Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.04.2008
Aktenzeichen: NotZ 120/07
Rechtsgebiete: AVNot 2004, BNotO, BRAO


Vorschriften:

AVNot 2004 § 17
AVNot 2004 § 17 Abs. 2 Nr. 1
AVNot 2004 § 17 Abs. 2 Nr. 2
AVNot 2004 § 17 Abs. 2 Nr. 3
AVNot 2004 § 17 Abs. 2 Nr. 4
AVNot 2004 § 17 Abs. 2 Nr. 5
AVNot 2004 § 17 Abs. 2 Nr. 6
AVNot 2004 § 17 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 lit. d)
AVNot 2004 § 17 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 lit. f)
BNotO § 6 Abs. 3 Satz 1
BNotO § 6 Abs. 3 Satz 2
BNotO § 111 Abs. 4
BRAO § 42 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 120/07

vom 14. April 2008

in dem Verfahren

wegen Bestellung zum Notar

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richterin Dr. Kessal-Wulf, den Richter Dr. Herrmann, die Notarin Dr. Doyé und den Notar Dr. Ebner

am 14. April 2008

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 21. August 2007 - 2 VA (Not) 5/07 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Antragsgegner sowie den weiteren Beteiligten die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I. Der Antragsgegner schrieb im Justizministerialblatt für Nordrhein-Westfalen vom 15. April 2006 (JMBl. NRW S. 88) für den Amtsgerichtsbezirk B. drei Notarstellen aus, auf die sich neben zwei weiteren Rechtsanwälten der Antragsteller und die weiteren Beteiligten bewarben. Der Antragsgegner führte das Auswahlverfahren gemäß § 17 der Allgemeinen Verfügung des Justizministeriums über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare vom 8. März 2002 (JMBl. NRW S. 69) in der geänderten Fassung vom 4. November 2004 (JMBl. NRW S. 256; im Folgenden: AVNot 2004) durch. Für die weiteren Beteiligten wurden Gesamtpunktzahlen von 204,25 (RA K. ), 203,55 (RA S. ) und 203 (RA Dr. L. ) ermittelt. Der Antragsteller, der unter den Bewerbern die sechste Rangstelle einnahm, wurde mit Verfügung vom 1. Februar 2007 davon unterrichtet, dass seiner Bewerbung angesichts einer Gesamtpunktzahl von 197,55 nicht entsprochen werden könne.

Dem Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung mit dem Inhalt, den Antragsgegner zu verpflichten, eine der am 15. April 2006 ausgeschriebenen Notarstellen mit seiner Person zu besetzen, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine sofortige Beschwerde, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V. mit § 42 Abs. 4 BRAO zulässig, aber in der Sache unbegründet. Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners erweist sich als rechtsfehlerfrei. Er hat den ihm durch § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 BNotO bei der Bewerberauswahl zustehenden Beurteilungsspielraum (BGHZ 124, 327, 330 ff.) auf der Grundlage der AVNot 2004 zutreffend angewandt und ausgeschöpft.

1. Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass der Antragsgegner zur Auswahl unter mehreren Bewerbern um eine freie Notarstelle deren fachliche Leistung nach dem Punktesystem gemäß § 17 der Allgemeinen Verfügung des Justizministeriums über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare vom 8. März 2002 in der - im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 110, 304, 324 ff.) modifizierten - Fassung vom 4. November 2004 ermittelt (Senat, Beschlüsse vom 26. März 2007 - NotZ 39/06 - ZNotP 2007, 234, 235 f. Rn. 9 ff.; vom 26. März 2007 - NotZ 40/06 -, jeweils zur AVNot 2004; vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 - ZNotP 2006, 392, 393 f. Rn. 13 und - NotZ 11/06 - NJW 2006, 3211 f. Rn. 7, jeweils zu den vergleichbaren Bestimmungen in Hessen). Dies wird auch vom Antragsteller grundsätzlich nicht in Zweifel gezogen.

2. Der Antragsgegner hat für den Antragsteller und die weiteren Beteiligten folgende Bewertung zum Ausgangspunkt genommen und auf dieser Grundlage eine Rangfolge ermittelt, in der die weiteren Beteiligten die ersten drei Stellen einnehmen:

 BewerberAntragstellerRA K.RA S.RA Dr. LRA St.
Rang61234
2. Staatsexamen41,7554,2536,5552,5051,35
RA-Tätigkeit30303028,5030
Fortbildungen6060606060
Beurkundungen6060606060
Sonderpunkte5,8 172 
Summe197,55204,25203,55203201,35

