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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.10.1998
Aktenzeichen: LwZR 1/98
Rechtsgebiete: GenG, LwAnpG
Vorschriften:
GenG § 51 | |
LwAnpG § 28 Abs. 3 F. 3. Juli 1991 |
Das Beschlußanfechtungsrecht eines LPG-Mitglieds erlischt mit seinem Tod. Eine von ihm erhobene Anfechtungsklage kann von den Erben nicht fortgeführt werden, wohl aber eine Nichtigkeitsklage als Feststellungsklage.
BGH, Urt. v. 23. Oktober 1998 - LwZR 1/98 - OLG Brandenburg AG Königs Wusterhausen
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 23. Oktober 1998
Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 1998 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Hagen und die Richter Dr. Vogt und Dr. Wenzel sowie die ehrenamtlichen Richter Gose und Komp
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 27. November 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Nichtigkeitsklage abgewiesen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Erbin der im August 1993 verstorbenen A. B. (Erblasserin). Diese war Mitglied der LPG "F. Z. " L. , in die sie 10 ha Land einbrachte. Die Bewirtschaftung der Fläche erfolgte später durch die von der LPG mit gebildeten KAP, die ihrerseits dann als LPG (P) L. juristisch selbständig wurde. Diese führte die Erblasserin als Rentnerin und zahlte ihr auch den Naturalausgleich. Die Mitgliederversammlung beschloß am 22. Januar 1991 die Teilung der Genossenschaft unter gleichzeitiger Auflösung hinsichtlich der bei ihr verbleibenden landwirtschaftlichen Nutzflächen der Gemeinden N. , Ni. und L. , wozu auch die Flächen der Erblasserin gehören. Die Liquidation der Beklagten wurde in der Presse angezeigt. Mit Schreiben vom 3. Dezember 1991 kündigte die Erblasserin ihr Mitgliedschaft zum 5. Dezember 1991. Am 4. Dezember 1991 beschloß die Vollversammlung der Beklagten erneut die Teilung der Genossenschaft und den Zusammenschluß mit den LPGen G. und S. . Die Versammlung zur Auflösung für den Teil L. sollte am 17. Dezember 1991 stattfinden.
Mit der am 7. Januar 1992 beim Landwirtschaftsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin zuletzt beantragt,
festzustellen, daß die Teilungsbeschlüsse in den Mitgliederversammlungen vom 22. Januar und 4. Dezember 1991 unwirksam seien.
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht legt die Klage als Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage entsprechend § 51 GenG, § 249 AktG aus und vertritt die Auffassung, daß die Klägerin für beide Klagen nicht klagebefugt sei, weil die Klagebefugnis der Erblasserin mit deren Tod erloschen und nicht auf die Klägerin übergegangen sei. Für eine Feststellungsklage fehle das Rechtsschutzinteresse, weil die Klägerin Auskunft und Zahlung verlangen könne.
Dies hält im Ergebnis der Revision nur teilweise stand.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats beurteilt sich die Wirksamkeit von LPG-Vollversammlungsbeschlüssen nach der Wiedervereinigung nach den Grundsätzen des Genossenschaftsrechts, die ihrerseits ergänzend auf die aktienrechtlichen Vorschriften über Mängel von Hauptversammlungsbeschlüssen abstellen (BGHZ 126, 335, 339 m. Anm. Schaffland, EWiR 1994, 1039; Beschl. v. 2. März 1995, LwZB 9/94, ZIP 1995, 873, 874). Dementsprechend ist es zulässig, einen Vollversammlungsbeschluß sowohl mit der Anfechtungsklage gemäß § 51 GenG als auch mit der Nichtigkeitsklage entsprechend § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG anzugreifen. Klagebefugt für beide Klagearten ist außer dem im Gesetz sonst aufgeführten Personenkreis nur das LPG-Mitglied. Die Klagebefugnis ist ein Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts. Als solches ist sie bei der LPG anders als bei der eingetragenen Genossenschaft (§ 77 Abs. 1 GenG) mit dem Tode des Mitglieds nicht auf den Erben übergegangen, sondern erloschen (vgl. MSt. LPG (P) Ziff. 16 Abs. 1 Buchst. e). Denn der Erbe konnte, soweit er nicht bereits Mitglied war, nur auf entsprechenden Antrag und zustimmender Beschlußfassung durch die Vollversammlung Mitglied werden (Krauß u.a., Kommentar zum MSt. LPG (P) Ziff. 16 Anm. 1.5). Ist das - wie hier - nicht der Fall, ist er für eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage selbst nicht klagebefugt. Fraglich ist nur, ob dies auch dann gilt, wenn die Klage - wie hier - im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits erhoben war. Hierauf kommt es auch dann an, wenn die Beklagte sich nicht schon aufgrund des Beschlusses vom 22. Januar 1991, sondern erst kraft Gesetzes ab 1. Januar 1992 in Liquidation befindet. Denn die in diesem Fall durch die Kündigung vom 3. Dezember 1991 nach Klageerhebung wirksam gewordene Beendigung der Mitgliedschaft (vgl. Senatsbeschl. v. 8. Mai 1998, BLw 41/97, WM 1998, 1653 m. Anm. Bayer/Hoffmann EWiR 1998, 905) hat die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen lassen (BGHZ 43, 261, 266 f; RGZ 66, 134, 138; 119, 97, 99).
