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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: StbSt (R) 2/02
Rechtsgebiete: StBerG
Vorschriften:
StBerG § 57 Abs. 4 Nr. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom 25. Februar 2003
in dem berufsgerichtlichen Verfahren
gegen
wegen Berufspflichtverletzung
Der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Bundesgerichtshof hat in der Sitzung vom 25. Februar 2003, an der teilgenommen haben:
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revisionen der Steuerberater wird das Urteil des Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 20. August 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Steuerberater werden freigesprochen.
Die Steuerberaterkammer trägt die Kosten des Verfahrens und die dadurch den Steuerberatern entstandenen notwendigen Auslagen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts Hannover hat gegen die drei Steuerberater wegen einer Berufspflichtverletzung jeweils die berufsgerichtlichen Maßnahmen des Verweises und einer Geldbuße von 6.000 DM verhängt. Der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Oberlandesgerichts Celle hat die Berufungen der drei Steuerberater verworfen und die Revisionen nicht zugelassen. Auf die Beschwerden der Steuerberater hat der Senat die Revisionen gemäß § 129 Abs. 5 Satz 1 StBerG zugelassen. Die Revisionen der Steuerberater haben mit der Sachrüge Erfolg.
I.
Das Oberlandesgericht hat folgendes festgestellt:
Die überregional tätige T H GmbH Steuerberatungsgesellschaft (fortan "T H ") befaßt sich insbesondere mit der steuerlichen und wirtschaftlichen Beratung von Apothekern und Inhabern von Apotheken. Die drei Steuerberater boten für das Jahr 1999 nach gemeinsamer Abstimmung in ihrer Funktion als Geschäftsführer der T H über diese GmbH als Veranstalter drei verschiedene kostenpflichtige Seminare für Apotheker an; bei den Seminaren 1 und 3 war jeweils die D bank e. G. als Mitveranstalter genannt, während dies bei dem Seminar 2 infolge eines nicht rechtzeitig bemerkten Fehlers des Setzers nicht ausdrücklich geschah. Zudem wurde die bezeichnete Bank auf dem zu sämtlichen Seminaren verwendeten Werbematerial in hervorgehobener Position genannt. Dem lag eine entsprechende Absprache zwischen der T H und der Bank zugrunde, an die man sich in der Folgezeit auch hielt. Beide Institutionen waren an der Veranstaltung der Seminare interessiert und teilten sich die Kosten. Jedes der Seminare wurde durch einen eigenen Einladungsprospekt angeboten. Im einzelnen handelte es sich um folgende Seminare:
Erstes Seminar: "Verpachtung oder Verkauf einer Apotheke". Seminarinhalt waren folgende Themen: Verpachtung einer Apotheke - rechtliche Grundlagen, Pachtzins -; Verkauf der Apotheke mit dem Unterthema aktuelle Entwicklung der Verkaufspreise; steuerliche Aspekte des Verkaufes gegen Barzahlung, gegen Rentenzahlung; Abwägung Verpachtung/Verkauf; Alterssicherung der Apotheker. Die Teilnahmegebühr betrug 250 DM. Sie schloß Seminarunterlagen, Getränke und einen Imbiß ein. Dieses Seminar wurde an vier Terminen zwischen Februar und November 1999 in Stuttgart, Hannover, Leipzig und München durchgeführt. Dem Einladungsprospekt war eine Rückantwortkarte zur namentlichen Anmeldung beigefügt. Auf dieser Karte konnten u.a. folgende Punkte angekreuzt werden: "Ich möchte mich persönlich beraten lassen" und "Bitte rufen Sie mich an".
