlich mit dem Hinweis zu rechtfertigen, auch Diensteanbieter zählten zu den Nutzern, denen nach der Sprachtelefondienstrichtlinie - sowohl in ihrer ursprünglichen Fassung (RL 95/62 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1995 zur Einführung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst, ABl. EG Nr. L 321, S. 6) als auch in der Fassung der Richtlinie 98/10 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 1998 über die Anwendung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst im Telekommunikationsbereich in einem wettbewerbsorientierten Umfeld (ABl. EG Nr. L 101, S. 24) - und der Zusammenschaltungsrichtlinie (RL 97/33 EG vom 30. Juni 1997, ABl. EG Nr. L 199, S. 32) der allgemeine Netzzugang offenstehen müsse. Die Erwägung, es widerspräche dem Ziel der ONP-Richtlinien, Wettbewerb zu schaffen, wenn seine Dienste nicht anbieten könnte, wer aus Kostengründen auf einen besonderen Netzzugang verzichten wolle, trägt die daraus gezogene Schlußfolgerung nicht. Denn es dient gerade der Ermöglichung von Wettbewerb auf dem Gebiet der Telekommunikationsdienstleistungen, wenn die Vorschriften über den besonderen Netzzugang und die daran anknüpfenden Entgeltmaßstäbe, die jedenfalls regelmäßig einen Abstand zwischen den Entgelten für Endkunden und den Entgelten für Vorleistungen an Wettbewerber gebieten werden (Schuster/Stürmer in BeckTKG-Komm., 2. Aufl., § 24 Rdn. 26 ff.; Spoerr in Trute/Spoerr/Bosch aaO § 24 TKG Rdn. 53; einschränkend Geppert/Ruhle/Schuster, Hdb. Recht und Praxis der Telekommunikation, 2. Aufl., Rdn. 548; Schroeder, WuW 1999, 14, 24), für jeden Diensteanbieter unbeschadet der technischen Ausgestaltung des verwendeten Netzzugangs Anwendung finden.

Der Wertung der Leistungen der Beklagten als Leistungen im Rahmen eines besonderen Netzzugangs steht auch § 35 Abs. 3 TKG nicht entgegen. Ermöglicht das marktbeherrschende Unternehmen dem Zugangspetenten den begehrten Netzzugang, kommt es auf die Prüfung nach § 35 Abs. 3 TKG nicht mehr an. Es kann daher dahinstehen, ob die Vorschrift nicht ohnedies nur Anwendung findet, wenn der besondere Netzzugang dem Zugangspetenten Einwirkungen auf das Netz erlaubt, die der Allgemeinheit der Nutzer nicht möglich sind, also auch in technischer Hinsicht ein "besonderer" Zugang ist.

cc) Soweit ein besonderer Netzzugang nach § 35 TKG zu ermöglichen ist, sind auch Verbindungen über diesen besonderen Netzzugang als Leistungen im Rahmen dieses Netzzugangs zu werten (BVerwG MMR 2003, 734, 739) und gehören die hierfür geschuldeten Gegenleistungen zu den Entgelten für die Gewährung von Netzzugang im Sinne des § 39 TKG. Entgelte nach Sprachtelefondiensttarifen dürfen hierfür nicht berechnet werden. Die in anderem Zusammenhang angestellte Erwägung des Berufungsgerichts, es habe dem Bundesminister für Post und Telekommunikation freigestanden, die Tarife "AGB-Standard" und "D&B" ausschließlich als Endkundentarife zu genehmigen, was er jedoch nicht getan habe, greift deshalb nicht durch. Die Tarife "AGB-Standard" und "D&B" sind nicht als Netzzugangstarife genehmigt worden, für deren Genehmigung der Bundesminister für Post und Telekommunikation gar nicht zuständig war, und daher auf Leistungen der Beklagten im Rahmen der Gewährung eines besonderen Netzzugangs für einen Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen von vornherein nicht anwendbar.

dd) Für den Zeitraum ab dem 1. Januar 1998 gilt das vorstehend Ausgeführte entsprechend. Da die Klägerin seit dem 1. Januar 1998 ein öffentliches Telekommunikationsnetz betrieb, handelt es sich bei dem erörterten besonderen Netzzugang seither um eine Zusammenschaltung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 3 TKG. Im vorliegenden Zusammenhang ergibt sich hieraus kein rechtlich relevanter Unterschied.

