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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: NotZ 76/07
Rechtsgebiete: BNotO
Vorschriften:
BNotO § 111 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 19. September 2007
in dem Verfahren
wegen Bestellung zum Notar
Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Galke und Dr. Herrmann sowie die Notare Dr. Lintz und Eule am 19. September 2007
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 2. Notarsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. März 2007 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Antragsgegner sowie dem weiteren Beteiligten die in dem Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 50.000 €.
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist Rechtsanwalt in X . Er bewarb sich um die im Justiz-Ministerial-Blatt für Hessen ............ ausgeschriebene Stelle für einen Notar in der Stadt Y (Amtsgerichtsbezirk X ). Außer ihm bewarb sich unter anderem der weitere Beteiligte.
Der Antragsteller hatte sich auf die angestrebte Notarstelle durch den Besuch zahlreicher Fortbildungsveranstaltungen vorbereitet; Urkundsgeschäfte hatte er allerdings kaum getätigt. Der weitere Beteiligte, ebenfalls Rechtsanwalt in Hessen, hatte die Ausbildung zum württembergischen Notar im Landesdienst (Bezirksnotar) erfolgreich durchlaufen; das Erbrecht bildete einen Schwerpunkt seiner anwaltlichen Tätigkeit.
Der Antragsgegner hatte die persönliche und fachliche Eignung des Antragstellers und des weiteren Beteiligten auf der Grundlage des Runderlasses des Ministeriums der Justiz und für Europaangelegenheiten vom 25. Februar 1999 (JMBl. S. 222), geändert durch Runderlass des Ministeriums der Justiz vom 10. August 2004 (JMBl. S. 323 - im Folgenden: Runderlass 2004), bewertet. Unter Anwendung des in Abschnitt A II Nr. 3 Runderlass 2004 niedergelegten Punktesystems hatte er für die fachliche Eignung des Antragstellers einen Punktwert von 161,95, für den weiteren Beteiligten einen Punktwert von 131,9 ermittelt. Ein Vergleich der Punktwerte im Einzelnen ergibt folgendes Bild:
Bewerber | weiterer Beteiligter | Antragsteller |
Rang | 2 | 1 |
2. Staatsexamen | 36,4 | 42,85 |
RA-Tätigkeit | 43,5 | 45 |
Fortbildungen | 7 | 72,5 |
Beurkundungen | 39 | 1,6 |
Sonderpunkte; - für Notarausbildung 3 Punkte; - für VÖ/Tät. Erbrecht 3 Punkte | 6 | 0 |
Summe | 131,9 | 161,95 |
Gestützt auf diese Bewertung unterrichtete der Antragsgegner durch Verfügung vom 11. März 2005 den weiteren Beteiligten, dass nicht beabsichtigt sei, ihm die Notarstelle zu übertragen. Hiergegen suchte der weitere Beteiligte um gerichtliche Entscheidung gemäß § 111 BNotO nach. Der Senat hob den Bescheid des Antragsgegners vom 11. März 2005 auf und verpflichtete den Antragsgegner, den weiteren Beteiligten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden (Beschluss vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 - NJW-RR 2007, 63).
In dem sich anschließenden neuen Auswahlverfahren entschied der Antragsgegner, dass die Notarstelle dem weiteren Beteiligten zu übertragen sei, und teilte diese Absicht dem Antragsteller durch Bescheid vom 7. Dezember 2006 mit. Der dagegen nunmehr von dem Antragsteller erhobene Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb vor dem Oberlandesgericht erfolglos. Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, den Bescheid des Antragsgegners vom 7. Dezember 2006 aufzuheben und letzteren zu verpflichten, über die Besetzung der Notarstelle neu zu entscheiden, weiter.
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners ist nicht rechtswidrig und beeinträchtigt den Antragsteller daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 111 Abs. 1 Satz 2 BNotO).
1. Auf der Grundlage des vorzitierten Senatsbeschlusses ist davon auszugehen, dass das von dem Antragsgegner gemäß Abschnitt A II Nr. 3 Runderlass 2004 angewandte Punktesystem als solches den verfassungsrechtlichen Anforderungen standhält und auch die hier erfolgte Ermittlung der Punktwerte frei von Rechtsfehlern ist. Die Beteiligten erinnern insoweit nichts.
2. Die neue Auswahlentscheidung des Antragsgegners war an den folgenden Grundsätzen des Senatsbeschlusses vom 24. Juli 2006 (aaO Rn. 14 ff) zu messen:
a) Die Ausrichtung auf ein Punktesystem und die darauf beruhende Einordnung der fachlichen Qualifikationsmerkmale in eine benotete Rangskala bergen die Gefahr in sich, dass den Besonderheiten des Einzelfalles nicht immer ausreichend Rechnung getragen und das Maß der Eignung des einzelnen Bewerbers nicht vollständig ermittelt wird. Das Punktesystem für sich allein kann dann den Anforderungen, die an einen individuellen Leistungsvergleich zu stellen sind, nicht genügen und - vor allem - eine abschließende, alle Gesichtspunkte umfassende Beurteilung der fachlichen Eignung der Bewerber nicht ersetzen. Der Antragsgegner schöpft in solchen Konstellationen seinen Beurteilungsspielraum nicht aus, wenn er sich auf eine Gegenüberstellung der für die einzelnen Bewerber innerhalb des Bezugssystems gewonnenen Gesamtpunktzahlen beschränkt und ohne weiteres ("im Regelfall") dem Bewerber den Vorzug gibt, der die auf diese Weise ermittelte höchste Punktzahl erreicht hat; eine an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientierte Besetzungsentscheidung läge darin nicht.
