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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.03.1998
Aktenzeichen: NotZ 26/97
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 6 Abs. 3
BNotO § 6 Abs. 3

a) Die Regelung A. II. 3 f. des Runderlasses des Hessischen Ministers der Justiz vom 27. Juni 1991 (JMBl. S. 305) i.d.F. vom 8. Juni 1994 (JMBl. S. 243) findet in § 5 Abs. 3 Satz 2 BNotO keine hinreichende Grundlage, soweit sie bestimmt, daß in Grundkursen oder Wiederholungs- und Vertiefungskursen erzielte Leistungsbewertungen Anlaß für die Vergabe von Sonderpunkten sein können.

b) Sind einem Bewerber für die erfolgreiche Teilnahme an einem notarspezifischen Wiederholungs- und Vertiefungskurs bereits sog. Fortbildungspunkte angerechnet worden, so ist die Vergabe weiterer Punkte für die erfolgreiche Absolvierung von Klausuren im Zusammenhang mit einem solchen Kurs unzulässig.

c) Wird in einer Verwaltungsvorschrift zu § 6 Abs. 3 BNotO die Höherbewertung von Urkundstätigkeiten des Bewerbers als Notarvertreter von einer ununterbrochenen Vertretungsdauer von mehr als zwei Wochen abhängig gemacht, so steht ihr eine zeitweilige anderweitige Tätigkeit des Bewerbers in dieser Zeit (hier: Teilnahme an Fortbildungsveranstaltung) nicht entgegen.

BGH, Beschl. v. 16. März 1998 - NotZ 26/97 - OLG Frankfurt a. Main

Entsch. v. -

OLG Frankfurt Entsch. v. 10.7.97 - 2 Not 12/96

NotZ 26/97


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 26/97

vom

16. März 1998

in dem Verfahren

Zum Sachverhalt:

Die Antragstellerin, die seit 1. Juli 1981 als Rechtsanwältin in I. zugelassen ist, bewarb sich ebenso wie die weitere Beteiligte um die am 1. Juli 1995 ausgeschriebene Notarstelle für den Amtsgerichtsbezirk H. . Durch Bescheid vom 9. Juli 1996 unterrichtete der Antragsgegner die Antragstellerin von seiner Absicht, die ausgeschriebene Notarstelle nicht mit ihr, sondern mit der punktbesseren weiteren Beteiligten zu besetzen; er hatte für diese auf der Grundlage seines Runderlasses vom 27. Juni 1991 (JMBl. S. 305) in der Fassung vom 8. Juni 1994 (JMBl. S. 243) eine Gesamtpunktzahl von 131,65 Punkten (darunter drei Sonderpunkte für erfolgreich bestandene Klausuren), für die Antragstellerin hingegen insgesamt 129,7 Punkte ermittelt.

Dem hiergegen gerichteten Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht stattgegeben und den Antragsgegner unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verpflichtet, die Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Mitbewerberin seien zu Unrecht die Sonderpunkte zuerkannt worden, weil es insoweit an einer gesetzlichen Grundlage fehle und die weitere Beteiligte auch keinen Vertrauensschutz genieße, so daß die Auswahlentscheidung zugunsten der Antragstellerin hätte ergehen müssen.

Die dagegen von der weiteren Beteiligten eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

Die sofortige Beschwerde ist zwar gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässig. Denn die den Bescheid des Antragsgegners vom 9. Juli 1996 aufhebende Entscheidung des Oberlandesgerichts beschwert sie bereits deshalb, weil sich dadurch die ursprünglich vorgesehene Besetzung der Notarstelle zu ihren Ungunsten nicht nur verzögert, sondern nunmehr die unmittelbare Gefahr der Besetzung der Stelle mit der Antragstellerin besteht; daher kann sie aus eigenem Recht die Entscheidung des Oberlandesgerichts überprüfen lassen, ohne zunächst den erneuten Bescheid des Antragsgegners - zu ihren Lasten - abwarten zu müssen.

Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Das Oberlandesgericht hat dem von der Antragstellerin allein gestellten Bescheidungsantrag zu Recht stattgegeben, weil der angefochtene Erlaß vom 9. Juli 1996 rechtswidrig und die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten beeinträchtigt ist.

1. Der weiteren Beteiligten stehen die ihr vom Antragsgegner gewährten drei Sonderpunkte für die im Rahmen des Repetitoriums vom 28. November bis 2. Dezember 1994 mit Erfolg absolvierten Klausuren nicht zu. Wie das Oberlandesgericht unter Bezug auf die Senatsrechtsprechung zutreffend ausgeführt hat, ist die Regelung in Nr. II. 3 f des Runderlasses des Antragsgegners - soweit sie bestimmt, daß in den Grundkursen oder den Wiederholungs- und Vertiefungskursen erzielte Leistungsbewertungen Anlaß für die Vergabe von Sonderpunkten sein können - rechtswidrig, weil § 6 Abs. 3 Satz 2 BNotO hierfür keine hinreichende gesetzliche Grundlage bietet (BGH, Beschl. v. 25. November 1996 - NotZ 46/95, NJW-RR 1997, 948; ferner Beschl. v. 24. November 1997 - NotZ 3/97, Umdruck S. 5, zur Veröffentlichung bestimmt).

2. Die Vergabe von Sonderpunkten für die erfolgreiche Teilnahme der weiteren Beteiligten an den Klausuren kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Bestand haben. Die bisherige auf Nr. II. 3 f des Runderlasses gestützte Verwaltungspraxis des Antragsgegners, bei erfolgreicher Klausurteilnahme einmalig drei Sonderpunkte zu vergeben, ist nicht geeignet, einen Vertrauenstatbestand zu begründen (vgl. BGH, Beschl. v. 24. November 1997 aaO S. 5 f.). Aufgrund der Gesetzesmaterialien zu § 6 Abs. 3 Satz 2 BNotO bestanden hinreichende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift und der Verwaltungspraxis des Antragsgegners (vgl. BGHZ 130, 356). Der Gesetzgeber wollte kein Auswahlverfahren, das sich an ein drittes Staatsexamen annähert. Er hat sich deshalb darauf beschränkt, als Kriterium die erfolgreiche Teilnahme an einem freiwilligen Vorbereitungskurs zu regeln. Dementsprechend hat der Senat mehrfach entschieden, daß ein Vorbereitungskurs bei der Bewertung nur berücksichtigt werden kann, wenn er mit einer Erfolgskontrolle verbunden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 25. November 1996 - NotZ 46/95, aaO, S. 948 m.N.); er hat sich bereits mit dieser Rechtsprechung mittelbar gegen eine nach Leistungsnoten differenzierende Berücksichtigung der Vorbereitungskurse ausgesprochen.

3. Ohne Erfolg macht die weitere Beteiligte nunmehr geltend, die drei vom Antragsgegner vergebenen Klausurpunkte müßten als "normale" Fortbildungspunkte nach Nr. II. 3 c des Runderlasses erhalten bleiben, weil die Klausuren an drei Tagen geschrieben worden seien und daher sechs Halbtage zu je 0,5 Punkten zu berücksichtigen seien. Diese Erwägung ist bereits deshalb rechtlich zu beanstanden, weil sie auf eine unzulässige Doppelbewertung der erfolgreichen Teilnahme an dem genannten Repetitoriumskurs hinauslaufen würde. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund ein und dieselbe Leistung - die erfolgreiche Teilnahme - neben dem "normalen" Punktwert (hier zwei Punkte) zusätzlich mit mehreren Sonderpunkten honoriert werden sollte. Denn die drei Tage, an denen die Klausuren geschrieben worden sind, vermittelten keinen neuen Wissensinhalt, sondern bestätigten lediglich - freilich in besonders benoteter Form - die bereits aufgrund eines durchgeführten Tests anderweitig bescheinigte erfolgreiche Leistung der weiteren Beteiligten in diesem Wiederholungs- und Vertiefungskurs. Unabhängig davon können der weiteren Beteiligten ohnehin keine zusätzlichen Punkte nach Nr. II. 3 c des Runderlasses des Antragsgegners zuerkannt werden, weil sie bereits durch sonstige Fortbildungskurse die Maximalpunktzahl für diese notarspezifischen Vorbereitungsleistungen von 45 Punkten ausgeschöpft hat. Die vom Antragsgegner geregelte Bewertungsobergrenze ist schon deshalb geboten, weil dadurch verhindert werden soll, daß die übrigen gesetzlichen Auswahlgesichtspunkte, vor allem das besonders bedeutsame Kriterium der zweiten juristischen Staatsprüfung, verdrängt werden. Im übrigen würde durch eine Überschreitung dieser Grenze auch das ausgewogene Verhältnis der einzelnen Bewertungsparameter - nicht zuletzt zwischen den einzelnen notarspezifischen Vorbereitungsleistungen (Nr. II. 3 c und d des Runderlasses) - in unzulässiger Weise verzerrt (Sen.Beschl. v. 24. November 1997 - NotZ 3/97, aaO, S. 7; vgl. zur Ausgewogenheit des Auswahlsystems allgemein: Beschl. v. 13. Dezember 1993 - NotZ 45/92, NJW 1994, 870 für Baden-Württemberg; Beschl. v. 25. April 1994 - NotZ 19/93, Nds.Rpfl. 1994, 330 für Niedersachsen).

