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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.01.2001
Aktenzeichen: StB 1/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 304 Abs. 5
StPO § 98 Abs. 2 Satz 2
StGB § 129 a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 BJs 61/00-2 StB 1/01

vom

30. Januar 2001

in dem Ermittlungsverfahren

gegen

wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u.a.;

hier: Beschwerde gegen die Anordnung einer Durchsuchung

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 30. Januar 2001 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluß des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 17. November 2000 wird verworfen.

Der Beschuldigte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "Das K.O.M.I.T.E.E." sowie der Beteiligung an Sprengstoffverbrechen (§ 129 a Abs. 1 Nr. 3, § 311 a.F., § 311 b Abs. 1 Nr. 2 a.F. StGB). Diese Organisation soll sich zum Ziel gesetzt haben, in Deutschland den Kampf der kurdischen PKK durch Brand- und Sprengstoffanschläge zu unterstützen. Zu diesem Zweck sollen Mitglieder der Vereinigung in der Nacht zum 27. Oktober 1994 an dem Gebäude des Kreiswehrersatzamtes in Bad Freienwalde einen kombinierten Brand/Sprengstoffanschlag mit einem Schaden von ca. 200.000 DM verübt haben. Weiterhin sollen Mitglieder der Vereinigung "Das K.O.M.I.T.E.E.", nämlich der Bruder des Beschuldigten und zwei Mittäter, gegen die Haftbefehle bestehen, beabsichtigt haben, in der Nacht zum 11. April 1995 die kurz vor der Fertigstellung stehende Justizvollzugsanstalt Berlin-Grünau durch einen Sprengsatz in die Luft zu sprengen. Die Täter sollen mehrere Bomben mit insgesamt 120 Kilogramm Sprengstoff in Kraftfahrzeugen zum Tatort transportiert haben und geflüchtet sein, nachdem sie durch ein vorbeikommendes Polizeifahrzeug gestört wurden.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers und der von ihm als Geschäftsführer betriebenen Gaststätte, die am 22. November 2000 durchgeführt worden ist, gestattet. Dabei wurden in den Wohnräumen des Beschuldigten zahlreiche Gegenstände beschlagnahmt, u.a. dem Sprengstoffgesetz unterfallende Substanzen sowie elektronische Bauteile.

Der Beschuldigte wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Anordnung sowie die Art und Weise der Durchsuchung und beantragt, den Durchsuchungsbeschluß vom 17. November 2000 aufzuheben. Dazu bringt er im wesentlichen vor, in dem angefochtenen Beschluß seien die zu durchsuchenden Räume und die zu suchenden Beweismittel nicht ausreichend eingegrenzt worden. Der Einsatz des Sondereinsatzkommandos der Polizei im Rahmen der Durchsuchung sei unverhältnismäßig, dessen Vorgehen sei rechtswidrig gewesen.

II.

1. Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung selbst wendet, wegen der mit der Wohnungsdurchsuchung verbundenen tiefgreifenden Grundrechtseingriffe und der Notwendigkeit eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) zulässig, obwohl die Durchsuchung bereits abgeschlossen ist (vgl. BVerfGE 96, 27; BGH NJW 2000, 84, 85). Soweit in ihr mit dem Hinweis der Verteidigung auf den Einsatz des Sondereinsatzkommandos der Polizei und dessen Vorgehen die Art und Weise der Durchsuchung beanstandet wird, ist die Beschwerde unzulässig (BGH NJW 2000, 84, 86). Rügen gegen die Art und Weise der vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordneten Durchsuchung können lediglich durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO vorgebracht werden, in den der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den unzulässigen Teil der Beschwerde umdeuten will.

