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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 05.10.2005
Aktenzeichen: RiZ(R) 4/04
Rechtsgebiete: DRiG, LBG NW, LRiG NW, VwGO


Vorschriften:

DRiG § 22 Abs. 1
DRiG § 80 Abs. 1 Satz 1
LBG NW § 104 Abs. 1 Satz 5
LRiG NW § 4 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 94
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

RiZ(R) 4/04 vom 5. Oktober 2005

in dem Prüfungsverfahren

wegen Entlassung aus dem Richterverhältnis auf Probe

Der Bundesgerichtshof, Dienstgericht des Bundes, hat am 5. Oktober 2005 ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nobbe, die Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Kniffka und Dr. Joeres sowie die Richterin am Bundesgerichtshof Mayen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Antragstellerin gegen den Beschluss des Dienstgerichtshofes für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm - 1. Senat - vom 30. Juli 2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die 1971 geborene Antragstellerin bestand am 24. Juli 1996 die erste juristische Staatsprüfung mit der Note "ausreichend" und am 16. Januar 2001 nach Wiederholung die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note "befriedigend".

Der Generalstaatsanwalt in ernannte sie mit Wirkung vom 28. Mai 2001 unter Berufung in das Richterverhältnis auf Probe zur Staatsanwältin und erteilte ihr einen Dienstleistungsauftrag im staatsanwaltschaftlichen Dienst bei der Staatsanwaltschaft . Der dortige Leitende Oberstaatsanwalt beurteilte sie mit Personal- und Befähigungsnachweisung vom 18. März 2002 wie folgt:

"Frau Staatsanwältin (Ri. a. Pr.) P. hat am 28.05.2001 ihren Dienst bei der Staatsanwaltschaft angetreten. Sie bearbeitet ein Dezernat, das allgemeine Strafsachen (einschließlich Verkehrsstraf- und Vollstreckungssachen) umfasst.

Die Einarbeitung unter voller Vorlagepflicht gemäß Nr. 19 Abs. 1 OrgStA übernahm ein erfahrener Oberstaatsanwalt. Ab dem 03.09.2001 wurde Frau P. unter Einschränkung der vorbezeichneten Vorlagepflicht nach Nr. 19 Abs. 2 OrgStA zur weiteren Einarbeitung ihrer Abteilungsleiterin, einer erfahrenen Oberstaatsanwältin, zugeteilt. Auf deren Vorschlag ist die Einarbeitungszeit Ende November 2001 zunächst bis Mitte Januar 2002 verlängert und sodann ab dem 14.01.2002 nochmals, verbunden mit einem Wechsel der Gegenzeichnung und deren Übernahme durch einen weiteren erfahrenen Oberstaatsanwalt, fortgeführt worden. Eine Aufhebung der Vorlagepflicht in vollem Umfang ist angesichts der von Staatsanwältin (Ri. a. Pr.) P. gezeigten schwachen Leistungen bis zum heutigen Tage nicht möglich gewesen.

Anlässlich der Verlängerungen der Gegenzeichnung habe ich mit Frau P. Personalgespräche geführt. Sie bekam ausführlich Gelegenheit, die Gründe darzustellen, die ihrer Ansicht nach einer erfolgreichen Einarbeitung entgegenstanden. Der besonderen Belastung im persönlichen Bereich, die Frau P. bei dieser Gelegenheit anführte, ist dadurch Rechnung getragen worden, dass ihr erst ab 2. Januar 2002 das volle Dezernat zur Bearbeitung übertragen und sie bis heute vollständig von Vertretungen freigestellt worden ist.

Frau Staatsanwältin (Ri. a. Pr.) P. verfügt über eine gute Allgemeinbildung. Sie tritt ruhig, höflich und zurückhaltend auf. Von ihrer Wesensart ist auch der Umgang mit Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geprägt.

Ihr Gesundheitszustand ist, soweit ich dies zu beurteilen vermag, gut.

