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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.11.2007
Aktenzeichen: NotZ 23/07
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 6 Abs. 1 Satz 2
BNotO § 115 Abs. 2 Satz 1
a) § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO, wonach Bewerber nach Vollendung des 60. Lebensjahrs nicht erstmals zum Notar bestellt werden können, ist auch dann anzuwenden, wenn ein bisheriger (badischer) Notar im Landesdienst als Notar zur hauptberuflichen Amtsausübung bestellt werden will.

b) Die Anwendung dieser Vorschrift auf den vorgenannten Personenkreis ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

c) § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 Satz 1 BNotO verstößt auch nicht gegen das aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters, sofern diese Richtlinie überhaupt für die Bestellung zum Notar gelten sollte.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 23/07

vom 26. November 2007

in dem Rechtsstreit

wegen Bestellung zum Notar

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Galke und Dr. Herrmann sowie die Notare Dr. Lintz und Eule am 26. November 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Verfahren NotZ 23/07, NotZ 47/07, NotZ 75/07 und NotZ 91/07 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Es führt das Aktenzeichen NotZ 23/07. Die sofortigen Beschwerden des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Januar 2007 - 22 Not 12/06 (E) -, vom 16. Februar 2007 - 22 Not 13/06 (F) -, vom 13. April 2007 - 22 Not 14/06 (L) - und vom 15. Juni 2007 - 22 Not 15/06 (O) - werden zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten der Beschwerdeverfahren zu tragen und dem Antragsgegner sowie den weiteren Beteiligten die in diesen Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert beträgt jeweils 50.000 €.

Gründe:

I.

Am 2. November 2005 schrieb der Antragsgegner auf seiner Internetseite 25 Stellen für Notare zur hauptberuflichen Amtsausübung an 15 Amtssitzen im badischen Rechtsgebiet aus. Der am 1943 geborene Antragsteller, der seit dem Jahr 1974 ununterbrochen als badischer Notar im Landesdienst tätig ist, bewarb sich innerhalb der bis zum 30. November 2005 laufenden Frist auf mit Sitz in E. , F. , L. und O. ausgeschriebene Notarstellen. Mit Bescheid vom 1. Juni 2006 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller unter Bezugnahme auf § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO mit, seine Bewerbungen könnten nicht berücksichtigt werden, weil er bei Ablauf der Bewerbungsfrist das 60. Lebensjahr bereits vollendet habe. Zudem kündigte der Antragsgegner an, die ausgeschriebenen Stellen mit anderen Bewerbern zu besetzen. Hierdurch sieht sich der Antragsteller in seinen Rechten verletzt. Er ist der Ansicht, § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO greife nicht ein, weil er nicht die erstmalige Bestellung als Notar begehre, wie es diese Bestimmung voraussetze. Er übe vielmehr seit über 30 Jahren den Beruf des Notars aus.

Den gegen den Bescheid gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 111 BNotO) hat das Oberlandesgericht mit den angefochtenen Beschlüssen zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller jeweils sofortige Beschwerde eingelegt, mit denen er sein erstinstanzliches Ziel - Aufhebung des Bescheids vom 1. Juni 2006 und Neubescheidung - weiterverfolgt.

II.

Die sofortigen Beschwerden sind gemäß § 111 Abs. 4 BNotO in Verbindung mit § 42 Abs. 4 BRAO zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Beschlüsse zulässig.

2. Der Antrag ist unbegründet. Mit Recht ist der Antragsgegner davon ausgegangen, dass die Bewerbungen des Antragstellers keinen Erfolg haben konnten, weil er zum maßgeblichen Stichtag (§ 6b Abs. 4 BNotO) die Altersgrenze des § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO überschritten hatte. Diese Vorschrift ist auch dann anzuwenden, wenn ein bisheriger Notar im Landesdienst zum Notar zur hauptberuflichen Amtsausübung bestellt werden soll (so wohl auch Schippel/Bracker/Görk, 8. Aufl. 2006, § 115 Rn. 22, der davon ausgeht, dass insbesondere §§ 6-6b BNotO, ergänzt um die Bestimmung des § 115 Abs. 2 BNotO, anwendbar sind).

a) Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und der Systematik der Bundesnotarordnung sowie aus den Gesetzesmaterialien zur Neuregelung des § 115 BNotO durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung vom 22. Juli 2005 (BGBl. I S. 2188). Die vom Beschwerdeführer hiergegen erhobenen Bedenken greifen nicht durch.

