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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.11.2003
Aktenzeichen: NotZ 12/03
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 111
Zur Auswirkung des einem abgelehnten Konkurrenten um eine Anwaltsnotarstelle im Wege der einstweiligen Anordnung gewährten einstweiligen Rechtsschutzes auf die dem (zunächst) erfolgreichen Bewerber erteilte Zusage, ihm nach endgültigem Abschluß des Besetzungsverfahrens die ausgeschriebene Notarstelle zu übertragen.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 12/03

Verkündet am: 3. November 2003

in dem Verfahren

wegen Bestellung zum Notar

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne, die Richter Tropf und Dr. Kurzwelly sowie die Notare Dr. Ebner und Eule

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen bei dem Kammergericht in Berlin vom 28. Mai 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die der Antragsgegnerin im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I. Der 1962 geborene Antragsteller wurde im September 1992 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt zunächst in D. und sodann - unter Widerruf dieser Zulassung - im August 1995 bei dem Landgericht B. sowie kurz darauf auch bei dem Kammergericht als Rechtsanwalt zugelassen. Im April 2000 bewarb er sich um eine der im Amtsblatt für B. vom 31. März 2000 ausgeschriebenen 60 Notarstellen. Durch Bescheid vom 25. Oktober 2001 teilte die Präsidentin des Kammergerichts als gemäß Nr. II. 3. der Allgemeinen Verfügung über Angelegenheiten der Notare (AVNot) vom 22. April 1996 (ABl. S. 1741) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 14. August 1997 (ABl. S. 3399) von der Antragsgegnerin bestimmte zuständige Behörde der Landesjustizverwaltung dem Antragsteller mit, daß seine fachliche Eignung im Auswahlverfahren mit 100,35 Punkten bewertet worden sei und er damit auf der Bewerbungsliste Rang 60 erreicht habe; es sei - vorbehaltlich einer Änderung der Besetzungsliste in den von Mitbewerbern angestrengten Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - beabsichtigt, ihm nach dem endgültigen Abschluß des Besetzungsverfahrens eine der zu besetzenden Notarstellen zu übertragen. Durch Verfügung vom 13. Dezember 2001 wurde dem Antragsteller ferner mitgeteilt, daß seine Rangstelle von den Anträgen abgelehnter Notarbewerber auf einstweiligen Rechtsschutz betroffen sei und die Landesjustizverwaltung deshalb bis auf weiteres gehindert sei, ihn zum Notar zu bestellen; erst nach Abschluß der schwebenden Verfahren werde man dem Besetzungsverfahren Fortgang geben.

Mit seinem am 22. August 2002 gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung begehrt der Antragsteller, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn (sofort) zum Notar zu bestellen. Die Konkurrentenklagen und die damit verbundenen Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes von Mitbewerbern des Antragstellers sind (bislang) mit Ausnahme des von dem Konkurrenten Dr. N. betriebenen Verfahrens erfolglos geblieben. In jenem Verfahren auf gerichtliche Entscheidung hat das Kammergericht durch Beschluß vom 11. Dezember 2002 (Not 17/01 u. 18/01 KG Berlin) die zuständige Behörde der Antragsgegnerin auf den Hilfsantrag des Konkurrenten Dr. N. verpflichtet, dessen Antrag auf Bestellung zum Notar unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, und der Behörde zugleich im Wege einstweiliger Anordnung aufgegeben, eine der ausgeschriebenen Notarstellen bis zur Neubescheidung des Antrags freizuhalten. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Präsidentin des Kammergerichts hat der Senat zwischenzeitlich durch Beschluß vom 14. Juli 2003 (NotZ 2/03, NJW 2003, 2750) zurückgewiesen und dabei u.a. auch ausdrücklich ausgeführt, daß die vom Kammergericht getroffene - nicht selbständig anfechtbare - einstweilige Anordnung ihre Gültigkeit behalte (Beschl.Umdr. S. 13 unter Nr. III).

Das Kammergericht hat den Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung im vorliegenden Verfahren - u.a. wegen des noch nicht endgültig abgeschlossenen Konkurrentenschutzverfahrens Dr. N. - als zur Zeit unbegründet zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.

II. Die gemäß § 111 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Kammergericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu Recht zurückgewiesen. Die gemäß Nr. II. 3. AVNot zuständige Behörde der Antragsgegnerin ist jedenfalls derzeit nicht verpflichtet, den Antragsteller (sofort) zum Notar zu bestellen.

