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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.11.2007
Aktenzeichen: NotZ 73/07
Rechtsgebiete: BNotO, ZPO


Vorschriften:

BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1
BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2
BNotO § 54 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 807
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 73/07

Verkündet am: 26. November 2007

in dem Verfahren

wegen vorläufiger Amtsenthebung

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Galke und Dr. Herrmann sowie die Notare Dr. Lintz und Eule

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 2. Notarsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. März 2007 - 2 Not 12/06 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 25.000 €

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist seit 1974 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und seit 1985 zum Notar mit Amtssitz in K. bestellt.

Der Präsident des Landgerichts enthob den Antragsteller mit Verfügung vom 27. Oktober 2006 vorläufig seines Amtes als Notar, weil seine wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdeten (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 und 2 BNotO). Das Oberlandesgericht hat das hiergegen gerichtete Gesuch des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller weiterhin sein Begehren, die Verfügung des Präsidenten des Landgerichts vom 27. Oktober 2006 aufzuheben.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Die Voraussetzungen für eine vorläufige Amtsenthebung des Antragstellers gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2, § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 und 2 BNotO sind gegeben. Der Antragsgegner hat bei seiner Entscheidung auch weder die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten noch dieses in einer nicht dem Zweck des § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNotO entsprechenden Weise ausgeübt (vgl. § 111 Abs. 1 Satz 3 BNotO).

Durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers werden in Verbindung mit der Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet.

1. Eine Zerrüttung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Notars, durch die die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet werden, ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn gegen ihn Zahlungsansprüche in erheblicher Größenordnung bestehen oder gerichtlich geltend gemacht werden, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen ihn erlassen, fruchtlose Pfändungsversuche unternommen, Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 807 ZPO eingeleitet oder Haftbefehle zur Erzwingung dieser Versicherung gegen ihn erlassen worden sind. Dies gilt insbesondere, wenn die Abtragung einer erheblichen Schuldenlast nicht innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes zu erwarten ist. Schon als solche nicht hinnehmbar ist im Übrigen eine Wirtschaftsführung des Notars, die Gläubiger dazu zwingt, wegen berechtigter Forderungen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen. Ohne Belang ist dabei, ob diese Zwangsmaßnahmen wegen schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse, Vermögenslosigkeit oder Überschuldung des Notars erforderlich werden (vgl. Senat, Beschluss vom 20. März 2006 - NotZ 50/05 - ZNotP 2006, 269 Rn. 5 m.w.N.).

Derartige Umstände belegen in aller Regel die von § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO vorausgesetzte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden. Die Verschuldung eines Notars gefährdet seine Integrität und stellt seine Unabhängigkeit in Frage. Sie lässt besorgen, dass er fremde Vermögensinteressen nicht mit der gebotenen Sorgfalt wahrnimmt und Versuchen Dritter, seine Amtsführung sachwidrig zu beeinflussen, nicht mit dem erforderlichen Nachdruck entgegentreten will oder kann. Darüber hinaus begründen Zahlungsschwierigkeiten des Notars und insbesondere gegen ihn geführte Maßnahmen der Zwangsvollstreckung die Gefahr, dass er etwa Kostenvorschüsse nicht auftragsgemäß verwendet oder gar zur Tilgung eigener Schulden auf ihm treuhänderisch anvertraute Gelder zurückgreift. Eine solche abstrakte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden genügt. Es ist nicht erforderlich, dass sich bereits in einem konkreten Fall Anhaltspunkte ergeben haben, der Notar könnte aufgrund seiner wirtschaftlichen Zwangslage sachwidrigen Einflüssen auf seine Amtsführung nicht entgegengetreten sein oder habe gar Fremdgelder weisungswidrig für sich verbraucht. Dies folgt daraus, dass die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden in den beiden ersten Tatbestandsvarianten des § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO nur allgemein aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Notars bzw. der Art seiner Wirtschaftsführung resultieren muss, während die dritte tatbestandliche Alternative dieser Vorschrift demgegenüber gerade an konkrete Amtstätigkeiten des Notars anknüpft, indem sie als Amtsenthebungsgrund die durch die Durchführung von Verwahrungsgeschäften bedingte Gefährdung der Rechtsuchenden normiert. Hinzu kommt, dass die Interessen der Rechtsuchenden auch ohne Zutun des Notars durch ausgebrachte Vollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger beeinträchtigt werden können; denn es sind ohne weiteres Fallgestaltungen denkbar, in denen seine Gläubiger auf ihm anvertraute Fremdgelder Zugriff nehmen können, bevor sie auf ein Notaranderkonto eingezahlt sind (vgl. Senatsbeschluss aaO Rn. 6).

2. Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 und 2 BNotO erfüllt sind, ergibt sich aus den folgenden Tatsachen.

a) Gegen den Antragsteller sind, wie sich aus dem unstreitigen Akteninhalt, insbesondere aus der Verfügung des Präsidenten des Landgerichts vom 27. Oktober 2006 ergibt, folgende Maßnahmen der Zwangsvollstreckung ergangen:

- Das Amtsgericht K. erließ am 16. April 2003 auf Antrag der W. ............. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen einer Hauptforderung in Höhe von 75,25 € (620 M 21878/03).

- Das Amtsgericht K. erließ am 2. Dezember 2003 auf Antrag der E. GmbH einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen einer Hauptforderung in Höhe von 12.224,54 € (620 M 25826/03).

- Das Amtsgericht K. erließ am 21. Mai 2004 auf Antrag der I. GmbH einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen einer Hauptforderung in Höhe von 9.751,26 € (620 M 22669/04).

