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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 24.09.2009
Aktenzeichen: RiZ(R) 6/08
Rechtsgebiete: DRiG


Vorschriften:

DRiG § 22 Abs. 2 Nr. 1
a) Dass ein im staatsanwaltschaftlichen Dienst erprobter Richter auf Probe für das Richteramt nicht geeignet ist, kann allein aufgrund seiner Nichteignung als Staatsanwalt ohne zusätzliche Erprobung in einem Richterdezernat festgestellt werden.

b) Liegen die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG vor, besteht bei der Entlassung eines Richters auf Probe zum Ablauf des vierten Jahres nach seiner Ernennung kein Spielraum für eine Ermessensentscheidung, von der Entlassung abzusehen.


Der Bundesgerichtshof, Dienstgericht des Bundes, hat

am 24. September 2009

ohne mündliche Verhandlung

durch

die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissingvan Saan,

die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Joeres und Prof. Dr. Fischer und

die Richterinnen am Bundesgerichtshof Mayen und Safari Chabestari

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Antragstellers wird der Beschluss des Dienstgerichtshofes für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm - 1. Senat - vom 24. Juli 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der am geborene Antragsteller bestand am 27. April 2000 die erste juristische Staatsprüfung mit der Note "befriedigend" und am 14. November 2002 die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note "vollbefriedigend".

Der Generalstaatsanwalt in ernannte ihn am 8. Januar 2003 unter Berufung in das Richterverhältnis auf Probe zum Staatsanwalt und erteilte ihm einen Dienstleistungsauftrag im staatsanwaltschaftlichen Dienst bei der Staatsanwaltschaft . Der Leitende Oberstaatsanwalt in beurteilte seine Fähigkeiten und Leistungen in Personal- und Befähigungsnachweisungen vom 6. August 2003 und 17. August 2004 als "durchschnittlich". Nach Versetzung in eine andere Abteilung am 2. November 2004 wurde dem Antragsteller vorgeworfen, eine Reihe von Verfahren nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung bearbeitet sowie seine Pflicht zur objektiven und unvoreingenommenen Beurteilung verletzt zu haben. In dem daraufhin eingeleiteten förmlichen Disziplinarverfahren wurde durch - inzwischen rechtskräftige - Disziplinarverfügung vom 6. Oktober 2006 ein Verweis gegen den Antragsteller verhängt.

In einer Personal- und Befähigungsnachweisung vom 6. Juni 2006 beurteilte der Leitende Oberstaatsanwalt in den Antragsteller wie folgt:

"I. Sach- und Fachkompetenz:

Der Beamte ist mit fundierten Kenntnissen des materiellen und des formellen Strafrechts in die Behörde eingetreten. Die einschlägigen Verwaltungsvorschriften sind ihm zumeist bekannt. Er ist geistig rege und vielseitig interessiert. Herr H. besitzt eine gute Auffassungsgabe; er weist auch Denk- und Urteilsvermögen auf. Ferner ist er grundsätzlich in der Lage, die wesentlichen, strafrechtlich relevanten Umstände zu erkennen. Der Beamte hat jedoch seine Rechtskenntnisse nicht - wie erwartet und notwendig - anhand der praktischen Befassung mit den ihm zugewiesenen Verfahren erweitern und vertiefen können. Es fehlt ihm ferner vielfach die Fähigkeit, sein theoretisches Wissen praxisgerecht umzusetzen. Emotionalen Faktoren räumt er unangemessene und unvertretbar hohe Bedeutung ein. Ein tragfähiges Judiz hat er deshalb nur eingeschränkt entwickeln können. Neben Verfügungen und Abschlussentscheidungen, die inhaltlich und rechtlich vertretbar sind, war die Bearbeitung einer größeren Anzahl von Verfahren zu beanstanden. Seine Ermittlungsführung zeigte hier Schwächen. Die Notwendigkeit von Anordnungen zur Sachaufklärung war nicht immer nachzuvollziehen. Teils wurden von ihm polizeilich angeregte und nach dem Verfahrensstand auch angezeigte gerichtliche Maßnahmen nicht beantragt, was zu Gegenvorstellungen der Kriminalbeamten geführt hat. Die Prüfung seiner Ermittlungstätigkeit hat auch ergeben, dass er neben von ihm ohne nennenswerten Verzug geförderten Sachen insbesondere eine erhebliche Anzahl von Verfahren von größerer Bedeutung und größeren Umfangs sowie von tatsächlich und rechtlich höherem Schwierigkeitsgrad gar nicht oder nur mit teils monatelanger Verzögerung bearbeitet oder abgeschlossen hat. Durch diese Arbeitsweise vermochte er zwar die Zahl der offenen Verfahren seines Dezernats im Rahmen zu halten. Jedoch geriet das Dezernat im Hinblick auf die nicht bzw. nicht hinreichend bearbeiteten komplizierteren bzw. umfänglichen Verfahren in Missstand, welcher schließlich auch wegen der Bedeutung gerade dieser Verfahren nicht mehr hinnehmbar war. Nach seiner letzten Umsetzung, die deshalb aus Sicht der Behördenleitung unvermeidbar geworden war, wurde ihm zunächst aufgegeben, alle Einstellungen und ab dem 01.03.2006 Einstellungsverfügungen ohne Bescheid und die Ablehnung polizeilich angeregter gerichtlicher Maßnahmen dem Abteilungsleiter zur Billigung vorzulegen. Auch danach wurden jedoch wieder mehrere Verfahren von ihm über Monate nicht bearbeitet. Hierbei handelt es sich u.a. um eine nicht unerhebliche Zahl einfach und zügig (in der Regel mit einer kurzen Einstellungsverfügung) abzuschließender Vorgänge. Außerdem wurde festgestellt, dass er eine Vielzahl ihm schubweise und über längere Zeit zur Bearbeitung übertragene UJs-Sachen unerledigt hat liegen lassen.