3. Das Punktesystem und die darauf beruhende Einordnung der fachlichen Qualifikation der Bewerber in einer Rangskala bergen allerdings auch die Gefahr, dass den Besonderheiten des Einzelfalles nicht immer ausreichend Rechnung getragen und daher das Maß der fachlichen Eignung des einzelnen Bewerbers unvollständig ermittelt oder unzutreffend in einen Vergleich mit derjenigen der Mitbewerber eingestellt wird. Daher ist vor einer endgültigen Auswahl zu prüfen, ob für die jeweiligen Bewerber besondere Umstände ersichtlich sind, die in das an feste Kriterien (Examensnote, Dauer der anwaltlichen Tätigkeit, theoretische Fortbildung, praktische Beurkundungserfahrung) ausgerichtete Punktesystem keinen Eingang gefunden haben, aber dennoch zu berücksichtigen sind, um die Kenntnisse und Fähigkeiten des Bewerbers zutreffend und vollständig zu erfassen (Senat, Beschluss vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 - aaO S 394 Rn. 15 und ständig). Die AVNot 2004 sehen folgerichtig unter § 17 Abs. 2 Nr. 6 die Vergabe von Sonderpunkten vor, die für im Einzelfall vorhandene besondere notarspezifische Qualifikationen zuerkannt werden können. Von dieser Regelung hat der Antragsgegner unter anderem zugunsten des weiteren Beteiligten zu 2 Gebrauch gemacht. Die dagegen gerichteten Angriffe des Antragstellers gehen fehl. Er kann weiter nicht geltend machen, der Antragsgegner hätte an ihn mehr als die tatsächlich zuerkannten Sonderpunkte vergeben müssen.

4. Der Antragsteller ist der Auffassung, der Antragsgegner habe mit der Vergabe von lediglich 5,8 Sonderpunkten seine umfassende und langjährige Tätigkeit als Notarvertreter und Notariatsverwalter und die daraus folgende besondere notarspezifische Qualifikation nicht angemessen erfasst. Das wirkt sich im Verhältnis zu den weiteren Beteiligten zu 1 und zu 3 schon deshalb nicht aus, weil nach § 17 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 lit. d) AVNot 2004 die Erfahrungen als Notarvertreter und Notariatsverwalter regelmäßig nur mit bis zu 10 Punkten Berücksichtigung finden können und im Falle des Antragstellers nichts ersichtlich ist, was eine Abweichung davon rechtfertigen könnte. Eine Zuerkennung von 10 Sonderpunkten an den Antragsteller unterstellt, hätte er insgesamt 201,75 Punkte erlangt. Damit würde er hinter dem weiteren Beteiligten zu 1, der auch ohne Sonderpunkte eine Punktzahl von 204,25 erreicht hat, und dem weiteren Beteiligten zu 3, dessen zwei Sonderpunkten für wissenschaftliche Assistententätigkeit der Antragsteller nicht entgegentritt, die dritte Rangstelle einnehmen. Es kann somit von vornherein nur auf einen Vergleich mit dem weiteren Beteiligten zu 2 ankommen.

a) Dieser hat für die Vorbereitung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 AVNot 2004 auf den Zweitberuf des Anwaltsnotars 186,55 Punkte erzielt, die sich um vier Sonderpunkte für seine zusätzliche Qualifikation als Fachanwalt auf dem "notarnahen" Gebiet des Steuerrechts auf 190,55 erhöhen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers durfte der Antragsteller weitere sechs Sonderpunkte für benotete Leistungsnachweise vergeben. Dadurch verringert sich der Punkteabstand - unter der Voraussetzung, dass dem Antragsteller überhaupt 10 Sonderpunkte zuzubilligen wären - auf 5,2 Punkte.

(1) Zwar hat der Senat in seiner früheren Rechtsprechung im Rahmen der Gesamtbewertung eine über die erfolgreiche Teilnahme an einem Vorbereitungskurs hinausgehende differenzierte Einbeziehung erteilter Leistungsnoten für Klausuren durch die Vergabe von Sonderpunkten wegen der Gefahr unzulässiger Doppelbewertungen grundsätzlich für nicht zulässig erachtet (Senat, Beschlüsse vom 25. November 1996 - NotZ 46/95 - DNotZ 1997, 879, 882 f. und vom 24. November 1997 - NotZ 3/97 - DNotZ 1999, 237, 238 f.), daran aber angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 (BVerfGE 110, 304) und der Senatsbeschlüsse vom 11. Juli 2005 (NotZ 29/04 - DNotZ 2005, 942, 945) und 22. November 2004 (NotZ 16/04 - ZNotP 2005, 155, 157) nicht mehr uneingeschränkt festgehalten. Das Bundesverfassungsgericht hat die Gefahr unzulässiger Doppelbewertungen mit Blick auf die anzustrebende, über Benotungen zu erreichende objektivierte Leistungsbewertung verneint (BVerfGE aaO 328 f.); gerade Benotungen können die erbrachten fachlichen Leistungen transparenter machen, denen dann gegebenenfalls, wenn sie herausragen, durch Sonderpunkte Rechnung getragen werden kann (BVerfGE 110, 304, 334).

