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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.07.1998
Aktenzeichen: NotZ 31/97
(2)
Rechtsgebiete: BNotO
Vorschriften:
BNotO § 4 | |
BNotO § 111 Abs. 1 |
Richtet sich ein Unterlassungsantrag gegen die Besetzung einer weiteren Notarstelle, mit der die Landesjustizverwaltung eine zuvor getroffene Entscheidung über die Errichtung dieser Notarstelle umsetzen will, so ist eine seit der Errichtungsentscheidung eingetretene Änderung der für die Bedürfnisprüfung erheblichen Geschäftszahlen nur von Bedeutung, wenn die Geschäftszahlen nunmehr die Befürchtung rechtfertigen, die wirtschaftliche Grundlage der bestehenden Notariate sei nicht mehr gewährleistet.
BGH, Beschluß vom 20. Juli 1998 - NotZ 31/97 - OLG München
Entsch. v. -
OLG München Entsch. v. 7.11.97 - VA-Not 1/97
NotZ 31/97
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist Notar in gemeinsamer Berufsausübung mit dem Notar K. in M. . Dort amtiert außerdem in einer 1993 eingerichteten Stelle der Notar Dr. St. . Der Geschäftsanfall der drei Notariate in M. betrug in "bereinigten Urkundennummern" (vgl. hierzu BGHZ 73, 54, 55) für 1993 6.831 Nummern, für 1994 7.119 Nummern, für 1995 6.928 Nummern und für 1996 6.779 Nummern. Für das Jahr 1996 entfielen auf jedes Notariat durchschnittlich 2.260 Nummern. Auf das Doppelamt des Antragstellers und des Notars K. entfielen 4.895 Nummern, auf das des Notars Dr. St. 1.884 Nummern. Für das Jahr 1997 entfielen auf das Doppelamt noch 4.198 Nummern. Bei dem Doppelamt des Antragstellers mit dem Notar K. entfallen etwa 30 % der Notariatsgeschäfte auf Beurkundungen aus Baden-Württemberg. Einen ähnlich großen Anteil an auswärtigen Geschäftsanfällen hat auch der dritte in M. amtierende Notar.
Der Antragsgegner errichtete mit Verfügung vom 28. Mai 1997 in M. eine vierte Notarstelle. Hiergegen hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und zur Begründung im wesentlichen geltend gemacht: Der Antragsgegner habe - was unstreitig ist - bei der Prüfung, ob für die Errichtung einer weiteren Notarstelle ein Bedürfnis bestehe, nicht berücksichtigt, daß ein erheblicher Teil des Geschäftsanfalls von Mandanten aus Baden-Württemberg herrühre; dieser dürfe bei der Bedürfnisprüfung aber nur in Höhe von 10 % der gesamten Beurkundungen berücksichtigt werden. Die große Zahl auswärtiger Beurkundungen sei Folge der persönlichen Beziehungen zu auswärtigen Bauträgern und Steuerberatern. Ähnliches gelte auch für den Geschäftsanfall bei dem dritten in M. amtierenden Notar. Die Errichtung eines weiteren Notariats verbiete sich auch angesichts generell sinkender Beurkundungszahlen bei gleichzeitig steigendem Anteil auswärtiger Geschäftsanfälle und im Hinblick darauf, daß er, der Antragsteller, für das Jahr 2000 seine Amtsniederlegung ins Auge gefaßt habe.
Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten und hat u.a. ausgeführt, der Antrag sei unzulässig, da die Errichtung einer Notarstelle kein Verwaltungsakt sei.
Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Aufhebung des Bescheids vom 28. Mai 1997 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der dieser sein Begehren weiterverfolgt. Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren beantragt hat, den Vollzug des Bescheides des Antragsgegners vom 28. Mai 1997 bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel auszusetzen, hat der Senat dies als Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung angesehen und diesen Antrag mit Beschluß vom 20. Januar 1998 zurückgewiesen.
Die Notarstelle ist bislang noch nicht besetzt. Der Antragsgegner hat mit Wirkung vom 15. August 1998 einen Notarassessor zum Notar auf Lebenszeit bestellt und ihm die Notarstelle übertragen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist nach § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 BRAO zulässig; in der Sache bleibt sie ohne Erfolg, da das Oberlandesgericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu Recht zurückgewiesen hat.
