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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.09.1998
Aktenzeichen: RiZ (R) 2/97
Rechtsgebiete: DRiG, SächsRiG


Vorschriften:

DRiG § 22 Abs. 2
SächsRiG § 6
SächsRiG § 22
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

RiZ (R) 2/97

Verkündet am: 22. September 1998

Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

DRiG § 22 Abs. 2; SächsRiG §§ 6, 22

a) Die in § 22 Abs. 1 Nr. 4 SächsRiG vorgeschriebene Beteiligung des Präsidialrates bei der Entlassung eines Richters auf Probe ist nicht als Mitwirkungs-, sondern als Anhörungsrecht ausgestaltet. Die Verletzung des Informationsanspruchs des Präsidialrates führt jedenfalls nicht ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung.

b) Eine ordnungsgemäße abschließende Beurteilung eines Richters auf Probe durch die zuständige Dienststelle unmittelbar vor Ende der Probezeit ist eine geeignete Grundlage für eine Entlassungsverfügung, aber keine zwingende Voraussetzung.

BGH, - Dienstgericht des Bundes - Urteil vom 22. September 1998 - RiZ (R) 2/97 - LG Leipzig - Dienstgericht für Richter -


in dem Prüfungsverfahren

des Richters auf Probe

Antragsteller und

Revisionskläger,

- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

Antragsgegner und

Revisionsbeklagter,

wegen Entlassung aus dem Richterverhältnis auf Probe

Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Erdmann, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Hesselberger, Dr. Siol und Nobbe und die Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic

für Recht erkannt:

Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig - Dienstgericht für Richter - vom 14. Juli 1997 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der 1947 geborene Antragsteller war nach Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung mit der Note "befriedigend" von 1978 bis 1993 Rechtsanwalt in H. Am 1. September 1993 wurde er vom Antragsgegner unter Berufung in das Richterverhältnis auf Probe zum Richter ernannt und der Staatsanwaltschaft G. zugewiesen. Seit Oktober 1994 ist er beim Amtsgericht Z. tätig, seit November 1994 zu 1/20 seiner Arbeitskraft auch beim Amtsgericht G. Beim Amtsgericht Z. bearbeitet er vor allem Zivilsachen, bis Juni 1995 außerdem Bußgeldverfahren, danach Schöffengerichtssachen; beim Amtsgericht G. ist er im Bereitschaftsdienst eingesetzt.

Die Tätigkeit des Antragstellers bei der Staatsanwaltschaft G. wurde am 19. August 1994 dienstlich beurteilt. Der Leitende Oberstaatsanwalt kam zu dem Gesamturteil, der Antragsteller sei "geeignet". Bei der Beurteilung der beim Amtsgericht Z. gezeigten Leistungen gelangte der Präsident des Landgerichts G. am 25. April 1995 zu dem Ergebnis, der Antragsteller, der einen Teil der Verfahren unbearbeitet lasse, Sachstandsanfragen nicht beantworte und Verhandlungen ungenügend vorbereitet energie- und lustlos führe, sei für richterliche Tätigkeiten "nicht geeignet". Gegen diese Beurteilung erhob der Antragsteller Gegenvorstellungen und nach deren überwiegender Zurückweisung Klage vor dem Verwaltungsgericht D. Dieses hat darüber noch nicht entschieden.

Die Nachschau seines Dezernats durch den Direktor des Amtsgerichts Z. im Mai 1995 ergab, daß der Antragsteller sein Fach zum Teil wochenlang nicht geleert hatte. In seinem Dienstzimmer befanden sich über 200, zum Teil monatelang unbearbeitet gebliebene Akten. Über zwei Anträge der Staatsanwaltschaft auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis war nach mehr als einem Monat noch nicht entschieden. Die ihm zugeteilten Bußgeldverfahren hatte der Antragsteller in den ersten Monaten völlig unbearbeitet gelassen. Da er auch Sachstandsanfragen unbeantwortet ließ, wurden gegen ihn mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden erhoben.

Bei der am 23. Januar 1996 vom Vizepräsidenten des Landgerichts G. durchgeführten Geschäftsprüfung wurde wiederum festgestellt, daß der Antragsteller eine größere Zahl von Akten monatelang nicht bearbeitet hatte, der Bestand überjähriger Zivilsachen innerhalb eines Jahres um 250% angestiegen war, in Verkündungsterminen in mehreren Fällen kein vollständig abgesetztes Urteil vorlag, sondern lediglich der Urteilstenor oder gar keine Entscheidung.