Zweites Seminar: "Übergabe der Apotheke innerhalb der Familie" mit den Schwerpunkten: Alternativen bei der Übergabe einer Apotheke in der Familie; Verkauf der Apotheke; Vorweggenommene Erbfolge; Verpachtung der Apotheke; Übergabe von Todes wegen. Bei diesem Seminar betrug die Teilnahmegebühr 400 DM und schloß Seminarunterlagen, Getränke und ein Mittagessen ein. Dieses Seminar wurde an vier Terminen zwischen Februar und November 1999 in München, Frankfurt, Hannover und Berlin durchgeführt. Dem Prospekt lag eine Rückantwortkarte - wie zuvor beschrieben - bei.
Drittes Seminar: "Erfolgreiche Existenzgründung" mit den Themen: Neugründung/Pacht/Kauf/Finden einer geeigneten Apotheke; wirtschaftliche Voraussetzungen für die Selbständigkeit; Neugründung einer Apotheke; Pacht einer Apotheke (mit Unterthemen, z. B. aktuelle Pachtzinsen für Apotheken); Kauf einer Apotheke (mit Unterthemen, u.a. Kaufpreisfindung); Finanzierungsfragen der Existenzgründung. Die Teilnahmegebühr betrug 150 DM und schloß Seminarunterlagen, Getränke und ein Mittagessen ein. Dieses Seminar wurde an fünf Terminen zwischen April und November 1999 in Stuttgart, Münster, Hannover, Frankfurt und Rostock durchgeführt. Ein weiterer in dem Prospekt angebotener Termin in Erfurt fand mangels ausreichender Anmeldungen nicht statt.
Den Einladungsprospekten waren - wie genannt - Rückantwortkarten beigefügt, die bei den ersten zwei Seminaren an die T H und bei dem dritten Seminar an die Bank zu richten waren. Ein Beratungsangebot enthielten sie nicht.
Zur Organisation und Abwicklung dieser Seminare hatte die T H bei der Bank ein spezielles Konto errichtet. Hierüber wurden die Einnahmen und die anfallenden Kosten abgerechnet. Dabei wurde ein Teil der Seminarkosten von der Bank getragen. Im Gesamtergebnis entstand für das Jahr 1999 allein bei der T H eine Unterdeckung von durchschnittlich 2.400 DM für jedes Seminar. Gewinne aus der Seminarveranstaltung unmittelbar waren von vornherein nicht einkalkuliert worden. An den Seminaren nahmen sowohl Mandanten als auch Nichtmandanten der T H teil. Die Prospekte wurden auf dem im Herbst 1999 durchgeführten Deutschen Apothekertag in Leipzig als Standmaterial ausgelegt.
Das Oberlandesgericht Celle findet in dem festgestellten Verhalten der drei Steuerberater zwar keine unerlaubte Werbung nach § 57a StBerG. Es bewertet dieses Verhalten jedoch als gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG und des § 41 Abs. 1 der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer (BOStB). Zur Begründung hierfür stellt das Oberlandesgericht insbesondere auf folgendes ab: Mit den Seminarveranstaltungen sei ein erwerbswirtschaftlicher Zweck verfolgt worden. Auch wenn unmittelbare Gewinnerzielung nicht beabsichtigt gewesen und auch nicht erreicht worden sei, weil die Seminare nicht schon unmittelbar Gewinn abgeworfen hätten, habe doch die mittelbare Gewinnerwartung im Vordergrund gestanden. Im Grunde hätten die Steuerberater zusammen mit der Bank eine Maßnahme zur Pflege des vorhandenen und zukünftigen Kundenstammes betrieben. Denn die Steuerberater hätten sich genau wie die offen gewerblich tätige Bank davon leiten lassen, durch die Seminare sich die schon geworbenen Kunden zu erhalten und neue Kunden zu gewinnen, um auch zukünftig aus dem so betreuten Kundenstamm gewinnbringende Einnahmen zu erzielen. Eine derartige mittelbare Gewinnerzielungsabsicht werde von dem Begriff der gewerblichen Tätigkeit miterfaßt.
II.
Die Verurteilung hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Allerdings geht das Oberlandesgericht zu Recht davon aus, daß die von den Steuerberatern getragenen Veranstaltungen einschließlich der Werbung hierfür keine unerlaubte Werbung jenseits der Grenzen des § 57a StBerG darstellen.
