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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.03.2007
Aktenzeichen: NotZ 42/06
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 39
Die Aufsichtsbehörde hat bei ihrer Entscheidung, ob sie dem Notar auf seinen Antrag einen nicht ständigen Vertreter bestellt und wem sie die Vertretung überträgt, dem Vorschlagsrecht des Notars und seinem Interesse, den Betrieb seines Notariats während der Zeit seiner Verhinderung möglichst störungsfrei aufrechtzuerhalten, ein erhebliches Gewicht zu geben (Abgrenzung zu dem Senatsbeschluss vom 9. Januar 1995 - NotZ 6/93 - DNotZ 1996, 186).
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 42/06

vom 26. März 2007

in dem Verfahren

wegen Vertreterbestellung

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Schlick, den Richter Streck und die Richterin Dr. Kessal-Wulf sowie die Notarin Dr. Doyé und den Notar Eule am 26. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Naumburg vom 4. September 2006 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Antragsgegners vom 2. Juni 2006 rechtswidrig gewesen ist.

Der Antragsgegner hat die der Antragstellerin entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin, eine hauptberufliche Notarin mit Amtssitz in H. , plante für den Sommer 2006 einen dreiwöchigen Urlaub. Der Antragsgegner bestellte ihr zwar antragsgemäß für die 24. Kalenderwoche an drei und für die 26. Kalenderwoche an zwei Arbeitstagen einen Notarassessor als Vertreter, lehnte es aber mit Bescheid vom 2. Juni 2006 ab, für die Zeit vom 19. bis 23. Juni 2006 (25. Kalenderwoche) ihren Vater, einen Leitenden Oberstaatsanwalt a.D., zu ihrem Vertreter zu bestellen. Zur Begründung führte der Antragsgegner an, zwar handele es sich bei dem Vater der Antragstellerin um eine grundsätzlich als vorübergehender Vertreter geeignete Person. Vorliegend sei sein - des Antragsgegners - Auswahlermessen jedoch durch Nr. 14 Abs. 3 der Ausführungsverordnung des Ministeriums der Justiz vom 3. Dezember 1998 (JMBl. S. 499; im Folgenden: AV Not) eingeschränkt, wonach zum Vertreter in der Regel nur ein Notar, ein Notarassessor aus dem Vorbereitungsdienst des Landes Sachsen-Anhalt oder ein Notar a.D. bestellt werden solle. Die Bestellung anderer zum Richteramt befähigter Personen komme nur in Betracht, wenn die Notarkammer bescheinige, dass in ihrem Bezirk zur Vertretung geeignete Personen nicht zur Verfügung stünden. Diese Bescheinigung habe die Notarkammer jedoch nicht erteilt, sondern ausgeführt, dass ein anderer in H. amtierender Notar sich bereit erklärt habe, die Vertretung zu übernehmen, und dass sie darüber hinaus bereit sei, für einen Tag einen Notarassessor abzuordnen.

Den hiergegen gerichteten, nach dem Verstreichen der Urlaubszeit in der Hauptsache erledigten und auf die Feststellung, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig gewesen sei, umgestellten Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht - Senat für Notarsachen - zurückgewiesen. Diese Entscheidung greift die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde an.

II.

Die nach § 111 Abs. 4 Satz 1 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Feststellungsantrag der Antragstellerin ist, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, im Verfahren nach § 111 BNotO als Fortsetzungsfeststellungsantrag entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2002 - NotZ 11/02 - NJW-RR 2003, 270 m.w.N.). Denn die Antragstellerin wäre sonst in ihren Rechten beeinträchtigt, und die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG könnte andernfalls leerlaufen. Durch die begehrte Feststellung wird eine Rechtsfrage geklärt, die sich dem Antragsgegner bei künftigen Anträgen der Antragstellerin auf Bestellung ihres Vaters als Notarvertreter - was sie auch in Zukunft beabsichtigt - stellen wird.

2. Der Feststellungsantrag der Antragstellerin ist auch begründet. Der Bescheid des Antragsgegners vom 2. Juni 2006 war ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig.

a) Die Aufsichtsbehörde entscheidet über den Antrag des Notars, ihm gemäß § 39 Abs. 1 und Abs. 3 BNotO einen Vertreter zu bestellen, nach pflichtgemäßem Ermessen; der Notar hat keinen Rechtsanspruch auf Bestellung eines Vertreters. Vielmehr hat die Aufsichtsbehörde ein Entschließungsermessen, ob sie bei Verhinderung des Notars überhaupt einen Vertreter bestellt, und ein Auswahlermessen hinsichtlich der Person des Vertreters. Bei der Entscheidung über die Auswahl des Vertreters hat sie die allgemeinen Grundsätze des Notarwesens und gemäß § 39 Abs. 3 Satz 3 BNotO das Vorschlagsrecht des Notars zu beachten (Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2002 aaO m.w.N.).

b) Dass der Vater der Antragstellerin als Leitender Oberstaatsanwalt a.D. und auch ehemaliger Richter die Befähigung zum Notaramt (vgl. § 39 Abs. 3 Satz 1 BNotO; Senatsbeschluss vom 9. Januar 1995 - NotZ 6/93 - DNotZ 1996, 186) hatte, ist außer Streit.

c) Zu Unrecht hat sich der Antragsgegner durch Ziffer 14 Abs. 3 AV Not gehindert gesehen, den Vater der Antragstellerin zu deren Vertreter zu bestellen. Nach dieser Verwaltungsvorschrift soll zum Vertreter in der Regel nur ein Notar, ein Notarassessor aus dem Vorbereitungsdienst des Landes oder ein Notar a.D. bestellt werden, die nicht als Mitarbeiter bei einem Notar beschäftigt sind. Die Bestellung anderer zum Richteramt befähigter Personen kommt danach nur in Betracht, "wenn die Notarkammer bescheinigt, dass in ihrem Bezirk zur Vertretung nach Satz 1 geeignete Personen nicht zur Verfügung stehen".