Am 11. April 1996 prüfte der Präsident des Oberlandesgerichts D. unangemeldet das Dezernat des Antragstellers. Im Dienstzimmer des Antragstellers befanden sich 120 verschiedene Verfahrensakten. Die Durchsicht der in einem geschlossenen Schrank vorgefundenen Schöffengerichtssachen ergab, daß einzelne Akten seit Monaten, teilweise seit der Übernahme des Dezernats am 1. Juli 1995 durch den Antragsteller nicht bearbeitet worden waren. Sachstandsanfragen blieben unbeantwortet; eine Überwachung laufender Bewährungen fand nicht statt; die Aktenführung war mangelhaft. Auch etliche Sachen seines Zivildezernats wurden über Monate, in Einzelfällen über ein Jahr lang nicht bearbeitet. Anberaumte Verkündungstermine hatte der Antragsteller ohne erkennbaren Grund häufig verlegt, obwohl nur eine Aufklärungsverfügung oder ein Beweisbeschluß zu verkünden waren. Andere Verkündungstermine endeten ohne jedes Ergebnis.

Ein Besuch der Sitzung des Antragstellers am 17. April 1996 durch die Richterin am Landgericht P. ergab, daß alle verkündeten Entscheidungen abgesetzt waren und der Antragsteller auf die Sitzung vorbereitet war.

Der Antragsgegner verfügte gestützt auf § 22 Abs. 2 und Abs. 3 DRiG am 9. Juli 1996 die Entlassung des Antragstellers aus dem Richterverhältnis auf Probe mit Ablauf des 31. August 1996, nachdem ihm die Absicht mitgeteilt worden war, ihn aus dem Richterverhältnis auf Probe zu entlassen, Gelegenheit zur Stellungnahme bestanden und der Präsidialrat der Entlassung am 27. Juni 1996 zugestimmt hatte. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, der Antragsteller sei zur Ausübung des Richteramtes nicht geeignet. Die monatelange Nichtbearbeitung insbesondere von Zivil- und Schöffengerichtssachen, das Nichtabsetzen von Zivilurteilen zum Verkündungstermin, die ungenügende Verhandlungsvorbereitung mit der Folge unzureichender Sachaufklärung und die Verlegung von Verkündungsterminen belegten eine äußerst nachlässige Arbeitsweise und mangelnde Verantwortung für die ihm übertragenen Aufgaben. Die mangelnde Eignung des Antragstellers stehe auch aufgrund der Beurteilung des Präsidenten des Landgerichts G. vom 25. April 1995 fest.

Gegen die am 18. Juli 1996 zugegangene Entlassungsverfügung erhob der Antragsteller rechtzeitig Widerspruch. Er rügte vor allem, daß entgegen der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 5. Februar 1996 (Sächs.JMBl. 1996, 27) unmittelbar vor Ablauf der Probezeit keine Probezeitbeurteilung durch den Präsidenten des Landgerichts G. erstellt worden sei, daß die Begründung der Entlassungsverfügung in weiten Teilen seine richterliche Unabhängigkeit verletze und daß die Zustimmung des Präsidialrats zu seiner Entlassung vor Ablauf der ihm eingeräumten Frist zur Stellungnahme eingeholt worden sei.

Der Antragsgegner wies den Widerspruch unter dem 19. September 1996 mit der Maßgabe zurück, daß der Entlassungstatbestand des § 22 Abs. 3 DRiG entfiel. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, allein schon die im Geschäftsprüfungsbericht des Präsidenten des Oberlandesgerichts D. festgestellten schwerwiegenden Versäumnisse belegten ausreichend, daß der Antragsteller für den Richterberuf nicht geeignet sei. Eine weitere Probezeitbeurteilung sei für seine Entlassung nicht erforderlich.