2. Das Rechtsmittel gegen die Durchsuchungsanordnung bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil deren Voraussetzungen (§§ 102, 105 StPO) vorlagen.

a) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, daß eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt (BGH NJW 2000, 84, 85 m.w.Nachw.) aus. Ausreichende Verdachtsmomente in diesem Sinne lagen gegen den Beschwerdeführer vor. Sein Bruder ist wegen am Tatort aufgefundener Ausweispapiere dringend verdächtig, an dem beabsichtigten Sprengstoffanschlag auf die Justizvollzugsanstalt Berlin-Grünau in der Nacht zum 11. April 1995 beteiligt gewesen zu sein. Aus einem bei ihm sichergestellten, nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand von ihm verfaßten Brief und einer Überwachung des Fernmeldeverkehrs geht hervor, daß der im Umgang mit Sprengstoffen erfahrene Beschuldigte fähig ist, die für einen Sprengstoffanschlag erforderlichen Schaltmechanismen herzustellen und von "dem vernünftigen Sprengmeister aus Freiburg" befragt wurde, ob er nächste Ostern - der beabsichtigte Sprengstoffanschlag auf die JVA sollte um die Osterzeit stattfinden - bei irgendeiner Feuerwerksaufführung helfen könne und mitmache. Angesichts der Gefährlichkeit der zu ermittelnden Straftaten, dem daraus folgenden Gewicht des Aufklärungsinteresses sowie der besonderen Ermittlungsschwierigkeiten im Bereich der terroristischen Kriminalität reichten die genannten Verdachtsgründe für die Durchsuchungsanordnung aus.

b) Die Begründung der Durchsuchungsanordnung entspricht den gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfG NStZ 1992, 91, 92; NStZ 1994, 349; NJW 1994, 3281, 3282). Die dem Beschwerdeführer im Sinne eines Anfangsverdachts zur Last gelegte Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129 a Abs. 1 StGB) sowie die tatsächlichen Umstände, aus denen sich der Tatverdacht ergibt, sind in dem angefochtenen Beschluß hinreichend dargestellt. Eine noch weitergehende Konkretisierung des Tatvorwurfs und eine noch umfassendere Darstellung der Beweislage waren nicht erforderlich, weil dies den Zwecken der Strafverfolgung abträglich gewesen wäre (vgl. BVerfGE 96, 44, 51 f.; BVerfG NStZ 1999, 414).

c) Die angefochtene Durchsuchungsanordnung trägt einer angemessenen Beschränkung der Zwangsmaßnahme entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG NJW 1994, 3281, 3282; NStZ 1999, 414) Rechnung. In ihr sind der Beschuldigte als zu durchsuchende Person sowie seine Wohnung, die von ihm betriebene Gaststätte und die ihm gehörenden Sachen einschließlich der von ihm genutzten Fahrzeuge als die zu durchsuchenden Objekte hinreichend bestimmt bezeichnet. Die Wohnung und die Gaststätte wurden mit der genauen Anschrift versehen. Auch die Gegenstände, die aufgrund ihrer potentiellen Beweisbedeutung sichergestellt werden sollen, sind in dem angefochtenen Beschluß als Gegenstände und Substanzen zur Anfertigung von Sprengsätzen, Unterlagen über eine Tatbeteiligung des Beschuldigten, seine persönlichen Beziehungen zu den drei flüchtigen Beschuldigten sowie Schriftstücke über deren gegenwärtigen Aufenthaltsort so deutlich wie möglich bezeichnet. Damit war für eine angemessene Begrenzung der Durchsuchungsmaßnahme Sorge getragen und sichergestellt, daß die Eingriffe in die Grundrechte des Beschwerdeführers meßbar und kontrollierbar bleiben (vgl. BVerfGE 96, 44, 51).

d) Die angefochtene Durchsuchungsanordnung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG NStZ 1992, 92; NJW 1994, 2079, 2080 f.). Sie steht in einem angemessenen Verhältnis zur Stärke des Tatverdachts, der sich auf tatsächliche Anhaltspunkte stützt, und zur Bedeutung der aufzuklärenden Straftaten. Der Beschuldigte ist schwerster Straftaten verdächtig, an deren Aufklärung und Verfolgung ein überragendes Interesse besteht. Unter diesen Umständen muß der Beschuldigte die mit der Durchsuchung verbundene Einschränkung seiner Grundrechte aus Art. 13 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) hinnehmen.

Ende der Entscheidung

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