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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.08.2007
Aktenzeichen: StB 17/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

StB 17/07

vom 7. August 2007

in dem Strafverfahren

gegen

hier:

wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 7. August 2007 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2007 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Der Angeklagte wurde am 23. Januar 2005 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 24. Januar 2005 in Untersuchungshaft, zuerst aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs von diesem Tag (2 BGs 46/05), sodann aufgrund des diesen ersetzenden Haftbefehls des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. April 2006, der durch Beschlüsse vom 9. Mai 2006, 22. August 2006 und 15. Januar 2007 jeweils abgeändert worden ist.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf verhandelt seit dem 9. Mai 2006 gegen den Angeklagten, dem der Generalbundesanwalt Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit mehrfachem Betrug und vielfachem Betrugsversuch zur Last legt. Am 29. Mai 2007 hat die Verteidigerin des Angeklagten die Aufhebung des Haftbefehls beantragt, weil ein dringender Tatverdacht nicht mehr bestehe; hilfsweise hat sie beantragt, den Haftbefehl außer Vollzug zu setzen, weil sein Zweck durch mildere Mittel, insbesondere eine intensive Meldeauflage, erreicht werden könne. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 21. Juni 2007 die Haftfortdauer angeordnet. Der hiergegen eingelegten Beschwerde hat das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 28. Juni 2007 nicht abgeholfen. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Soweit die Untersuchungshaft mit dem dringenden Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung begründet wird, gilt Folgendes:

Das Oberlandesgericht hat im Rahmen der Umstellung des Haftbefehls im April 2006 unter Auswertung aller vorhandenen Beweismittel einen dringenden Tatverdacht auch dahingehend angenommen, dass sich der Angeklagte - angeworben durch den Mitangeklagten K. - in der terroristischen Vereinigung Al Qaeda als Mitglied betätigt hat. Darauf, dass eine solche Bewertung des Ermittlungsergebnisses grundsätzlich möglich ist, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 8. September 2005 (AK 9/05) hingewiesen. Nunmehr hat das Oberlandesgericht in seinem die Haftfortdauer anordnenden Beschluss vom 21. Juni 2007 seine Einschätzung auf der Grundlage der bis dahin an 95 Verhandlungstagen durchgeführten Beweisaufnahme bestätigt. Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht. Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme (vgl. BGHR StPO § 112 Tatverdacht 3 m. w. N.). Nach diesem Maßstab wird der dringende Tatverdacht durch das Vorbringen der Beschwerde nicht erschüttert. Dies gilt auch für die Beweisergebnisse zum Sehvermögen des Mitangeklagten K. ; denn nach dessen im Rahmen der Wohnraumüberwachung dokumentierten Äußerungen ist er nicht wegen besonderer Fähigkeiten als Kämpfer, sondern wegen der ihm eröffneten Reisemöglichkeiten nach Europa entsandt worden, um hier Kämpfer und Spender für Al Qaeda zu gewinnen.

2. Einen dringenden Tatverdacht dahingehend, dass der Angeklagte zusammen mit den Mitangeklagten K. und I. A. in zehn Fällen einen vollendeten und in 23 Fällen einen versuchten Betrug zum Nachteil von Lebensversicherungsgesellschaften begangen hat, um die betrügerisch erstrebten Versicherungsleistungen in Höhe von über 4 Mio. € zumindest teilweise der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaeda zukommen zu lassen, hat der Senat bereits in seinen die Untersuchungshaft des Angeklagten bestätigenden Beschlüssen vom 8. September 2005 (AK 9/05), 21. Dezember 2005 (AK 17/05) und 11. April 2006 (AK 4/06) bejaht. Er hat es dabei als nahe liegend angesehen, dass das Oberlandesgericht die begangenen bzw. versuchten Betrugstaten im Hinblick auf die Höhe des Schadens sowie die nach dem Hinzutreten des Mitangeklagten I. A. ebenfalls nahe liegende bandenmäßige Begehung als besonders schwere Fälle einstufen werde. Soweit das Oberlandesgericht unter Berücksichtigung der bisher durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen ist, es lägen nur acht Fälle des vollendeten Betruges vor, hat es durch entsprechende Beschlüsse den Haftbefehl jeweils angepasst. An der tatsächlichen Grundlage des dringenden Tatverdachts hat sich dadurch nichts Wesentliches geändert. Gegenteiliges wird von der Verteidigung auch nicht behauptet. Soweit diese an der rechtlichen Einordnung des dem Angeklagten vorgeworfenen Sachverhalts zweifelt, sieht der Senat keinen Anlass zu einer von seinen bisherigen Entscheidungen abweichenden Bewertung.