b) Der Antragsgegner hat daher, bevor er seine endgültige Auswahl trifft, zum einen danach zu fragen, ob für die jeweiligen Bewerber Umstände ersichtlich sind, die in das an festen Kriterien (Examensnote, Dauer der anwaltlichen Tätigkeit, theoretische Fortbildung, praktische Beurkundungserfahrung) ausgerichtete Punktesystem keinen Eingang gefunden haben, aber dennoch zu berücksichtigen sind, um die Kenntnisse und Fähigkeiten des Bewerbers zutreffend und vollständig zu erfassen. Folgerichtig sieht der Runderlass 2004 in Abschnitt A II Nr. 3 Buchst. e vor, dass "im Rahmen der Gesamtentscheidung" die Vergabe von Sonderpunkten in Betracht kommt. Dadurch erhalten hervorragende Leistungen - wie vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 110, 304 = NJW 2004, 1935) gefordert - das ihnen gebührende Gewicht.
c) Der Antragsgegner hat zum anderen aber auch zu prüfen, ob die in das Punktesystem aufgenommenen Kriterien und sonst eingeflossenen Gesichtspunkte im jeweiligen Einzelfall angemessen gewichtet sind. Nur auf diese Weise ist der Vorrang desjenigen gewährleistet, der die beste fachliche Eignung aufzuweisen hat. Mit der wertenden Gesamtschau hat der Antragsgegner das über das Punktesystem gewonnene Ergebnis, das sich regelmäßig in einer nach der erreichten Gesamtpunktzahl bestimmten Rangfolge der Bewerber ausdrückt, auf seine Richtigkeit zu hinterfragen. Das von dem Antragsgegner verwendete Bezugssystem gewährleistet nämlich nicht, dass die einzelnen Voraussetzungen, die von den Bewerbern für ihre fachliche Eignung zu erfüllen sind, stets in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Ein Bewerber vermag im Auswahlverfahren die höchste Punktzahl aufgrund seiner Teilnahme an zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen zu erzielen, ohne zugleich auf praktische Erfahrungen verweisen zu können, oder - umgekehrt - durch intensive Beurkundungstätigkeit eine fehlende theoretische Vorbereitung auf das Notaramt auszugleichen. Das kann zu einem völligen Ausfall des einen oder anderen Bereichs führen, obwohl sich die fachliche Eignung nur unter Heranziehung beider Komponenten - der theoretischen Fortbildung ebenso wie der praktisch erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse - zuverlässig beurteilen lässt.
3. Die neue Auswahlentscheidung des Antragsgegners beachtet die vorbeschriebenen Grundsätze.
a) Es ist nicht zu beanstanden (sondern war im Gegenteil von Rechts wegen zu fordern), dass der Antragsgegner dem weiteren Beteiligten - mit Blick auf dessen erfolgreich abgeschlossene Ausbildung zum Bezirksnotar und einen im Erbrecht liegenden Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit - insgesamt sechs Sonderpunkte zugebilligt hat. Dadurch wurden "im Rahmen der Gesamtentscheidung" (vgl. Abschnitt A II Nr. 3 Buchst. e Doppelbuchst. cc Runderlass 2004) für das Notaramt besonders qualifizierende Umstände berücksichtigt, die in dem Raster des von Abschnitt A II Nr. 3 Buchst. a bis d Runderlass 2004 vorgegebenen Raster des Punktesystems keinen Eingang gefunden hatten, aber zu beachten waren, um eine vollständige Erfassung der fachlichen Eignung des weiteren Beteiligten zu gewährleisten (vgl. Senatsbeschluss aaO Rn. 7 f, 15 und 17).
b) Der Antragsgegner hat sich nicht mit einer schematischen Übernahme des Ergebnisses der Bewertung nach dem Punktesystem begnügt. Er hat - wie geboten (vgl. Senatsbeschluss aaO Rn. 16) - abschließend die in das Punktesystem aufgenommenen Kriterien und sonst eingeflossenen Gesichtspunkte darauf überprüft, ob sie im vorliegenden Fall angemessen gewichtet sind. Darin liegt nicht, wie der Antragsteller meint, ein gänzliches Verlassen des Punktesystems oder eine unzulässige Doppelbewertung einzelner Kriterien. Die von Verfassungs wegen zu fordernde Überprüfung des punktmäßigen Ergebnisses geht vielmehr von diesem aus; sie ist allein darauf gerichtet, dass den die Eignung zum Notar indizierenden Kriterien in einer "wertenden Gesamtschau" das im Einzelfall angemessene - im Punktesystem noch nicht ausgeschöpfte - Gewicht zukommt.
Auf dieser Grundlage ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner - den Punkteunterschied überwindend - entscheidend ins Gewicht fallen ließ, dass der Antragsteller im Wesentlichen nur theoretisch auf das Notaramt vorbereitet ist, der weitere Beteiligte hingegen zwar geringe theoretische Fortbildung, aber erhebliche urkundliche Praxis gepaart mit einschlägiger theoretischer "Vor-Ausbildung" aufzuweisen hat. Dabei vernachlässigte der Antragsgegner nicht, dass ein Teil der von dem weiteren Beteiligten - mit Entwurf und Vollzug - besorgten Urkundsgeschäfte keine besonderen Schwierigkeiten boten. Sachgerecht war ferner, dass der Antragsgegner den Wert der von dem weiteren Beteiligten ausgeübten Kautelarpraxis zugleich für dessen systematische Fortbildung gegenüber dem Besuch der rein theoretisch angelegten Fortbildungsveranstaltungen hervorhob, der für den Antragsteller sprach.
Ende der Entscheidung
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