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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.03.2005
Aktenzeichen: NotZ 30/04
Rechtsgebiete: StPO, BNotO
Vorschriften:
StPO § 170 Abs. 2 | |
BNotO § 6 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 14. März 2005
in dem Verfahren
wegen Bestellung zum Notar
Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck und Galke sowie die Notare Dr. Lintz und Justizrat Dr. Bauer am 14. März 2005
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin und die Anschlußbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Notarsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 6. Dezember 2004 werden zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten des Beschwerderechtszuges hat der Antragsteller 1/5 zu tragen; im übrigen werden Gerichtskosten nicht erhoben.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller 4/5 der im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten, im übrigen tragen die Beteiligten ihre Auslagen selbst.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 50.000 €.
Gründe:
I.
Der Antragsteller bewarb sich um eine von drei in der Niedersächsischen Rechtspflege 2003 S. 203 für den Amtsgerichtsbezirk Osterholz-Scharmbeck ausgeschriebenen Notarstellen (Stichtag: 30. September 2003). Mit Bescheid vom 3. Februar 2004 teilte ihm die Antragsgegnerin mit, daß sie seiner Bewerbung nicht entsprechen könne. Wegen der Vorfälle, die Gegenstand des Ermittlungsverfahrens 4 Js 2269/99 StA Verden und des Strafverfahrens Cs 5 Js 14352/99 StA Verden gewesen seien, bestünden begründete Zweifel an seiner persönlichen Eignung. In dem Ermittlungsverfahren 4 Js 2269/99 StA Verden war dem Antragsteller vorgeworfen worden, bei einem Verkehrsunfall im Januar 1999 fahrlässig den Tod eines Fußgängers herbeigeführt zu haben. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein, weil eine Kausalität zwischen dem Verkehrsunfall und dem Tod des Fußgängers nicht festgestellt werden könne. In dem Strafverfahren Cs 5 Js 14352/99 erging gegen den Antragsteller am 2. August 1999 ein Strafbefehl wegen einer am 13. Mai 1999 begangenen fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr. In dem rechtskräftig gewordenen Strafbefehl wurde eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen sowie der Entzug der Fahrerlaubnis verhängt.
Der Antragsteller stellte gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. Februar 2004 Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Das Oberlandesgericht hob durch Beschluß vom 25. Mai 2004 (Not 7/04) den vorgenannten Bescheid auf und verpflichtete die Antragsgegnerin, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Mit Bescheid vom 20. September 2004 lehnte die Antragsgegnerin die Bewerbung des Antragstellers erneut ab, weil die Zweifel an seiner persönlichen Eignung - ungeachtet einer Periode des "Wohlverhaltens" von ca. 41/2 Jahren - fortbestünden. Obwohl gewarnt durch den Verkehrsunfall im Januar 1999 habe der Antragsteller im Mai 1999 mit mindestens 1,29 g Promille Blutalkoholgehalt ein Fahrzeug im Verkehr geführt und zugleich verschiedene Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen. Gegenüber den wegen der Trunkenheitsfahrt ermittelnden Polizeibeamten habe er sich achtungswidrig (§ 14 Abs. 3 Satz 1 BNotO) verhalten.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller wiederum Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Er hat begehrt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn zum Notar zu bestellen, hilfsweise ihn neu zu bescheiden. Das Oberlandesgericht hat den Bescheid aufgehoben und die Antragsgegnerin - unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags - verpflichtet, die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und dabei von den zur Grundlage des angefochtenen Bescheids gemachten Bedenken gegen die persönliche Eignung des Antragstellers abzusehen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, die um vollständige Zurückweisung des Antrags ersucht. Mit der Anschlußbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Verpflichtungsantrag weiter.
II.
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. September 2004 erfolgte Ablehnung, den Antragsteller zum Notar zu bestellen, war rechtswidrig und verletzte den Antragsteller in seinen Rechten (§ 111 Abs. 1 Satz 2 BNotO). Die Antragsgegnerin hat die persönliche Eignung des Antragstellers für das Amt des Notars (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BNotO) zu Unrecht verneint.