Sein Amtsverständnis ist nicht frei von unbegründeter Voreingenommenheit. Wiederholt hat er sich bei der Beurteilung der angezeigten Tat von nicht begründeten Vorurteilen gegen Verfahrensbeteiligte beeinflusst gezeigt.

Seine Verfügungen und Abschlussentscheidungen sind sprachlich verständlich abgefasst; sein Stil ist allerdings mitunter unnötig schroff. Von den verfahrenserleichternden und verfahrensbeschleunigenden Bestimmungen macht er Gebrauch.

Sein Vortrag ist gut vorbereitet. Staatsanwalt (R.a.P.) H. drückt sich verständlich aus. In der Hauptverhandlung tritt er angemessen auf. Der Schlussvortrag gibt das Verhandlungsergebnis zutreffend wieder, seine Anträge finden Beachtung.

Die ihm zur Ausbildung zugewiesenen Referendarinnen und Referendare bezieht er in die tägliche Dezernatsarbeit ein.

II. Persönliche Kompetenz:

Staatsanwalt (R.a.P.) H. ist vielseitig interessiert. Er tritt ruhig auf und bewahrt bei auftretenden Belastungen äußerlich Gleichmut, kann jedoch auch sehr aufgebracht werden. Auseinandersetzungen scheut er nicht. Seine eigenen Schwächen erkennt er nur bedingt. Die Planung seiner eigenen Arbeit hat Mängel. Viele der beanstandeten Verfahren hat er entweder gar nicht oder in nicht mehr vertretbaren Zeiträumen bearbeitet; er hat auf seinem Dienstzimmer wiederholt Akten über Monate hinweg angesammelt. Erledigungsrückständen wirkt er nachhaltig nur unter Aufsicht entgegen; mitunter verweigert er auch die Erledigung aus Gründen der Voreingenommenheit. Größeren Belastungen ist er nur bei unverhältnismäßig großem Zeitaufwand unter Verwendung von Freizeit und auch teilweise seines Urlaubs als Arbeitszeit gewachsen. Hierunter leiden seine Motivation, seine Entschlusskraft und seine Entscheidungsbereitschaft.

Von neuen technischen Arbeitsmitteln macht er Gebrauch.

Hinweise und Ratschläge nimmt er nur schwer an. Oft beharrt er auch auf seiner Ansicht. Herr H. hat Weisungen seiner Abteilungsleitung schriftlich - auch wiederholt - widersprochen. Gelegentlich werden sie von ihm auch ganz ignoriert. Er hat es auch teilweise abgelehnt, sein dienstliches Verhalten überhaupt mit seiner vorgesetzten Abteilungsleiterin zu erörtern.

III. Soziale Kompetenz:

Staatsanwalt (R.a.P.) H. besitzt eine charakterlich nicht zu beanstandende Persönlichkeit; er ist hilfsbereit. Er verhält sich Behördenangehörigen gegenüber auch kollegial. Herr H. drückt sich im Allgemeinen klar aus und gibt seine Kenntnisse weiter. Er neigt aber zum Widerspruch und will Recht behalten. Um einen Ausgleich oder einen Kompromiss ist er dann nicht bemüht.