aa) Nach dem Wortlaut des § 115 Abs. 2 Satz 1 BNotO stehen (badische) Notare im Landesdienst hinsichtlich einer Bewerbung um die "Bestellung" zum Notar nach § 3 Abs. 1 BNotO baden-württembergischen Notarassessoren gleich. Eine Beschränkung dieser Gleichstellung auf einzelne Bestellungsvoraussetzungen, etwa auf den Regelvorrang des § 7 Abs. 1 BNotO, enthält die Vorschrift nicht. Folglich sind unter Wortlautgesichtspunkten Notare im Landesdienst auch im Hinblick auf die in § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO festgelegte Altersgrenze nicht als Notare, sondern lediglich als Notarassessoren zu behandeln. Überdies geht § 115 Abs. 2 Satz 1 BNotO seinem Wortlaut nach davon aus, dass für die Übertragung einer Notarstelle nach § 3 Abs. 1 BNotO auch für die bisherigen Notare im Landesdienst eine "Bestellung" notwendig ist. Diese ist damit nach dem Gesetz eine erstmalige, so dass § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO eingreift. Zum selben Ergebnis führt die Überlegung, dass die Vorschriften der §§ 1 ff BNotO gemäß § 115 Abs. 3 BNotO nicht für Notare im Landesdienst gelten, mithin der Begriff des Notars nach der Bundesnotarordnung grundsätzlich nur Notare im Sinne des § 3 BNotO erfasst.

bb) Weiterhin ergibt der Umkehrschluss aus § 115 Abs. 2 Satz 2 BNotO, dass § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO auch für Bewerbungen badischer Amtsnotare um eine Notarstelle nach § 3 Abs. 1 BNotO gilt. Nach § 115 Abs. 2 Satz 2 BNotO gilt § 6 Abs. 3 BNotO für Bewerbungen aus diesem Personenkreis mit der Maßgabe, dass auch deren bisheriger beruflicher Werdegang zu berücksichtigen ist. Für § 6 Abs. 1 BNotO enthält § 115 BNotO hingegen keine Maßgabe. Dies wäre aber zu erwarten, wenn § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO ebenso wie Absatz 3 nur unter Maßgaben oder gar nicht gelten sollte. Dieser rechtssystematische Grund spricht ebenfalls dafür, dass § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO auch für Bewerbungen badischer Notare im Landesdienst gilt.

cc) Untermauert wird dies durch die Gesetzesmaterialien und die Gesetzgebungsgeschichte des Vierten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung. Der ursprüngliche Entwurf des Bundesrats und der Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg (BT-Drucks. 15/3147 und BR-Drucks. 226/04) sahen noch vor, in § 115 BNotO in dem die Öffnung des "freien" Notariats für Amtsnotare betreffenden neuen Absatz allein die Bestellungsvoraussetzung des § 5 BNotO aufzunehmen. Dies wurde aber so nicht umgesetzt. Die nunmehrige Fassung des § 115 Abs. 2 BNotO geht vielmehr auf die Vorschläge der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drucks. 15/3147, S. 9) und die Empfehlungen des Rechtsausschusses des Bundestages zu diesem Gesetzentwurf (BT-Drucks. 15/3471) zurück. Ausweislich der Erläuterungen der Bundesregierung und des Berichts des Rechtsausschusses gehen beide davon aus, dass auch im badischen Rechtsgebiet für die Bestellung von Notaren im Hauptberuf grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften der §§ 5 ff BNotO gelten müssen. Als für badische Notare im Landesdienst vorzusehende Ausnahme werden dabei lediglich die Gleichstellung mit Notarassessoren gemäß § 7 Abs. 1 BNotO und die Maßgabe zu § 6 Abs. 3 BNotO, nicht aber § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO genannt (BT-Drucks. 15/3147 aaO und BT-Drucks. 15/3471, S. 4).

dd) Die vom Beschwerdeführer gegen dieses Auslegungsergebnis erhobenen Einwände greifen nicht durch.