1. Die persönliche Eignung ist zu bejahen, wenn die inneren und äußeren Eigenschaften des Bewerbers, wie sie sich insbesondere in seinem äußeren Verhalten offenbaren, keinen begründeten Zweifel daran aufkommen lassen, daß er die Aufgaben und Pflichten eines (Anwalts-)Notars gewissenhaft erfüllen werde. Mit Rücksicht auf die Bedeutung und die Schwierigkeit der Aufgaben, die der Notar als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege zu erfüllen hat (§ 1 BNotO), darf der an die persönlichen Eigenschaften des Bewerbers anzulegende Maßstab nicht zu milde sein. Wenn die Justizverwaltung bei der pflichtgemäßen Prüfung aller Umstände begründete Zweifel daran hat, ob der Bewerber diese Eigenschaften hat, darf sie ihn nicht oder noch nicht zum Notar bestellen. Die Interpretation der persönlichen Eignung für das Amt des Notars durch die Justizverwaltung ist gerichtlich voll überprüfbar. Demgegenüber steht der Justizverwaltung bei der Prognose, ob ein Bewerber aufgrund seiner richtig festgestellten und rechtlich zutreffend bewerteten persönlichen Umstände für das Amt des Notars geeignet ist, ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle erstreckt sich jedoch nach wie vor darauf, ob die Justizverwaltung von einem zutreffenden Begriff der Eignung ausgegangen und ihr auch sonst kein Rechtsfehler bei der Anwendung des § 6 Abs. 1 BNotO unterlaufen ist. Diese Prüfung erfaßt neben den tatsächlichen Grundlagen der Verwaltungsentscheidung auch die rechtliche Zuordnung des Sachverhalts zur gesetzlichen Vorschrift. Dazu gehört die Überprüfung, ob ein Umstand überhaupt für die Eignung von Bedeutung ist, welches Gewicht ihm im Einzelfall zukommt, ob und in welchem Umfang bei einer Verfehlung ein zwischenzeitliches Wohlverhalten zu berücksichtigen ist und welche Auswirkungen die Einstellung eines straf- oder anwaltsgerichtlichen Verfahrens hat (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 134, 137, 139 f, 141 f; vom 10. März 1997 - NotZ 19/96 - DNotZ 1997, 891, 892 und NotZ 22/96 - DNotZ 1997, 894, 895 ff). In dem vorbeschriebenen, gerichtlich überprüfbaren Bereich begegnet die von dem Antragsteller angegriffene Verwaltungsentscheidung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
2. a) Allerdings legt die Antragsgegnerin dem Antragsteller im Ansatz zu Recht ein Fehlverhalten zur Last, das begründete Zweifel an seiner persönlichen Eignung rechtfertigte. Der Antragsteller machte sich im Mai 1999 eines Vergehens der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) schuldig, obwohl er wenige Monate zuvor an einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen war, der ihm die Gefahren des Straßenverkehrs nachdrücklich vor Augen gestellt hatte. Im Anschluß an die Trunkenheitsfahrt trat er - alkoholbedingt enthemmt - den pflichtgemäß gegen ihn ermittelnden Polizeibeamten in unangemessener Weise entgegen. Ein solches Verhalten widersprach der Pflicht eines Notars, sich innerhalb und außerhalb des Amtes der Achtung und des Vertrauens, die dem Notaramt entgegengebracht werden, würdig zu zeigen (§ 14 Abs. 3 Satz 1 BNotO). Die Befolgung dieser Pflicht muß aber - sonst fehlt die persönliche Eignung - bei dem Bewerber um ein Notaramt gewährleistet sein.
b) Von Rechts wegen zu beanstanden ist indes, daß der Zeitablauf bei der Gewichtung der früheren Vorgänge nicht die gebotene Berücksichtigung gefunden hat (vgl. Senatsbeschluß vom 10. März 1997 - NotZ 22/96 - DNotZ 1997, 894, 899). Zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem Ablauf der Bewerbungsfrist am 30. September 2003 (vgl. Senatsbeschluß vom 20. November 2000 - NotZ 22/00 - NJW-RR 2001, 1138 m.w.N.), lag das Fehlverhalten des Antragstellers ca. 41/2 Jahre zurück. In dieser Zeit hat sich der Antragsteller einwandfrei verhalten. Mit Blick auf die (damals) schon fast fünfjährige Zeit des "Wohlverhaltens" können die zurückliegenden Verfehlungen nicht mehr für so erheblich erachtet werden, daß sie weiterhin die persönliche Eignung des Antragstellers in Frage stellen. Es drängt sich auf, daß die - fahrlässige - Trunkenheitsfahrt und das sich daran anschließende achtungswidrige Verhalten des Antragstellers eine einmalige Entgleisung und nicht etwa Ausdruck eines Charaktermangels waren.
III.
Die Anschlußbeschwerde ist zulässig (vgl. BGHZ 71, 314; BGH, Beschluß vom 30. November 1992 - AnwZ (B) 37/92 - BRAK-Mitt. 1993, 44 f und Beschluß vom 9. Dezember 1996 - AnwZ (B) 47/96 - BRAK-Mitt. 1997, 169, 170), aber unbegründet. Hinsichtlich des von dem Antragsteller mit der Anschlußbeschwerde weiterverfolgten Antrags, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn zum Notar zu bestellen, ist die Sache noch nicht spruchreif (vgl. § 111 BNotO i.V.m. § 113 Abs. 5 VwGO).
Die Antragsgegnerin hat - auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2004, 1935) und der neu gefaßten AVNot - die fachliche Eignung des Antragstellers zu prüfen und in eine Auswahlentscheidung zwischen dem Antragsteller und der weiteren Beteiligten einzutreten (§ 6 Abs. 3 BNotO). Hierbei steht der Antragsgegnerin ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. insbesondere § 3 Abs. 2 AVNot n.F.).
Ende der Entscheidung
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