Daraus ergab sich indessen kein Hindernis für die Aufsichtsbehörde, sich im konkreten Fall dazu zu entschließen, im Wege einer (Ausnahme-)Entscheidung den Vater der Antragstellerin zu deren Vertreter zu bestellen.

aa) Zwar ist es entgegen der Beschwerde grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die Justizverwaltung durch die in Rede stehende Ausführungsvorschrift ihr (Auswahl-)Ermessen allgemein dahin gebunden hat, dass im Regelfall der - auch der nicht ständige - Notarvertreter nur aus dem genannten engen (unmittelbar berufsbezogenen) Personenkreis genommen werden soll. Das entspricht dem Leitbild des § 39 Abs. 3 Satz 2 BNotO für den Fall der ständigen Vertretung eines Notars.

bb) Ermessenssteuernde Verwaltungsvorschriften wie die AV Not sind aber, wie auch die vorliegende Bestimmung ausdrücklich betont, auf den "Regelfall" zugeschnitten. Weist ein Fall wesentliche Besonderheiten auf, muss die Behörde das bei ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigen und gegebenenfalls von der Richtlinie abweichend entscheiden (Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2002 aaO S. 270 f.; BVerwG NJW 1991, 650, 651). Diesen Besonderheiten hat der Antragsgegner sich im Streitfall ohne ausreichende Gründe verschlossen.

(1) Der Umstand, dass die Notarkammer es hier abgelehnt hatte, gemäß Ziffer 14 Abs. 3 Satz 2 AV Not zu bescheinigen, dass in ihrem Bezirk zur Vertretung geeignete Personen aus dem besonders bevorzugten Personenkreis nicht zur Verfügung stehen, konnte dem Streitfall schon deshalb kein Hindernis, eine andere zum Richteramt befähigte Person zum Notarvertreter zu bestellen, darstellen, weil nach dem im Wesentlichen unbestrittenen Vorbringen der Antragstellerin durch die Vertretungsmaßnahmen, die die Notarkammer der Antragstellerin in der 25. Kalenderwoche 2006 hätte vermitteln können (einen Notarassessor für einen Tag; einen zur Vertretung in dringlichen Fällen bereiten anderen amtierenden Notar in H. ) nicht gewährleistet gewesen wäre, dass der Betrieb im Notariat der Antragstellerin auch nur annähernd so hätte aufrecht erhalten werden können wie während der Zeit der Anwesenheit der Antragstellerin.

Ob bei einer solchen Sachlage wirklich noch behauptet werden durfte, es stünden - in dem maßgeblichen Zeitraum, bezogen auf den Betrieb des Notariats der Antragstellerin - "zur Vertretung geeignete" Notare, Notarassessoren oder Notare a.D. "zur Verfügung", erscheint schon begrifflich bedenklich.

(2) Entscheidend ist, dass - für den Antragsgegner erkennbar - ungeachtet der Erklärung der Notarkammer durch die der Antragstellerin angebotenen Maßnahmen die Aufrechterhaltung eines (annähernd) vollständigen Bürobetriebs im Notariat der Antragstellerin nicht gewährleistet war. In einer solchen Situation kommt -- auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des Notarwesens - dem Vorschlagsrecht des Notars, der sein Notariat den Rechtsuchenden für die Zeit seiner Verhinderung möglichst störungsfrei zur Verfügung stellen will und in dessen ureigenstem Interesse es liegt, niemand als Vertreter vorzuschlagen, der dafür nicht geeignet ist (Senatsbeschluss vom 31. Juli 2000 - NotZ 12/00 - NJW-RR 2001, 784, 785), ein erhebliches Gewicht zu. Dieses zu beachten, ist der Aufsichtsbehörde durch Nr. 14 Abs. 3 AV Not nicht verwehrt.

(3) Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 9. Januar 1995 (aaO), auf den der Antragsgegner wie auch die Vorinstanz für ihre gegenteilige Sicht maßgeblich abgestellt haben, steht der vorliegenden Beurteilung im Streitfall nicht entgegen. In dieser Entscheidung ist zwar ausgesprochen worden, es könne sachgerecht sein, auch zur zeitweiligen Vertretung eines Notars vorrangig nur einen bestimmten Personenkreis zu bestellen, selbst wenn auf diese Weise in der Regel nicht mehr als eine Dringlichkeitsvertretung gewährleistet sei. Der damalige Fall betraf aber unmittelbar nur die Zielsetzung der Justizverwaltung, die im Interesse einer geordneten Rechtspflege erforderliche Abgrenzung zwischen dem Leitbild des hauptberuflichen Notars und dem des Rechtsanwalts zu wahren; übrigens mit der Folge, dass der Bundesgerichthof in dem zitierten Beschluss auch Richter a.D. als zu dem vorrangig zu Notarvertretern zu bestellenden Personenkreis gehörig bezeichnet hat. Die Entscheidung vom 9. Januar 1995 (aaO) beruht im Übrigen auf der Grundlage, dass (nur) für eine Übergangszeit den Notaren in den neuen Bundesländern eine Vertretungsregelung zuzumuten sei, die nicht bei allen Verhinderungen die Aufrechterhaltung eines vollständigen Bürobetriebs bezwecke.

Ende der Entscheidung

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