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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.11.1999
Aktenzeichen: NotZ 9/99
Rechtsgebiete: BNotO, NdsWappenG


Vorschriften:

BNotO § 93
NdsWappenG
§ 93 BNotO; NdsWappenG

Zur Verwendung des Landeswappens auf Briefbögen durch die niedersächsischen Anwaltsnotare.

BGH, Beschluß vom 29. November 1999 - NotZ 9/99 - OLG Celle


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 9/99

vom

29. November 1999

in dem Verfahren

wegen Anfechtung einer Weisung

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Schmitz, die Richter Seiffert und Dr. Kurzwelly sowie die Notare Dr. Schierholt und Dr. Grantz

am 29. November 1999

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin werden der Beschluß des Senats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 1. März 1999 und der Bescheid des Antragsgegners vom 23. September 1998 aufgehoben.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die im gerichtlichen Verfahren einschließlich des Beschwerdeverfahrens entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 DM festgesetzt.

Gründe:

A. Die Antragstellerin ist Anwaltsnotarin in Niedersachsen und übt ihren Anwaltsberuf in einer Sozietät mit weiteren Rechtsanwälten aus. Für ihren Schriftwechsel verwendet sie Briefbögen, auf denen in der rechten oberen Ecke das niedersächsische Landeswappen, das weiße Roß im roten Felde, abgebildet ist. Darunter sind die Mitglieder der Sozietät mit ihrer Berufsbezeichnung aufgeführt, an erster Stelle die Antragstellerin als Rechtsanwältin und Notarin.

Mit Verfügung vom 23. September 1998 hat der Präsident des Landgerichts Hannover die Antragstellerin gemäß § 93 BNotO angewiesen, ab sofort die Verwendung des Landeswappens auf ihren Briefbögen als Notarin und Rechtsanwältin zu unterlassen. Die Benutzung des dem Land Niedersachsen als Hoheitsträger zugewiesenen Landeswappens durch Dritte bedürfe einer besonderen Regelung. Nach den landesrechtlichen Bestimmungen sei den Notaren nur die Führung des kleinen Landessiegels und des Wappens auf dem Amtsschild gestattet. Eine weitergehende Berechtigung, das Landeswappen z.B. im Briefkopf zu führen, gebe es nicht.

Die Antragstellerin hat gegen die Verfügung des Landgerichtspräsidenten Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Sie macht geltend, die Weisung verletze sie in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Mit ihrer sofortigen Beschwerde erstrebt die Antragstellerin weiterhin die Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Zur Begründung beruft sie sich u.a. darauf, auch Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure würden das Landeswappen im Briefkopf verwenden.

B. Das Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist begründet, weil der Bescheid des Antragsgegners vom 23. September 1998 rechtswidrig ist.

I. Die Aufsichtsbehörden haben nach §§ 92, 93 BNotO die Amtsführung der Notare im Rahmen der Gesetze nach pflichtgemäßem Ermessen zu überwachen (BGH, Beschluß vom 14. Juli 1986 - NotZ 7/86 - DNotZ 1987, 438 unter 2 b). Von diesem Ermessen hat der Antragsgegner in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, § 111 Abs. 1 Satz 3 BNotO. Er hat einen für die Beurteilung wesentlichen Umstand außer acht gelassen.

1. Die Untersagungsverfügung ist nicht auf das Verbot berufswidriger Werbung (§ 29 Abs. 1 BNotO n.F.) gestützt, sondern allein auf das Fehlen einer vom Land Niedersachsen abgeleiteten Berechtigung, auf Briefköpfen das Landeswappen zu führen. Deshalb kommt es, wie der Antragsgegner und das Oberlandesgericht zutreffend angenommen haben, auf die Ermittlung und Auslegung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen an.

a) Gemäß Art. 1 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung vom 19. Mai 1993 (Nds. GVBl. S. 107) und dem Gesetz über Wappen, Flaggen und Siegel vom 13. Oktober 1952 (Nds. GVBl. S. 169) führt das Land Niedersachsen als Wappen das weiße Roß im roten Felde. Das große Landessiegel wird nach § 6 dieses Gesetzes von den obersten Landesbehörden bei feierlichen Beurkundungen und vom Staatsgerichtshof zur Ausfertigung von Urteilen und Beschlüssen verwendet, im übrigen führen die Dienststellen des Landes und die sonstigen vom Landesministerium bestimmten Stellen und Träger öffentlicher Ämter das kleine Landessiegel. Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts kann die Landesregierung nach § 7 Abs. 1 aus besonderem Anlaß die Anwendung des Landeswappens in ihren Siegeln gestatten, im übrigen dürfen sie die vom Land angewendeten Symbole in ihren Siegeln nicht führen.

b) Aus diesen Vorschriften haben der Antragsgegner und das Oberlandesgericht zutreffend abgeleitet, daß die Niedersächsische Verfassung und das Gesetz über Wappen, Flaggen und Siegel die Entscheidung über die Berechtigung zum Führen des Wappens dem Land vorbehalten haben. Das beruht auf dem von der Verfassung vorausgesetzten Recht des Staates, sich zu seiner Selbstdarstellung solcher Symbole zu bedienen (vgl. BVerfG NJW 1990, 1982 unter B II 2 b = BVerfGE 81, 278, 293). Die Kompetenz zur näheren Ausgestaltung hat der niedersächsische Landesgesetzgeber der Landesregierung übertragen, wie sich aus dem Sinnzusammenhang einzelner Bestimmungen des Gesetzes über Wappen, Flaggen und Siegel entnehmen läßt (§§ 4 Abs. 3 Satz 1, 6 Abs. 2, 7 Abs. 1, 9 Abs. 3 Satz 1).