1. Soweit sich der Antragsteller gegen die Errichtung der Notarstelle wendet, ist sein Antrag nicht zulässig. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 111 BNotO ist grundsätzlich nur statthaft, wenn die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder die Verpflichtung der Landesjustizverwaltung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt wird. Daran fehlt es hier. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Errichtung einer Notarstelle kein Verwaltungsakt, sondern ein lediglich verwaltungsinterner Vorgang ohne Regelungscharakter (Senat, Beschluß vom 18. September 1995 - NotZ 46/94 = BGHR BNotO § 111 Verwaltungsakt 3 m.w.Nachw. = DNotZ 1996, 902; Beschluß vom 24. November 1997 - NotZ 10/97 = NJW-RR 1998, 849).
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bleibt auch dann ohne Erfolg, wenn man ihn dahin auslegt, daß dem Antragsgegner auch die Besetzung der neu errichteten Notarstelle untersagt werden soll.
a) Der Senat hat in Einzelfällen Unterlassungsanträge amtierender Notare gegen die Bestellung eines weiteren Notars in ihrem Amtsbereich als zulässig angesehen (vgl. BGHZ 67, 348 = DNotZ 1977, 180; BGHZ 73, 54 = DNotZ 1979, 688; Beschluß vom 22. Oktober 1979 - NotZ 3/79 = DNotZ 1980, 177; Beschluß vom 25. Oktober 1982 - NotZ 7/82 = DNotZ 1983, 236). Diese Rechtsprechung wird von der Erwägung getragen, daß die Landesjustizverwaltung bei der Ausübung des ihr eingeräumten Organisationsermessens nach § 4 BNotO subjektive Rechte von Amtsinhabern insoweit zu wahren hat, als jedem Notar zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgabe als unabhängiger und unparteiischer Berater ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu gewährleisten ist (Senat, Beschluß vom 18. September 1995 - NotZ 46/94 = BGHR BNotO § 4 Bedürfnis 1). Das ändert indessen nichts daran, daß die Bestimmung der Zahl der Amtsinhaber und der Zuschnitt der Notariate der Organisationsgewalt des Staates vorbehalten ist, die Bedürfnisprüfung mithin grundsätzlich allein im Interesse der Allgemeinheit geschieht.
b) Der Unterlassungsantrag ist aber nur zulässig, wenn der Antragsteller die Möglichkeit dartut, in seinen Rechten verletzt zu sein.
Hierzu genügt es nicht, wenn ein Antragsteller allein auf die drohende Schmälerung seines Gebührenaufkommens hinweist, die mit der Bestellung eines weiteren Notars in seinem Amtsbereich verbunden wäre. Damit ist noch nicht eine Gefährdung seiner wirtschaftlichen Unabhängigkeit und eine damit einhergehende Gefährdung seiner Aufgabe, als unabhängiger und unparteiischer Berater der Beteiligten auf eine möglichst gerechte Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen hinzuwirken (vgl. BGHZ 67, 348, 353 = DNotZ 1977, 180), behauptet. So liegt es hier. Der Antragsteller hat in dem mit dem Notar K. geführten Doppelamt im Jahr 1997 einen Geschäftsanfall von 4.198 "bereinigten Urkundennummern" gehabt. Die Lebensfähigkeit des Amtes ist damit in keiner Weise in Frage gestellt.
Die Zulässigkeit des Unterlassungsbegehrens ergibt sich aber daraus, daß der Antragsteller vorträgt, der Antragsgegner habe sich im Bereich der Bedürfnisprüfung nach § 4 BNotO durch eine ständige Übung gebunden, diesen Prüfungsmaßstab im vorliegenden Fall jedoch nicht beachtet.
c) Soweit danach der Antrag zulässig ist, läßt die Überprüfung ein rechtswidriges Verwaltungshandeln nicht erkennen.
Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Neuerrichtung von Notarstellen in Bayern, die der Antragsgegner mit der Landesnotarkammer Bayern abgestimmt hat, wird das Bedürfnis für die Errichtung einer weiteren Notarstelle an Orten, an denen bisher bereits zwei oder mehr Notarstellen bestehen, danach beurteilt, ob der durchschnittliche Geschäftsanfall an dem betreffenden Amtssitz bei Errichtung einer neuen Notarstelle näher an der Richtzahl von 1.800 bereinigten Urkundennummern liegt, als wenn die Errichtung der Notarstelle unterbliebe. Dieser "bayerische Schlüssel" wird dabei nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer konkreten Einzelfallbetrachtung angewandt. Wie der Senat bereits ausgesprochen hat, trägt dieser Schlüssel - die Zahl 1.800 ist nur als Richtwert zu verstehen - den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege hinreichend Rechnung und ist gemäß § 4 BNotO als Maßstab einer Landesjustizverwaltung für die Ausübung ihres Organisationsermessens bei der Errichtung neuer Notarstellen nicht zu beanstanden (BGHZ 73, 54, 59 = DNotZ 1979, 688).