IV. Führungs- und Leitungskompetenz:

Seine schriftlichen Ersuchen und sonstigen Anweisungen sind hinreichend deutlich. Allerdings stoßen seine Anordnungen bei den Ermittlungsbeamten teils auf Unverständnis. Es gelingt ihm ihnen gegenüber dann auch nicht, seinen eigenen Standpunkt überzeugend zu vermitteln, zumal er bei telefonischen Rückfragen weniger erläuternd als anweisend auftritt.

Der Beamte kann überhaupt nur unter strenger Dienst- und Fachaufsicht seinen Aufgaben gerecht werden. Im Hinblick auf die in seiner Stellung vorausgesetzte selbstverantwortliche Arbeitsweise bietet er nach persönlicher und fachlicher Eignung auf Dauer nicht die Gewähr, die an das Amt des Staatsanwalts gestellten Anforderungen in der erforderlichen Weise zu erfüllen. Herrn H. ist seit seinem Amtsantritt mehrfach durch Abteilungswechsel die Chance gegeben worden, seine Fähigkeiten - auch unter Anleitung und Hilfestellung anderer Abteilungsleiter - weiter zu entwickeln. Diese Möglichkeit hat er letztlich nicht genutzt. Die notwendige Entwicklung, aber auch das Abstellen von auftretenden Schwächen konnte nicht festgestellt werden.

Die Fähigkeiten und Leistungen des Dezernenten sind unterdurchschnittlich."

Die gegen diese Beurteilung, der der Generalstaatsanwalt in einer Zusatzbeurteilung vom 26. Juli 2006 nicht entgegen trat, erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht durch rechtskräftiges Urteil vom 13. Juli 2007 ab.

Der Antragsgegner entließ den Antragsteller durch Verfügung vom 9. November 2006 nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG mit Ablauf des Monats Dezember 2006 aus dem Justizdienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Zur Begründung führte er aus: "Nach den Inhalten der Beurteilung des Leitenden Oberstaatsanwalts in vom 06.06.2006 und der Zusatzbeurteilung des Generalstaatsanwalts in vom 26.07.2006 haben Sie sich innerhalb der seit dem 08.01.2003 andauernden Probezeit für das Amt des Staatsanwalts nicht bewährt. Insbesondere Ihre fachlichen Leistungen entsprechen nicht den Anforderungen und dem Berufsbild des Staatsanwalts. Ich bin daher gehalten, Sie aus dem Justizdienst des Landes zu entlassen."

Den Widerspruch des Antragstellers gegen die Entlassungsverfügung wies der Antragsgegner am 7. Dezember 2006 zurück. Zugleich ordnete er die sofortige Vollziehbarkeit der Entlassungsverfügung an. Auf Antrag des Antragstellers stellte das Dienstgericht die aufschiebende Wirkung wieder her. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners wies der Dienstgerichtshof zurück.

Am 2. Januar 2007 hat der Antragsteller beim Dienstgericht den Antrag gestellt, die Entlassungsverfügung vom 9. November 2006 und den Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 aufzuheben. Zur Begründung hat er ausgeführt, da er am 8. Januar 2003 ernannt worden sei, sehe § 22 Abs. 2 DRiG eine Entlassung mit Ablauf des Monats Dezember 2006 nicht vor. Die der Entlassung zugrunde liegende Personal- und Befähigungsnachweisung vom 6. Juni 2006 sei rechtsfehlerhaft. Auch die den Gegenstand der Disziplinarverfügung bildenden Vorwürfe, die lediglich zur Verhängung eines Verweises geführt hätten, rechtfertigten die Entlassung nicht.

Das Dienstgericht hat durch Urteil vom 6. Dezember 2007 die Entlassungsverfügung vom 9. November 2006 und den Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Entlassung gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG setze voraus, dass ein Richter auf Probe für das Richteramt nicht geeignet sei. Eine dahingehende Entscheidung habe der Antragsgegner aber nicht getroffen. Er halte den Antragsteller nur als Staatsanwalt für ungeeignet. Darauf komme es angesichts des klaren Wortlauts des § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG nicht an.