Er verweist darauf, dass der Gesetzgeber in § 115 Abs. 1 BNotO für die Notare im Landesdienst ebenso wie in § 3 Abs. 1 BNotO den Begriff "bestellen" verwendet. Hieraus zieht er den Schluss, bei der Übertragung einer Notarstelle gemäß § 3 Abs. 1 BNotO an einen vormaligen Notar im Landesdienst handele es sich nicht um eine erstmalige Bestellung zum Notar. Diese rein begriffliche Argumentation überzeugt nicht. Die Verwendung des Wortes "bestellen" sowohl in § 3 Abs. 1 als auch in § 6 Abs. 1 und § 115 BNotO bedeutet nicht, wie der Antragsteller bei seinem Rückschluss voraussetzt, dass die jeweils mit der Bestellung übertragenen Ämter wesensgleich sind, so dass mit der Ernennung eines Amtsnotars zum "freien" Notar nach § 3 Abs. 1 BNotO dieser nicht im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO (neu) bestellt wird. Dies hängt nicht vom Gebrauch des Begriffs "bestellen" ab, sondern vielmehr davon, ob der Gesetzgeber die Notare im Landesdienst - obwohl keine Notare nach § 3 Abs. 1 BNotO - in § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO inhaltlich als bereits bestellte Notare im Sinne dieser Vorschrift behandelt. Dies ist aus den oben unter aa bis cc genannten Gründen aber nicht der Fall.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers können auch aus dem nach der Gesetzesbegründung verfolgten Zweck der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO keine durchgreifenden Bedenken gegen die Anwendung dieser Vorschrift auf Notare im Landesdienst hergeleitet werden. Der Einführung dieser Altersgrenze lag auch der Gedanke zugrunde, dass in fortgeschrittenem Lebensalter die Schwierigkeiten bei der Einarbeitung in den Notarberuf zunehmen (vgl. Entwurf der Bundesregierung zum Zweiten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung vom 8. September 1989, BR-Drucks. 467/89, S. 22). Dieser Aspekt kommt, wie dem Antragsteller zuzugeben ist, bei der Bestellung von bisherigen Notaren im Landesdienst zu Notaren gemäß § 3 Abs. 1 BNotO nicht voll zum Tragen, da dieser Bewerberkreis fachlich mit der notariellen Tätigkeit bereits vollumfänglich vertraut ist. Gleichwohl bleibt der Aspekt der Einarbeitungsfähigkeit insoweit relevant, als "freie" Notare ihr Notariat auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten führen können müssen und sie stets Arbeitgeber ihrer Mitarbeiter sind. Entsprechender Fähigkeiten hierzu bedarf es bei Notaren im Landesdienst, deren Notariat von Land und Gemeinde mit den erforderlichen sachlichen und personellen Mitteln auszustatten ist (vgl. § 16, § 17 Abs. 1 Satz 2 und § 24 Abs. 2 LFGG), nicht, jedenfalls aber nicht in vergleichbarem Maß. Soweit der Antragsteller bezüglich des letzten Punktes auf seine Erfahrungen mit Schwierigkeiten hinweist, die er im Zusammenhang mit der personellen Ausstattung seines Amtsnotariats zu lösen hatte, unterstreicht dies geradezu die Unterschiede zwischen dem staatlichen und dem selbständigen Notariat. Die Probleme, die sich dem Antragsteller stellten, beruhten gerade auf der hierarchisch organisierten Behördenstruktur, in der Personalverschiebungen zur Disposition vorgesetzter Dienststellen stehen. Die von einem "freien" Notar zu bewältigenden Personalfragen sind anderer Natur.

Außerdem kommt dem in der Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO ebenfalls genannten Gesichtspunkt, durch diese Regelung solle der Gefahr der Überalterung des Notarberufs entgegengewirkt werden (Entwurf der Bundesregierung zum Zweiten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung aaO), auch in der vorliegenden Fallgestaltung Bedeutung zu. Die Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO kann einer Überalterung der Gruppe der nach § 3 Abs. 1 BNotO bestellten Notare im badischen Rechtsgebiet entgegenwirken, unabhängig davon, ob die Bewerber aus dem Kreis der Amtsnotare oder aus anderen juristischen Berufen stammen.

Der vom Antragsteller angeführte Umstand, dass die historische Entwicklung des Notarwesens im württembergischen Rechtsgebiet dazu geführt hat, dass die Bestellung zum öffentlichen Notar dort eine weitere (die höchste) Beförderungsstufe in der beamtenrechtlichen Laufbahn der Bezirksnotare darstellt (vgl. Senatsbeschluss vom 1. August 2005 - NotZ 11/05 - BWNotZ 2007, 41, 42) stützt seine Rechtsauffassung nicht. Auch bisherige württembergische Bezirksnotare, die sich um eine Notarstelle im Sinne des § 3 Abs. 1 BNotO bewerben, sind nicht nach § 114 Abs. 3 BNotO von der Altersgrenze des § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO befreit.

Soweit sich der Antragsteller schließlich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (§§ 1, 24 AGG) beruft, vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen. Normenhierarchisch steht dieses Gesetz mit der Bundesnotarordnung auf einer Stufe. Beides sind einfache Bundesgesetze. Hinsichtlich der Bestellungsvoraussetzungen zum Notar sind §§ 5 ff BNotO spezieller und damit vorrangig.

b) Die Anwendung der Altersgrenze des § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO auch auf Bewerber aus dem Kreis der bisherigen badischen Notare im Landesdienst begegnet verfassungsrechtlich keinen durchgreifenden Bedenken.

aa) Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Die Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO auf Notare im Landesdienst, die eine Bestellung zum Notar gemäß § 3 Abs. 1 BNotO anstreben, genügt den für subjektive Berufszulassungsbeschränkungen geltenden Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Solche Beschränkungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (z. B. BVerfGE 44, 105, 117; BVerfG NJW 2003, 3618 jew. m.w.N.). Die Anwendung der Altersgrenze des § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO auch auf bisherige Notare im Landesdienst dient einem solchen wichtigen Gemeinschaftsgut und ist verhältnismäßig.

