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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.11.2008
Aktenzeichen: NotZ 16/08
Rechtsgebiete: AVNot 2004, BRAO


Vorschriften:

BNotO § 6 Abs. 3 Satz 1
BNotO § 6 Abs. 3 Satz 2
BNotO § 6b Abs. 4 Satz 1
BNotO § 111 Abs. 4
AVNot 2004 § 17
AVNot 2004 § 17 Abs. 2 Nr. 1
AVNot 2004 § 17 Abs. 2 Nr. 2
AVNot 2004 § 17 Abs. 2 Nr. 3
AVNot 2004 § 17 Abs. 2 Nr. 4
AVNot 2004 § 17 Abs. 2 Nr. 5
AVNot 2004 § 17 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. d)
BRAO § 42 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 16/08

Verkündet am: 17. November 2008

in dem Verfahren

wegen Bestellung zum Notar

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Galke und Dr. Herrmann, die Notarin Dr. Doyé und den Notar Eule

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 9. September 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragsgegners und der weiteren Beteiligten zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner schrieb im Justizministerialblatt für Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai 2007 (JMBl. NRW S. 112) für den Amtsgerichtsbezirk B. drei Notarstellen aus, auf die sich unter anderem der Antragsteller und die weiteren Beteiligten bewarben. Der Antragsgegner führte das Auswahlverfahren gemäß § 17 der Allgemeinen Verfügung des Justizministeriums über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare vom 8. März 2002 (JMBl. NRW S. 69) in der geänderten Fassung vom 4. November 2004 (JMBl. NRW S. 256; im Folgenden: AVNot 2004) durch. Der Antragsteller belegte nach den Berechnungen des Antragsgegners im Auswahlverfahren den vierten Rang mit 197,55 Punkten. Den vorrangig berücksichtigten Bewerbern billigte der Antragsgegner 201,35 Punkte, 199,10 Punkte und 198,45 Punkte zu. Im Einzelnen wurden die Punktwerte wie folgt ermittelt:

 BewerberRA S.RA E.RA T.Antragsteller
Rang1234
2. Staatsexamen51,3539,337,2541,75
RA-Tätigkeit30303030
Fortbildungen60606060
Beurkundungen60606060
Sonderpunkte0a) 4,8 für längerfristige Notarvertretungen und Notariatsverwaltungen; b) 5 für fünf mit 5, 6, 9, 10 und 10 Punkten bewertete Klausurena) 8,2 für längerfristige Notarvertretungen und Notariatsverwaltungen; b) 3 für drei "mit Erfolg" bestandene Klausuren5,8 für längerfristige Ver€tretungen und Notariatsverwaltungen der Zeit seit dem 1.10.2003
Summe201,35199,10198,45197,55

Mit Bescheid vom 12. Juni 2008 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller deshalb mit, es sei beabsichtigt, die ausgeschriebenen Stellen mit seinen Konkurrenzbewerbern zu besetzen.

Der Antragsteller nimmt den Vorrang des auf den ersten Platz eingereihten Mitbewerbers hin, hält jedoch die bessere Bewertung der auf Rang 2 und 3 platzierten weiteren Beteiligten für rechtswidrig. Er ist der Auffassung, diesen Mitbewerbern hätten keine Sonderpunkte für benotete Leistungsnachweise zugebilligt werden dürfen, da dies nur für "herausragende" Klausurergebnisse gerechtfertigt sei. Überdies hätten die Klausuren zugunsten des die zweite Rangstelle einnehmenden weiteren Beteiligten zu 1 auch deshalb nicht berücksichtigt werden dürfen, weil die erforderlichen Nachweise erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist eingereicht worden seien (§ 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO). Schließlich hätten ihm, dem Antragsteller, weitere 1,4 Sonderpunkte zugerechnet werden müssen, weil er bereits vom 1. März bis 30. September 2003 einen Notar fast durchgehend vertreten habe, da dieser in jenem Zeitraum krankheitshalber nur an einzelnen Tagen seine Amtsgeschäfte selbst habe wahrnehmen können. Er habe deshalb im Wesentlichen auch die in dieser Zeit von dem Notar vorgenommenen Beurkundungen vorbereitet.

Der Antragsteller hat gegen den Bescheid vom 12. Juni 2008 Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Inhalt gestellt, den Antragsgegner zu verpflichten, eine der am 15. Mai 2007 für den Amtsgerichtsbezirk B. ausgeschriebenen Notarstellen mit seiner Person zu besetzen. Diesen Antrag hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässig, aber in der Sache unbegründet. Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners erweist sich als rechtsfehlerfrei. Er hat den ihm nach § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 BNotO bei der Bewerberauswahl zustehenden Beurteilungsspielraum (vgl. BGHZ 124, 327, 330 ff sowie den denselben Antragsteller betreffenden Beschluss des Senats vom 14. April 2008 - NotZ 120/07 - juris Rn. 3) auf der Grundlage der AVNot 2004 zutreffend angewandt und ausgeschöpft.