Auf die Berufung des Antragsgegners hat der Dienstgerichtshof durch Beschluss gemäß § 130 a VwGO vom 24. Juli 2008 das Urteil des Dienstgerichts aufgehoben und den Antrag des Antragstellers mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Entlassung zum 8. Januar 2007 wirksam werde. Zur Begründung hat der Dienstgerichtshof ausgeführt, die formellen Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG seien erfüllt. Der gesetzlich nicht vorgesehene Entlassungszeitpunkt stehe dem nicht entgegen, da eine Umdeutung der Entlassung zum nächst möglichen Zeitpunkt, d.h. zum 8. Januar 2007, zulässig sei. Die Entlassungsverfügung sei dem Antragsteller auch fristgerecht, d.h. 6 Wochen vor dem Entlassungstermin, ausgehändigt worden. Die Entlassungsverfügung sei auch materiell rechtmäßig. Der Antragsgegner habe den Begriff der Eignung nicht verkannt. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass die Entlassung eines ausschließlich als Staatsanwalt verwendeten Richters auf Probe auch die Feststellung seiner Ungeeignetheit für das Richteramt voraussetze. Seine Eignung könne nur nach dem tatsächlich ausgeübten Dienstverhältnis beurteilt werden. Im Übrigen ergebe sich aus den gravierenden Mängeln der Leistungen und des Verhaltens des Antragstellers zugleich seine Ungeeignetheit für das Richteramt. Dafür sei maßgeblich, dass er dem Arbeitsanfall nicht gewachsen sei, einfachere Verfahren vorziehe und komplizierte Verfahren längere Zeit unbearbeitet lasse. Hinzu komme, dass er in seiner Arbeitsweise die erforderliche Objektivität vermissen lasse. Die Entlassung sei ausreichend begründet. Die sehr knappe Entlassungsverfügung nehme zwar lediglich auf die Beurteilung des Leitenden Oberstaatsanwalts und die Überbeurteilung des Generalstaatsanwalts Bezug. Der ausführliche Widerspruchsbescheid zeige aber, dass der Antragsgegner alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen umfassend gewürdigt habe.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Wegen seines Vorbringens wird auf seine Schriftsätze vom 22. September und 5. Dezember 2008 verwiesen.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm vom 24. Juli 2008 aufzuheben und die Berufung des Antragsgegners zurückzuweisen, hilfsweise, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an den Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm zurückzuverweisen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache an den Dienstgerichtshof zurückzuverweisen.

Wegen seines Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 5. November 2008 verwiesen.

Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige (§ 79 Abs. 2, § 80 Abs. 2 DRiG) Revision ist begründet.

I.

Der angefochtene Beschluss beruht auf der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 80 Abs. 3 DRiG), weil das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, obwohl die Parteien zuvor nicht angehört worden sind (§ 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO, § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG).

1. Die Anhörung gemäß § 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO, die sich sowohl auf die Voraussetzungen für eine Beschlussentscheidung nach § 130a VwGO als auch auf die Sache selbst beziehen muss (BVerwGE 111, 69, 74), ist vollständig unterblieben. Darin liegt zugleich ein Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs i.S. des § 138 Nr. 3 VwGO (BVerwG NVwZ 1999, 1107; Roth, in: Posser/Wolff, VwGO 2008, § 125a Rdn. 13). Angesichts dieser Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob ein weiterer Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs darin liegt, dass dem Antragsteller zunächst eine Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses zugestellt worden ist, in dem ausgeführt wird, er habe sich auf die Berufung des Antragsgegners nicht geäußert, obwohl er tatsächlich die Zurückweisung der Berufung beantragt und diesen Antrag in einem 14-seitigen Schriftsatz begründet hatte.

2. Der in der Unterlassung der Anhörung gemäß § 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO liegende Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an den Dienstgerichtshof (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO). Eine Zurückweisung der Revision gemäß § 144 Abs. 4 VwGO ist bei einem sogenannten absoluten Revisionsgrund, wie er hier mit der Versagung des rechtlichen Gehörs gemäß § 138 Nr. 3 VwGO vorliegt, grundsätzlich ausgeschlossen (BVerwG NVwZ 2003, 1129, 1130). Bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs ist § 144 Abs. 4 VwGO nur ausnahmsweise anwendbar, wenn die unter Verstoß gegen das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs getroffene Feststellung zu einer einzelnen Tatsache nach der materiellrechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts unter keinem denkbaren Gesichtspunkt erheblich war oder wenn lediglich nicht hinreichend Gelegenheit bestand, zu Rechtsfragen Stellung zu nehmen (BVerwG NVwZ 2003, 224, 225). Anders liegt es jedoch, wenn das Berufungsgericht, wie im vorliegenden Fall, ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Dann bezieht sich die Verletzung des Gebots zur Gewährung rechtlichen Gehörs auf das Gesamtergebnis des Verfahrens, weil sich der Revisionskläger zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt, wie er sich nach der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ergeben hat, d.h. zum Gesamtergebnis des Verfahrens, nicht mehr äußern konnte. Dem Revisionsgericht fehlt dann die tatrichterliche Grundlage für eine abschließende materiellrechtliche Entscheidung (BVerwG NVwZ 2003, 1129, 1130).