Mit der fristgemäß vor dem Dienstgericht für Richter beim Landgericht Leipzig erhobenen Klage hat der Antragsteller beantragt, die Entlassungsverfügung vom 9. Juli 1996 und den Widerspruchsbescheid vom 19. September 1996 aufzuheben. In der Klagebegründung hat er auf seine Widerspruchsbegründung Bezug genommen und zusätzlich geltend gemacht, die Beurteilung des Präsidenten des Landgerichts G. vom 25. April 1995 könne schon deshalb nicht Grundlage einer Entlassungsverfügung sein, weil er die Beurteilung vor dem Verwaltungsgericht angegriffen habe. Im Geschäftsprüfungsbericht des Präsidenten des Oberlandesgerichts D. seien weder seine Belastbarkeit noch seine überdurchschnittliche Erledigungsquote noch seine Bereitschaft zur Übernahme zusätzlicher Aufgaben noch aktenkundige positive Aspekte seiner richterlichen Tätigkeit berücksichtigt worden.

Nach Ablehnung des Beweisantrags des Antragstellers, Richterin am Landgericht P. zu seiner straffen und sachgerechten Verhandlungsführung in der Sitzung vom 17. April 1996 als Zeugin zu hören, hat das Dienstgericht für Richter den Antrag des Antragstellers als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Die Entlassungsverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheids sei formell und materiell rechtmäßig. Die Beurteilung des Antragsgegners, der Antragsteller sei für das Richteramt nicht geeignet, könne als Akt wertender Erkenntnis nur beschränkt nachgeprüft werden. Der Antragsgegner habe den Begriff der Eignung zutreffend erkannt und die Grenze des Beurteilungsspielraums nicht verletzt. Daß der Präsident des Landgerichts G. die in Nr. 4 a) der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz zur Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten vom 5. Februar 1996 vorgesehene abschließende Probezeitbeurteilung nicht erstellt habe, mache die Entlassungsverfügung nicht rechtswidrig. Der Antragsgegner könne im Rahmen seines Ermessens bestimmen, auf welche Weise und mit welchen Mitteln er sich die tatsächlichen Grundlagen für die Beurteilung der Bewährung eines Richters auf Probe beschaffe. Er dürfe insoweit auf Berichte des Präsidenten des Land- und des Oberlandesgerichts zurückgreifen, solange er keinen vernünftigen Anlaß habe, an ihrer Zuverlässigkeit zu zweifeln.

Auch die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers werde durch die Entlassungsverfügung und den Widerspruchsbescheid nicht verletzt. Die unzureichende Vorbereitung eines Verhandlungstermins, die Nichteinhaltung gesetzlicher Fristen sowie die Nichtbearbeitung von Verfahren und Rückstände, die mit der Krankheit des Antragstellers von weniger als vier Wochen nicht erklärt werden könnten, dürften einem Richter vorgehalten werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die - zugelassene - Revision des Antragstellers. Er rügt die Besetzung des Dienstgerichts für Richter, Verfahrensfehler des Gerichts, die Nichtaussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über seine Klage gegen die Beurteilung des Präsidenten des Landgerichts G. durch das Verwaltungsgericht D. und macht die Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung aus mehreren formellen und materiellen Gründen geltend.

Der Antragsteller beantragt,

das angefochtene Urteil sowie die Entlassungsverfügung vom 9. Juli 1996 und den Widerspruchsbescheid vom 19. September 1996 aufzuheben,

hilfsweise, die Verhandlung bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts D. in der Sache 2 K /96 auszusetzen.

Der Antragsgegner hält das Verfahren des Dienstgerichts für Richter für fehlerfrei, die Entlassungsverfügung für formell und materiell rechtmäßig und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Wegen der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 6. März und 16. September 1998 nebst Anlagen sowie auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom 26. Mai 1998 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Die auf § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG gestützte Entlassung des Antragstellers aus dem Richterverhältnis auf Probe ist rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Die formellen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.

a) Der Antragsteller wurde mit der angegriffenen Entlassungsverfügung zum 31. August 1996, dem Ablauf des dritten Jahres nach seiner Ernennung zum Richter auf Probe, entlassen. Die Entlassungsverfügung wurde dem Antragsteller unter Beachtung der Frist von sechs Wochen vor dem Entlassungstag (§ 22 Abs. 5 DRiG) ausgehändigt.

b) Entgegen der Ansicht des Antragstellers steht der formellen Rechtmäßigkeit seiner Entlassung nicht entgegen, daß der Präsidialrat bereits in einem Zeitpunkt beteiligt worden ist und der Entlassung zugestimmt hat, als die dem Antragsteller eingeräumte Frist zur Stellungnahme zum Bericht des Vizepräsidenten des Landgerichts G. noch nicht abgelaufen war.