Eine prinzipiell nur teilweise Berücksichtigung von Notargeschäften mit ausschließlich auswärtigen Beteiligten bei der Bedürfnisprüfung ist nicht Gegenstand dieser ständigen Übung des Antragsgegners. Die volle Anrechnung dieser Geschäfte kann deshalb für sich allein nicht als Abweichen von der Selbstbindung der Verwaltung angesehen werden.
Die Entscheidung des Senats vom 22. Oktober 1979 - NotZ 3/79 = DNotZ 1980, 177 ist nicht dahin zu verstehen, daß in jedem Fall solche Geschäfte nur mit einem Anteil von etwa 10 Prozent der gesamten Urkundsgeschäfte Berücksichtigung finden dürften. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall mußte der Besonderheit Rechnung getragen werden, daß einer der beiden bereits amtierenden Notare nahezu das Vierfache der Urkundsgeschäfte des anderen Notars abwickelte und dabei einen Anteil "auswärtiger Beurkundungen" von annähernd 40 Prozent hatte. In einem solchen Fall hätte deren uneingeschränkte Berücksichtigung zu einer Benachteiligung des anderen Notars und einer unzutreffenden Einschätzung des Bedürfnisses nach einer neuen Notarstelle geführt. Anders liegt es hier: Angesichts des annähernd gleichen Anteils der "auswärtigen Beurkundungen" bei den drei bestehenden Notariaten erscheint eine weitgehende Ausblendung dieser Tätigkeit nicht geboten. Im Rahmen seines Ermessens kann der Antragsgegner berücksichtigen, daß bei allen Notaren von Beteiligten außerhalb des Amtssitzes in einem das gewöhnliche Maß übersteigenden Umfang Notarleistungen nachgefragt werden. Dabei kommt es auf die Ursachen dieser erhöhten Nachfrage nicht entscheidend an.
Der Anspruch des Antragstellers auf Gleichbehandlung ist nicht verletzt, da der Antragsgegner in vergleichbaren Fällen in gleicher Weise verfährt.
Zutreffend weist der Antragsteller darauf hin, daß der Antragsgegner mit den "Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege" i.S.v. § 4 BNotO die Lebensfähigkeit des jeweiligen örtlichen Notariats zu berücksichtigen hat. Die Verwaltung des Notarwesens fällt in den Zuständigkeitsbereich der Länder, die Bestellung der Notare erfolgt durch die Landesjustizverwaltungen. Zweck der Bedürfnisprüfung nach § 4 BNotO ist die "möglichst schnelle und ortsnahe notarielle Betreuung der Bevölkerung" (BGHZ 67, 348, 353). Die Befriedigung des Bedarfs an Notarleistungen jenseits der Landesgrenzen ist bei der Bedürfnisprüfung deshalb nicht in Betracht zu ziehen. Gleichwohl ist es nicht fehlerhaft, daß der Antragsgegner diesen Bedarf insoweit berücksichtigt, als sich die Nachfrage aus dem Bereich Baden-Württemberg objektiv als eine Verknappung der Notarleistungen für die Bevölkerung des Amtsbezirks M. , seines eigenen Zuständigkeitsbereichs, darstellt.
Entgegen dem Vortrag des Antragstellers hat der Antragsgegner bei der Errichtung der Notarstelle den Umstand erkannt, daß die Urkundennummern 1995 und 1996 leicht zurückgegangen sind, und dies ohne Rechtsfehler gewürdigt. Mit der Besetzung der Notarstelle setzt der Antragsgegner nur die Errichtungsentscheidung um. Auf die seitherige Entwicklung der Geschäftszahlen wäre bei der Prüfung des Unterlassungsbegehrens nur abzustellen, wenn diese Entwicklung die Beurteilung rechtfertigen würde, die wirtschaftliche Grundlage der bestehenden Notariate sei nicht mehr gewährleistet. Der Rückgang der Geschäftszahlen im Jahr 1997 war indessen nicht so erheblich, daß der Antragsgegner die Besetzung der neuen Notarstelle unterlassen müßte (vgl. BGHZ 73, 54, 60).
Anm.: vgl. hierzu Beschluß vom 20.02.1998 in derselben Sache.
Ende der Entscheidung
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