In Ausübung dieser Berechtigung hat die Landesregierung nähere Regelungen über die Verwendung des kleinen Landessiegels und des Amtsschildes getroffen, zuletzt im Beschluß vom 7. März 1995 (Nds. Rpfl. 1996, 284). Danach führen neben den Dienststellen des Landes nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes über Wappen, Flaggen und Siegel u.a. die Notare und die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure das kleine Landessiegel, sie sind ferner berechtigt, das Amtsschild mit dem Landeswappen zu führen.

c) Ausdrückliche Regelungen über die Verwendung des Landeswappens auf Briefbögen gibt es nicht. Die Frage, ob die Notare berechtigt sind, das Landeswappen im Briefkopf zu führen, ist deshalb durch Auslegung der genannten landesrechtlichen Bestimmungen zu beantworten.

aa) Die Auslegung kann zu dem vom Antragsgegner vertretenen und vom Oberlandesgericht gebilligten Ergebnis führen. Nach dieser Ansicht ist nach dem Gesamtzusammenhang der getroffenen Regelungen davon auszugehen, daß eine Befugnis zur Verwendung des Landeswappens nur insoweit besteht, als dies ausdrücklich gestattet ist, also im kleinen Landessiegel und auf dem Amtsschild.

bb) Vertretbar ist aber auch die Auslegung, aus dem Gesamtzusammenhang der getroffenen Regelungen über die Führung des kleinen Landessiegels und des Amtsschildes ergebe sich implizit für Landesbehörden und die im Beschluß der Landesregierung vom 7. März 1995 aufgeführten sonstigen Stellen die Berechtigung, bei ihrer Amtstätigkeit auch in den Geschäftsbriefen im Briefkopf das Landeswappen unter Angabe der Berufsbezeichnung abzubilden. Dadurch werde dem Empfänger symbolisiert, daß ihm ein Schreiben von staatlicher oder staatlich autorisierter Seite vorliege.

Wie auf Anfrage des Senats im Beschwerdeverfahren bekannt geworden ist, wird diese Rechtsauffassung vom Innenministerium des Landes für den Bereich der amtlichen Tätigkeit der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure vertreten. Zur Begründung wird auf § 6 Abs. 2 des Gesetzes über Wappen, Flaggen und Siegel sowie den Beschluß der Landesregierung vom 7. März 1995 verwiesen, außerdem auf § 1 Abs. 2 des Niedersächsischen Gesetzes über Öffentlich bestellte Vermessungsingenieurinnen und Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure vom 16. Dezember 1993 (NÖbVIngG, Nds. GVBl. S. 707), wonach diese ein von der Aufsichtsbehörde bestimmtes Amtssiegel führen.

cc) Auch die Notare führen aber nach § 2 Abs. 1 DONot ein Amtssiegel. Die landesrechtlichen Bestimmungen über eine etwaige Berechtigung zur Verwendung des Wappens im Briefkopf sind deshalb für Notare und Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure in jeder Hinsicht gleich. Sie können deshalb für die Ausübung der beiden freien Berufe nicht unterschiedlich ausgelegt werden.

dd) Welcher Auslegung zu folgen ist, kann der Senat unter den hier gegebenen Umständen derzeit nicht entscheiden. Das Oberlandesgericht hat zu Recht darauf abgestellt, daß es sich bei Regelungen über die Behandlung der Landessymbole um Ausübung originär niedersächsischer Staatsgewalt handelt. Wie sich im Beschwerdeverfahren gezeigt hat, kann von einer Regelung im Sinne des Antragsgegners und des angefochtenen Beschlusses nicht ausgegangen werden. In Gestalt des Innenministeriums ist das Land vielmehr mit vertretbarer Begründung gegenteiliger Ansicht. Eine authentische Interpretation des Beschlusses vom 7. März 1995 durch die Landesregierung, die zur Klärung der Differenzen innerhalb der Landesverwaltung führen könnte, ist bisher nicht erfolgt, jedenfalls dem Senat nicht mitgeteilt worden.

2. Die Untersagungsverfügung des Antragsgegners ist ermessensfehlerhaft, weil er die gegenteilige Rechtsauffassung des Innenministeriums nicht berücksichtigt hat. Seine Entscheidung führt zu einer nach den herangezogenen landesrechtlichen Bestimmungen nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Notare im Vergleich zu den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren.

II. Der angefochtene Bescheid, der der Antragstellerin die Verwendung des Landeswappens auf ihren Briefbögen als Notarin und Rechtsanwältin ohne Einschränkung untersagt, ist deshalb aufzuheben. Eine teilweise, nur die Amtstätigkeit als Notarin umfassende Aufhebung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Senat nicht befugt ist, die insoweit im Ermessen liegende Entscheidung des Antragsgegners zu ersetzen. Der Antragsgegner hatte im Verwaltungsverfahren erwogen, die Untersagung auf rein anwaltliche Schreiben zu beschränken, hat von einer Differenzierung zwischen anwaltlichen und notariellen Schreiben aber auf Weisung der Präsidentin des Oberlandesgerichts Celle abgesehen.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO i.V. mit § 201 Abs. 2 BRAO sowie § 42 Abs. 6 BRAO und § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Ende der Entscheidung

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