1. Eine Verpflichtung der Landesjustizverwaltung zur sofortigen Bestellung des Antragstellers zum Notar läßt sich - entgegen der von diesem vertretenen Rechtsauffassung - nicht aus der Ankündigung der Präsidentin des Kammergerichts vom 25. Oktober 2001 entnehmen, es sei beabsichtigt, dem Antragsteller als Bewerber mit dem 60. Punktrang nach endgültigem Abschluß des Besetzungsverfahrens eine der zu besetzenden Notarstellen zu übertragen. Auch wenn es sich dabei nicht lediglich um eine unverbindliche Information, sondern um eine Zusicherung mit der Qualität eines Verwaltungsaktes handelte (vgl. Sen.Beschl. v. 16. Juli 2001 - NotZ 8/01, NJW-RR 2001, 1564, 1565 m.w.N.), so stand die Ankündigung doch ersichtlich unter dem zulässigen Vorbehalt, daß die Übertragung der 60. und damit letzten Notarstelle auf den Antragsteller nur dann in Betracht kommt, wenn sich nicht die Besetzungsliste aufgrund des Ergebnisses der von Mitbewerbern angestrengten gerichtlichen Verfahren ändert. Insbesondere wurde auch sinngemäß darauf hingewiesen, daß im Falle der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes durch abgelehnte Konkurrenten sich die in Aussicht genommene Bestellung des Antragstellers zum Notar verzögern werde, weil dann die Landesjustizverwaltung an der sofortigen Übertragung der Notarstelle gehindert sei. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats - auf die die Landesjustizverwaltung im Schreiben vom 25. Oktober 2001 zutreffend Bezug genommen hat - ist es zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich, dem Konkurrenten um eine Anwaltsnotarstelle im Ausschreibungsverfahren den gleichen Rechtsschutz zu eröffnen wie in dem vergleichbaren beamtenrechtlichen Verfahren. Ihm muß die Möglichkeit eingeräumt werden, die endgültige Besetzung der ausgeschriebenen Stelle durch die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes zu verhindern, weil dem Bewerber mit der Besetzung der Stelle die Klagemöglichkeit abgeschnitten wird (Beschl. v. 19. Oktober 1992 - NotZ 49/92, BGHR BNotO § 111 Konkurrentenklage 1; vgl. auch BGHZ 129, 226; ferner Sen.Beschl. v. 18. März 2002 - NotZ 32/01). Einstweiligen Rechtsschutz dieses Inhalts hat der Mitbewerber Dr. N. aufgrund der vom Kammergericht in dem Verfahren Not 17/01 bzw. 18/01 KG Berlin erlassenen einstweiligen Anordnung mit Erfolg in Anspruch genommen. Diese einstweilige Anordnung hat auch nach Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Landesjustizverwaltung im Hauptsacheverfahren der Konkurrentenklage durch den Senatsbeschluß vom 14. Juli 2003 (NotZ 2/03) jedenfalls derzeit (noch) Bestand. Diese einstweilige Anordnung ist von der Landesjustizverwaltung Berlin zu befolgen.

2. Dem Verpflichtungsbegehren des Antragstellers auf eine sofortige Bestellung zum Notar kann auch - entgegen der von diesem vertretenen Auffassung - nicht durch zusätzliche Bestellung des etwa erfolgreichen Konkurrenten entsprochen werden. Nach der Neuregelung der Notarzulassung durch das Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Notare und Rechtsanwälte vom 29. Januar 1991 (BGBl. I 1991, 150) ist es im Unterschied zum alten Recht nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes am 1. August 1991 nicht (mehr) möglich, einen zu Unrecht abgelehnten Bewerber für ein Rechtsanwaltsnotariat nach der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle zusätzlich zu bestellen (vgl. Sen.Beschl. v. 19. Oktober 1992 - NotZ 42/92, NJW 1993, 2040 u. st.Rspr.). Vielmehr muß die Justizverwaltung, nachdem sie die Notwendigkeit einer zusätzlichen Notarstelle aufgrund der in § 4 BNotO vorgeschriebenen Kriterien festgestellt hat, diese zusätzliche Stelle nach den §§ 6, 6 b BNotO förmlich ausschreiben. Nach § 4 BNotO hat die Justizverwaltung ihre Entscheidung, ob eine Notarstelle besetzt werden soll, vorrangig an dem Bedürfnis nach einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen und an der Wahrung einer geordneten Altersstruktur des Notarberufs zu orientieren. Im Unterschied zum alten Recht sind die Bewerber für jede aufgrund der genannten Kriterien eröffnete Notarstelle durch ein Ausschreibungsverfahren zu ermitteln. Diese Neuregelung der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Anwaltsnotars hat zur Folge, daß die Bewerbung eines Bewerbers auf eine ausgeschriebene Stelle sich nur und ausschließlich auf diese Stelle bezieht. Die Reihenfolge der geeigneten Bewerber muß die Verwaltung nach den Kriterien des § 6 Abs. 3 BNotO unter den Bewerbern des jeweiligen Ausschreibungsverfahrens bestimmen. Wird die ausgeschriebene Stelle besetzt, ist die durch die Ausschreibung eingeleitete Stellenbesetzung wie im Beamtenrecht beendet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht der Verpflichtung der Justizverwaltung, ihr dadurch eröffnetes Ermessen fehlerfrei auszuüben, kein subjektives Recht von potentiellen Bewerbern um eine Notarstelle gegenüber. Die Ermessensbindung der Verwaltung dient nicht dazu, die Berufsaussichten der Interessenten am Notaramt rechtlich abzusichern; sie dient ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit am Funktionieren der vorsorgenden Rechtspflege (Sen.Beschl. v. 18. September 1995 - NotZ 46/94, NJW 1996, 123 u. st.Rspr.).

3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die verfassungsrechtlich gebotene Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) zugunsten des - nach seiner Behauptung - zu Unrecht abgelehnten Mitbewerbers läßt die damit unvermeidbar verbundene Verzögerung des Abschlusses des Bewerbungsverfahrens durch Hinausschieben der Bestellung der davon betroffenen letztlich erfolgreichen Bewerber als zumutbar erscheinen.

4. Allein die unterbliebene Beteiligung an dem bisherigen gerichtlichen Verfahren des Konkurrenten Dr. N. vermag einen Rechtsanspruch des Antragstellers auf seine sofortige Bestellung zum Notar nicht zu begründen.



Ende der Entscheidung

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