Die Staatsanwältin, die durch ihre beiden Staatsexamina und während der juristischen Ausbildung unter Beweis gestellt hat, dass sie über die erforderlichen Kenntnisse im materiellen Strafrecht und im Strafverfahrensrecht verfügt, ist nicht ausreichend in der Lage, diese Kenntnisse in der Praxis mit der gebotenen Zuverlässigkeit und erforderlichen Sicherheit anzuwenden. Die von ihr vorgelegten Abschlussverfügungen weisen in vielen Fällen schwerwiegende rechtliche Mängel auf. Anklageschriften und Strafbefehlsentwürfe mussten ihr überdies häufig schon aus formalen Gründen zurückgegeben werden. Die Gesetzesmerkmale der Straftat waren in vielen Fällen falsch bzw. unvollständig wiedergegeben. Die tatbestandlichen Konkretisierungen waren nicht erschöpfend, zum Teil enthielten sie Beweiswürdigung. Die Aufzählung der herangezogenen Strafvorschriften war nicht in allen Anklageschriften enthalten, gelegentlich fehlte die Angabe des Tatortes; Anklagen sollten auch vor einem nicht zuständigen Gericht erhoben werden.

Begründete Einstellungsbescheide waren zum Teil unbrauchbar, wiesen jedenfalls ganz überwiegend erhebliche Mängel auf, insbesondere formelhafte Wendungen an Stelle einer sachbezogenen Begründung der Entschließung. Wesentliche Gesichtspunkte, die die Entscheidung stützen konnten, wurden zum Teil nicht erkannt, jedenfalls nicht angeführt.

Stilistisch waren in der Regel weder Anklagen noch Strafbefehlsentwürfe oder Einstellungsbescheide überzeugend gefasst. Letztere enthielten häufig Wiederholungen. Insgesamt überzeugt das schriftliche Ausdrucksvermögen von Frau P. - auch bei Anlegung eines großzügigen Maßstabes - nicht. Vielfach werden Sätze nicht zu Ende geführt oder weisen grammatikalische Fehler, mitunter auch den Sinn entstellende Formulierungen auf. Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler kommen häufig vor. Hierdurch und durch immer neue Korrekturen hat die Staatsanwältin die Zusammenarbeit mit den Schreibkräften arbeitsmäßig stark belastet. Erst nach wiederholten Hinweisen trat insoweit eine Besserung ein. Daneben zeigt die Staatsanwältin Defizite in ihrem Verständnis für Geschäftsabläufe im Allgemeinen und für den Betrieb von Staatsanwaltschaft und Gericht im Besonderen.

Während der gesamten Gegenzeichnung war auffallend, dass Frau P. in vielen Fällen die Akten nicht, zumindest nicht vollständig oder nicht richtig gelesen hatte, woraus sich zwangsläufig Bearbeitungsfehler ergaben. Selbst in übersichtlichen Akten mit einfachen Sachverhalten hat die Staatsanwältin mitunter die für die strafrechtliche Beurteilung bedeutsamen Gesichtspunkte mit der Folge einer fehlerhaften Rechtsanwendung übersehen. Andererseits kommt es auch vor, dass sie die Beurteilung auf Sachverhalte erstreckt, die ersichtlich nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Das übersichtliche und nachvollziehbare Ordnen und Gliedern umfangreicher Sachverhalte fällt ihr erkennbar schwer und gelingt in aller Regel erst nach eingehender Besprechung der Sache. Gleichwohl sind auch danach Mängel nicht auszuschließen.

Die Ermittlungsführung der Staatsanwältin zeigt ebenfalls Schwächen. Die Notwendigkeit von Anordnungen zur Sachaufklärung ist nicht immer einzusehen.

Der Vortrag von Frau P. ist nicht immer erschöpfend und führt auch nicht immer zu einem klaren Votum. Besprechungen mit der Staatsanwältin in derselben Sache mussten wiederholt werden, bis die entsprechende Verfügung fehlerfrei war.

In der Hauptverhandlung tritt Frau P. sicher und bestimmt auf, ihre Anträge entsprechen in aller Regel der jeweiligen Sach- und Rechtslage.