Die in § 22 Abs. 1 Nr. 4 SächsRiG vorgeschriebene Beteiligung des Präsidialrates bei der Entlassung eines Richters ist nicht als Mitwirkungs-, sondern als bloßes Anhörungsrecht ausgestaltet (BGH, Urt. v. 10. Juli 1996 - RiZ (R) 3/95, Urt.Umdr. S. 9, insoweit in DRiZ 1996, 454 nicht abgedruckt). Der Präsidialrat soll Gelegenheit haben, auf Belange des betroffenen Richters, des Gerichts und der Richterschaft hinzuweisen. An die Stellungnahme des Präsidialrates ist der Antragsgegner nicht gebunden; er kann die Entlassung eines Richters vielmehr auch dann verfügen, wenn sich der Präsidialrat dagegen ausgesprochen hat. Für die Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung kann es danach nicht darauf ankommen, ob die Stellungnahme des Präsidialrats möglicherweise auf unvollständigen Informationen durch den Antragsgegner beruht. Dies muß jedenfalls dann gelten, wenn es sich um nicht wesentliche Informationen handelt; davon ist hier sowohl hinsichtlich der Stellungnahme des Antragstellers zum Prüfungsbericht des Vizepräsidenten des Landgerichts G. auszugehen, da die Entlassung nach dem Widerspruchsbescheid allein schon aufgrund des Prüfungsberichts des Präsidenten des Oberlandesgerichts D. gerechtfertigt ist, als auch hinsichtlich des Wegfalls des ursprünglich auch auf § 22 Abs. 3 DRiG gestützten Entlassungsgrundes. Selbst im Rahmen des § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG, der bei der Entlassung von Beamten auf Probe dem Personalrat anders als § 22 Abs. 1 Nr. 4 SächsRiG ein Mitwirkungsrecht einräumt, führt die Verletzung des der Sphäre der Personalvertretung zuzuordnenden Informationsanspruchs nicht ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit der vom Dienstherrn getroffenen Maßnahme (vgl. BVerwG ZBR 1990, 85, 86 f.). Ein Recht des Antragstellers, vom Präsidialrat gehört zu werden, sieht das Gesetz nicht vor.

c) Anders als der Antragsteller meint, ist die Entlassungsverfügung auch nicht deshalb formell rechtswidrig, weil § 6 Abs. 3 SächsRiG nicht beachtet und daher versäumt worden sei, den Antragsteller unmittelbar vor Ablauf der Probezeit von drei Jahren dienstlich zu beurteilen.

Eine ordnungsgemäße abschließende dienstliche Beurteilung eines Richters auf Probe durch die zuständige Dienststelle unmittelbar vor Ende der Probezeit ist zwar eine geeignete Grundlage für eine Entlassungsverfügung des Dienstherrn, nicht aber zwingende Voraussetzung. Weder § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG noch § 6 Abs. 3 SächsRiG noch der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz zur Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten vom 5. Februar 1996 ist zu entnehmen, daß eine Entlassungsverfügung nur auf der Grundlage einer umfassenden förmlichen Probezeitbeurteilung ergehen darf. Der Dienstherr kann vielmehr im Rahmen seines Ermessens bestimmen, auf welche Weise und mit welchen Mitteln er sich die tatsächlichen Grundlagen für die Beurteilung der Eignung eines Richters auf Probe beschaffen will (vgl. BVerwG Buchholz 237.7 § 34 LBG NW Nr. 3). Insbesondere wenn der unmittelbare Dienstvorgesetzte eine förmliche Probezeitbeurteilung unterläßt oder nicht rechtzeitig vorlegt, darf der Dienstherr auf andere Erkenntnisquellen für die Beurteilung der Eignung eines Richters auf Probe zurückgreifen. Von besonderer Bedeutung sind dabei zeitnahe Geschäftsprüfungsberichte, die über den Zustand des bearbeiteten Dezernats detailliert Auskunft geben und die unzureichende Arbeitsleistung und die Unzuverlässigkeit eines Richters auf Probe offenbaren. Sie können nach Lage des Falles auch ohne eine umfassende förmliche Probezeitbeurteilung ein abschließendes Urteil über dessen fehlende Eignung erlauben. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - ältere dienstliche Beurteilungen zu unterschiedlichen Ergebnissen über die Eignung des Richters auf Probe gekommen sind.