(1) Zu den hochrangigen Gemeinschaftsgütern, die eine subjektive Berufszulassungsbeschränkung grundsätzlich zu rechtfertigen vermögen, zählt die Funktionsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege (z.B.: BVerfG NJW 1993, 1575). Dabei geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass diese dann gefährdet wäre, wenn es an einer geordneten Altersstruktur der Notare fehlte. Regelungen, die auf eine solche Altersstruktur hinwirken, dienen mithin einem wichtigen Gemeinschaftsgut. Deshalb ist die sich aus § 48a BNotO ergebende Altersbeschränkung für die Amtsausübung ebenso verfassungsgemäß (BVerfG aaO) wie die in § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO bestimmte Altersgrenze für die erstmalige Bestellung zum Notar (Senatsbeschluss vom 14. Dezember 1992 - NotZ 53/92 - BGHR BNotO [n.F.] § 6 Abs. 1 Satz 2 - Altersgrenze 1; Eylmann/Vaasen/Schmitz-Valckenberg, 2. Aufl. 2004, § 6 Rn. 14).

Hieraus ergibt sich zwar noch nicht ohne weiteres, dass die Anwendung der Altersgrenze des § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO auch auf bisherige Notare im Landesdienst in diesem Sinne gemeinwohldienlich ist. Denn das Bundesverfassungsgericht begründet seine Auffassung im vorstehend zitierten Beschluss damit, dass ohne Altersgrenzen eine Überalterung der Notariate zu befürchten wäre, aufgrund derer dem Rechtssuchenden in zunehmenden Maße nur noch lebensältere Notare zur Verfügung stünden, deren Berufserfahrung wegen ihrer späteren Zulassung geringer wäre (aaO). Der letztgenannte Aspekt kommt bei Notarbewerbern aus dem Kreis der Notare im Landesdienst nicht vollumfänglich zur Geltung, da sie bereits aus ihrer bisherigen Tätigkeit die notwendigen fachlichen Erfahrungen in das selbständige Notariat mitbringen (siehe bereits oben a dd).

Gleichwohl dient § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO auch im Hinblick auf die Bestellung von Amtsnotaren zu "freien" Notaren in einem die Einschränkung von Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigenden Maße der Sicherung der Funktionsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege. Der § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO zugrunde liegende Zweck, altersbedingten größeren Schwierigkeiten bei der Einarbeitung in den Beruf des freien Notars Rechnung zu tragen (Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung aaO), bleibt trotz der fachlichen Erfahrungen der bisherigen Notare im Landesdienst von erheblicher Bedeutung. Anders als der Amtsnotar muss der "freie" Notar in der Lage sein, "sein" Notariat auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu führen. Denn nur ein auch unter diesen Aspekten ordnungsgemäß geführtes Notariat gewährleistet dem selbständigen Notar das Maß an wirtschaftlicher Unabhängigkeit, das er zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben als unabhängiger und unparteiischer Berater braucht. Die entsprechenden Kenntnisse und Erfahrungen vermittelt die Tätigkeit als Notar im Landesdienst typischerweise nicht (siehe bereits oben unter a dd). Hinzu tritt, dass der freie Notar in der Situation ist, dass sich die von ihm für die Gründung seines Notariats aufgewendeten Kosten zunächst amortisieren müssen. Erst dann kann er einen durchschnittlichen Gewinn erzielen. Je weniger Zeit er hierfür hat, um so größer ist der auf ihm lastende Druck, möglichst hohe Umsätze zu erzielen, was Gefahren für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit seiner Amtsführung mit sich bringen kann. Dass derartige Erwägungen einen Eingriff in die Berufswahlfreiheit rechtfertigen, wird durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 2001 (BVerfGE 103, 172 ff) zu einer vergleichbaren Situation bestätigt. In dieser Entscheidung hat der Erste Senat unter dem Prüfungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 und des Art. 12 Abs. 1 GG gebilligt, dass Ärzte, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, grundsätzlich nicht mehr zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden. Maßgeblich hierfür war auch der Gesichtspunkt, dass Mediziner, denen - wie hier den über 60-jährigen Notaren im Landesdienst, die in das "freie Notariat" wechseln wollen - nur wenige Jahre der Gewinnerzielung aus selbständiger Tätigkeit zur Verfügung stehen, die aber dennoch eine durchschnittliche Rendite erzielen wollen, einen erhöhten Umsatz anstreben müssen und dies zu einer unerwünschten Art der Berufsausführung verleiten kann (aaO S. 191). Die Tatsache, dass - wie hier in notarfachlicher Hinsicht - Bedenken gegen die medizinisch-fachliche Eignung von Ärzten, die die Altersgrenze von dort 55 Jahren überschritten haben und nicht bereits an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, regelmäßig nicht bestehen, hat das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang nicht als maßgeblich erachtet. Vielmehr hat es insoweit für durchgreifend gehalten, dass diese Mediziner Erfahrungen mit den rechtlichen und wirtschaftlichen Besonderheiten einer Vertragsarztpraxis in ihren früheren Tätigkeiten im Krankenhaus, im Labor oder in der Forschung nicht erwerben konnten (aaO).