Das Berufungsgericht hat allerdings ausgeführt, zwischen den Parteien sei außer Streit, daß die Klägerin am 31. Oktober 1997 mit der Beklagten eine Zusammenschaltungsvereinbarung nach Maßgabe des "IC"-Tarifs abgeschlossen habe und daß Inhalt dieser Vereinbarung (auch) das einvernehmlich festgelegte Erfordernis eines Schnittstellenzugangs "ZGS Nr. 7" sei. Vor diesem Hintergrund sei der jetzige Prozeßvortrag, für die Zusammenschaltung habe es eines solchen Schnittstellenzugangs nicht notwendig bedurft, nicht nachvollziehbar. Erst recht reiche der Sachvortrag der Klägerin nicht aus, um schlüssig eine kartellrechtswidrige Behinderung im Sinne von Art. 82 EG darzulegen. Denn für eine mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung wäre erforderlich, daß die Beklagte kein hinreichend berechtigtes Interesse daran geltend machen könne, eine Netzzusammenschaltung nur in Verbindung mit der gleichzeitigen Nutzung eines Schnittstellenzugangs "ZGS Nr. 7" anzubieten. Das lasse sich nicht feststellen. Die Beklagte mache in diesem Zusammenhang unwidersprochen geltend, es entspreche ständiger Praxis der Regulierungsbehörde und sei zudem Industriestandard, die Zusammenschaltung von der Nutzung einer Schnittstelle "ZGS Nr. 7" abhängig zu machen. Eine indizielle Bestätigung finde dieser Sachvortrag in der Tatsache, daß sich die Klägerin in der Vereinbarung vom 31. Oktober 1997 auf diese Forderung widerspruchslos eingelassen habe. Bei dieser Sachlage sei es Sache der Klägerin, den erhobenen Vorwurf einer ungerechtfertigten Koppelung von Zusammenschaltung und Schnittstellennutzung darzulegen.

Das trifft jedoch nicht den zutreffenden rechtlichen Ansatz. "Zusammenschaltung" ist nach § 3 Nr. 24 TKG derjenige Netzzugang, der die physische und logische Verbindung von Telekommunikationsnetzen herstellt, um Nutzern, die an verschiedenen Telekommunikationsnetzen angeschaltet sind, die mittelbare oder unmittelbare Kommunikation zu ermöglichen. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte, wie das Berufungsgericht unter Berufung auf eine ständige Praxis der Regulierungsbehörde und einen Industriestandard meint, berechtigt ist, für eine Zusammenschaltung die Nutzung eines Schnittstellenzugangs mit dem Zeichengabeprotokoll "ZGS Nr. 7" zu verlangen, was nach § 35 Abs. 2 TKG zu beurteilen wäre. Denn selbst wenn dem so sein sollte, bedeutet dies nicht, daß umgekehrt eine Zusammenschaltung, für die dieses Zeichengabeprotokoll tatsächlich nicht genutzt wird, deshalb nicht als Zusammenschaltung gälte. Vielmehr ist ein Netzzugang, der im Sinne des § 3 Nr. 24 TKG die physische und logische Verbindung von Telekommunikationsnetzen herstellt, im Rechtssinne auch dann eine Zusammenschaltung, wenn eine technisch anders ausgestaltete Schnittstelle verwendet wird, und unterliegt damit den Vorschriften des Vierten Teils des Telekommunikationsgesetzes und der Entgeltregulierung nach § 39 TKG.

3. Daher geht auch die Erwägung des Berufungsgerichts ins Leere, es schließe unter dem Gesichtspunkt eines ganz überwiegenden Mitverschuldens den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch in vollem Umfang aus, daß die Klägerin wegen der geltend gemachten Bedenken gegen die Angemessenheit der angebotenen Tarifentgelte davon abgesehen habe, das Angebot der Beklagten zum Abschluß eines "AfCN"-Vertrages anzunehmen.

Ebensowenig steht es einem Schadensersatzanspruch der Klägerin entgegen, daß sie nicht - sei es unmittelbar gegenüber der Beklagten, sei es durch irgendeinen Rechtsbehelf - auf Vereinbarung und Genehmigung eines Entgelts für die Inanspruchnahme der nach den Tarifen "AGB-Standard" und "D&B" abgerechneten Netzzugänge hingewirkt hat. Denn dies hätte nur dazu führen können, daß die Klägerin den ein angemessenes Zugangsentgelt übersteigenden Teil der gezahlten Beträge, den sie nunmehr zurückfordert, gar nicht erst hätte zahlen müssen, und kann daher den Klageanspruch nicht ausschließen.

III. Das Berufungsgericht wird hiernach festzustellen haben, welche Entgelte die Beklagte unter Beachtung der hierfür geltenden Maßstäbe der Entgeltregulierung für die Inanspruchnahme des besonderen Netzzugangs bzw. für die Zusammenschaltung hätte fordern dürfen. Dabei wird es sich an den Tarifen "AfCN" [neu] und "IC" orientieren können, jedoch zu berücksichtigen haben, inwieweit die technisch abweichenden Zugangswege die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (§ 39 i.V.m. § 24 Abs. 1 TKG) beeinflußt haben.

IV. Die Klägerin hat erstinstanzlich den geltend gemachten Schadensersatzanspruch auch darauf gestützt, daß die Beklagte eine Migration der Primärmultiplex- auf IC-Anschlüsse verzögert und dadurch eine frühere Inanspruchnahme des "IC"-Tarifs durch sie - die Klägerin - verhindert habe.

Das Berufungsgericht hat sich mit diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht befaßt, weil die Klägerin hierauf in zweiter Instanz nicht mehr zurückgekommen sei, was die Revision als rechtsfehlerhaft rügt. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich gegebenenfalls auch mit dieser Begründung für das Schadensersatzbegehren der Klägerin zu befassen.



Ende der Entscheidung

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