Das von Frau P. verwaltete Dezernat ist hinsichtlich der nicht erledigten Sachen während ihrer Einarbeitung ständig, insbesondere in den letzten 3 Monaten, angestiegen und weist Ende Febr. 2002 trotz (geringfügig) gesunkener Eingangszahlen in den Vormonaten eine erhebliche Zahl offener Verfahren aus. Die große Anzahl der Frau P. - zum Teil seit längerem - vorliegenden Akten und die steigende Zahl der offenen Verfahren in ihrem Dezernat lassen den Schluss zu, dass sie der Belastung in ihrem Dezernat, dessen Umfang dem Durchschnitt eines allgemeinen staatsanwaltschaftlichen Dezernats bei der Staatsanwaltschaft entspricht, nicht gewachsen ist. Der Umstand, dass die zur Gegenzeichnung vorgelegten Akten vielfach eingehend erörtert und ganz überwiegend der Staatsanwältin zur Fehler- und Mängelbehebung zurückgegeben werden mussten, dürfte zu den Bearbeitungsrückständen beigetragen haben. Eine Folge davon ist die nicht genügend zeitnahe Förderung von Verfahren, worunter sich auch eine Haftsache befand.

Obwohl Frau P. spätestens seit Ende letzten Jahres bekannt war, dass ihre bisherigen Leistungen einer späteren Übernahme in den staatsanwaltschaftlichen Dienst entgegenstehen würden, hat sie die erhoffte Leistungssteigerung nicht erbracht. Insgesamt ist Frau P. den Anforderungen, die an eine Staatsanwältin gestellt sind, nicht gewachsen. Der Grund hierfür liegt nicht in mangelndem Engagement und nicht ausreichendem Fleiß. Sie arbeitet im Gegenteil mit großem Eifer und hohem Zeiteinsatz. Dennoch gelingt ihr es nicht einmal, Flüchtigkeitsfehler, die ihr im Übrigen häufig unterlaufen, zu vermeiden. Sie ist daher nach meiner Überzeugung nicht ausreichend fähig, die ihr gestellten Aufgaben sachgerecht zu erfüllen.

Die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Staatsanwältin sind als "unterdurchschnittlich" zu bewerten.

Für das Amt der Staatsanwältin erscheint Frau Staatsanwältin (Ri. a. Pr.) P. als ungeeignet."

Die Antragstellerin erhob in einer Gegenäußerung vom 26. März 2002 Einwände gegen die Beanstandungen ihrer Arbeit durch zwei ihrer Gegenzeichner, verwies auf eine besondere persönliche Belastung durch die Erkrankung und den Tod ihres Neffen innerhalb des Beurteilungszeitraumes und bat um eine fortgesetzte Bewährungschance bei einer anderen Staatsanwaltschaft. Der Leitende Oberstaatsanwalt wies ihre Angriffe gegen die Beurteilung am 8. April 2002 zurück. Ihr Widerspruch wurde vom Generalstaatsanwalt am 28. Oktober 2002 abschlägig beschieden. Ihre Klage auf Aufhebung der Personal- und Befähigungsnachweisung ist noch beim Verwaltungsgericht anhängig. Den Antrag, die Personal- und Befähigungsnachweisung sowie die Bescheide vom 8. April 2002 und 28. Oktober 2002 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes aufzuheben, lehnte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 21. Dezember 2004 ab.

Nach Anhörung der Antragstellerin am 10. April 2002 und Zustimmung des Personalrates entließ der Generalstaatsanwalt die Antragstellerin durch Verfügung vom 11. April 2002 gemäß § 22 Abs. 1 DRiG zum Ablauf des 27. Mai 2002 aus dem Richterverhältnis auf Probe. Zur Begründung nahm er auf die Personal- und Befähigungsnachweisung vom 18. März 2002 und den Bescheid des Leitenden Oberstaatsanwalts vom 8. April 2002 Bezug. Er führte aus, danach sei die Antragstellerin für das Amt eines Staatsanwaltes nicht geeignet. Ihre Angriffe gegen ihre Beurteilung durch den Leitenden Oberstaatsanwalt gäben keine Veranlassung, die Beurteilung und ihre tatsächlichen Grundlagen in Zweifel zu ziehen.