2. Zu Recht hat das Dienstgericht die Entlassungsverfügung auch als materiell rechtmäßig angesehen. Sie überschreitet weder die Grenzen des Beurteilungsspielraums, den § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG dem Dienstherrn einräumt, noch verletzt sie die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes stellt die Entscheidung der Frage, ob ein Richter auf Probe für das Richteramt geeignet ist, einen Akt wertender Erkenntnis dar. Dieser gewährt dem Dienstherrn einen Beurteilungsspielraum, dessen gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt ist, ob der Begriff der Eignung verkannt oder ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt worden ist, ob allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (BGH, Urt. v. 24. November 1970 - RiZ (R) 1/69, DRiZ 1971, 91 f.; BGH, Urt. v. 1. März 1976 - RiZ (R) 2/75, DRiZ 1976, 317, 318; BGH, Urt. v. 25. August 1992 - RiZ (R) 2/92, Urt.Umdr. S. 8).

aa) Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat der Dienstherr den Begriff der Eignung nicht verkannt. Der Antragsgegner ist in der Entlassungsverfügung und in dem Widerspruchsbescheid davon ausgegangen, daß ein Richter auf Probe nur dann für das Richteramt geeignet ist, wenn er willens und in der Lage ist, ein nicht übermäßig belastetes richterliches Dezernat ohne erhebliche Verzögerungen und Arbeitsrückstände zu bewältigen. Dagegen ist nichts zu erinnern.

Eine funktionsfähige Rechtspflege, die der Staat zu gewährleisten hat, erfordert Richter, die bereit und in der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich und unter Berücksichtigung der Arbeitsbelastung zügig zu erledigen (vgl. BGH, Urt. v. 1. März 1976 - RiZ (R) 2/75, DRiZ 1976, 317, 318). An das Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein sowie an die Einsatzbereitschaft eines Richters sind angesichts der richterlichen Unabhängigkeit, die die Einflußmöglichkeiten des Dienstherrn erheblich einschränkt, hohe Anforderungen zu stellen. Ein Richter auf Probe, der die ihm übertragenen Aufgaben nur selektiv wahrnimmt, ganze Bereiche seines Dezernats ohne sachlichen Grund monatelang nicht oder kaum bearbeitet, wird diesen Anforderungen nicht gerecht und ist für die Ernennung zum Richter auf Lebenszeit nicht geeignet. Es ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Eignung des Antragstellers für das Richteramt verneint worden ist, nachdem Geschäftsprüfungen mehrfach ergeben haben, daß er Teile seines Dezernats monatelang nicht oder kaum bearbeitet hat, und er die Geschäftsprüfungsergebnisse nicht zum Anlaß genommen hat, seine Arbeitsleistung erheblich zu steigern. Auf die Frage, ob seine juristischen Kenntnisse, seine Fähigkeiten, seine Leistungen in den zur Bearbeitung ausgewählten Verfahren sowie sein sonstiges Verhalten den Anforderungen entsprechen, kommt es danach nicht mehr an. Aus der Tatsache, daß der Antragsgegner mehrere in Nr. 5b) der bereits erwähnten Verwaltungsvorschrift zur Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten genannten Eignungsmerkmale weder in der Entlassungsverfügung noch im Widerspruchsbescheid angesprochen hat, ergibt sich deshalb entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht, daß der Antragsgegner den Begriff der Eignung verkannt hat.

bb) Auch die Rüge des Antragstellers, der Antragsgegner habe seiner Entlassungsverfügung einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, greift nicht durch.

(1) Der Umstand, daß die Überhörung des Antragstellers durch Richterin am Landgericht P. am 17. April 1996 in die Entlassungsverfügung keinen Eingang gefunden hat, läßt nicht erkennen, daß der Antragsgegner von einem unrichtigen, weil unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist. Das Ergebnis der Überhörung war für die Beurteilung der Eignung des Antragstellers ohne wesentliche Bedeutung und mußte deshalb in der Entlassungsverfügung keine Erwähnung finden. Auch wenn der Antragsteller eine einzelne Verhandlung gut vorbereitet, straff, sachgerecht und umsichtig geführt haben sollte, was zu seinen Gunsten unterstellt werden kann, ändert dies nichts daran, daß ein Richter auf Probe, der wesentliche Teile des ihm zugewiesenen Dezernats nicht oder erheblich verzögert bearbeitet, für das Amt eines Richters auf Lebenszeit ungeeignet ist. Auf die Rüge, das Dienstgericht habe die Richterin am Landgericht P. als Zeugin hören müssen, kommt es danach nicht an.