Auch soweit der Antragsteller darauf verweist, dass ihm mit Vollendung des 63. Lebensjahres aus seiner bisherigen Tätigkeit als Landesbeamter eine Pension zusteht, und er damit geltend machen will, dass deshalb aufgrund seiner besonderen Situation der Amortisationsdruck für die Investitionen nicht in dem durchschnittlichen Maß vorhanden ist, hilft ihm dies nicht. Auch ein Notar, der seinen angemessenen Lebensunterhalt aus anderen Quellen als dem Notariat bestreiten kann, wird regelmäßig darauf bedacht sein, wenigstens Verluste aus seiner beruflichen Tätigkeit zu vermeiden. Der Amortisationsdruck mag in diesen Fällen geringer als bei einem Notar sein, der auf Gewinnerzielung angewiesen ist. Er entfällt jedoch nicht. Überdies ist zweifelhaft, ob die Pension des Antragstellers so hoch ist, dass er etwaige Verluste aus dem Notariat ohne wesentliche Einschränkung seines Lebensstandards verkraften kann.

(2) Die in § 115 Abs. 2 Satz 1 und § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO bestimmte Altersgrenze ist auch verhältnismäßig. Ein milderes Mittel, das zur Abwehr der dargestellten Gefahren für die Funktionsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege ebenso geeignet ist, ist nicht ersichtlich. Auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist gewahrt. Die Altersgrenze von 60 Jahren für die Bestellung zum freien Notar ist angesichts der Differenz zu dem sich aus § 48a BNotO ergebenden Höchstalter für die Amtsausübung von zehn Jahren angemessen. Zugangshürden, die erst so spät eingreifen, wirken in der Regel nicht sehr belastend, weil die Betroffenen - wie insbesondere die Notare im Landesdienst - bereits beruflich etabliert sind (vgl. für die Altersgrenze von 55 Jahren für die Zulassung von Ärzten zur vertragsärztlichen Versorgung: BVerfGE aaO S. 192). In der vorliegenden Fallgestaltung tritt hinzu, dass der Antragsteller bei seiner langfristigen Lebensplanung ohnehin nicht davon ausgehen konnte, über die beamtenrechtliche Altersgrenze hinaus in Baden als Notar tätig sein zu können, da sich die Möglichkeit eines Wechsels der Amtsnotare in das "freie" Notariat im badischen Rechtsgebiet erst eröffnete, als der Antragsteller bereits 62 Jahre alt war. Demgegenüber wiegen die öffentlichen Interessen, denen die Altersgrenze zu dienen bestimmt ist, schwer. Die Sicherung einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege ist eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang.

bb) Die Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO auf Notare im Landesdienst verstößt auch nicht gegen die in Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 1 GG geregelten verfassungsrechtlichen Gleichheitsgewährleistungen. Aus den oben genannten Gründen wird die Benachteiligung von Angehörigen dieses Personenkreises aufgrund ihres Alters durch sachliche Gründe, die in der Eignung der Bewerber für das angestrebte Amt eines Notars zur hauptberuflichen Amtsausübung liegen, gerechtfertigt. Indem der Gesetzgeber die Vollendung des 60. Lebensjahres als Grenze gewählt hat, hat er von seiner Befugnis zur Typisierung in zulässiger Weise Gebrauch gemacht (vgl. BVerfGE 27, 142, 150; 103, 172, 194).

c) Weiterhin ist § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 Satz 1 BNotO auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303/16 - nachfolgend: Richtlinie) folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters unanwendbar (vgl. zur Unanwendbarkeit nationalen Rechts das einer gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie widerspricht z.B.: EuGH, Urteil vom 22. November 2005 "Mangold" - C-144/04 - Slg. 2005, S. I-10013, 10040 f, Rn. 77 m.w.N.).

aa) Es unterliegt bereits ernstlichen Zweifeln ob diese Richtlinie überhaupt auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden ist.

Der Anwendbarkeit der Richtlinie steht jedoch nicht entgegen, dass nach § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO grundsätzlich die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse bei Ablauf der Bewerbungsfrist (hier: 30. November 2005) maßgebend sind und zu diesem Zeitpunkt die der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung stehende Frist zur Umsetzung der Richtlinie (2. Dezember 2006) noch nicht abgelaufen war. Denn jedenfalls zeitigte die Richtlinie auch unter Berücksichtigung des allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots bereits während des Laufs der Umsetzungsfrist Vorwirkungen (vgl. EuGH aaO Rn. 72, 75; siehe hierzu auch v. Danwitz JZ 2007, 697, 700 ff).