2. Im Aktienrecht ist umstritten, wie sich der nachträgliche Verlust der Aktionärseigenschaft auf das Anfechtungs- oder Nichtigkeitsfeststellungsverfahren auswirkt (zum Meinungsstand vgl. Hüffer, AktG, 3. Aufl., § 245 Rdn. 8 u. § 249 Rdn. 6; ders. in Geßler, Hefermehl u.a., AktG, § 245 Rdn. 25 u. § 249 Rdn. 14; K. Schmidt in AktG, Großkommentar, § 245 Rdn. 17 und § 249 Rdn. 15). Während das früher wohl überwiegende Schrifttum die Ansicht vertrat, daß der Nichtigkeits- und (oder) Anfechtungskläger das Prozeßführungsrecht verliere, wenn er seine Gesellschafterstellung während der Dauer des Rechtsstreits aufgebe oder verliere ( vgl. die Nachweise in BGHZ 43, 261, 266), ist nach einer im Vordringen begriffenen Gegenmeinung zu differenzieren. Für die Anfechtungsklage wird angenommen, daß die Veräußerung der Aktien entsprechend § 265 ZPO zu behandeln sei mit der Folge, daß der frühere Aktionär als gesetzlicher Prozeßstandschafter weiter prozeßführungsbefugt bleibe (vgl. Hüffer, AktG, 3. Aufl., § 245 Rdn. 8 m.w.N.). Ob für die Nichtigkeitsklage dasselbe zu gelten hat (so K. Schmidt, AktG, Großkommentar, § 249 Rdn. 15) oder nur die Fortführung als gewöhnliche Feststellungsklage übrig bleibe (so Hüffer aaO § 249 Rdn. 6; ders. in Geßler/Hefermehl u.a., AktG, § 249 Rdn. 14), ist umstritten.
3. Der Bundesgerichtshof hat die Frage noch nicht entschieden. Er hat nur darauf hingewiesen, daß nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 66, 134, 138; 119, 97, 99) die früher im aktienrechtlichen Schrifttum überwiegende Auffassung wegen der grundlegenden Verschiedenheit von Aktiengesellschaft und Genossenschaft nicht ins Genossenschaftsrecht übernommen werden könne und hier die Anfechtungsbefugnis des ausgeschiedenen Genossen grundsätzlich fortdauere, es sei denn, daß er an der Fortführung des Verfahrens kein rechtliches Interesse habe. In Anlehnung an diese Rechtsprechung des Reichsgerichts hat er für die GmbH entschieden, daß auf die Abtretung des Geschäftsanteils des Nichtigkeits- und Anfechtungsklägers die Vorschrift des § 265 ZPO Anwendung finde, weil die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage auch die Mitgliedschaft streitbefangen mache, die Abtretung des Geschäftsanteils also auf den Prozeß keinen Einfluß habe (BGHZ 43, 261, 267 f).
