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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.02.1998
Aktenzeichen: NotZ 4/97
Rechtsgebiete: DDR/NotVO, VwVfG


Vorschriften:

DDR/NotVO § 16 Abs. 4
DDR/NotVO § 39 Abs. 7
VwVfG § 48 Abs. 2
Verwaltungsrecht, allgemeine Grundsätze
DDR: NotVO § 16 Abs. 4 DDR: NotVO § 39 Abs. 7 VwVfG § 48 Abs. 2 Verwaltungsrecht, allgemeine Grundsätze

Zur Rückforderung von Vorschüssen auf die Einkommensergänzung bei einem Notar, dem nach § 16 Abs. 4 NotVO die Amtsführung untersagt worden ist (im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 24. November 1997 - NotZ 40/96).

BGH, Beschluß vom 9. Februar 1998 - NotZ 4/97 - OLG Dresden

Entsch. v. - OLG Dresden Entsch. v. 30.12.96 - DSNot 31/96

NotZ 4/97


Tatbestand:

Der Antragsteller ist vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz mit Wirkung vom 1. Dezember 1990 zum Notar mit Amtssitz in L. bestellt worden. Die Antragsgegnerin ist eine aufgrund von § 39 NotVO errichtete länderübergreifende Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in L. . Zu ihren Aufgaben gehören u.a. die erforderliche Ergänzung im Falle geringen Berufseinkommens der Notare in den neuen Bundesländern, die Versorgung der ausgeschiedenen Berufsangehörigen im Alter und bei Amtsunfähigkeit sowie die Versorgung der Hinterbliebenen, die einheitliche Durchführung von Versicherungen und die Bereitstellung der Haushaltsmittel für die in ihrem Gebiet gebildeten Notarkammern (vgl. § 39 Abs. 3 NotVO). Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller gewährte Leistungen zur Einkommensergänzung zurückzufordern.

Die Antragsgegnerin hat sich, gestützt auf § 39 Abs. 6 NotVO, eine Organisationssatzung gegeben und zur Einkommensergänzung dort in Art. 15 folgendes bestimmt:

"(1) Bleibt das Berufseinkommen eines Notars im Tätigkeitsbereich der Ländernotarkasse vom 1. Januar 1994 an in einem Kalenderjahr hinter der Eingangsbesoldung eines Richters am Amtsgericht der Besoldungsgruppe R 1 gem. § 2 Abs. 1 der Zweiten Besoldungsübergangsverordnung im Freistaat Sachsen mit gleichem Familienstand zurück, so gewährt ihm die Ländernotarkasse eine Einkommensergänzung in Höhe des Unterschiedsbetrages.

...

(3) Die Berechnung des Berufseinkommens bemißt sich nach der Anlage, die einen Bestandteil dieser Satzung bildet. Diese regelt auch das Verfahren bei der Gewährung der Einkommensergänzung.

Die als Anlage zu Art. 15 Abs. 3 der Organisationssatzung vom Verwaltungsrat der Antragsgegnerin beschlossene Einkommensergänzungssatzung lautet in Auszügen wie folgt:

§ 1

Allgemeine Berechnungsgrundlage

(1) Das Berufseinkommen des Notars berechnet sich aus den Berufseinnahmen, abzüglich der Berufsausgaben.

§ 2

Begriff der Berufseinnahmen

(1) Berufseinnahmen sind alle Einnahmen eines Notars aus seiner notariellen Tätigkeit. Hierzu zählen auch die Einnahmen aus einer auf eigene Rechnung geführten Notariatsverweserschaft.

§ 4

Allgemeiner Begriff der Berufsausgaben Berufsausgaben sind alle Ausgaben des Notars, die zur Führung der ihm übertragenen Notarstelle für das Kalenderjahr notwendig oder angemessen sind. ... Unangemessene Ausgaben werden nicht berücksichtigt.