Die Antragstellerin erhob am 7. Mai 2002 Widerspruch gegen die Verfügung vom 11. April 2002. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Entlassungsentscheidung sei rechtswidrig, weil sie entgegen Nr. I 3 b der Allgemeinen Verfügung (AV) des Justizministers (JM) betreffend die dienstliche Beurteilung der Richter und Staatsanwälte vom 20. Januar 1972 (JMBl. NW S. 38) nach sechs Monaten seit ihrer Einstellung in den Justizdienst keine dienstliche Beurteilung erhalten habe. Darin liege eine Verletzung der Fürsorgepflicht, weil ihr zu diesem Zeitpunkt kein zuverlässiges Bild ihres Leistungsstandes vermittelt worden sei. Sie sei auch nicht auf andere Weise über die Einschätzung ihrer Leistungen in Kenntnis gesetzt worden. Außerdem stütze sich die Entlassungsverfügung auf die rechtsfehlerhafte dienstliche Beurteilung vom 18. März 2002. Diese erstrecke sich nicht auf den gesamten Beurteilungszeitraum, sondern beruhe inhaltlich nur auf Beurteilungsbeiträgen ihrer Gegenzeichner Oberstaatsanwältin F. und Oberstaatsanwalt W. , während ein Beurteilungsbeitrag ihres Gegenzeichners in der Zeit vom 28. Mai bis zum 2. September 2001 nicht eingeholt worden sei. Entgegen § 104 Abs. 1 Satz 5 LBG NW sei ihr keine Gelegenheit gegeben worden, von ihrer Beurteilung vor der Aufnahme in die Personalakten Kenntnis zu nehmen und sie mit ihrem Dienstvorgesetzten zu besprechen. Ihr seien lediglich die Beurteilungsbeiträge von Oberstaatsanwältin F. und Oberstaatsanwalt W. mündlich vorgehalten worden. In diesen sei ihre Arbeit, wie sie in ihrer Gegenäußerung vom 26. März 2002 im Einzelnen dargelegt habe, unrichtig beurteilt worden. Die Beurteilungsbeiträge seien nicht zeitnah, sondern erst am 12. und 14. März 2002 erstellt worden, als ihre Entlassung bereits "ausgemachte Sache" gewesen sei. Der Beurteilungsbeitrag Oberstaatsanwalt W.s stehe im Widerspruch zu mündlichen Äußerungen, in denen er ihre Leistungen besser als Oberstaatsanwältin F. beurteilt habe. Bearbeitungsfehler, die ihr in ihrem schwierigen, mit erheblichen Problemen belasteten Dezernat unterlaufen seien, seien vereinzelt geblieben und hätten nicht die Mehrzahl der Verfahren betroffen. Außerdem lasse die Beurteilung ihre Bearbeitung von Vollstreckungsverfahren, die gut ein Drittel ihres Dezernats ausgemacht hätten, unberücksichtigt. Der Generalstaatsanwalt wies den Widerspruch gegen die Entlassungsverfügung am 28. Oktober 2002 zurück.