3. Aus den Erwägungen, die das Oberlandesgericht im Haftbefehl und in dem angegriffenen Haftfortdauerbeschluss angestellt hat und die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden, besteht weiterhin die Gefahr, dass sich der Angeklagte dem weiteren Verfahren durch Flucht zu entziehen suchen wird. Sie kann durch mildere Maßnahmen als den fortdauernden Vollzug der Untersuchungshaft nicht abgewendet werden.

4. Der Senat hat in seinen Haftentscheidungen die Fortdauer der Untersuchungshaft bislang bereits aufgrund der Betrugsvorwürfe für gerechtfertigt angesehen. Daran hält er fest: Unter Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Höhe der insgesamt erstrebten Versicherungssumme und der Verwendungsabsicht, steht die Untersuchungshaft auch derzeit noch nicht außer Verhältnis zu der insoweit zu erwartenden Strafe.

An dieser Beurteilung ändern die Beanstandungen nichts, die die Verteidigung gegen den bisherigen Verlauf der Hauptverhandlung vorbringt. Um dem Gebot zügiger Verfahrensdurchführung zu entsprechen, hat der Senatsvorsitzende die Sache an jeweils drei Wochentagen (Dienstag, Mittwoch und Donnerstag) terminiert. Dabei war der dritte Verhandlungstag (Donnerstag) dazu vorgesehen, Urkundsbeweise zu erheben oder Vernehmungen zum Abschluss zu bringen, die an den Vortagen länger als erwartet angedauert hatten. Der Strafsenat hat auf der Grundlage dieser Planung bislang auch zügig verhandelt. Wie die vom Vorsitzenden übersandte Liste über den Ablauf der bisherigen Verhandlungstage ausweist, haben die Sitzungen überwiegend bis zum späten Nachmittag gedauert. Zur Verlesung von Urkunden hat das Oberlandesgericht den dritten Verhandlungstag plangemäß auch mehrfach genutzt. Soweit in zahlreichen Fällen der dritte Verhandlungstag aufgehoben worden ist, lag dies daran, dass die Vernehmung der Zeugen in dem vorgesehenen Zeitrahmen durchgeführt werden konnte und eine weitere Sachbeweisaufnahme nicht erforderlich war. Der Beschwerdeführer hat nicht behauptet, dass wegen der Aufhebung von Sitzungstagen am Donnerstag nennenswerter Beweisstoff dieser Art bislang nicht in die Hauptverhandlung eingeführt werden konnte oder dass andere Verhandlungstage deswegen hierfür genutzt wurden. Solches ist auch nicht ersichtlich. Die vom Vorsitzenden gewählte Verfahrensweise, Urkunden zeitnah zur Vernehmung von Zeugen einzuführen, die zum selben Komplex Bekundungen machen sollen, ist sachgerecht. Dass das Beweisprogramm nicht "dichter" gestaltet werden konnte, hat der Senatsvorsitzende überzeugend damit erklärt, dass jeweils nicht vorauszusehen ist, wie sich die Vernehmung einzelner Zeugen zeitlich gestaltet, und dass zudem die Vor- und Nachbereitung des äußerst umfangreichen Verfahrensstoffes erhebliche Arbeitszeit außerhalb der Hauptverhandlungstermine in Anspruch nimmt. Die Behauptung des Beschwerdeführers, das Verfahren sei nicht mit der gebotenen Intensität gefördert worden, trifft deshalb nicht zu.

Die Beweisaufnahme steht nach einer vorläufigen Beurteilung des Senatsvorsitzenden im Wesentlichen vor dem Abschluss.

Ende der Entscheidung

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