§ 11

Antrag auf Einkommensergänzung

(1) Einkommensergänzung wird auf Antrag des Notars gewährt. Der Antrag ist für das jeweilige Kalenderjahr spätestens bis zum 31. März des folgenden Jahres zu stellen. ... Dem Antrag ist eine Versicherung des Notars beizufügen, daß er durchschnittlich 40 Wochenstunden in dem maßgeblichen Zeitraum in seinem Notariat gearbeitet hat, wobei krankheits- und urlaubsbedingte Fehlzeiten (höchstens bis zu fünf Wochen im Jahr) nicht zu berücksichtigen sind.

...

§ 12

Vorschußzahlung

(1) Auf eine zu erwartende Einkommensergänzung können sowohl für das laufende als auch für künftige Kalenderjahre Vorschüsse gewährt werden, sofern Berufsausgaben demnächst zu tätigen sind und nicht durch laufende Einkünfte gedeckt werden können.

(2) Ergibt sich bei der endgültigen Berechnung der Einkommensergänzung, daß Vorschüsse ganz oder teilweise zurückzuzahlen sind, so erläßt die Notarkasse einen entsprechenden Leistungsbescheid.

...

Der Antragsteller ist durch Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - L. vom 9. Dezember 1993 wegen vollendeter und versuchter Falschbeurkundung im Amt zu einer Gesamtgeldstrafe von 65 Tagessätzen zu je 400 DM verurteilt worden.

Nach Rechtskraft der Entscheidung leitete der Präsident des Oberlandesgerichts D. als Einleitungsbehörde mit Verfügung vom 20. Januar 1995 gegen den Antragsteller das förmliche Disziplinarverfahren ein und untersagte ihm gleichzeitig - insoweit klargestellt durch die Verfügung vom z. Februar 1995 - gemäß § 16 Abs. 4 NotVO die weitere Amtsführung. Die dagegen vom Antragsteller eingelegten Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. Durch Beschluß vom 15. März 1996 - DSNot 7/96 - wies das Oberlandesgericht D. den Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Nachprüfung gegen die Ablehnung, die Verfügung über die Untersagung der Amtsführung aufzuheben, zurück. Auch der Senat hielt durch Beschlüsse vom 24. Juni 1996 - NotZ 27/96 - und 1. Oktober 1996 - NotZ 26/96 - die vorläufige Disziplinarmaßnahme aufrecht. Die beim Bundesverfassungsgericht vom Antragsteller dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluß vom 24. Juli 1996 - 1 BvR 1428/96).

Durch Urteil vom 1. März 1996 hat der Senat für Disziplinarangelegenheiten der Notare bei dem Oberlandesgericht D. den Antragsteller eines vorsätzlichen Dienstvergehens schuldig gesprochen, ihm einen Verweis erteilt und gegen ihn zugleich eine Geldbuße in Höhe von 15.000 DM verhängt. Die hiergegen mit dem Ziel des Freispruchs eingelegte Berufung des Antragstellers sowie die mit dem Ziel der Entfernung des Antragstellers aus dem Amt eingelegte Berufung des Vertreters der Einleitungsbehörde hat der Senat mit Urteil vom 11. März 1997 - NotSt (Brfg) 1/96 - verworfen. Er hat in den vom Antragsteller begangenen Pflichtverstößen tiefgreifende Mängel in der persönlichen Eignung des Notars zutagetreten sehen, die im Grunde seine Entfernung aus dem Notaramt rechtfertigten, indes wegen der Auswirkungen, die die vorläufige, im Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung bereits mehr als zwei Jahre andauernde Untersagung der Amtsführung hatte, ausnahmsweise nicht auf die Entfernung aus dem Notaramt erkannt. Die beim Bundesverfassungsgericht vom Antragsteller dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde ebenfalls nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluß vom 23. Juli 1997 - 1 BvR 1115/97).

Nach Verhängung der vorläufigen Disziplinarmaßnahme waren zuerst Notarvertreter für den Antragsteller tätig geworden. Im August 1996 wurde von der Justizverwaltung des Freistaats Sachsen ein Notariatsverweser für das Notariat des Antragstellers bestellt. Seit April 1997 amtiert der Antragsteller wieder als Notar in L. .

