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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 01.04.2004
Aktenzeichen: StB 1/04
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 | |
StPO § 116 Abs. 4 Nr. 3 | |
StPO § 112 Abs. 3 | |
StPO § 116 |
3 BJs 35/03-5 (4) StB 1/04
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 1. April 2004
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers am 1. April 2004 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluß des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 22. Januar 2004, bestätigt durch Beschluß vom 23. Januar 2004, wird verworfen.
Der Beschuldigte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat gegen den Beschuldigten am 12. September 2003 Haftbefehl wegen des dringenden Verdachts der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB) erlassen. Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis liegt ihm folgender Sachverhalt zur Last:
Der Beschuldigte gehörte spätestens ab Frühjahr 2003 dem eine terroristische Vereinigung bildenden inneren Führungszirkel der in Mü. agierenden rechtsradikalen Organisation "Kameradschaft Süd" bzw. "Aktionsbüro Süd" an. Innerhalb dieser konspirativ handelnden Gruppe legte W. als unumstrittener Führer und maßgeblicher Organisator die konkreten Aktionen fest, bestimmte entscheidend die Meinungsbildungsprozesse und verteilte die Aufgaben. Die Mitglieder des inneren Führungszirkels wollten ihr gemeinsames Ziel, die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen und ein Regime nach dem Vorbild der nationalsozialistischen Diktatur zu errichten, entsprechend den Planungen des W. auch durch den Einsatz von Waffen gegen Menschen sowie durch Sprengstoffanschläge erreichen, was der Beschuldigte wußte und billigte. Zur Vorbereitung auf bewaffnete Kampfeinsätze veranstalteten sie Wehrsportübungen und sammelten über politische Gegner als mögliche Opfer Informationen, wobei der Beschuldigte den SPD-Politiker M. ausspähte. Um die geplanten Anschläge durchführen zu können, besorgten sie sich Pistolen mit Munition, eine funktionsfähige Handgranate und Sprengstoff. Mit Wissen und Billigung der übrigen Mitglieder des inneren Führungszirkels plante W. , bei der Grundsteinlegung für das jüdische Kulturzentrum am S. -Platz in Mü. am 9. November 2003 einen Sprengstoffanschlag zu begehen.
Der Beschuldigte wurde am 12. September 2003 in Untersuchungshaft genommen. Am 20. Oktober 2003 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den auf die Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr gestützten Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Dabei hat er u. a. die Weisung erteilt, den von dem Beschuldigten gewünschten Schulbesuch an der Fachoberschule fortzusetzen und eine schulische Veränderung nur mit seiner Zustimmung vorzunehmen. Mit Beschluß vom 22. Januar 2004, bestätigt durch Beschluß vom 23. Januar 2004, hat der Ermittlungsrichter den Haftbefehl wieder in Vollzug gesetzt, weil sich der Beschuldigte ohne seine Genehmigung von der Fachoberschule eigenmächtig abgemeldet und deshalb der Weisung zuwider gehandelt habe. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Beschuldigte dagegen, daß der Haftbefehl wieder in Vollzug gesetzt worden ist.
II.
Die gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 StPO zulässige Haftbeschwerde ist unbegründet.
1. Die Voraussetzungen des Haftbefehls, der mit der Beschwerde nicht angegriffen wird, liegen vor. Der dringende Verdacht der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Mitglied beruht auf der Einlassung des Beschuldigten sowie den Angaben von Mitbeschuldigten, die dadurch bestätigt werden, daß bei Mitbeschuldigten Sprengstoff, eine Handgranate, eine Rohrbombenhülle sowie Pistolen sichergestellt werden konnten. Aus den Gründen des Haftbefehls und des Beschlusses vom 20. Oktober 2003 sind weiterhin die Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StPO) zu bejahen. Angesichts der Schwere des Tatvorwurfs und der Höhe der zu erwartenden Strafe ist für den Beschuldigten der starke Anreiz vorhanden, sich dem Verfahren durch Flucht zu entziehen und bei Gesinnungsgenossen unterzutauchen.
2. Der Ermittlungsrichter hat den erneuten Vollzug des Haftbefehls zu Recht angeordnet.
Zwar kann es nicht als gröbliche Zuwiderhandlung gegen die ihm auferlegten Pflichten (§ 116 Abs. 4 Nr. 1 StPO) gewertet werden, daß sich der Beschuldigte wegen Überforderung von der Fachoberschule abgemeldet hat. Indes ist die Tatsache, daß er weder eine andere Schule besucht noch in einem auf Dauer angelegten Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis steht, ein neu hervorgetretener Umstand im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO. Dem Schulbesuch kam nach der vom Senat geteilten Einschätzung des Ermittlungsrichters wegen der damit verbundenen sozialen Bindungen und Zukunftsperspektiven eine nicht unerhebliche fluchthemmende Wirkung zu. Außerdem deutet der Umstand, daß der Beschuldigte seine Zusage, den Besuch der Fachoberschule fortzusetzen, schon nach wenigen Wochen gebrochen hat, auf unüberlegte, spontane Entscheidungen hin. Daher hat sich mit dem Schulabbruch der Haftgrund der Fluchtgefahr so erheblich verstärkt, daß die verbleibenden Weisungen allein nicht geeignet sind, dem Fluchtanreiz ausreichend entgegenzuwirken, und der Haftbefehl weiterhin vollzogen werden muß. Dies gilt um so mehr, als die Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 StPO vorliegen, dessen Gedanke auch bei Entscheidungen gemäß § 116 StPO Wirkung entfaltet.
Ende der Entscheidung
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