3. Eine Entscheidung in der Sache selbst zugunsten des Antragstellers gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO, die die Revision ungeachtet des Verfahrensfehlers, der zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führt, für möglich hält, kommt nicht in Betracht, weil das Berufungsgericht nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand rechtsfehlerfrei angenommen hat, dass die Entlassungsverfügung und der Widerspruchsbescheid rechtlich nicht zu beanstanden sind. Die Voraussetzungen einer Entlassung des Antragstellers gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG liegen danach vor.

a) Die formellen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.

Die Entlassungsverfügung ist dem Antragsteller unter Beachtung der Frist von 6 Wochen vor dem Entlassungstag (§ 22 Abs. 5 DRiG) am 13. November 2006 ausgehändigt worden.

Die Entlassung erfolgte zum Ablauf des vierten Jahres nach seiner Ernennung zum Richter auf Probe. Allerdings konnte der Antragsteller, der am 8. Januar 2003 zum Richter auf Probe ernannt worden ist, nicht, wie es in der Entlassungsverfügung heißt, mit Ablauf des Monats Dezember 2006, sondern erst zum 8. Januar 2007 entlassen werden. Insoweit hat das Berufungsgericht aber rechtsfehlerfrei eine Umdeutung vorgenommen. Eine Entlassung zu einem unzulässigen Termin kann als Entlassung zum nächst zulässigen Zeitpunkt angesehen werden, wenn ihr der Wille der Entlassungsbehörde zugrunde liegt, das Richterverhältnis zum nächst zulässigen Termin zu beenden (BGHZ 48, 273, 278 f.). Ein solcher Wille liegt hier vor, weil der Antragsgegner entgegen der Auffassung der Revision nicht an dem unzulässigen Entlassungsdatum festgehalten, sondern in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 20. April 2007 ausdrücklich erklärt hat, dass die Entlassung des Antragstellers auf jeden Fall erfolgen sollte und deshalb im Wege der Auslegung oder Umdeutung von einer Entlassung zum nächst möglichen Termin, also zum 8. Januar 2007, auszugehen sei.

b) Die Entlassungsverfügung ist derzeit auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes stellt die Entscheidung der Frage, ob ein Richter auf Probe für das Richteramt geeignet ist (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG), einen Akt wertender Erkenntnis dar. Dieser gewährt dem Dienstherrn einen Beurteilungsspielraum, dessen gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt ist, ob der Begriff der Eignung verkannt oder ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt worden ist, ob allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (BGH, Urteile vom 24. November 1970 - RiZ(R) 1/69, DRiZ 1971, 91 f.; vom 25. August 1992 - RiZ(R) 2/92, Umdruck S. 8 und vom 22. September 1998 - RiZ(R) 2/97, DRiZ 1999, 141, 143; vgl. allgemein zu normativ eröffneten Beurteilungsspielräumen von Behörden: BVerfGE 88, 40, 56; 103, 142, 156 f.).

(1) Entgegen der Auffassung der Revision hat der Antragsgegner den Begriff der Eignung nicht verkannt. Er setzt sich in der Entlassungsverfügung und dem Widerspruchsbescheid zwar nicht ausdrücklich mit der Eignung des Antragstellers für das Richteramt, sondern nur mit der für das Amt des Staatsanwalts auseinander. In der Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes ist aber anerkannt, dass die Ungeeignetheit eines im staatsanwaltschaftlichen Dienst erprobten Richters auf Probe allein aufgrund seiner Nichteignung als Staatsanwalt ohne zusätzliche Erprobung in einem Richterdezernat festgestellt werden kann (BGH, Urteile vom 24. November 1970 - RiZ(R) 1/69, DRiZ 1971, 91, 92 und vom 26. August 1991 - RiZ(R) 7/90, Umdruck S. 6).

