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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.03.2002
Aktenzeichen: NotZ 32/01
Rechtsgebiete: BNotO, DRiG, VwGO, GG


Vorschriften:

BNotO § 6 Abs. 3
BNotO § 5
BNotO § 4
DRiG § 5
VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 32/01

vom 18. März 2002

in dem Verfahren

wegen Bestellung zur Notarin

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne, die Richter Streck und Seiffert sowie die Notare Dr. Bauer und Eule am 18. März 2002

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin - einschließlich der im Beschwerderechtszug gestellten weiteren Anträge - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die der Antragsgegnerin im Beschwerderechtszug erwachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000 DM (51.129,19 €) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat ihr juristisches Studium in L. im Juli 1981 mit dem akademischen Grad einer Diplom-Juristin abgeschlossen. Durch Verfügung des Ministers der Justiz der ehemaligen DDR vom 15. März 1990 wurde sie zum 1. Mai 1990 als Rechtsanwältin im früheren Ostteil der Stadt B. zugelassen. Seit Dezember 1990 ist sie als Rechtsanwältin bei dem Landgericht B. und seit März 1996 auch beim Kammergericht zugelassen.

Im November 1996 hat sich die Antragstellerin um eine der im Amtsblatt für B. vom 25. Oktober 1996 ausgeschriebenen 58 Notarstellen beworben. Mit Bescheid vom 30. Oktober 1997 teilte ihr die Antragsgegnerin mit, sie könne sie in dem Auswahlverfahren nach § 6 Abs. 3 BNotO nicht berücksichtigen, weil ihr die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz fehle (§ 5 BNotO i.V.m. § 5 Abs. 1 DRiG).

Die Antragstellerin hat mit dem Ziel der weiteren Teilnahme am Auswahlverfahren gerichtliche Entscheidung und den Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie meint, aufgrund ihrer hohen fachlichen Qualifikation und ihrer Berufserfahrung besitze sie die Befähigung zum Richteramt. Eine Anwendung von § 5 BNotO i.V.m. § 5 DRiG, die verlange, daß die Befähigung zum Richteramt nur durch das Zweite juristische Staatsexamen erworben werden könne, stelle sich wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als verfassungswidrig dar. Da sie zum Zeitpunkt der Herstellung der deutschen Einheit bereits als Rechtsanwältin berufstätig gewesen sei und mit ihrer seither betriebenen Kanzlei entscheidend zum Familienunterhalt beitrage, sei es ihr nicht zuzumuten, die Anwaltstätigkeit aufzugeben, um den juristischen Vorbereitungsdienst zu absolvieren und das Zweite Staatsexamen abzulegen.

Das Kammergericht hat die Anträge zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist vom Senat mit Beschluß vom 30. November 1998 ebenfalls zurückgewiesen worden.

Auf die Verfassungsbeschwerde der Antragstellerin hat das Bundesverfassungsgericht die Beschlüsse des Senats und des Kammergerichts sowie den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. November 1997 aufgehoben und das Verfahren an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Es hat ausgeführt, die angegriffenen Entscheidungen berücksichtigten die Fiktionen des Einigungsvertrages und der nachfolgenden Gesetze nicht; ihre Auslegung, die für das Anwaltsnotariat in B. für solche Diplom-Juristen, die im Zeitpunkt des Beitritts noch nicht zum Anwaltsnotar bestellt gewesen seien, die Befähigung zum Richteramt zwar für den Anwaltsberuf nicht voraussetze (oder als fingiert ansehe), wohl aber für den Notarberuf fordere, verkenne damit die Reichweite des Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG in Ansehung der Gesamtregelung, die der Gesetzgeber zur Integration der Diplom-Juristen getroffen habe.

Im weiteren Verfahren hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, sie habe, nachdem der Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 30. November 1998 rechtskräftig geworden sei, die für die Antragstellerin zunächst freigehaltene Notarstelle anderweitig besetzt. Die Antragstellerin beantragt nunmehr, die Antragsgegnerin zu verpflichten, sie als Notarin zu bestellen, hilfsweise festzustellen, daß die Besetzung der ursprünglich für die Antragstellerin freigehaltenen Stelle ohne vorherige Ankündigung rechtswidrig war, weiter hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ein Auswahlverfahren zur Besetzung einer offenen Notarstelle einzuleiten und die Antragstellerin an diesem Verfahren zu beteiligen. "Höchst hilfsweise" erklärt die Antragstellerin das Verfahren in der Hauptsache für erledigt.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Der von der Antragstellerin in erster Linie weiterverfolgte Verpflichtungsantrag ist unzulässig. Nachdem die Antragsgegnerin die zunächst für die Antragstellerin freigehaltene Notarstelle anderweitig besetzt hat und damit die im Amtsblatt für B. ausgeschriebenen Stellen, auf die sich die diesem Verfahren zugrundeliegende Bewerbung der Antragstellerin bezog, nunmehr sämtlich vergeben sind, ist das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin für den gleichwohl aufrechterhaltenen Verpflichtungsantrag entfallen (Senatsbeschluß vom 20. Juli 1998 - NotZ 4/98 - DNotZ 1999, 252, 253). Die Rüge der Antragstellerin, die Antragsgegnerin hätte die freigehaltene Notarstelle erst nach entsprechender Vorankündigung besetzen dürfen, kann nicht darüber hinweghelfen, daß die inzwischen erfolgte Stellenbesetzung einem Verpflichtungsantrag entgegensteht.