Der Antragsteller beantragte nach Verhängung der vorläufigen Disziplinarmaßnahme bei der Antragsgegnerin Einkommensergänzung nach Maßgabe der Einkommensergänzungssatzung. Ihm wurde daraufhin mit Bescheid vom 16. Februar 1996 (1. Bescheid) "als Vorschußzahlung ein Betrag von 40.000 DM zur Abdeckung der zu tätigenden Berufsausgaben zur Verfügung gestellt". Die Zuwendung erfolgte "unter dem Widerrufsvorbehalt daß dann, wenn der Begünstigte seiner Verpflichtung zu einer monatlichen Aufstellung der Berufseinnahmen und Berufsausgaben samt den Ausgabenbelegen mit der Versicherung der Richtigkeit und der Vollständigkeit nicht nachkommt und der Ländernotarkasse die Voraussetzungen für eine Bedürftigkeit nicht nachgewiesen sind, ohne weitere Ermittlungen durch die Ländernotarkasse" (einzufügen wohl: diese) "ganz oder teilweise entzogen oder versagt werden kann". Zur Begründung ist in dem Bescheid auf Art. 15 der Satzung der Antragsgegnerin und die Anlage hierzu verwiesen und sodann ausgeführt:

"Gegen die Anwendung der Vorschriften über die Einkommensergänzung bestehen aus Sicht der Ländernotarkasse Bedenken, da der Begünstigte die dort geforderte Versicherung, durchschnittlich 40 Wochenstunden in dem maßgeblichen Zeitraum in seinem Notariat gearbeitet zu haben, aufgrund der vorläufigen Amtsenthebung nicht abgeben kann. Zur Zeit kann eine solche Versicherung aber auch nicht durch seinen Vertreter abgegeben werden, da ein solcher in dem oben angegebenen, zeitlichen Umfang nicht zur Verfügung steht. Vorschußzahlungen gewährt die Ländernotarkasse auch im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabe zur wirtschaftlichen Verwaltung der von einem Notariatsverweser wahrgenommenen Notarstellen an Stelle der Notarkammern gem. § 39 Abs. 3 Nr. 5 NotVO iVm Art. 1 Ziff. 2 der Richtlinie für die Verwesung von Notarstellen. Eine Verweserschaft wurde im vorliegenden Fall zwar nicht förmlich durch das Sächsische Staatsministerium der Justiz angeordnet, jedoch entspricht die derzeitige rechtliche und finanzielle Lage des Begünstigten denjenigen Fallgestaltungen, in denen § 56 Abs. 3 BNotO eine Verweserbestellung für den vorläufig des Amtes enthobenen Notar vorsieht (Seybold/Schippel-Vetter, BNotO, § 56 Rz. 29).

Ob die Regelungen der Einkommensergänzung oder aber die Regelungen über die wirtschaftliche Verwaltung einer Notarstelle im vorliegenden Fall Anwendung finden, wird durch diesen Bescheid nicht präjudiziert. Einer abschließenden Entscheidung hierüber bedarf es im jetzigen Zeitpunkt auch nicht, da die Ländernotarkasse in beiden Fällen zur Abdeckung des durch die Fortführung des Bürobetriebes notwendigen Aufwandes verpflichtet wäre."

Mit Bescheid vom 6. März 1996 (2. Bescheid) wurde dem Antragsteller als Vorschußzahlung ein weiterer Betrag von 45.000 DM zur Verfügung gestellt. Der Bescheid enthielt im Tenor denselben "Widerrufsvorbehalt" und in den Gründen dieselben Ausführungen zur Anwendbarkeit der Vorschriften über die Einkommensergänzung. Der Antragsteller erhielt die Beträge und wandte sie für den Betrieb seines Notariats auf.