Am 28. November 2002 hat die Antragstellerin beim Dienstgericht den Antrag gestellt, die Entlassungsverfügung vom 11. April 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2002 aufzuheben. Das Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht hat diesen Antrag durch Urteil vom 22. Juli 2003 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Antragstellerin hat der Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht durch Beschluss vom 30. Juli 2004 zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Dienstgerichtshof ausgeführt, die Entlassungsverfügung sei formell und materiell rechtmäßig. Sie überschreite weder die Grenzen des dem Antragsgegner durch § 22 Abs. 1 DRiG eingeräumten Ermessens noch widerspreche sie dem Zweck der ihm erteilten Ermächtigung (§ 114 VwGO). Die Entlassung setze nicht die Feststellung voraus, dass der Richter auf Probe ungeeignet sei. Ernstliche Zweifel an seiner Eignung reichten aus. Solche Zweifel habe der Antragsgegner in der Entlassungsverfügung und dem Widerspruchsbescheid dargelegt. Dabei habe er in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die dienstliche Beurteilung des Leitenden Oberstaatsanwalts vom 18. März 2002 und das Personalgespräch vom 10. April 2002 mit der Antragstellerin zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Der Antragsgegner habe die Zuverlässigkeit der dienstlichen Beurteilung nicht in Zweifel ziehen müssen und dem Leitenden Oberstaatsanwalt einen Beurteilungsspielraum zubilligen dürfen. Die Antragstellerin mache ohne Erfolg geltend, der dienstlichen Beurteilung lägen Beurteilungsbeiträge von zwei Gegenzeichnern zugrunde, die in zahlreichen Einzelpunkten unrichtig seien. Darauf komme es nicht an, weil die dienstliche Beurteilung ein dem Dienstvorgesetzten vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis sei. Da allein dessen Wertung maßgebend sei, könne sich ein Beurteilter für eine abweichende Auffassung nicht auf Wertungen der Verfasser von Beurteilungsbeiträgen berufen. Zudem habe der Leitende Oberstaatsanwalt über die schriftlichen Beurteilungsbeiträge der Gegenzeichner hinaus mehrere Gespräche mit diesen, vielfache Erörterungen mit der Antragstellerin über ihren Leistungsstand und mehrfache Einsichtnahmen in von ihr bearbeitete Akten zum Gegenstand seiner Beurteilung gemacht. Die darauf beruhende Beurteilung gehe nicht erkennbar von unrichtigen Tatbeständen aus. Der Leitende Oberstaatsanwalt sei nicht verpflichtet gewesen, einen schriftlichen Beurteilungsbeitrag des ersten Gegenzeichners einzuholen, zumal er den Leistungsstand der Antragstellerin mit dieser mehrfach erörtert habe. Dass die dienstliche Beurteilung den von der Antragstellerin bearbeiteten Vollstreckungsbereich nicht erwähne, sei unerheblich. Die Eignung könne nur einheitlich nach dem Erscheinungsbild des Beurteilten in seiner gesamten Tätigkeit beurteilt werden. Dass bei dieser Gesamtschau der Vollstreckungsbereich nicht ausdrücklich erwähnt worden sei, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Dass die Antragstellerin nicht bereits nach sechs Monaten seit ihrer Einstellung beurteilt worden sei, berühre die Rechtmäßigkeit ihrer Entlassung nicht. Eine Entlassungsverfügung könne nicht nur auf der Grundlage einer dienstlichen Beurteilung ergehen. Der Dienstvorgesetzte könne sich die tatsächlichen Grundlagen für eine Eignungsbeurteilung auch auf andere Weise beschaffen. Auch die Entscheidung des Antragsgegners, der Antragstellerin nicht die Möglichkeit einer weiteren Erprobung zu geben, sei ermessensfehlerfrei.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Wegen ihres Vorbringens wird auf die Revisionsbegründungsschrift vom 24. November 2004 Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Dienstgerichtshofes für Richter bei dem Oberlandesgericht vom 30. Juli 2004 aufzuheben und das Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts über ihre Klage auf Aufhebung der Personal- und Befähigungsnachweisung vom 18. März 2002, hilfsweise bis zur Entscheidung über ihren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens zurückzuweisen und die Revision zu verwerfen.

Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet. Die auf § 22 Abs. 1 DRiG gestützte Entlassung der Antragstellerin aus dem Richterverhältnis auf Probe ist rechtlich nicht zu beanstanden.

I.

Die formellen Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 DRiG sind erfüllt.

Die Antragstellerin wurde am 28. Mai 2001 zur Richterin auf Probe ernannt, ihre Entlassung zum 27. Mai 2002 ausgesprochen, also mit Ablauf des 12. Monats seit ihrer Ernennung. Die Entlassungsverfügung wurde der Antragstellerin am 11. April 2002, somit unter Beachtung der Frist von sechs Wochen vor dem Entlassungstag (§ 22 Abs. 5 DRiG), zugestellt.

II.

Zu Recht hat der Dienstgerichtshof für Richter die Entlassungsverfügung auch als materiell rechtmäßig angesehen. Sie überschreitet weder die Grenzen des Ermessens, das § 22 Abs. 1 DRiG dem Dienstherrn einräumt, noch widerspricht sie dem Zweck dieser Ermächtigung (§ 114 VwGO).

