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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.03.1999
Aktenzeichen: PatAnwZ 11/98
Rechtsgebiete: PAO


Vorschriften:

PAO § 8
PAO § 5 Abs. 2
PAO § 38 Abs. 1 Nr. 3
PAO § 41a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

PatAnwZ 11/98

vom

22. März 1999

in dem Verfahren

Der Bundesgerichtshof, Senat für Patentanwaltssachen, hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert, die Richter Prof. Dr. Thode und Dr. Dressler sowie die Patentanwälte Dr. Klöpsch und Dipl.-Phys. Schaafhausen

am 22. März 1999 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluß des Senats für Patentanwaltssachen bei dem Oberlandesgericht München vom 26. Oktober 1998 und der Bescheid des Antragsgegners vom 18. Juni 1998 aufgehoben.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragsteller zur Patentanwaltschaft zuzulassen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen und dem Antragsteller die ihm in beiden Rechtszügen entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert wird auf 50.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

1. Der Antragsteller wurde in der Zeit vom 15. September 1991 bis zum 18. September 1993 auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ausgebildet, größtenteils in der Patentabteilung des Forschungszentrums J. GmbH unter der Leitung des Patentassessors Dr. B. . Im Rahmen der Ausbildung war er vom 1. Februar 1993 bis zum 30. April 1993 ganztägig in der Kanzlei des Patentanwalts K. , A. , beschäftigt. Am 30. November 1994 legte der Antragsteller die Prüfung nach § 8 PAO ab; er war hiernach weiterhin - und ist dies auch gegenwärtig noch - als Angestellter in der Patentabteilung des Forschungszentrums J. GmbH tätig.

2. Mit seinem Antrag auf Zulassung zur Patentanwaltschaft legte der Antragsteller eine Bescheinigung der Patentanwälte Dr. D. & Dr. R. vor, aus der sich ergibt, daß er in der Zeit zwischen November 1996 und August 1997 an insgesamt 70 Tagen ganztägig in deren Kanzlei tätig geworden ist, und zwar vorwiegend an Samstagen, vereinzelt an sonstigen Werktagen, sowie zusammenhängend etwa dreieinhalb Wochen lang zwischen dem 22. Mai 1997 und dem 16. Juni 1997 und eine Woche vom 30. Juni 1997 bis 5. Juli 1997. Weiter berief sich der Antragsteller auf einen ihm erteilten "Leistungsnachweis" des ebenfalls beim Forschungszentrum J. GmbH beschäftigten Syndikus-Patentanwalts M. , in welchem ihm bescheinigt wurde, daß er unter dessen Betreuung bei der Patentabteilung in der Zeit vom 17. Oktober 1996 bis zum 31. Januar 1997 in Büroführung und Aufgaben des Patentanwalts, insbesondere in Rechte und Verpflichtungen bei Aufnahme der Tätigkeit als Patentanwalt und bei anwaltlicher Zusammenarbeit eingewiesen worden sei.

3. Der Antragsgegner hat den Zulassungsantrag mit Bescheid vom 18. Juni 1998 mit der Begründung zurückgewiesen, der Antragsteller habe die Voraussetzung einer mindestens halbjährigen Tätigkeit bei einem Patentanwalt im Sinne des § 5 Abs. 2 PAO nicht erfüllt. Nur die dreimonatige Tätigkeit bei Patentanwalt K. entspreche den Anforderungen der gesetzlichen Regelung. Hingegen könne die überwiegend am Wochenende abgeleistete Beschäftigung bei den Patentanwälten Dr. D. & Dr. R. ebensowenig berücksichtigt werden wie die Tätigkeit in der Patentabteilung des Forschungszentrums bei Patentanwalt M. .

4. Den gegen den Ablehnungsbescheid gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht München im angefochtenen Beschluß zurückgewiesen. Es hat insbesondere ausgeführt:

Wenn § 5 Abs. 2 PAO als Voraussetzung für die Zulassung zur Patentanwaltschaft eine mindestens halbjährige Tätigkeit bei einem Patentanwalt verlange, so könne dies nicht anders ausgelegt werden, als daß diese Tätigkeit dem Berufsbild des Patentanwalts als freiberuflichem, unabhängigem Organ der Rechtspflege entsprechen müsse. Dem werde die Beschäftigung bei einem Syndikus-Anwalt im Rahmen der Arbeit für das Unternehmen, bei dem er angestellt sei, nicht gerecht. Die vom Antragsteller in der Patentabteilung des Forschungszentrums J. GmbH bei Patentanwalt M. abgeleistete Tätigkeit könne daher nicht angerechnet werden.