Das Berufungsgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass die im staatsanwaltschaftlichen Dienst festgestellte selektive Arbeitsweise und die mangelnde Objektivität des Antragstellers ungeachtet des unterschiedlichen Statusrechts und der Weisungsgebundenheit des Staatsanwalts die Ungeeignetheit auch für das Richteramt begründen. Eine funktionsfähige Rechtspflege, die der Staat zu gewährleisten hat, erfordert Richter, die bereit und in der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich und unter Berücksichtigung der Arbeitsbelastung zügig zu erledigen (BGH, Urteile vom 1. März 1976 - RiZ(R) 2/75, DRiZ 1976, 317, 318 und vom 22. September 1998 - RiZ(R) 2/97, DRiZ 1999, 141, 143). An das Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein sowie an die Einsatzbereitschaft eines Richters sind angesichts der richterlichen Unabhängigkeit, die die Einflussmöglichkeiten des Dienstherrn erheblich einschränkt, hohe Anforderungen zu stellen. Ein Richter, der vornehmlich einfache Verfahren fördert und Verfahren mit höherem Schwierigkeitsgrad, größerem Umfang und größerer Bedeutung nur verzögert bearbeitet und außerdem nicht frei von unbegründeter Voreingenommenheit und Vorurteilen gegenüber Verfahrensbeteiligten ist, wird diesen Anforderungen nicht gerecht und ist für die Ernennung zum Richter auf Lebenszeit nicht geeignet.

Diese Beurteilung hat entgegen der Auffassung der Revision der Antragsgegner selbst in Wahrnehmung seines Beurteilungsspielraums vorgenommen. Er hat in der Berufungsbegründung vom 12. Februar 2008 dargelegt, dass der Antragsteller aufgrund der im staatsanwaltschaftlichen Dienst gezeigten Leistungsmängel auch für das Richteramt ungeeignet ist. Die Ergänzung der Eignungsbeurteilung war in diesem Verfahrensstadium gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NW, § 114 S. 2 VwGO (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 5. Juli 2007 - RiZ(R) 1/07, NJW 2007, 3726, 3728) zulässig. § 114 Satz 2 VwGO, der Ermessensentscheidungen betrifft, ist auf Verwaltungsakte, bezüglich derer ein Beurteilungsspielraum besteht, entsprechend anwendbar (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 114 Rn. 49 m.w.N.).

(2) Der Antragsgegner ist auch nicht von einem unrichtigen oder unzureichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen. Er durfte der Entlassungsverfügung die dienstliche Beurteilung des Leitenden Oberstaatsanwalts in vom 6. Juni 2006 und die Zusatzbeurteilung des Generalstaatsanwalts in vom 26. Juli 2006 zugrunde legen (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2002 - RiZ(R) 5/01, NJW-RR 2003, 570, 572). Die gegen diese Beurteilungen erhobene verwaltungsgerichtliche Klage des Antragstellers ist rechtskräftig abgewiesen worden. Die Revision erhebt gegen diese Beurteilungen auch keine Einwände mehr, sondern macht lediglich geltend, das darin verwandte Prädikat "unterdurchschnittlich" sei nicht mit "ungeeignet" gleichzusetzen. Darauf kommt es indes nicht an. Das Berufungsgericht hat der Beurteilung rechtsfehlerfrei entnommen, dass der Antragsteller, wie seine selektive Arbeitsweise zeigt, dem hohen Arbeitsanfall im richterlichen Dienst nicht gewachsen ist und die für das Amt des Richters erforderliche Objektivität vermissen lässt. Daraus folgt seine Ungeeignetheit für das Amt des Richters.

bb) Die Entlassung beruht nicht auf einem Ermessensfehler.

§ 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG ist zwar eine Kann-Vorschrift. Bei einer Entlassung zum Ablauf des vierten Jahres nach der Ernennung eines Richters auf Probe besteht aber kein echter Spielraum für eine Ermessensentscheidung, von der Entlassung abzusehen, wenn die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG vorliegen (Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, DRiG, § 22 Rn. 3). Da nach Ablauf des vierten Jahres nach der Ernennung eine Entlassung, abgesehen von dem Sonderfall des § 22 Abs. 3 DRiG, nicht mehr möglich ist, muss ein Richter auf Probe entlassen werden, wenn zum Ablauf des vierten Jahres nach seiner Ernennung seine Ungeeignetheit feststeht.

Der Wert des Streitgegenstandes ist für das Revisionsverfahren entsprechend § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 23.428,86 EUR festgesetzt worden.

Ende der Entscheidung

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