Mit Bescheid vom 22. April 1996 (3. Bescheid) wurde dem Antragsteller, der die Zahlung von 50.000 DM beantragt hatte, eine weitere Vorschußzahlung von 30.000 DM zur Verfügung gestellt. Die Zuwendung erfolgte "unter dem Vorbehalt der monatlichen Abrechnung des Notars über den gewährten Vorschuß gegenüber der Ländernotarkasse und unter der Prämisse, daß das Berufseinkommen des Notars im Kalenderjahr hinter der Eingangsbesoldung, die ein Richter ... der Besoldungsgruppe R 1 ... für eine zweimonatige Tätigkeit erhält, zurückbleibt." Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, einzelne geltend gemachte Berufsausgaben seien nicht oder nicht vollständig berücksichtigungsfähig. Auch begründete sie, warum sie die persönliche Alimentation des Antragstellers geringer als in Art. 15 der Organisationssatzung vorgesehen bei der Bemessung der Einkommensergänzung berücksichtigte. Weitere Vorbehalte oder Bezugnahmen auf frühere Vorbehalte enthielt der Bescheid nicht. Der Antragsteller erhielt den Betrag und wandte ihn für den Betrieb des Notariats auf. Soweit die Antragsgegnerin seinem Antrag der Höhe nach nicht entsprochen hatte, stellte er Antrag auf gerichtliche Nachprüfung, der vor dem Oberlandesgericht und in der Beschwerdeinstanz (vgl. den Beschluß des Senats vom 24. November 1997 - NotZ 42/96) erfolglos geblieben ist.

Mit Bescheid vom 14. Mai 1996 (4. Bescheid) lehnte die Antragsgegnerin einen weiteren Antrag auf Vorschußzahlung von 50.000 DM ab und führte im Tenor des Bescheids aus, daß "die abschließende Verbescheidung des Einkommensergänzungsantrags des Antragstellers für das Kalenderjahr 1996 ... gem. Art. 15 Abs. 1 der Satzung ... einer gesonderten Festsetzung vorbehalten" bleibe. Zur Begründung führte sie - ohne Einwände gegen die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Einkommensergänzung zu erheben - lediglich aus, daß die Einnahmen des Antragstellers in den Monaten Januar bis April 1996 unter Hinzurechnung einer 1996 erfolgten Rückvergütung von Notarabgaben aus dem Jahr 1991 und den bisherigen Vorschußzahlungen die Ausgaben des Antragstellers um mehr als 58.000 DM übersteigen würden und auch bei Anrechnung der persönlichen Alimentation von ca. 7.500 DM im Monat ein Überschußbetrag von mehr als 28.000 DM verbleibe. Im übrigen verwies die Antragsgegnerin darauf, daß sie bezüglich der Anrechnung von Bürokosten bei ihrem bisherigen Standpunkt verbleibe. Hiergegen stellte der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Nachprüfung, der vor dem Oberlandesgericht und in der Beschwerdeinstanz (vgl. den Beschluß des Senats vom 24. November 1997 - NotZ 40/96 - zur Veröffentlichung bestimmt) erfolglos geblieben ist.