Gleiches gelte auch von der tageweisen Beschäftigung des Antragstellers bei den Patentanwälten Dr. D. & Dr. R. . Die Regelung in § 5 Abs. 2 PAO habe den Sinn, daß der Bewerber durch die kontinuierliche Mitarbeit in einer Patentanwaltspraxis einen längerfristigen Einblick in den laufenden Geschäftsbetrieb erhalte. Dies sei bei einer tageweisen Beschäftigung nicht der Fall, insbesondere dann nicht, wenn diese vorwiegend an Samstagen erfolge, an welchen der übliche Kanzleibetrieb nicht stattfinde. Ob die im Mai und Juni 1997 in der Kanzlei Dr. D. & Dr. R. abgeleisteten mehr- bzw. einwöchigen Beschäftigungsabschnitte zu berücksichtigen seien, könne dahinstehen, weil jedenfalls die in § 5 Abs. 2 PAO geforderten sechs Monate auch damit nicht erfüllt seien. Diesem gesetzlich normierten Zulassungserfordernis stünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Artikel 12 Abs. 1 GG entgegen.

5. Mit seiner sofortigen Beschwerde gegen diesen Beschluß verfolgt der Antragsteller sein Zulassungsbegehren weiter. Er hält die vom Oberlandesgericht vorgenommene Auslegung des § 5 Abs. 2 PAO für rechtlich nicht zulässig, da sie im Mißverhältnis zum angestrebten Normzweck stehe. Ein in der Industrie ausgebildeter und tätiger Patentassessor werde auf diese Weise unverhältnismäßig belastet. Die von ihm im Zulassungsverfahren nachgewiesenen Tätigkeiten müßten als ausreichend anerkannt werden. Hinzu komme noch, daß er inzwischen in der Zeit vom 1. Juni 1998 bis zum 31. Oktober 1998 - außerhalb seiner Dienstzeit beim Forschungszentrum - in der Kanzlei des Syndikus-Patentanwalts Dr. V. , J. , beschäftigt gewesen sei.

Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluß.

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (§ 38 Abs. 1 Nr. 3 PAO). Sie ist auch in der Sache begründet. Dem Antragsteller darf die Zulassung zur Patentanwaltschaft nicht im Hinblick auf die Regelung des § 5 Abs. 2 PAO versagt werden.

1. Das Oberlandesgericht geht allerdings zutreffend davon aus, daß § 5 Abs. 2 PAO in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl. I, S. 2278) eine mindestens halbjährige Tätigkeit auf dem Gebiet des freiberuflichen Berufsfeldes des Patentanwalts verlangt. Es muß - auch für einen Bewerber, der später als "Syndikus-Anwalt" (Patentanwalt in einem ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 41 a PAO) tätig werden will - gewährleistet sein, daß er im erforderlichen Umfang in die Besonderheiten einer eigenverantwortlichen freiberuflichen Tätigkeit eingeführt wird und die hierfür notwendigen praktischen Erfahrungen, gerade auch im organisatorischen Bereich einer Kanzlei, sammeln kann.

Dem Oberlandesgericht ist auch darin zu folgen, daß das so verstandene Erfordernis einer halbjährigen Tätigkeit in einer patentanwaltlichen Praxis den Bewerber, auch einen solchen mit dem bisherigen beruflichen Werdegang des Antragstellers, nicht unangemessen und unzumutbar belastet, ihn insbesondere nicht in seiner durch das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Artikel 12 Abs. 1 GG geschützten verfassungsrechtlichen Position unzulässig beeinträchtigt.

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Beurteilung des Oberlandesgerichts nicht zu beanstanden, daß die Tätigkeit des Antragstellers, die dieser in der Zeit vom 17. Oktober 1996 bis zum 31. Januar 1997 in der Patentabteilung des Forschungszentrums J. GmbH bei Patentanwalt M. als Syndikus-Anwalt absolviert hat, nicht auf die halbjährige Beschäftigungszeit im Sinne des § 5 Abs. 2 PAO angerechnet werden kann.

Wie der Senat im Beschluß vom heutigen Tage in der Sache PatAnwZ 10/98 näher dargelegt hat, erfüllt die Tätigkeit eines Bewerbers in der Patentabteilung eines Unternehmens unter Leitung und Betreuung eines dort angestellten "Syndikus-Anwalts" nicht die bereits erörterten Voraussetzungen einer Beschäftigung bei einem Patentanwalt in dessen freiberuflichem Arbeitsbereich. Auch wenn der Antragsteller ausweislich der Bescheinigung des Patentanwalts M. "selbsttätig und eigenverantwortlich patentrechtliche Aufgaben erledigt" hat, so hat er diese Leistungen im Dienste des Forschungszentrums, nicht hingegen - wie es im vorliegenden Zusammenhang geboten gewesen wäre - für die selbständige Kanzlei des Patentanwalts M. erbracht.