1. Wie der Antragsteller selbst nicht grundsätzlich in Zweifel zieht, bestehen keine Bedenken dagegen, dass der Antragsgegner zur Auswahl unter mehreren Bewerbern um eine freie Notarstelle deren fachliche Leistung nach dem Punktesystem gemäß § 17 AVNot 2004 beurteilt (z.B.: Senatsbeschluss vom 14. April 2008 aaO Rn. 4 umfangreichen m.w.N.).

2. Die Entscheidung des Antragsgegners, zugunsten der weiteren Beteiligten die von diesen im Rahmen des Besuchs notarspezifischer Fortbildungskurse erbrachten benoteten Leistungsnachweise mit jeweils einem Sonderpunkt zu honorieren, ist nicht zu beanstanden.

a) Benotungen von Klausuren, die in Vorbereitungskursen angeboten werden, können die erbrachten fachlichen Leistungen transparenter machen, denen dann gegebenenfalls, wenn sie herausragen, bei der Bewerbung um ein Notaramt durch Sonderpunkte Rechnung getragen werden kann (z.B.: BVerfGE 110, 304, 334; Senatsbeschluss vom 14. April 2008 aaO Rn. 9). Der Senat hat dementsprechend in seinem Beschluss vom 20. November 2006 (NotZ 15/06 - ZNotP 2007, 70, 73 f Rn. 37 f) die Vergabe von Sonderpunkten für als erfolgreich benotete Klausuren in "notarnahen" Fachgebieten nicht beanstandet.

b) Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt es innerhalb des dem Antragsgegner zustehenden Beurteilungsspielraums, wenn er Sonderpunkte auch für solche Leistungsnachweise gewährt, die keine Bewertung als überdurchschnittlich oder gar hervorragend enthalten, sondern lediglich das erfolgreiche Bestehen der abverlangten Prüfung attestieren. Die Vergabe von Sonderpunkten kommt nicht nur, wie der Antragsteller meint, für den "Ausnahmefall" in Betracht, bei dem eine vom üblichen Sachverhalt deutlich abweichende besondere Qualifikation vorliegt (Senatsbeschluss vom 14. April 2008 - NotZ 1/08 - juris Rn. 6).

Sonderpunkte können vielmehr schon dann vergeben werden, wenn Merkmale vorliegen, die nicht zu den in § 17 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 AVNot 2004 aufgeführten Kriterien Examensnote, Dauer der anwaltlichen Tätigkeit, theoretische Fortbildung und praktische Beurkundungserfahrung gehören, aber dennoch zu berücksichtigen sind, um die Kenntnisse und Fähigkeiten des Bewerbers zutreffend und vollständig zu erfassen (Senatsbeschlüsse vom 14. April 2008 aaO Rn. 7 und vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 - ZNotP 2006, 392, 394 Rn. 15). Ob es sich hierbei um ein seltenes, nur für überragend befähigte Rechtsanwälte erreichbares oder aber um ein Qualifikationsmerkmal handelt, das eine Vielzahl von mehr oder weniger durchschnittlich befähigten Anwälten aufweisen kann, ist dabei ohne Belang (Senatsbeschluss vom 14. April 2008 aaO).

Auch solche Leistungsnachweise, die nicht ein mindestens überdurchschnittliches Prädikat enthalten, können bei der Auswahlentscheidung mit Sonderpunkten honoriert werden, weil die Berücksichtigung solcher Nachweise notwendig ist, um die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Bewerbers zutreffend und vollständig zu erfassen. Benotete Leistungsnachweise zwingen den Rechtsanwalt, der sich auf das Notaramt vorbereitet, sich den in der Fortbildungsveranstaltung vermittelten Stoff tatsächlich einzuprägen und inhaltlich zu verstehen, um die Leistungskontrolle erfolgreich abzuschließen. Hat er dies geschafft, hat er gegenüber Teilnehmern an Fortbildungsveranstaltungen, in denen keine benoteten Klausuren angeboten, sondern allenfalls Tests zur Selbstkontrolle abverlangt werden, einen objektivierten Qualifikationsvorsprung, auch wenn lediglich attestiert wird, dass er die Prüfungsleistung mit Erfolg erbracht hat. Diejenigen Rechtsanwälte, die eine Fortbildung ohne Angebot benoteter Leistungskontrollen besuchen, können sich auf die schlichte Teilnahme beschränken, ohne dass sie gezwungen werden, sich das vermittelte Wissen auch tatsächlich anzueignen und zu beherrschen.

3. Unmaßgeblich ist, ob der Antragsteller ebenfalls Gelegenheit hatte, benotete Leistungsnachweise zu erlangen. Hat ein Bewerber, wie die weiteren Beteiligten, zusätzliche Qualifikationen erworben, müssen sie das ihnen gebührende Gewicht erhalten. Nur auf diese Weise wird den wichtigen Gemeinwohlbelangen der vorsorgenden Rechtspflege bestmöglich gedient. Allein dann ist gewährleistet, dass tatsächlich von allen Bewerbern derjenige gefunden wird, der den Anforderungen nach Eignung und Befähigung und fachlicher Leistung am ehesten entspricht. Das verbietet es, den Kreis der eignungsrelevanten Tatsachen zu Lasten eines konkurrierenden Bewerbers in der vom Antragsteller für richtig gehaltenen Weise zu verengen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. April 2008 - NotZ 125/07 - juris Rn. 10).

