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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.04.2002
Aktenzeichen: StB 11/02
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 116 | |
StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2 | |
StPO § 94 Abs. 1 | |
StPO § 94 Abs. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
23. April 2002
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Beschwerdeführers und seiner Verteidigerinnen am 23. April 2002 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluß des Kammergerichts vom 6. März 2002 aufgehoben.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Der Angeklagte befindet sich im Verfahren (1) 2 StE 11/00 (4/00) des Kammergerichts in Berlin in Untersuchungshaft. Mit Beschluß vom 6. März 2002 hat das Kammergericht eine beglaubigte Fotokopie des Schreibens vom 21. Januar 2002, das der Angeklagte aus der Haft heraus an Frau L. richtete, sowie des dazugehörigen Briefumschlags als Beweismittel beschlagnahmt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Angeklagten hat Erfolg.
In dem Schreiben wirft der Angeklagte den Mitgliedern des erkennenden Senats des Kammergerichts vor, Geheimabsprachen mit Mitangeklagten getroffen und während dieser Zeit ohne Interesse an einer wirklichen Aufklärung der Tatvorwürfe eine Scheinhauptverhandlung gegen ihn und die übrigen an der Absprache nicht beteiligten Angeklagten durchgeführt zu haben. Dies zeige wieder einmal überdeutlich, zu welchen auch rechtswidrigen Mitteln diese Richter griffen, um ihr vorgefaßtes Ziel einer Verurteilung zu erreichen. Die Richter schreckten vor nichts zurück und entwickelten dabei auch noch eine gehörige Portion krimineller Energie.
Das Kammergericht ist der Ansicht, diese Äußerungen könnten für die Beurteilung des Haftgrunds der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) und der Frage, ob der Zweck der Untersuchungshaft durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreichbar sei (§ 116 StPO), Bedeutung haben, da sie Schlüsse darauf zuließen, ob der Angeklagte bereit sei, sich dem weiteren Verfahren zu stellen. Dies rechtfertige eine Beschlagnahme einer Ablichtung des Briefes als Beweismittel (§ 94 Abs. 1 und 2 StPO).
Dem kann nicht gefolgt werden. Es spricht kaum etwas dafür, daß dem Inhalt des Schreibens für die Beurteilung des Haftgrundes der Fluchtgefahr oder die Entscheidung über die Außervollzugsetzung des Haftbefehls irgendeine Beweisbedeutung zukommt, die über die Umstände hinausgeht, die bisher die Anordnung der Untersuchungshaft und deren Vollzug rechtfertigen. Selbst wenn dem Brief insoweit ein minimaler Erkenntniswert beigemessen werden könnte, stünde der mit der Beschlagnahme verbundene Eingriff in das Briefgeheimnis (Art. 10 GG) des Angeklagten dazu außer Verhältnis (vgl. allg. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 94 Rdn. 18 m. w. N.). Der Beschluß des Kammergerichts kann daher keinen Bestand haben.
Ende der Entscheidung
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