Allerdings dürfte die Richtlinie auf den Zugang zum "freien" Notariat schon nicht anzuwenden sein. Zwar bestimmt deren Art. 3 Abs. 1 lit. a, dass sie "für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen" gilt "in Bezug auf die Bedingungen - einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen - für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit ...". Dies legt die Anwendbarkeit auch für den Zugang zum selbständigen Notariat nahe. Andererseits beansprucht die Richtlinie nach der Einleitung des Art. 3 Abs. 1 Geltung nur "im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten". Dies greift die in Art. 13 Abs. 1 EGV enthaltene Beschränkung der Zuständigkeit des Rates für Vorkehrungen gegen Diskriminierungen auf. Diese Einschränkung bedeutet, dass keine umfassende Zuständigkeit des Rates zum Vorgehen gegen Diskriminierung besteht, er vielmehr nur im Rahmen der nach dem Prinzip der Einzelermächtigung (Art. 5 EGV) bereits auf die Gemeinschaft übertragenen Rechtssetzungskompetenzen handeln darf (z.B.: Grabenwarter in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand Oktober 2006, Art. 13 EGV Rn. 10 ff; Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 13 EGV Rn. 12 jew. m.w.N.; Waldhoff JZ 2003, 978, 982 f; weitergehend wohl Zuleeg in von der Groeben/Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl., Art. 13 EGV Rn. 12, der eine Ermächtigung zum Erlass von hoheitlichen Maßnahmen der EG für ausreichend hält). Als Kompetenznorm für die hier in Rede stehende Richtlinie kommt Art. 137 EGV in Betracht (vgl. Waldhoff aaO). Diese Bestimmung des EG-Vertrags, die sich im Titel XI "Sozialpolitik, allgemeine und berufliche Bildung und Jugend" und dort im Kapitel 1 betreffend die Sozialvorschriften befindet, enthält aber fast ausschließlich Regelungen über arbeitsrechtliche Verhältnisse. Soweit einzelne weiter gefasste Tatbestände enthalten sind (etwa Art. 137 Abs. 1 lit. b (Arbeitsbedingungen), lit. h (Berufliche Eingliederung der aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen), lit. j (Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung, wobei insoweit keine Rechtssetzungsbefugnis der Gemeinschaft besteht, vgl. Art. 137 Abs. 2 lit. b EGV)), dürfte sich hieraus eine Zuständigkeit der Gemeinschaft zur Regelung des Zugangs zu selbständigen Tätigkeiten, insbesondere zum "freien" Notariat, nicht herleiten lassen.

Aber selbst bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (Art. 1 der Richtlinie) aus den nachfolgenden Gründen nicht vor (offen gelassen in Bezug auf die Altersgrenze für Vertragszahnärzte: BSG, Beschluss vom 27. April 2005 - B 6 KA 38/04 B - juris Rn. 16).

bb) Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie sind rechtliche Regelungen der Mitgliedstaaten, die nach dem Lebensalter differenzieren, keine unzulässige Diskriminierung, wenn sie objektiv und angemessen sind, ein legitimes Ziel verfolgen und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Bei der Wahl der Mittel zur Erreichung ihrer Ziele verfügen die Mitgliedstaaten über einen weiten Ermessensspielraum. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zwar ausdrücklich nur für den Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik ausgesprochen (Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04 "Mangold" - Slg. 2005 I-9981, 10037 Rn. 63; Urteil vom 16. Oktober 2007 - C-411/05 Palacios de la Villa - NJW 2007, 3339, 3341 Rn. 68; so auch Schlussantrag des Generalanwalts Ján Mazák vom 15. Februar 2007 in der Sache C-411/05 - http://curia.europa.eu - Rn. 73 f), der hier wohl nicht betroffen ist. Gleiches muss aber auch für andere Regelungsbereiche gelten. Die für die Anerkennung des weiten Ermessensspielraums der Mitgliedstaaten in der Arbeits- und Sozialpolitik maßgebende Erwägung, dass es in derart komplexen Fragestellungen nicht Sache des Gerichtshofs sein kann, die Beurteilung des nationalen Gesetzgebers zu ersetzen (Generalanwalt Ján Mazák aaO S. 74), gilt für andere Bereiche, wie hier die vorsorgende Rechtspflege, gleichermaßen.

Hieran gemessen genügt § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie. Er verfolgt aus den oben aufgeführten Gründen das legitime Ziel der Sicherung einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege, und zwar auch soweit er auf Notare im Landesdienst anzuwenden ist, die in das selbständige Notariat wechseln möchten. Die Regelung hat eine objektive Veranlassung, ist zur Erreichung ihres Zwecks erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig (siehe oben b). Insbesondere betrifft sie nicht, was der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in dem "Mangold-Urteil" (aaO Rn. 65) in Bezug auf § 14 Abs. 3 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeitsrechtlicher Bestimmungen vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1966) beanstandet hat, einen allein durch sein Lebensalter abgegrenzten Personenkreis, dem ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Arbeitsmarkts Benachteiligungen auferlegt werden (vgl. hierzu auch Generalanwalt Ján Mazák aaO Rn. 75). Vielmehr regelt § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO nur den Zugang zu einem einzigen Beruf, der zudem besondere fachliche Qualifikationen voraussetzt (vgl. insbesondere § 5, § 6 Abs. 2 und § 7 BNotO), so dass nur ein kleiner, auch durch inhaltliche Kriterien abgegrenzter Personenkreis von der Regelung betroffen ist. Zudem trägt diese gerade den spezifischen Anforderungen des Berufs Rechnung. Damit erfüllt § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO die in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie geforderten Voraussetzungen der Verfolgung eines legitimen Ziels, der Objektivität sowie der Angemessenheit und der Erforderlichkeit der mitgliedstaatlichen Regelung.