Mit Bescheid vom 13. Juni 1996 (5. Bescheid) wurde dem Antragsteller "als weitere Vorschußzahlung ... auf eine zu erwartende Einkommensergänzung ein Betrag von 40.000 DM zur Abdeckung der zu tätigenden Berufsausgaben zur Verfügung gestellt. Diese Zuwendung erfolgte wie in dem Bescheid vom 22. April 1996 unter dem Vorbehalt der monatlichen Abrechnung, unterschied sich aber von jenem insoweit, als die Berechnung ohne Einschränkung von dem Berufseinkommen eines Richters der Besoldungsgruppe R 1 ausging. Die Begründung führte die Antragsgegnerin aus, daß einzelne Berufsausgaben nicht berücksichtigt werden könnten, daß aber die Alimentation in Höhe der Eingangsbesoldung eines Richters R 1 berücksichtigt sei. Vorbehalte zur Geltung der Einkommensergänzungssatzung enthielt der Bescheid nicht. Die Antragsgegnerin nahm aber "ergänzend" u.a. auf ihr Schreiben vom 6. Juni 1996 Bezug. In diesem Schreiben führte die Antragsgegnerin u.a. zur Bemessung der Höhe des Vorschusses nach § 12 Einkommensergänzungssatzung aus, daß die bei der endgültigen Abrechnung berücksichtigungsfähigen Berufsausgaben zu berücksichtigen seien und fuhr fort: "Für eine überhöhte Vorschußleistung, die diese Tatbestände nicht berücksichtigt, sondern "blind" die Finanzierungslücken des Antragstellers vorfinanziert, ist daher kein Raum. Allgemeinen Grundsätzen des Leistungsrechts entspricht es vielmehr, einen Vorschuß so zu begrenzen, daß die Notwendigkeit einer Erstattung nicht wahrscheinlich ist, und die Höhe der zu erwartenden Leistungen als für seine Bemessung maßgeblich anzusehen." Die Antragsgegnerin wies darauf hin, daß die Kosten der persönlichen Alimentation des Antragstellers, also der Berücksichtigung eines Richtergehalts nach der Besoldungsgruppe R 1 bei der Berechnung der Einkommensergänzung, bei der Vorschußgewährung bereits berücksichtigt seien, und fuhr fort: "Daß die Ländernotarkasse durch die Berücksichtigung dieser Alimentation nicht von der Hand zu weisende Bedenken gegen eine vorbehaltlose Anwendung der Einkommensergänzungssatzung in Ihrer besonderen Situation als der eines vorläufig des Amtes enthobenen Notars, ausschließlich zu Ihren Gunsten aber ohne Präjudiz für eine endgültige Abrechnung (!) zurückgestellt hat, ist Ihnen aufgrund der mit Ihnen geführten Gespräche und des ausführlichen Schriftverkehrs bekannt."

Der Antragsteller erhielt aus dem bewilligten Vorschuß in Höhe von 40.000 DM einen Betrag von 29.682,35 DM ausbezahlt und verwandte ihn für das Notariat. In Höhe von 10.317,65 DM hatte die Antragsgegnerin Gehaltsansprüche von Mitarbeitern des Antragstellers direkt bezahlt.

In den Monaten Juni, Juli und August 1996 erbrachte die Antragsgegnerin darüberhinaus ohne förmliche Bescheide Lohnleistungen von insgesamt 37.942,50 DM direkt an die Mitarbeiter des Antragstellers.

Mit Bescheid vom 12. August 1996 (6. Bescheid) lehnte die Antragsgegnerin einen Antrag auf weitere Vorschußzahlung von 70.000 DM ab, gab dem Antragsteller auf, sich zur personellen Ausstattung seines Notariats zu äußern und behielt die abschließende Verbescheidung einer gesonderten Festsetzung vor. Zur Begründung führte sie aus, daß der Antragsteller seiner Mitwirkungs- und Darlegungspflicht nach § 11 Abs. 2 und 3 der Einkommensergänzungssatzung nicht nachkomme, gab eine erneute Antragstellung nach Abgabe eines Berichtes über die Fortführung des Notariats anheim und behielt sich "eine Berücksichtigung der Vorschrift des § 92 BDO im Rahmen der Abschlußberechnung der nach beamtenrechtlichen Alimentationsgrundsätzen gewährten Einkommensergänzung vor". Hiergegen stellte der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Nachprüfung, der vor dem Oberlandesgericht und in der Beschwerdeinstanz (vgl. den Beschluß des Senats vom 24. November 1997 - NotZ 43/96) erfolglos geblieben ist.

Mit Bescheid vom 2. Oktober 1996 (7. Bescheid) lehnte die Antragsgegnerin einen Antrag auf weitere Vorschußzahlung von 70.000 DM ab und begründete dies unter Hinweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 24. September 1996 in erster Linie damit, daß dem Antragsteller wegen des Verbots der Amtsführung ein Anspruch auf Einkommensergänzung nicht zustehe. Ergänzend verwies sie darauf, daß dem Antragsteller unter Berücksichtigung der drei im Jahr 1996 erfolgten Rückvergütungen aus der Notarabgabe von insgesamt 168.679 DM und der Vorschüsse von insgesamt 192.942,50 DM bereits 107.134,85 DM über den Bedarf hinaus bezahlt worden seien.