(2) Das Dienstgericht hat die in der Entlassungsverfügung getroffenen Feststellungen, das dem Antragsteller zugewiesene Schöffengerichtsdezernat sei nahezu unbearbeitet geblieben, in zwei Fällen sei seit der Dezernatsübernahme am 1. Juli 1995 bis April 1996 nichts geschehen, Sachstandsanfragen seien nicht bearbeitet, laufende Bewährungen nicht überwacht worden, zu Recht als unstreitig behandelt. Die Entlassungsverfügung basiert insoweit auf dem Geschäftsprüfungsbericht des Präsidenten des Oberlandesgerichts D., der sämtliche am 11. April 1996 anhängigen Schöffengerichtssachen durchgesehen hat. Das Ergebnis der Durchsicht ist in einem 15 Seiten umfassenden Aktenvermerk, in dem die relevanten Bearbeitungsdaten genau aufgelistet worden sind, niedergelegt. Die darin getroffenen detaillierten Feststellungen hat der Antragsteller nicht bestritten, sondern ohne nähere Substantiierung lediglich geltend gemacht, aus der Statistik ergebe sich eine kontinuierliche Abarbeitung der Schöffengerichtssachen. Das Vorbringen des Antragstellers beschränkt sich damit auf eine Wertung, die von den unstreitigen Tatsachen nicht getragen wird.

(3) Auch der Umstand, daß die im Geschäftsprüfungsbericht des Präsidenten des Oberlandesgerichts D. festgehaltene Reduzierung der Zahl der anhängigen Zivilsachen durch den Antragsteller in der Entlassungsverfügung nicht besonders erwähnt worden ist, macht diese nicht rechtswidrig. Bei der Bewertung der Erledigungsquote ist zu berücksichtigen, daß der Antragsteller die ihm gleichzeitig zugewiesenen Bußgeldsachen monatelang völlig unbearbeitet gelassen und später auch die ihm zugewiesenen Schöffengerichtssachen überwiegend nahezu nicht bearbeitet hat. Die Erledigungsquote in Zivilsachen ist damit wesentlich durch die vom Antragsteller vorgenommene Auswahl der bearbeiteten Sachen bedingt und daher, was die Arbeitsleistung des Antragstellers angeht, nicht aussagekräftig. Die Nichterwähnung der Erledigungsquote in der Entlassungsverfügung läßt deshalb nicht den Schluß zu, der Antragsgegner sei von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen.

(4) Der Sachverhalt ist, anders als der Antragsteller meint, auch insoweit nicht unzutreffend ermittelt worden, als im Geschäftsprüfungsbericht des Präsidenten des Oberlandesgerichts D. von einer außergewöhnlich günstigen Erledigungsstruktur des Dezernats des Antragstellers ausgegangen worden ist. Weder in der Entlassungsverfügung noch im Widerspruchsbescheid des Antragsgegners ist auf die Erledigungsstruktur abgestellt worden. Abgesehen davon rechtfertigt die vom Antragsteller nicht bestrittene Tatsache, daß beim Amtsgericht Z. im Jahre 1995 nur 26,6% der Zivilsachen durch Urteil oder Vergleich erledigt wurden, während es bei anderen Amtsgerichten bis zu 51,1% waren, die Einschätzung der Erledigungsstruktur als außergewöhnlich günstig.

cc) Rechtsfehlerfrei hat das Dienstgericht für Richter auch keine Anhaltspunkte dafür gesehen, daß der Antragsteller allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder bei der Entlassungsverfügung sachfremde Erwägungen angestellt hat. Die Tatsache, daß dem Antragsteller in der Entlassungsverfügung eine Falschbeurkundung im Amt vorgeworfen und die Verfügung auch auf § 22 Abs. 3 DRiG gestützt worden ist, ist insoweit schon deshalb ohne Belang, weil der Antragsgegner von dem erhobenen Vorwurf im Widerspruchsbescheid abgerückt und die Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung in Form des Widerspruchsbescheids zu überprüfen ist. Entgegen der Ansicht des Antragstellers kommt es deshalb auch nicht darauf an, ob die Personalreferentin des Antragsgegners mit der Durchführung von Ermittlungen im Zuge eines Disziplinarverfahrens gegen den Antragsteller betraut werden durfte.