Gestützt wird dieses Ergebnis durch Art. 6 Abs. 1 Satz 2 lit. c der Richtlinie. Darin ist als Regelbeispiel für eine zulässige Ungleichbehandlung die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung unter anderem aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand genannt. Zwar trifft diese Regelung wohl nicht unmittelbar auf die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu, weil der in ihr verwendete Begriff der "Einstellung" (englische Fassung: "employment", französische Fassung: "emploi", während allerdings in der italienischen, spanischen und niederländischen Fassung ein entsprechender Terminus nicht verwendet wird) eher auf ein arbeitsrechtliches Beschäftigungsverhältnis deutet. Zudem soll die Bestimmung in erster Linie dem Umstand Rechnung tragen, dass bei älteren Beschäftigten, deren Eintritt in den Ruhestand bereits absehbar ist, einer aufwändigen Einarbeitung am Arbeitsplatz eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Mindestdauer der produktiven Arbeitsleistung gegenüber stehen muss (vgl. zu § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG, der wörtlich Art. 6 Abs. 1 Satz 2 lit. c der Richtlinie entspricht: Schiek/Schmidt, AGG, § 10 Rn. 22). Dies betrifft in erster Linie die Interessen des Arbeitgebers. Gleichwohl ist das Regelbeispiel, wenn schon nicht unmittelbar anwendbar, so doch zumindest seinem Grundgedanken nach auf die hier zur Entscheidung stehende Fallgestaltung übertragbar. Auch § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO soll eine Mindestzeit zwischen der Aufnahme der Tätigkeit - hier als Notar gemäß § 3 BNotO - und dem Eintritt in den Ruhestand (vgl. hier § 48a BNotO) gewährleisten. Hierfür ist aus den oben genannten Gründen (b aa [1]) unter anderem maßgebend, den auf dem Notar lastenden Druck, die Kosten für die Einrichtung seines Notariats zu amortisieren, in angemessenen Grenzen zu halten. Auch wenn es hierbei, anders als wohl bei Art. 6 Abs. 1 Satz 2 lit. c der Richtlinie, nicht um den Schutz der ökonomischen Interessen Dritter geht, sondern - mit dem Ziel, eine geordnete vorsorgende Rechtspflege zu sichern - um die wirtschaftlichen Belange des Berufstätigen selbst, kommt der Zweck des § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO demjenigen des genannten Regelbeispiels der Richtlinie sehr nahe.

d) Ein Verstoß des § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 Satz 1 BNotO gegen das allgemeine gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot, das der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2005 aaO, S. I-10040 Rn. 75; siehe hierzu ferner BAG NZA 2006, 1276, 1279, Rn. 27 ff) zum ungeschriebenen Primärrecht zählt, scheidet gleichfalls aus. Ist nämlich, wie hier (siehe oben c bb), eine ungleiche Behandlung nach den Kriterien des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie durch sachliche Erwägungen legitimiert und verhältnismäßig, kann sie auch nicht gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot verstoßen (vgl. im Hinblick auf Parallelität der Maßstäbe EuGH, Urteil vom 22. November 2005 aaO, S. I-10040 Rn. 75 f).

e) Zur Klärung der Fragen, ob § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO eine nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie zulässige Ungleichbehandlung wegen des Lebensalters beinhaltet und ob die Vorschrift gegen das allgemeine gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot verstößt, ist eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht erforderlich.

aa) Zwar ist der Senat gemäß Art. 234 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 lit. b EGV als innerstaatlich letztinstanzlich entscheidendes Gericht grundsätzlich verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs einzuholen, wenn Gemeinschaftsrecht auszulegen ist. Die Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte der Mitgliedsstaaten entfällt jedoch ausnahmsweise, wenn die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt (z.B.: EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 - 283/81 "CILFIT" - Slg. 1982, 3415, 3429 f, Rn. 14 ff und vom 15. September 2005 - C-495/03 "Intermodal Transports" - Slg. 2005, I-8191, 8206 Rn. 33). Das innerstaatliche Gericht darf nur dann davon ausgehen, dass ein solcher Fall vorliegt, wenn es davon überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 aaO S. 3430 Rn. 16). Bei der Beurteilung dieser Frage sind die Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, die besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und die Gefahr abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 15. September 2005 aaO). Dabei ist auch den gleichermaßen verbindlichen verschiedenen Sprachen der anzuwendenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift Rechnung zu tragen (z.B.: EuGH, Urteil vom 24. Oktober 1996 - C-72/95 "Kraaijeveld" - Slg. 1996, I-5431, 5443 Rn. 28; Schlussanträge der Generalanwältin Christine Stix-Hackl in der Rechtssache C-495/03, Slg. 2005, I-8151, 8174 Rn. 82), wobei allerdings die maßgebliche Bestimmung nicht in jeder der offiziellen Sprachen der Gemeinschaft zu prüfen ist (Generalanwältin Christine Stix-Hackl aaO S. I-8178 Rn. 99 m.w.N.). Weiterhin ist die gemeinschaftsrechtliche Vorschrift in ihrem Zusammenhang zu sehen und im Lichte des gesamten Gemeinschaftsrechts, seiner Ziele und seines Entwicklungstandes zur Zeit der Anwendung auszulegen (z.B.: Generalanwältin Christine Stix-Hackl aaO S. I-8175 Rn. 82). Ob nach Maßgabe dieser Kriterien die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist und keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, so dass eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften verzichtbar ist, bleibt allerdings allein der Beurteilung des nationalen Gerichts überlassen (EuGH, Urteil vom 15. September 2005 aaO, S. I-8207 f, Rn. 37).