Am 1. November 1996 setzte die Antragsgegnerin mit einem "Abrechnungs- und Leistungsbescheid zur Einkommensergänzung" gegen den Antragsteller gemäß § 12 Abs. 2 der Einkommensergänzungssatzung Zahlungsansprüche von 192.942,50 DM zur sofortigen Zahlung fest. Zur Begründung führte sie einleitend aus: "Die endgültige Berechnung der Einkommensergänzung hat ergeben, daß Ihnen Leistungen nach der Einkommensergänzungssatzung der Ländernotarkasse nicht zustehen, weil Sie aus rechtlichen Gründen nicht anspruchsberechtigt sind. Die Ihnen auf der Grundlage von Vorschußleistungen gewährten Leistungen der Einkommensergänzung sind vollständig an die Ländernotarkasse zurückzuzahlen." Dies begründete sie sodann damit, daß die Satzung nur von der Anspruchsberechtigung eines amtierenden Notars ausgehe und eine - auch analoge - Anwendung auf einen Notar, dem vorläufig die Amtsführung untersagt ist, nicht in Betracht käme.

Gegen den Leistungsbescheid hat sich der Antragsteller rechtzeitig mit dem Antrag auf gerichtliche Nachprüfung gewandt und zur Begründung ausgeführt, die Rückforderung sei rechtswidrig, da ihm ein Anspruch auf Einkommensergänzung zustehe, und die Rückforderung als Rücknahme der Bewilligungsbescheide gegen § 48 Abs. 2 VwVfG verstieße; keinesfalls lägen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG vor. Er hat die Aufhebung des Bescheides und die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides beantragt.

Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung der Anträge beantragt und dazu ausgeführt, bei den Zahlungen habe es sich um reine Vorschußzahlungen, um vorläufige Verwaltungsakte gehandelt, die unter dem Vorbehalt endgültiger Abrechnung, insbesondere der Bedürftigkeit ergangen seien; bedürftig sei aber nur, wer ein subjektiv öffentliches Recht auf Leistungsgewährung habe.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf gerichtliche Nachprüfung durch Beschluß vom 30. Dezember 1996 mit der Begründung zurückgewiesen, der angegriffene Bescheid sei auf der Grundlage von § 12 Abs. 2 der Einkommensergänzungssatzung, neben der § 48 Abs. 2 VwVfG keine Anwendung finde, zurecht ergangen.

Die Beschwerde des Antragstellers hatte Erfolg.

Gründe:

1. Der angegriffene Leistungsbescheid findet in § 12 Abs. 2 der Einkommensergänzungssatzung keine Grundlage. Die Vorschrift setzt eine "endgültige Berechnung der Einkommensergänzung" voraus. Eine solche konnte nicht stattfinden, da dem Antragsteller als Notar, dem nach § 16 Abs. 4 NotVO die Amtsführung untersagt worden ist, ein Anspruch auf Einkommensergänzung gegen die Antragsgegnerin nicht zustand (Senat, Beschluß vom 24. November 1997 - NotZ 40/96 - zur Veröffentlichung bestimmt).

2. Auch ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch steht der Antragsgegnerin nicht zu. Es handelt sich bei dem Leistungsbescheid - soweit er die Berechtigung des Antragstellers dem Grunde nach betrifft - nicht um einen Endbescheid, mit dem die vorangegangenen sieben Bescheide der Antragsgegnerin ihre Erledigung im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG gefunden hätten. Diese Vorschußbescheide sind insoweit entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts nicht lediglich vorläufige Verwaltungsakte, deren Regelungswirkung mit dem Erlaß einer endgültigen Entscheidung über die Einkommensergänzung erschöpft wäre.