(2) Der Senat hat in seinem Beschluss vom 20. November 2006 (NotZ 15/06 -, ZNotP 2007, 70, 73 f. Rn. 37 f.) die Vergabe von fünf Sonderpunkten für drei erfolgreich benotete - etwa zehn Jahre zurückliegende - Klausuren auf dem Gebiet des Handels- und Gesellschaftsrechts, des Familien- und Erbrechts und des Grundstücksrechts nicht beanstandet. Der weitere Beteiligte zu 2 hat vergleichbare Leistungen erbracht, dabei sogar sechs benotete, sich auf jeweils fünfstündige Klausuren beziehende Leistungsnachweise vorgelegt, die - mit unterschiedlicher Thematik - ebenfalls den (notarnahen) Bereichen des Handels- und Gesellschaftsrechts, des Grundstücksrechts und des Familien- und Erbrechts entstammen; drei dieser Klausuren sind überdurchschnittlich bewertet worden. Das rechtfertigt die für diese notarspezifische Vorbereitungsleistung vergebenen sechs Sonderpunkte; auch angesichts der zeitlichen Distanz zwischen Klausuren und Bewerbung hat der Antragsgegner seinen Beurteilungsspielraum dadurch nicht überschritten (vgl. ferner Senat, Beschluss vom 14. April 2008 - NotZ 125/07 - unter II 3 a (2).

b) Der verbleibende Punkteunterschied von 5,2 wird dadurch ausgeglichen, dass der Antragsgegner rechtsfehlerfrei nochmals vier Sonderpunkte für Vortragstätigkeit und drei Sonderpunkte für wissenschaftliche Veröffentlichungen an den weiteren Beteiligten zu 2 vergeben hat. Der Antragsteller, der in seiner Beschwerdebegründung insoweit auf die Ausführungen in seiner Antragsschrift verweist, hat in letzterer vorgebracht, Art und Umfang der Dozententätigkeit sowie die Anzahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen seien ihm nicht bekannt. Er könne daher nicht beurteilen, ob die Sonderpunkte "ermessensfehlerfrei" vergeben worden seien. Dem Antragsteller ist daraufhin mitgeteilt worden, er könne die Bewerbungsunterlagen auf der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts einsehen. Zugleich sind ihm der Besetzungsvermerk des Antragsgegners vom 29. Januar 2007 und die Punktzahlermittlungsbögen der Mitbewerber in Ablichtung übersandt worden. In seinem Besetzungsvermerk begründet der Antragsgegner auf mehr als drei Seiten umfassend und erschöpfend die Vergabe von drei Sonderpunkten für Veröffentlichungen zu notarspezifischen Themen (§ 17 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 lit. g) AVNot 2004) und vier Sonderpunkten für Vortragstätigkeiten im Rahmen der beruflichen Organisationen (§ 17 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 lit. f) AVNot 2004) an den weiteren Beteiligten zu 2. Die von diesem gehaltenen Vorträge sind im Einzelnen aufgeführt, insbesondere ist angegeben, welchen Inhalt diese hatten und für welche beruflichen Organisationen der weitere Beteiligte zu 2 seine Dozententätigkeit ausgeübt hat. Auch die von ihm veröffentlichten Aufsätze sind dem Besetzungsvermerk mit ihrer Thematik zu entnehmen. Beurteilungsfehler des Antragsgegners lassen sich dabei nicht erkennen; sie werden auch vom Antragsteller - trotz der ihm eröffneten Erkenntnismöglichkeiten - nicht aufgezeigt.

5. Auch das weitere Vorbringen des Antragstellers in seiner Beschwerdebegründung, der Antragsgegner hätte ihm schon für die Zeit ab 1. März 2003 - also für weitere sieben Monate - Sonderpunkte nach § 17 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 lit. d AVNot 2004 für die aus der Notarvertretung gewonnenen Erfahrungen zubilligen müssen, ohne sich gegen die vom Antragsgegner insoweit in Ansatz gebrachten 0,2 Sonderpunkte pro berücksichtigungsfähigen Monat zu wenden, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. In diesem Falle stünden ihm weitere 1,4 Sonderpunkte zu. Mit der dadurch erreichten Gesamtpunktzahl von 198,95 (197,55 zzgl. 1,4) würde er aber immer noch nicht nur hinter dem weiteren Beteiligten zu 2, sondern auch noch hinter dem Mitbewerber St. (201,35 Punkte) zurückstehen, bei dem sich die Frage nach Sonderpunkten nicht stellt, da ihm der Antragsgegner solche nicht zuerkannt hat.

Ende der Entscheidung

Zurück