3. Jedoch hat der Antragsteller - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts - dem Erfordernis der halbjährigen Tätigkeit bei einem Patentanwalt im Sinne des § 5 Abs. 2 PAO durch die nachgewiesenen Beschäftigungszeiten einerseits bei Patentanwalt K. , andererseits bei den Patentanwälten Dr. D. & Dr. R. in ausreichender Weise Genüge getan.

Daß die dreimonatige Ausbildungszeit vom 1. Februar 1993 bis zum 30. April 1993 bei Patentanwalt K. gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 PAO in vollem Umfang zu berücksichtigen ist, wird auch vom Oberlandesgericht nicht in Frage gestellt.

Hinsichtlich der restlich erforderlichen drei Monate ist die in der Zeit zwischen November 1996 und August 1997 absolvierte Tätigkeit des Antragstellers bei den Patentanwälten Dr. D. & Dr. R. unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen als noch ausreichend anzuerkennen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß der Antragsteller bei diesen Patentanwälten zum Teil tageweise, vorzugsweise an Samstagen, beschäftigt war. Die Überlegungen, mit denen das Oberlandesgericht insoweit zu einer anderen Beurteilung gelangt ist, werden den besonderen Gegebenheiten des vorliegenden Falles nicht hinreichend gerecht.

Zwar ist dem Oberlandesgericht darin zu folgen, daß die von § 5 Abs. 2 PAO geforderte mindestens halbjährige Tätigkeit bei einem Patentanwalt dazu dienen soll, den Bewerber mit möglichst vielen Aspekten dieser freiberuflichen Tätigkeit, ihres praktischen Ablaufs und ihrer organisatorischen Gestaltung vertraut zu machen, was grundsätzlich einen längerfristigen Einblick in den laufenden Geschäftsbetrieb erfordert. Dies bedingt zugleich eine maßgebliche Beschäftigung des Bewerbers an solchen Arbeitstagen, an denen in der Kanzlei ein "normaler" Bürobetrieb mit allen gewöhnlich vorkommenden Arbeiten, auch der Terminswahrnehmung, stattfindet. Unter diesem Gesichtspunkt bestehen erhebliche Bedenken dagegen, daß ein Bewerber die halbjährige Tätigkeit nach § 5 Abs. 2 PAO ausschließlich oder im wesentlichen punktuell, durch Beschäftigung bei einem Patentanwalt nur an einzelnen Tagen und vor allem am Wochenende, absolviert. Letztlich kann diese Frage hier aber offenbleiben.

Denn vorliegend hat der Antragsteller den deutlich überwiegenden Teil der geforderten Tätigkeitszeit gerade nicht nur punktuell oder gar nur an Samstagen, sondern durch zusammenhängende Beschäftigungsabschnitte geleistet. Dies gilt zum einen für die dreimonatige Tätigkeit bei Patentanwalt K. , zum anderen aber auch für die dreieinhalbwöchige (vom 22. Mai 1997 bis 16. Juni 1997) und - kurz darauf - einwöchige (vom 30. Juni 1997 bis 5. Juli 1997) Tätigkeit in der Kanzlei der Patentanwälte Dr. D. & Dr. R. . Damit hatte der Antragsteller während jedenfalls vier Monaten uneingeschränkt Gelegenheit, den notwendigen Einblick in das "Alltagsgeschäft" des freiberuflichen Patentanwalts, auch in sich kontinuierlich über Wochen entwickelnde Abläufe, zu nehmen. Wenn er im übrigen den Rest der geforderten Zeit, also zwei Monate, an 44 Einzelarbeitstagen absolvierte, so ist dies hier als noch ausreichend anzusehen, und zwar auch dann, wenn er insoweit vorwiegend an Samstagen tätig war, an denen zwar nicht alle Abläufe des "normalen Geschäftsbetriebes" vorkommen, andererseits jedoch - das wird letztlich von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt - ebenfalls wichtige patentanwaltliche Arbeit stattfindet.

4. Da die Versagung der Zulassung ausschließlich auf das Erfordernis der halbjährigen Tätigkeit bei einem Patentanwalt gestützt war, andere Versagungsgründe hingegen nicht ersichtlich und insoweit auch keine weiteren Feststellungen mehr zu treffen sind, die Sache vielmehr zur Endentscheidung reif ist, war der Antragsgegner unter Aufhebung der entgegenstehenden Entscheidungen zu verpflichten, den Antragsteller zur Patentanwaltschaft zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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