4. Diese Rechtsprechung ist auf den Fall des Todes eines LPG-Mitglieds nach Erhebung einer Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage nicht übertragbar. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO greift hier - auch in entsprechender Anwendung - nicht ein, weil er voraussetzt, daß die bisherige Partei klagebefugt war und den Rechtsstreit in gesetzlicher Prozeßstandschaft fortführen kann (vgl. Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 265 Rdn. 19). Diese Voraussetzung ist bei dem Tod eines LPG-Mitglieds anders als bei dem Ausscheiden eines Genossen oder seines Erben nicht erfüllt. Im Gegensatz zu letzteren ist der Erbe eines LPG-Mitglieds selbst nie klagebefugt gewesen. Es geht daher nicht um die Fortführung eines in derselben Person einmal als Ausfluß des Mitgliedschaftsrechts begründeten Rechts nach Beendigung der Mitgliedschaft, sondern um die Frage, ob das erloschene Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsrecht von jemandem fortgeführt werden kann, der es nie besessen und auch nicht - im Wege der Universalsukzession - erworben hat. Dies ist zu verneinen. Denn mit dem Erlöschen des Rechts endet die Klagebefugnis. Die Klage wird unzulässig.
5. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß der Erbe nach dem Tod des Erblassers wie ein ausgeschiedener Genosse ein rechtliches Interesse an der Fortführung der wirksam erhobenen Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage haben kann, wenn der Prozeß - wie hier - in der Frage der Wirksamkeit der beschlossenen Teilung die Grundlagen eines vermögensrechtlichen Abfindungsanspruchs betrifft (RGZ 66, 134, 137). Dies rechtfertigt es jedoch nicht, ihm als Nie-Mitglied ein Recht einzuräumen, das an die Mitgliedschaft gebunden ist, auch im Interesse der Genossenschaft, d.h. zum Schutz von Minderheitsrechten, besteht und auf ein Urteil zielt, das bei begründeter Klage sich nicht auf die vermögensrechtlichen Beziehungen zur LPG beschränkt, sondern inter-omnes-Wirkung für alle noch verbliebenen Mitglieder entfaltet (§ 248 Abs. 1 AktG, § 51 Abs. 5 GenG).
Sein eigenes - vermögensrechtliches - Interesse kann auch nicht dadurch gewahrt werden, daß er die Anfechtungsklage als Feststellungsklage fortführt. Denn eine solche Klage führt nicht zu der begehrten Gestaltungswirkung. Wohl aber kann er die Nichtigkeitsklage im Wege einer - sachdienlichen - Klageänderung als Feststellungsklage fortführen mit der Folge, daß eine etwaige Nichtigkeit inter partes festgestellt wird. Zwar können die Nichtigkeitsgründe im allgemeinen nur mit der Nichtigkeitsklage und nicht mit der Feststellungsklage geltend gemacht werden, weil jene dieser das Feststellungsinteresse nimmt (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 867). Da der Erbe eines LPG-Mitglieds für eine Nichtigkeitsklage mit der inter-omnes-Wirkung eines Feststellungsurteils aber nicht klagebefugt ist, muß er die zulässig erhobene Klage ausnahmsweise - im Wege der Klageänderung (K. Schmidt, AktG, Großkommentar, § 249 Rdn. 15) - als bloße Feststellungsklage fortführen dürfen mit der Folge, daß bei erfolgreicher Anfechtung die Nichtigkeit nur inter partes festgestellt wird (vgl. Hüffer aaO § 249 Rdn. 6; ders. in Geßler/Hefermehl u.a., AktG, § 249 Rdn. 14). Das erforderliche Feststellungsinteresse ist hier gegeben, weil nicht feststeht, ob die beschlossene Teilung wirksam geworden ist, mithin mangels einer beide Alternativen erfassenden Bilanz die Grundlage für eine Berechnung der Abfindung oder Erteilung einer entsprechenden Auskunft noch nicht gegeben ist.
6. Nach alledem hat das angefochtene Urteil nur in bezug auf die erhobene Anfechtungsklage Bestand, nicht aber in bezug auf die Nichtigkeitsklage. Insoweit ist die Sache allerdings nicht entscheidungsreif, sondern zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, damit die Klägerin Gelegenheit erhält, sich auf diesen neuen rechtlichen Gesichtspunkt durch eine - sachdienliche - Klageänderung einzustellen, und das Berufungsgericht die noch offenen Fragen klären kann.
Ende der Entscheidung
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