1. Nach § 22 Abs. 1 DRiG ist die Entlassung eines Richters auf Probe bis zum Ablauf des 24. Monats nach seiner Ernennung aus jedem sachlichen Grund zulässig (BGH, Urteil vom 22. Juli 1980 - RiZ(R) 4/80, BGHZ 78, 93, 98). Die Entlassung setzt insbesondere nicht die Feststellung voraus, der Richter auf Probe sei für das Amt des Richters nicht geeignet. Vielmehr rechtfertigen schon ernstliche Zweifel an der Eignung eines Richters auf Probe, die sich aus einer dienstlichen Beurteilung ergeben können, seine Entlassung (BGH, Urteile vom 29. September 1975 - RiZ(R) 1/75, DRiZ 1976, 23 f. und vom 10. Juli 1996 - RiZ(R) 3/95, DRiZ 1996, 454). Solche Zweifel begründende Umstände hat der Antragsgegner nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Dienstgerichtshofes für Richter in der Entlassungsverfügung und dem Widerspruchsbescheid, die sich vor allem auf die Personal- und Befähigungsnachweisung vom 18. März 2002 stützen, dargelegt.

Die Beurteilung der Eignung ist ein Akt wertender Erkenntnis, der dem Dienstherrn einen Beurteilungsspielraum gewährt, dessen gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt ist, ob der Begriff der Eignung verkannt oder ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt worden ist, ob allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (BGH, Urteile vom 24. November 1970 - RiZ(R) 1/69, DRiZ 1971, 91 f., vom 22. September 1998 - RiZ(R) 2/97, DRiZ 1999, 141, 143 und vom 13. November 2002 - RiZ(R) 5/01, NJW-RR 2003, 570, 572; vgl. allgemein zu normativ eröffneten Beurteilungsspielräumen von Behörden: BVerfGE 88, 40, 56; 103, 142, 156 f.).

a) Der Antragsgegner hat den Begriff der Eignung nicht verkannt. Er hat in der Entlassungsverfügung auf die Personal- und Befähigungsnachweisung vom 18. März 2002 verwiesen. Darin wird unter anderem ausgeführt, dass die Abschlussverfügungen, Anklageschriften, Strafbefehlsentwürfe und begründeten Einstellungsbescheide der Antragstellerin in zahlreichen Fällen erhebliche Mängel aufwiesen. Die Antragstellerin habe die Akten in vielen Fällen nicht, zumindest nicht richtig und vollständig, gelesen. Ihr schriftliches Ausdrucksvermögen überzeuge nicht. Sätze würden vielfach nicht zu Ende geführt oder wiesen grammatikalische Fehler auf. Unter diesen Umständen bestehen offenkundig zumindest erhebliche Zweifel an der Eignung der Antragstellerin.

b) Der Antragsgegner ist auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.

aa) Er durfte der Entlassungsverfügung, entgegen der Auffassung der Revision, die Personal- und Befähigungsnachweisung vom 18. März 2002 zugrunde legen. Nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes darf sich der Dienstherr bei ihm obliegenden Personalentscheidungen auf Beurteilungen des Dienstvorgesetzten verlassen, solange er keinen vernünftigen Anlass hat, ihre Zuverlässigkeit zu bezweifeln (BGH, Urteile vom 29. September 1975 - RiZ(R) 1/75, DRiZ 1976, 23, 24, vom 10. Juli 1996 - RiZ(R) 3/95, DRiZ 1996, 454 und vom 13. November 2002 - RiZ(R) 5/01, NJW-RR 2003, 570, 572). Die rechtskräftige Entscheidung über die von der Antragstellerin gegen die Beurteilung erhobene Klage beim Verwaltungsgericht musste der Antragsgegner nicht abwarten. Dem Rechtsschutz eines von einer Entlassungsverfügung betroffenen Richters auf Probe wird dadurch genügt, dass er die Möglichkeit hat, dem Dienstherrn im Wege einstweiligen Rechtsschutzes vor den Verwaltungsgerichten die Verwendung einer angefochtenen Beurteilung untersagen zu lassen (BGH, Urteile vom 25. Mai 1998 - RiZ(R) 1/97, LM DRiG § 22 Nr. 8 und vom 13. November 2002 - RiZ(R) 5/01, NJW-RR 2003, 570, 572). Der darauf gerichtete Antrag ist jedoch vom Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 21. Dezember 2004 - - abgelehnt worden.