4. Zu Unrecht beanstandet der Antragsteller, der weitere Beteiligte zu 1 habe die benoteten Leistungsnachweise erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist in das Verfahren eingebracht, so dass sie gemäß § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO nicht mehr zu berücksichtigen seien. Das vom Antragsteller insoweit angeführte Schreiben des Deutschen Anwaltsinstituts vom 18. Dezember 2007 enthält lediglich eine nachträgliche nähere Erläuterung der von dem weiteren Beteiligten zu 1 bereits rechtzeitig eingebrachten Umstände, die noch zu berücksichtigen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. April 2008 - NotZ 119/07 - NJW-RR 2008, 1292, 1294 Rn. 22 und vom 22. November 2004 - NotZ 16/04 - NJW 2005, 212, 214). Der weitere Beteiligte zu 1 hatte bereits mit seiner am 14. Juni 2007 eingegangenen Bewerbung die Bescheinigungen des Deutschen Anwaltsinstituts vom 4. Juli 1996 und vom 8. Mai 2007 über die von ihm erzielten Klausurergebnisse eingereicht. Das Schreiben des Anwaltsinstituts enthält lediglich eine auf eine Anfrage des Antragsgegners zurückzuführende Präzisierung der Art, in der die Leistungsnachweise erbracht wurden.

5. Schließlich ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner dem Antragsteller für seine Erfahrungen als Notarvertreter und Verwalter gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. d) AVNot 2004 lediglich 5,8 Sonderpunkte zugebilligt hat. Es liegt innerhalb des dem Antragsgegner zustehenden Beurteilungsspielraums, Sonderpunkte nur für Notarvertretungen bzw. Notariatsverwaltungen zu vergeben, die längere Zeit ohne Unterbrechung angedauert haben. Mit den Sonderpunkten gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. d) AVNot 2004 wird nicht die Beurkundungstätigkeit während der Notarvertretung oder Notariatsverwaltung honoriert, sondern die mit der Leitung eines Notariats verbundene Führungsverantwortung in organisatorischer, personeller und technischer Hinsicht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. April 2008 - NotZ 1/08 - juris Rn. 8; NotZ 119/07 aaO, S. 1293 Rn. 18 und NotZ 121/07 - NJW-RR 2008, 1294, 1297 Rn. 25). Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, kann erst bei einem längeren und ununterbrochenen Vertretungs- bzw. Verwaltungszeitraum davon ausgegangen werden, dass der Vertreter oder Verwalter diese Verantwortung im Wesentlichen selbständig wahrgenommen hat und nur dann Erfahrungen gewinnen kann, die ihn zusätzlich für das angestrebte Notaramt qualifizieren. Unter Berücksichtigung der Senatsrechtsprechung zur erforderlichen Dauer einer punktemäßig berücksichtigungsfähigen Notarvertretung oder Notariatsverwaltung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 - NJW-RR 2007, 63, 64 Rn. 7 und vom 20. November 2006 - NotZ 4/06 - ZNotP 2007, 109, 112 Rn. 25) hat der Antragsgegner seinen Beurteilungsspielraum jedenfalls nicht zu Lasten des Antragstellers überschritten, wenn er annimmt, derartige für das Notaramt förderliche Erfahrungen könnten nur gesammelt werden, wenn der Zeitraum der Notarvertretung bzw. Notariatsverwaltung mindestens ununterbrochen sechs Wochen gedauert habe.

Soweit der Antragsteller geltend macht, er habe vom 1. März bis 30. September 2003 die Beurkundungstätigkeit des Notars V. wegen dessen gesundheitlicher Beeinträchtigungen in großem Umfang übernommen, ist dies für die Gewährung von Sonderpunkten gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. d) AVNot 2004 unbeachtlich. Die Beurkundungstätigkeit selbst findet bereits gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 4 AVNot 2004 Berücksichtigung, während die gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. d) AVNot 2004 zu gewährenden Sonderpunkte die mit der Führung des Notariats verbundene Wahrnehmung allgemeiner Verantwortung honorieren.

Schließlich, liegt es wie das Oberlandesgericht ebenfalls zu Recht ausgeführt hat, innerhalb des Beurteilungsspielraums des Antragsgegners, wenn er die vom Antragsteller zusätzlich geltend gemachte umfängliche vorbereitende Unterstützung des Notars V. während des vorbezeichneten Zeitraums für die Vergabe von Sonderpunkten unberücksichtigt gelassen hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. November 2006 - NotZ 15/06 - NJW 2007, 1283, 1287, Rn. 42 und NotZ 16/06 - juris Rn. 25; siehe aber auch: Senatsbeschluss vom 14. April 2008 - NotZ 121/07 - aaO, S. 1297, Rn. 28 ff).

Ende der Entscheidung

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