b) Auch von einer Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit des Antragstellers durch die Entlassungsverfügung kann keine Rede sein. Die im Geschäftsprüfungsbericht des Präsidenten des Oberlandesgerichts D. getroffenen wesentlichen Feststellungen, auf denen die negative Eignungsbeurteilung und die Entlassungsverfügung in der Fassung des Widerspruchsbescheides beruhen, berühren die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers nicht. Nach § 26 Abs. 2 DRiG ist der Dienstherr berechtigt, Richtern die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und sie zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Es kann deshalb keinem Zweifel unterliegen, daß die monatelange Nichtbearbeitung von Teilbereichen eines richterlichen Dezernats ebenso beanstandet werden kann wie ein unbefriedigendes Arbeitspensum eines Richters (vgl. BGH, Urt. v. 31. Januar 1984 - RiZ (R) 1/83, DRiZ 1984, 365; BGH, Urt. v. 16. September 1987 - RiZ (R) 4/87, NJW 1988, 419, 420). Gleiches gilt für die Einhaltung gesetzlicher Fristen und Termine, soweit sie außerhalb richterlichen Ermessens liegen (Schmidt-Räntsch, DRiG 5. Aufl. § 26 Rdn. 23). In der Entlassungsverfügung durfte daher auch berücksichtigt werden, daß der Antragsteller Zivilurteile in Verkündungsterminen entgegen § 310 Abs. 2 ZPO in zahlreichen Fällen nicht vollständig abgesetzt hatte.

II.

Auch die vom Antragsteller erhobene Besetzungsrüge sowie die verschiedenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

1. Der vom Antragsteller beanstandete Wechsel zweier Richter des Dienstgerichts für Richter beim Landgericht Leipzig während des Prüfungsverfahrens beruht auf der Änderung des Geschäftsverteilungsplans zum 1. Januar 1997. Der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht W. und der Vorsitzende Richter am Oberverwaltungsgericht M. gehörten dem Dienstgericht für Richter im Jahre 1997 nicht mehr an. An ihre Stelle sind nach dem Geschäftsverteilungsplan 1997 hier der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht K. und der Richter am Amtsgericht Zö. getreten. Sie und die Direktorin des Amtsgerichts B., die dem Dienstgericht schon im Jahre 1996 angehörte, haben die angefochtene Entscheidung erlassen. Die Besetzungsrüge des Antragstellers ist daher unbegründet.

2. Die weiteren Verfahrensrügen des Antragstellers hat das Dienstgericht des Bundes geprüft, aber ebenfalls nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V. mit § 144 Abs. 7 Satz 1 VwGO abgesehen.

III.

Auch der Hilfsantrag des Antragstellers, das Verfahren bis zur Entscheidung seiner Klage gegen die Probezeitbeurteilung des Präsidenten des Landgerichts G. vom 25. April 1995 und den Widerspruchsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts D. vom 29. Januar 1996 durch das Verwaltungsgericht D. gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 94 VwGO auszusetzen, ist unbegründet.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts D. ist für das vorliegende Verfahren nicht von wesentlicher Bedeutung. Die angefochtene Entlassungsverfügung in der Fassung des Widerspruchsbescheides beruht auf den Feststellungen des Präsidenten des Oberlandesgerichts D. im Geschäftsprüfungsbericht vom 30. April 1996. Diese tragen, wie oben näher dargelegt, die Verfügung. Die Probezeitbeurteilung vom 25. April 1995 hat der Antragsgegner lediglich ergänzend herangezogen. Im Widerspruchsbescheid des Antragsgegners vom 19. September 1996 heißt es insoweit unmißverständlich, schon allein aufgrund der im Bericht des Präsidenten des Oberlandesgerichts D. festgestellten Versäumnisse scheide ein Verbleib des Widerspruchsführers im Richteramt aus.

IV.

Die Revision des Antragstellers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V. mit § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Revisionsverfahren entsprechend §§ 13 Abs. 4 Satz 1 lit. b, 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GKG auf 49.604,16 DM festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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