bb) Die Bewertung des Antragsgegners, die Personal- und Befähigungsnachweisung vom 18. März 2002 sei rechtmäßig, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Anders als die Revision meint, war der Leitende Oberstaatsanwalt nicht gehalten, einen schriftlichen Beurteilungsbeitrag des ersten Gegenzeichners einzuholen. Nach Nr. IV 2 der AV des JM vom 20. Januar 1972 (JMBl. NW S. 38) ist die Einholung einer schriftlichen Stellungnahme zulässig, aber nicht notwendig. Zudem hat der Leitende Oberstaatsanwalt nach den unangegriffenen Feststellungen des Dienstgerichtshofes den Leistungsstand der Antragstellerin mit dem ersten Gegenzeichner mündlich erörtert.

Die Revision macht ferner ohne Erfolg geltend, die schriftlichen Beurteilungsbeiträge von zwei Gegenzeichnern seien inhaltlich unzutreffend. Der Entlassungsverfügung liegen nicht diese Beurteilungsbeiträge, sondern die Personal- und Befähigungsnachweisung des Leitenden Oberstaatsanwalts vom 18. März 2002 zugrunde. Diese beruht nach den unangegriffenen Feststellungen des Dienstgerichtshofes nicht nur auf den schriftlichen Beurteilungsbeiträgen, sondern auch auf mehreren Gesprächen des Leitenden Oberstaatsanwalts mit den Gegenzeichnern, vielfachen Erörterungen mit der Antragstellerin und mehrfacher Einsichtnahme in von der Antragstellerin bearbeitete Akten. Erhebliche Einwände, die sich unmittelbar gegen die auf dieser Grundlage erstellte Personal- und Befähigungsnachweisung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten richten, hat die Antragstellerin nicht erhoben. Ihre Gegenäußerung vom 26. März 2002 bezieht sich inhaltlich auf die Beurteilungsbeiträge von zwei Gegenzeichnern und enthält keine substantiierten Beanstandungen der Personal- und Befähigungsnachweisung vom 18. März 2002 selbst, die eine weitere Erläuterung und Plausibilisierung der darin enthaltenen Wertungen (vgl. hierzu: BVerwGE 60, 245, 251; OVG Münster DÖD 2000, 266, 268; Schnellenbach ZBR 2003, 1, 6 ff.) erforderlich machen könnten.

Unbegründet ist auch der Einwand der Revision, die Personal- und Befähigungsnachweisung vom 18. März 2002 berücksichtige nicht den von der Antragstellerin bearbeiteten Vollstreckungsbereich. Die Vollstreckungssachen werden in der Personal- und Befähigungsnachweisung ausdrücklich erwähnt. Dass die in diesem Bereich gezeigten Leistungen der Antragstellerin nicht gesondert beurteilt worden sind, ändert nichts an den erheblichen Zweifeln an ihrer Eignung. Die Schwächen und Mängel der von ihr gefertigten Abschlussverfügungen, Anklageschriften, Strafbefehlsentwürfe und begründeten Einstellungsbescheide sowie ihrer Aktenkenntnis und ihres schriftlichen Ausdrucksvermögens sind nach der Personal- und Befähigungsnachweisung so schwerwiegend, dass die dadurch begründeten Zweifel an ihrer Eignung durch - unterstellt - bessere Leistungen in Vollstreckungssachen nicht ausgeräumt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2002 - RiZ(R) 5/01, NJW-RR 2003, 570, 572).