- Das Amtsgericht K. erließ am 12. August 2004 auf Antrag der K. Sparkasse einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen einer Hauptforderung in Höhe von 100.000 € (620 M 23653/04).

- Das Amtsgericht K. ordnete am 30. Mai 2006 auf Antrag der K. Sparkasse die Zwangsverwaltung an über den dem Antragsteller gehörenden Miteigentumsanteil von 541,72/10.000 an dem Grundstück ....................., K. , eingetragen im Grundbuch von K. ; es ging um die Vollstreckung eines der K. Sparkasse gegen den Antragsteller zustehenden dinglichen Anspruchs aus einer vollstreckbaren Urkunde in Höhe von 383.468,91 € nebst 18 % Zinsen seit dem 13. Januar 1993 (640 L 36/06).

- Das Amtsgericht K. ordnete am 26. Juni 2006 auf Antrag der K. Sparkasse gegen den Antragsteller und die D. GmbH & Co. Immobilien KG die Zwangsversteigerung über deren jeweilige Miteigentumsanteile an dem Grundstück ...................., K. , eingetragen im Grundbuch von Ki. an; es ging um die Vollstreckung eines der K. Sparkasse gegen die vorgenannten Schuldner zustehenden dinglichen Anspruchs aus einer vollstreckbaren Urkunde in Höhe von 511.291,88 € nebst 14 % Zinsen seit dem 4. Mai 2000 (K 146/06). Durch Beschluss vom selben Tag ordnete das Amtsgericht K. ferner die Zwangsverwaltung an.

- Das Amtsgericht K. erließ am 26. Oktober 2006 auf Antrag der T. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen einer Hauptforderung in Höhe von 1.311,42 € (620 M 6404/06).

- Das Amtsgericht K. erließ am 2. November 2006 auf Antrag von A. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen einer Forderung in Höhe von 15.321,87 € (620 M 6622/06).

- Weitere Zwangsvollstreckungsverfahren (620 M 2042/06 und 620 M 3682/06 jeweils Amtsgericht K. ) wurden laut Mitteilung des Amtsgerichts K. vom 18. Juli 2006 von K. und von der K. Sparkasse gegen den Antragsteller betrieben.

- Die K. Sparkasse betrieb aus der Urkunde Nr. 275/2001 des Notars B. die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (DR II 1063/06 der Gerichtsvollzieherin K. ).

- Das Amtsgericht K. erließ im Laufe des Beschwerdeverfahrens am 11. Juli sowie am 2. und 14. August 2007 drei weitere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen den Antragsteller.

Die drei zuerst genannten Zwangsvollstreckungsverfahren sollen nach dem - allerdings weder durch Quittungen noch sonst belegten - Vorbringen des Antragstellers erledigt sein; die "Zwangsvollstreckungssache der Sparkasse vom 12.08.2004" soll von der Sparkasse "zurückgenommen" worden sein. Das ändert indes nichts daran, dass der Antragsteller - sogar unter dem Druck des Enthebungsverfahrens - nicht imstande war und ist, selbst geringere, bereits titulierte Verbindlichkeiten zu erfüllen.

b) Hauptgläubiger des Antragstellers ist die K. Sparkasse mit offenen Forderungen über insgesamt ca. 1,2 Mio. €. Es ist auch nach dem Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren nicht ersichtlich, wie er diese Verbindlichkeiten erledigen oder zumindest im Rahmen eines Ratenzahlungsplans geordnet zurückführen könnte.

aa) Nach den mit der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen im angefochtenen Beschluss ist eine Entlastung des Antragstellers durch die von ihm gegen die K. Sparkasse erhobene Vollstreckungsgegenklage nicht zu erwarten. Ob die, von dem Antragsteller erhoffte und mit Schriftsatz vom 25. November 2007 nochmals in Aussicht gestellte Umschuldung stattfinden kann, ist völlig offen (weshalb auch dem Antrag auf Terminsverlegung nicht zu entsprechen war). Der Antragsteller hat nicht einmal dargelegt, wie und aus welchem Einkommen er die auch bei einer Umschuldung verbleibenden Zins- und Tilgungslasten bewältigen könnte.

bb) In der Beschwerdebegründung verweist der Antragsteller auf den am 21. März 2007 erfolgten Verkauf einer Eigentumswohnung auf S. - den für die D. GmbH & Co. Immobilien KG eine vollmachtslose Vertreterin abgeschlossen hat; eine genehmigte Erklärung liegt bislang nicht vor - zum Preis von 190.000 €. Jedoch besteht kein Anhalt, dass der Antragsteller den Kaufpreis, der vertragsgemäß zur Ablösung von auf der Immobilie ruhenden Belastungen zu verwenden ist, überhaupt oder zu Teilen empfangen hätte oder in Kürze empfangen wird. Der allenfalls zu erwartende Betrag von 190.000 € würde die bei der K. Sparkasse bestehenden Verbindlichkeiten im Übrigen nur geringfügig auf ca. 1 Mio. € senken. Angesichts der - durch die laufend gegen den Antragsteller betriebenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen belegten - Einkommensenge muss davon ausgegangen werden, dass er auch die verringerten Verbindlichkeiten nicht vertragsgemäß bedienen kann. Für eine weitere Schuldentilgung, eine Raten- oder Umschuldungsvereinbarung sieht der Antragsteller selbst keine Grundlage angesichts der "nicht einfachen wirtschaftlichen Gegebenheiten auf dem Immobilienmarkt in K. "; konkrete Finanzierungszusagen, die ihm Umschuldungen oder Ratenvereinbarungen ermöglichen könnten, kann er nicht benennen.

Ende der Entscheidung

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