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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.11.2005
Aktenzeichen: NotZ 15/05
Rechtsgebiete: BNotO, GG, BRAO, VONot, BVerfGG
Vorschriften:
BNotO § 111 Abs. 4 | |
BNotO § 113 | |
BNotO § 113 Abschnitt I | |
BNotO § 113a | |
GG Art. 12 Abs. 1 | |
BRAO § 42 Abs. 4 | |
VONot § 39 | |
VONot § 39 Abs. 7 | |
BVerfGG § 31 Abs. 2 Satz 3 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 28. November 2005
in dem Verfahren
wegen Rückerstattung von Abgaben
Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Streck und Wendt sowie die Notare Dr. Doyé und Justizrat Dr. Bauer am 28. November 2005
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Senats für Notarverwaltungssachen des Oberlandesgerichts Dresden vom 18. April 2005 - DSNot 3/05 - wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller haben die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die der Antragsgegnerin im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.655 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller sind Notare im Tätigkeitsbereich der Antragsgegnerin. Diese erhob, gestützt auf § 113a BNotO in Verbindung mit ihrer Hauptsatzung und ihrer für das betreffende Kalenderjahr erlassenen Abgabensatzung, bei den Antragstellern für den Monat November 2004 Abgaben in Höhe von 5.655 €. Die Antragsteller halten diesen Bescheid, vor allem im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juli 2004 (1 BvR 1298/94, 1299/94, 1332/95, 613/97, NJW 2005, 45), für rechtswidrig. Das Oberlandesgericht hat ihren Antrag auf gerichtliche Entscheidung, gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit, auf Aufhebung des Bescheides und auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Rückzahlung der geleisteten Abgaben zuzüglich gesetzlicher Zinsen, zurückgewiesen. Hiergegen wenden sie sich mit der sofortigen Beschwerde.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Der - auch hinsichtlich der begehrten Feststellung zulässige (vgl. Senat, Beschluss vom 31. März 2003 - NotZ 31/02 - NJW 2003, 2905 unter II 1) - Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin ist rechtmäßig. Er verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten, so dass hierauf geleistete Zahlungen nicht zurückzuerstatten sind.
1. Der Bescheid findet eine hinreichende rechtliche Grundlage in der Abgabensatzung der Antragsgegnerin.
Zwar ist die Ermächtigung der Antragsgegnerin zur Erhebung von Abgaben in § 113a BNotO 1998 - ebenso wie diejenige in § 39 Abs. 7 VONot, in § 113 Abschnitt I BNotO 1981 und in § 113 BNotO 1998 - mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Die Regelungen genügen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips an die Delegation von Normsetzung an die Träger funktionaler Selbstverwaltung - hier an die Antragsgegnerin - (vgl. BVerfG aaO S. 47). Die Verfassungswidrigkeit der alten wie der neuen Regelung hat jedoch nicht ihre sofortige Nichtigkeit und die des auf ihnen beruhenden Satzungsrechts zur Folge. Der Gesetzgeber hat nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bis zum Ende des Jahres 2006 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Bis dahin sind die verfassungswidrigen Vorschriften ausnahmsweise weiter anzuwenden (vgl. BVerfG aaO S. 49). Der Senat verweist dazu auf seine Beschlüsse vom 14. März 2005 (NotZ 2/05; NotZ 3/05, bei juris abrufbar; NotZ 4/05). Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch Beschluss vom 12. Juli 2005 (1 BvR 1002/05) nicht zur Entscheidung angenommen.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller enthält der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juli 2004 eine Weitergeltungsanordnung auch für § 113a BNotO (aaO unter II); ihre Aufnahme in den Tenor - an der es hier fehlt - ist zwar üblich, aber keine zwingende Voraussetzung für den Fortbestand der Norm. Soweit die Antragsteller beanstanden, es fehle der Weitergeltungsanordnung die nötige Publizität, verkennen sie, dass die nach § 31 Abs. 2 Satz 3 BVerfGG vorgeschriebene Veröffentlichung der Entscheidungsformel im Bundesgesetzblatt keinen konstitutiven, sondern nur deklaratorischen Charakter hat (siehe den Senatsbeschluss vom 11. Juli 2005 - NotZ 13/05 - zur Veröffentlichung vorgesehen, S. 4 BA m.N.).
Die Vorschrift des § 113a BNotO enthält somit eine - vorerst noch ausreichende - Ermächtigung für die Satzungen der Antragsgegnerin, auf deren Grundlage der angefochtene Bescheid erlassen worden ist.
2. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist die Antragsgegnerin auch nicht wegen Verstoßes gegen Art. 83 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen (LV) und gegen Art. 84 Abs. 1 GG als "Scheinbehörde" zu behandeln, deren "Scheinsatzungen" nichtig und deren "Scheinverwaltungsakte" ohne weiteres aufzuheben sind.
a) Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 13. Juli 2004 eingehend dargelegt, dass die Errichtung der Ländernotarkasse und ihre Ausstattung mit Satzungsgewalt auf unzulänglichen organisatorischen Vorgaben beruhen; gleichwohl hat es das Bundesverfassungsgericht für notwendig erachtet, die verfassungswidrige Vorschrift des § 113a BNotO und das darauf beruhende Satzungsrecht als Regelung für die Übergangszeit bis zum Ende des Jahres 2006 fortbestehen zu lassen, damit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige (aaO S. 49).
Auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der die Errichtung der Ländernotarkasse als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts normierenden Bestimmungen nur aus Art. 12 Abs. 1 GG hergeleitet hat, so ist doch nicht ansatzweise erkennbar, dass das vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobene Interesse an einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung und an einem gleichmäßigen Verwaltungsvollzug weniger schwer wiegen würde, wenn § 113a BNotO nicht nur wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG verfassungswidrig wäre, sondern außerdem auch noch gegen Art. 84 Abs. 1 GG verstoßen würde.
b) Im Übrigen ist zu bemerken (siehe eingehend hierzu Senatsbeschluss vom 11. Juli 2005 aaO BA 6 ff):
aa) Die Ländernotarkasse ist ihrer auf § 39 VONot bzw. § 113a BNotO 1998 beruhenden Rechtsstellung nach als Anstalt des öffentlichen Rechts des Freistaats Sachsen zu beurteilen (Senat, Beschluß vom 10. März 1997 - NotZ 5/96 - DNotZ 1997, 822, 823). Da sie ihre gesetzliche Grundlage im Bundesrecht bzw. im früheren Recht der DDR hat, das nach dem Einigungsvertrag zunächst als partielles Bundesrecht weiter gegolten hat (Anlage II Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 2 der Anlage zum Einigungsvertrag), scheidet Art. 83 Abs. 1 LV als Prüfungsmaßstab für die Wirksamkeit der Errichtung dieser Behörde von vornherein aus. Diese Regelung der Landesverfassung betrifft nur solche Behörden des Freistaates Sachsen, deren Errichtung auf einem Organisationsakt des Landes selbst beruht.
bb) Nach Art. 84 Abs. 1 GG regeln die Länder, soweit sie - wie hier - Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen, die Einrichtung der Behörden, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. Zwar liegt dieser Bestimmung ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugrunde, das grundsätzlich die Organisationsgewalt den Ländern zuweist; daher darf der Bund nicht übermäßig auf diese Organisationsgewalt Einfluss nehmen, insbesondere ist, da das Grundgesetz die Materie Kommunalrecht nicht dem Bund zuweist, bei Einschaltung der Gemeinden in den Vollzug der Bundesgesetze Zurückhaltung geboten (vgl. BVerfGE 77, 288, 299). Ein unter diesem Aspekt bedenklicher Eingriff in die Organisationseinheit des Landes Sachsen und die der übrigen Länder, auf deren Gebiet sich der Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin erstreckt, kann jedoch nicht - jedenfalls nicht mit der für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG notwendigen Gewissheit - angenommen werden. Denn die Antragsgegnerin ist eine Anstalt mit selbstverwaltungsgeprägter Organisationsstruktur und streng berufsbezogenem, engem Aufgabenbereich.
3. Über die vom Bundesverfassungsgericht (aaO) festgestellte Verfassungswidrigkeit der §§ 113, 113a BNotO und ihrer Vorgängerregelungen hinaus besteht kein Grund, die Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides oder der ihn tragenden Satzung in Frage zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht hat weitergehende Beanstandungen nicht erhoben, obwohl in den zu seiner Entscheidung anstehenden Verfahren die Beschwerdeführer - ebenso wie jetzt die Antragsteller - die Rechtmäßigkeit der Abgabenerhebung auch im Hinblick auf inhaltliche Mängel (insbesondere: unzureichende Differenzierung nach Kostenstruktur etc., Rechtswidrigkeit der Mittelverwendung, ungerechtfertigte Einkommensumverteilung, Unverhältnismäßigkeit des Ruhegehalts im Vergleich zu den geleisteten Abgaben) beanstandet haben.
4. Für eine Aussetzung des Verfahrens besteht, auch mit Blick auf die vom Antragsteller zu 2 vor dem Verwaltungsgericht Leipzig erhobene Feststellungsklage, dass die Antragsgegnerin nicht den Status einer Anstalt des öffentlichen Rechts habe, kein Anlass.
5. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 23. Mai, 16. und 20. Juni 2005 auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet haben. Der von den Antragstellern mit Schriftsatz vom 9. Juli 2005 erklärte Widerruf des Einverständnisses ist unbeachtlich. Eine wesentliche Veränderung der Prozesslage (vgl. BGHZ 105, 270, 274 f) hat sich, entgegen der Auffassung der Antragsteller, nicht ergeben.
a) Der Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 13. April 2005 (Vf. 9-VII-03) ist nicht unmittelbar einschlägig und enthält im Übrigen - nicht anders als die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 113a BNotO 1998 - eine Weitergeltungsanordnung.
b) Die vor dem Verwaltungsgericht Leipzig erhobene Klage betrifft eine Rechtsfrage (rechtswirksame Errichtung der Antragsgegnerin), die der beschließende Senat mit dem schon mehrfach zitierten Beschluss vom 11. Juli 2005 bereits zum Nachteil der Antragsteller entschieden hat.
c) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juli 2005 zu den kapitalbildenden Lebensversicherungen (1 BvR 80/95 - NJW 2005, 2376) ist nicht einschlägig.
Ende der Entscheidung
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