Der Antragsgegner konnte der Entlassungsverfügung die Personal- und Befähigungsnachweisung vom 18. März 2002 ungeachtet des Umstandes zugrunde legen, dass der Antragstellerin entgegen § 104 Abs. 1 Satz 5 LBG NW, § 4 Abs. 1 Satz 1 LRiG NW vor der Aufnahme in die Personalakten keine Gelegenheit zur Besprechung mit dem Dienstvorgesetzten gegeben worden ist. Die Rechtmäßigkeit der Entlassung eines Richters auf Probe hängt grundsätzlich nicht davon ab, ob ihm zuvor seine dienstliche Beurteilung formell ordnungsgemäß eröffnet worden ist, wenn er vor der Entlassung schriftlich oder zur Niederschrift gehört worden ist (vgl. für die Entlassung eines Beamten auf Probe: BVerwG VRspr. 28, 421, 424). Dies ist im vorliegenden Fall geschehen. Die Personal- und Befähigungsnachweisung vom 18. März 2002 ist der Antragstellerin am 20. März 2002 zur Kenntnis gebracht worden. Am 10. April 2002 ist ihr ausweislich der diesbezüglichen Niederschrift im Rahmen einer Erörterung mit dem Generalstaatsanwalt Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu der beabsichtigten Entlassung gegeben worden.

2. a) Die Entlassungsverfügung ist nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Antragstellerin entgegen Nr. I 3 b der AV des JM vom 20. Januar 1972 (JMBl. NW S. 38) nach sechs Monaten seit ihrer Einstellung nicht dienstlich beurteilt worden ist. Für die Rechtmäßigkeit der Entlassung kommt es auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an (BGH, Urteile vom 30. März 1987 - RiZ(R) 6/86, BGHZ 100, 287, 299 und vom 10. Juli 1996 - RiZ(R) 3/95, DRiZ 1996, 454, jeweils m.w.Nachw.). Der Antragstellerin ist auch nicht etwa nach sechs Monaten seit ihrer Einstellung ein zuverlässiges Bild ihres Leistungsstandes vorenthalten worden. Vielmehr ist ihre Einarbeitungszeit Ende November 2001, d.h. sechs Monate nach ihrer Einstellung am 28. Mai 2001, bis Mitte Januar 2002 verlängert und sodann seit dem 14. Januar 2002 nochmals fortgeführt worden. Der Leitende Oberstaatsanwalt hat anlässlich dieser Verlängerungen der Gegenzeichnung mit der Antragstellerin Personalgespräche geführt, in denen sie sich zu den Gründen, die einer erfolgreichen Einarbeitung entgegenstanden, äußern konnte. Aufgrund dieser Umstände konnte für die Antragstellerin kein Zweifel daran bestehen, dass ihre Leistungen nach Auffassung ihres Dienstvorgesetzten nicht den Anforderungen entsprachen.

b) Da sich trotz der wiederholten Verlängerung der Einarbeitungszeit der Antragstellerin eine positive Entwicklung ihrer Leistungen nicht abzeichnete, hat der Antragsgegner ermessensfehlerfrei davon abgesehen, ihr entsprechend den Beschlüssen des Petitionsausschusses des Landtages vom 8. Juli und 2. September 2003 eine Bewährungschance im Bereich einer anderen Generalstaatsanwaltschaft zu geben.

III.

Auch der Hilfsantrag der Antragstellerin, das Verfahren bis zur Entscheidung ihrer Klage gegen die Personal- und Befähigungsnachweisung vom 18. März 2002 durch das Verwaltungsgericht - - bzw. ihres Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz - - gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V. mit § 94 VwGO auszusetzen, ist unbegründet. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Klage der Antragstellerin gegen die Personal- und Befähigungsnachweisung ist für das vorliegende Verfahren nicht vorgreiflich. Der Antragsgegner musste diese Entscheidung, wie dargelegt, nicht abwarten, sondern konnte die Rechtmäßigkeit der Personal- und Befähigungsnachweisung selbst beurteilen. Diese Beurteilung hält, wie dargelegt, der rechtlichen Überprüfung im vorliegenden Verfahren stand. Der Antrag der Antragstellerin auf einstweiligen Rechtsschutz ist vom Verwaltungsgericht abgelehnt worden und rechtfertigt schon deshalb eine Aussetzung nicht.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V. mit § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren entsprechend § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 und § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG auf 31.380,57 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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