Danach fällt die weitere Beteiligte ohne die drei zu Unrecht berücksichtigten Sonderpunkte mit insgesamt 128,65 Punkten in der Auswahlbewertung hinter die Antragstellerin mit 129,70 Punkten zurück.

4. Vergeblich versucht die weitere Beteiligte erstmals in der Beschwerdeinstanz, die Rechtmäßigkeit der Punktvergabe des Antragsgegners für die von der Antragstellerin im Rahmen längerfristiger Notarvertretungen durchgeführten Urkundsgeschäfte in Zweifel zu ziehen. Gemäß Nr. II. 3 d des Runderlasses sind alle Urkundsgeschäfte der Antragsgegnerin zutreffend mit jeweils 0,2 Punkten bewertet worden, weil sie innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung während einer Notarvertretung mit einer ununterbrochenen Dauer von jeweils mehr als zwei Wochen ausgeführt worden sind. Entgegen der Ansicht der weiteren Beteiligten wird die ununterbrochene Dauer einer derartigen Vertretung nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Antragstellerin während der vier von ihr insoweit absolvierten Zeiträume mehrfach an einzelnen Tagen - zumeist freitags und samstags, in einem Falle auch donnerstags - an notarspezifischen Fortbildungskursen im Sinne von Nr. II. 3 c des Runderlasses oder - wie in einem Falle - an einem entsprechenden Grundkurs teilgenommen hat. Der Antragsgegner knüpft die Höherwertigkeit der im Rahmen solcher längerfristigen Notarvertretungen ausgeführten Urkundsgeschäfte in rechtlich einwandfreier Weise daran an, daß bei den Vertretungen mit einer ununterbrochenen Dauer von mehr als zwei Wochen eine intensive, völlig selbständige Beschäftigung des Bewerbers mit den Beurkundungen stattfindet, wobei der Bewerber in der Vorbereitung, Gestaltung und zeitlichen Einteilung der Beurkundungen unter Berücksichtigung des - grundsätzlich nicht steuerbaren - Geschäftsanfalls frei ist. Dementsprechend stellt der Runderlaß auch eindeutig auf die ununterbrochene Dauer der Notarvertretung als solcher, nicht aber auf eine irgendwie geartete ständige Anwesenheit am Amtssitz des Notars ab. Eine - unzulässige - Wettbewerbsverzerrung kann in dieser Möglichkeit der Erzielung qualifizierter Notarvertretungspunkte schon deshalb nicht liegen, weil der Antragsgegner innerhalb des von ihm praktizierten ausgewogenen Bewertungssystems der Urkundstätigkeit der Bewerber in Nr. II. 3 d eine Obergrenze von maximal 20 anrechnungsfähigen Punkten gesetzt hat.

Ende der Entscheidung

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