bb) (1) Auch unter Berücksichtigung dieser hohen Hürden ist es zur Überzeugung des Senats offenkundig und unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass die in § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO bestimmte Altersgrenze eine gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie zulässige Ungleichbehandlung darstellt. Die für diese Beurteilung maßgeblichen Kriterien sind teilweise bereits durch den Gerichtshof geklärt und liegen im Übrigen auf der Hand.

Eine zulässige Ungleichbehandlung wegen des Lebensalters setzt nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie voraus, dass die Differenzierung objektiv und angemessen ist, ein legitimes Ziel verfolgt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Jedenfalls bei den Wörtern "legitimes Ziel" und "angemessen" handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die einen Beurteilungsspielraum eröffnen. Auch die entsprechenden Formulierungen der Richtlinie in anderen Amtssprachen der Gemeinschaft (englisch: "objectively and reasonably justified by a legitimate aim ... if the means of achieving this aim are appropriate and necessary"; französisch: "objectivement et raisonnablement justifiées... par un objectif légitime ... et que les moyens de réaliser cet objectif sont appropriés et nécessaires"; italienisch: "siano oggettivamente e ragionevolmente giustificate ... da una finalità legittima ... i mezzi per il conseguimento di tale finalità siano appropriati e necessari"; spanisch: "estan justificadas objectiva y razonablemente ... por una finalidad legítima ... si los medios para lograr este objectivo son adecuados y necesarios"; niederländisch: "objectief en redelijk worden gerechtvaardigd door en legitiem doel ... en de middelen voor het bereiken van dat doel passend en noodzakelijk zijn") enthalten gleichartige Begriffe, die einen weiten Raum für Wertungen lassen. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in der "Mangold-Entscheidung" (aaO S. I-10037, Rn. 63) bezogen auf die Arbeits- und Sozialpolitik bestätigt (so auch Urteil vom 16. Oktober 2007 aaO). Zugleich steht aufgrund dieser Entscheidung fest, dass der mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie eröffnete Beurteilungsspielraum dem einzelnen Mitgliedstaat zusteht (aaO), wie auch die Bezugnahme auf den "Rahmen des nationalen Rechts" in der Vorschrift und das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EGV) nahelegen. Dass dieser Bewertungsspielraum auch für andere Bereiche, jedenfalls für solche, hinsichtlich derer, wie beim Zugang zum Notariat, keine gemeinschaftsrechtlichen Regelungen bestehen, gelten muss, liegt aus den oben genannten Gründen (siehe c bb) auf der Hand und kann keinem vernünftigen Zweifel unterliegen.

Hieraus folgt weiter, dass bei der Prüfung der Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie nicht eine "punktgenaue" Auslegung derselben notwendig ist, bei der es in der Regel schwierig sein wird, zu einem völlig eindeutigen Resultat zu gelangen. Vielmehr ist lediglich zu prüfen, ob der mitgliedstaatliche Gesetzgeber den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten hat, wobei dies nur bei offensichtlich unverhältnismäßigen nationalen Maßnahmen anzunehmen ist (Generalanwalt Ján Mazák aaO, Rn. 74). Dieser reduzierte Prüfungsmaßstab erleichtert es, zu einem Ergebnis zu gelangen, das keinem vernünftigen Zweifel unterliegt. Die Pflicht eines nationalen letztinstanzlichen Gerichts, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften einzuholen, besteht danach schon dann nicht, wenn es keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, dass die fragliche Vorschrift des Mitgliedstaats nicht offensichtlich unverhältnismäßig ist. Dies ist hier der Fall. Die Festlegung der Altersgrenze in § 6 Abs. 1 Satz 2 BNotO dient einem legitimen Ziel, der Sicherung einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege, und ist zur Erreichung dieses Ziels verhältnismäßig (siehe oben c bb), jedenfalls aber nicht offensichtlich unverhältnismäßig. Hieran kann objektiv kein vernünftiger Zweifel bestehen.

(2) Weiterhin unterliegt es auch keinem vernünftigen Zweifel, dass das allgemeine gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot nicht verletzt ist. Der Umstand, dass dieses Verbot nicht verletzt ist, wenn eine Ungleichbehandlung nach den Kriterien des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie zulässig ist, ist offenkundig.

Ende der Entscheidung

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