a) Das Bedürfnis (auch) der leistungsgewährenden Verwaltung, in dringlichen Fällen eine verbindliche Regelung unter dem Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung treffen zu können, ist anerkannt. Ihm kann auf verschiedene Weise Rechnung getragen werden (vgl. BVerwGE 67, 99, 101 f.). Eine der Möglichkeiten ist der "vorläufige Verwaltungsakt", ein Verwaltungsakt mit inhaltlich begrenzter Regelungswirkung, der bei der Gewährung einer Zuwendung lediglich einen vorläufigen Rechtsgrund für die Entgegennahme und das Behaltendürfen der Leistung schafft, unter dem Vorbehalt späterer endgültiger Entscheidung steht und so nur bis zu deren Erlaß von Bedeutung ist. Wird in der endgültigen Entscheidung die Zuwendung versagt, so endet der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Zuwendung allein deswegen, weil mit dem Erlaß der endgültigen Entscheidung als solcher die Regelungswirkung der vorläufigen Entscheidung erschöpft ist (vgl. OVG Münster NVwZ 1991, 588). Der Sinn und Zweck einer solchen Regelung liegt darin, daß die Behörde auch im Interesse des Antragstellers über Zuwendungen aufgrund einer nur vorläufigen Prüfung schnell entscheiden kann, ohne für den Fall einer Zuvielleistung bei deren Rückforderung durch die Aufhebungserschwernisse des § 48 VwVfG eingeschränkt zu sein. Der Antragsteller hat den Vorteil der Rechtzeitigkeit der Leistung, trägt aber auch das Risiko eines für ihn ungünstigen Ergebnisses aufgrund genauerer Prüfung der Behörde (Schimmelpfennig, BayVBl 1989, 69, 70). Ob und in welchem Umfang ein solcher vorläufiger Verwaltungsakt anerkannt werden kann, hängt von der dem Bescheid zugrundeliegenden Norm und dem Inhalt des Bescheides ab.

b) Die Antragsgegnerin hat ihre Rückforderung damit begründet, dem Antragsteller stünde schon dem Grunde nach ein Anspruch nicht zu. Nach dem Inhalt der vorangegangenen Bescheide hat die Antragsgegnerin ihre Leistungen jedoch nicht unter dem Vorbehalt erbracht, daß auch eine genauere rechtliche Prüfung des im Tatsächlichen weiterer Aufklärung nicht bedürftigen Sachverhalts die grundsätzliche Berechtigung des Antragstellers zum Erhalt von Einkommensergänzung oder anderen Leistungen bestätigen würde. Dies wäre ihr auch aus Rechtsgründen verwehrt. Die jeweils im Tenor der Bescheide gemachten Vorbehalte bezogen sich auf die Erfüllung der Nachweispflichten des Antragstellers und das tatsächliche Zurückbleiben der Einnahmen hinter den Ausgaben, bezogen sich also nur auf die materiellen Regelungen und die Verfahrensregelungen in der Organisationssatzung und der Einkommensergänzungssatzung. Aus den Begründungen geht im übrigen hervor, daß die Antragsgegnerin von Anfang an ihre Leistungspflicht dem Grunde nach bejaht hat. In den ersten beiden Bescheiden hat sie ihre Leistungspflicht - unbeschadet von Bedenken gegen die Anwendung der Einkommensergänzungssatzung - zumindest hinsichtlich des durch die Fortführung des Bürobetriebs notwendigen Aufwandes bejaht. Diese Beschränkung hat sie in den weiteren Bescheiden nicht aufrechterhalten, sondern ausdrücklich auch die persönliche Alimentation des Antragstellers mit aufgenommen. Mit den Ausführungen zur Anrechenbarkeit einzelner Berufsausgaben hat sich die Antragsgegnerin mit der Höhe des Anspruchs und nicht mit dessen Bestehen auseinandergesetzt. Auch die Erläuterungen zur Höhe der Vorschüsse in dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 6. Juni 1996 zeigen, daß die Frage einer Berechtigung dem Grunde nach nicht im Streit war. Einen anderen Eindruck konnten auch nicht die formelhaften Hinweise in den Bescheiden Nr. 4 und 6 auf eine abschließende Verbescheidung des Antrags durch gesonderte Festsetzung erwecken, nachdem dort die Ablehnung weiterer Leistungen jeweils nicht mit Zweifeln an der Leistungsberechtigung des Antragstellers dem Grunde nach, sondern mit Abrechnungen zur Höhe von Einnahmen und Ausgaben begründet war. Erst der 7. Bescheid vom 2. Oktober 1996 stellte - erkennbar beeinflußt von der kurz zuvor ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts D. - auf die generelle (Nicht)Berechtigung des Antragstellers ab. Dies ist aber für die Beurteilung der vorangegangenen Bescheide nicht mehr erheblich.