2. Einen Fortsetzungsfeststellungsantrag entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, der unter den hier vorliegenden Umständen Erfolg hätte haben können (s. dazu den Senatsbeschluß vom heutigen Tage in dem Verfahren NotZ 31/01), hat die Antragstellerin nicht gestellt. Ein solcher Antrag ist auch dem Gesamtzusammenhang der von ihr gestellten Anträge und deren Begründung nicht zu entnehmen.

3. Die Auffassung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin hätte die zunächst freigehaltene Notarstelle nicht ohne vorherige Ankündigung besetzen dürfen, teilt der Senat nicht.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist es zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich, dem Konkurrenten um eine Anwaltsnotarstelle im Ausschreibungsverfahren den gleichen Rechtsschutz zu eröffnen wie in dem vergleichbaren beamtenrechtlichen Verfahren. Ihm muß die Möglichkeit eingeräumt werden, die endgültige Besetzung der ausgeschriebenen Stelle durch die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes zu verhindern, weil dem Bewerber mit der Besetzung der Stelle die Klagemöglichkeit abgeschnitten wird (Beschluß vom 19. Oktober 1992 - NotZ 49/92 - BGHR BNotO § 111 Konkurrentenklage 1; vgl. auch BGHZ 129, 226).

Einstweiligen Rechtsschutz dieses Inhalts hat die Antragstellerin sowohl im ersten Rechtszug als auch im Beschwerdeverfahren in Anspruch genommen, indem sie jeweils den Erlaß einer einstweiligen Anordnung begehrt hat. Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin erklärt, sie werde eine der ausgeschriebenen Stellen bis zur Entscheidung des Senats über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung unbesetzt lassen (Schriftsatz vom 11. Mai 1998). Damit war der Antragstellerin bekannt, daß bei Zurückweisung ihrer sofortigen Beschwerde durch den Senat, mit der sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung erledigt hätte, die unverzügliche Besetzung der für sie freigehaltenen Stelle drohte. Mit Rücksicht auf diesen Kenntnisstand der Antragstellerin bedurfte es keiner weiteren Ankündigung von seiten der Justizverwaltung. Vielmehr war es Sache der Antragstellerin, nunmehr von sich aus im Zusammenhang mit der Einlegung ihrer Verfassungsbeschwerde um geeigneten vorläufigen Rechtsschutz nachzusuchen. Für ihr etwaiges Vertrauen, die Antragsgegnerin werde die freigehaltene Stelle auch weiterhin unbesetzt lassen, gab es keine Grundlage.

4. Der weitere Hilfsantrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ein Auswahlverfahren zur Besetzung einer offenen Notarstelle einzuleiten und die Antragstellerin an diesem Verfahren zu beteiligen, zielt der Sache nach darauf ab, der Antragsgegnerin die Ausschreibung einer weiteren Notarstelle aufzugeben; denn nachdem alle ausgeschriebenen Stellen besetzt sind, setzt die Einleitung eines weiteren Auswahlverfahrens nach § 6 Abs. 3 BNotO zwingend eine erneute Ausschreibung voraus (§ 6 b BNotO). Darauf hat die Antragstellerin indessen keinen Anspruch. Die in § 4 BNotO statuierte Pflicht der Justizverwaltung, Notare nach den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege zu bestellen, besteht nur der Allgemeinheit gegenüber; auf sie kann sich der Bürger nicht berufen. Der Pflicht der Justizverwaltung, im Interesse der ordnungsgemäßen Erfüllung der den Notaren zugewiesenen staatlichen Aufgaben die Zahl der besetzbaren Notarstellen festzulegen und gegebenenfalls offene Stellen wieder zu besetzen, korrespondiert mithin kein Grundrecht des Notarbewerbers aus Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. Senatsbeschluß vom 18. September 1995 - NotZ 46/94 - BGHR BNotO § 4 Bedürfnis 1). Für die Antragstellerin bedeutet dies keine unbillige Härte. Nach den Erfahrungen des Senats pflegt die Berliner Justizverwaltung in verhältnismäßig kurzen Zeitabständen Notarstellen auszuschreiben. Es steht der Antragstellerin frei, sich anläßlich der nächsten Ausschreibung erneut um eine Stelle zu bewerben. Ihr kann dann nicht mehr entgegengehalten werden, sie verfüge nicht über die Befähigung zum Richteramt im Sinne des § 5 DRiG.

Hiernach kann dahinstehen, ob die Antragsgegnerin für das Begehren der Antragstellerin, eine Stellenausschreibung einzuleiten, überhaupt passivlegitimiert ist, was zu verneinen sein dürfte (vgl. Ziffer 2 AVNot Bln i.d.F. vom 22. April 1996, ABl. S. 1741).

5. Die "höchst hilfsweise" abgegebene Erledigungserklärung ist unbeachtlich, weil es sich um eine unzulässige bedingte Erklärung handelt (vgl. BGHZ 106, 359, 367 f; Zöller/Vollkommer, ZPO 23. Aufl. § 91 a Rn. 13 m.w.N.). Daß die Antragsgegnerin sich der Erledigungserklärung angeschlossen hat, ändert daran nichts; denn diese Erklärung ist so zu verstehen, daß die Antragsgegnerin weiterhin vorrangig die Zurückweisung der Beschwerde begehrt.



Ende der Entscheidung

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