3. Der angegriffene Leistungsbescheid findet auch keine Rechtfertigung in den Grundsätzen über die Rücknahme rechtwidriger Verwaltungsakte. § 48 VwVfG ist zwar in berufsrechtlichen Angelegenheiten der Notare nicht unmittelbar anzuwenden (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG; Kopp, VwVfG 6. Aufl. § 2 Rdn. 51), doch kann auf diese Regelungen, da sie Ausdruck allgemeiner, im Rechtsstaatsprinzip angesiedelter Rechtsgedanken sind (Kopp, aaO § 48 Rdn. 1 m.w.Nachw.), auch im vorliegenden Zusammenhang zurückgegriffen werden.

a) Die Vorschußbescheide waren rechtswidrig, da dem Antragsteller, dem die Amtsführung vorläufig untersagt war, Ansprüche nach der Einkommensergänzungssatzung nicht zustanden (Senat, Beschluß vom 24. November 1997 - NotZ 40/96 - zur Veröffentlichung bestimmt).

b) Die Rücknahme der jeweils eine einmalige Geldleistung gewährenden Vorschußbescheide scheitert jedoch daran, daß der Antragsteller zumindest in dem Umfang auf den Bestand der Vorschußbescheide vertraut hat, als in ihnen zum Ausdruck gekommen ist, der Antragsteller habe jedenfalls dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen, die in ihrer Höhe lediglich Einzelbeanstandungen ausgesetzt und vom Ergebnis der Einnahmen und Ausgaben im gesamten Abrechnungszeitraum abhängig seien. In diesem Umfang ist das Vertrauen des Antragstellers unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme auch schutzwürdig. Der Antragsteller hat die ihm gewährten Leistungen für den Betrieb des Notariats verwendet und damit verbraucht (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG). Dieser Verbrauch diente der Aufrechterhaltung des Bürobetriebes seines Notariats und lag damit - jedenfalls auch - im öffentlichen Interesse. Umstände, deretwegen sich der Antragsteller auf sein Vertrauen in den Bestand der Vorschußbescheide nicht berufen könnte, liegen nicht vor. In Betracht käme nur die Kenntnis oder grob fahrlässige Nichtkenntnis der Rechtswidrigkeit der Bescheide (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG). Der Senat vermag nicht festzustellen, daß der Antragsteller die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsakte gekannt hat oder ohne Mühe hätte erkennen können, also lediglich einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat. Auch im übrigen sind keine Umstände erkennbar, die geeignet wären, das Vertrauen des Antragstellers schutzunwürdig erscheinen zu lassen. Die Antragsgegnerin hat durch den Wortlaut ihrer Vorschußbescheide das Vertrauen des Antragstellers selbst begründet. Dabei ist zugunsten des Antragstellers auch zu berücksichtigen, daß die Antragsgegnerin nur ihre eigenen Vorschriften auszulegen hatte und eine Entscheidung erst traf, nachdem aufgrund von Anträgen des Antragstellers das Oberlandesgericht die Frage der Anwendbarkeit der Einkommensergänzungssatzung auf den vorliegenden Fall entschieden hatte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 25 Abs. 4 NotVO, § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO, § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG. Die Auferlegung der Auslagen auf die Antragsgegnerin entspricht der Billigkeit.

Ende der Entscheidung

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