Die nach dem Senatsurteil BGH NJW 1998, 1965 (vgl. auch BGH NJW 2001, 2087 zu Informationsveranstaltungen von Rechtsanwälten; vgl. ferner Gehre, StBerG 4. Aufl. § 57a Rdn. 7 ff.; Kuhls/Maxl, StBerG 1995 § 57a Rdn. 4 ff.; Weniger DStR 1992, 1829; Lorz NJW 2002, 169) gemäß den dort genannten Kriterien anzustellende Abwägung im Einzelfall ergibt hier folgendes: Die äußere Form und der Inhalt der Einladungsprospekte sind nicht zu beanstanden. Die Prospekte waren auch nicht unmittelbar auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet. Insbesondere überschritten die den Prospekten beigefügten Rückantwortkarten mit den etwa anzukreuzenden Punkten "Ich möchte mich persönlich beraten lassen" und "Bitte rufen Sie mich an" nicht die Grenzen zulässiger Werbung. In der Sache handelte es sich um eine freie Vortragstätigkeit der Steuerberater, die durch § 57 Abs. 3 Nr. 5 StBerG ausdrücklich als mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar erklärt ist. Der inhaltliche Themenkreis der Vortragsveranstaltungen hält sich im Rahmen dessen, was Gegenstand steuerberatender Tätigkeit ist. Es ist nicht festgestellt, daß die Vorträge und Auskünfte über dasjenige hinausgegangen wären, was im Rahmen steuerrechtlicher Beratung zulässig ist.
Schließlich begründet es keine unzulässige Werbung, daß die Durchführung der Seminare von der Hoffnung getragen wurde, auf diese Weise die T H Dritten bekanntzumachen und dadurch zu einem späteren Zeitpunkt von diesen auch bei Mandatierungen berücksichtigt zu werden. Denn eine solche Absicht ist jeder Werbemaßnahme mittelbar zu eigen, sie ist die eigentliche Triebfeder von Werbung überhaupt (BGH NJW 1998, 1965 f.).
2. Indes findet sich in dem festgestellten Verhalten der Steuerberater keine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG und des § 41 Abs. 1 BOStB.
a) Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 StBerG haben Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist. Als nicht vereinbar mit dem Beruf gilt nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG insbesondere eine gewerbliche Tätigkeit. Dieses Verbot der gewerblichen Tätigkeit ist die Folge der Regelung in § 32 Abs. 2 StBerG, wonach Steuerberater und Steuerbevollmächtigte einen freien Beruf und kein Gewerbe ausüben. Sie sind - den Rechtsanwälten vergleichbar - ein unabhängiges Organ der Steuerrechtspflege. Das Berufsbild ist ausgerichtet auf den Vorrang der persönlichen berufsspezifischen Leistung vor den wirtschaftlichen Aspekten der Tätigkeit. Es ist geprägt durch die unabhängige und unparteiliche Erfüllung der den steuerberatenden Berufen übertragenen Aufgabe, eine umfassende Hilfeleistung in Steuersachen zu gewährleisten. Der Begriff der gewerblichen Tätigkeit im berufsrechtlichen Sinne ist nicht abschließend geklärt. In Anlehnung an die steuerrechtliche und gewerberechtliche Definition hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die nicht vereinbare (vom Berufsbild des freien Berufs nicht mehr erfaßte) gewerbliche Tätigkeit im Sinne von § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG als selbständiges, gleichmäßig fortgesetztes und maßgebend von erwerbswirtschaftlichem Streben nach Gewinn bestimmtes Handeln gekennzeichnet (BGHSt 42, 55, 60; BGH StB 1976, 219; BGH NJW 1981, 399; ebenso Gehre aaO § 57 Rdn. 89). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Steuerberater im eigenen oder im fremden wirtschaftlichen Interesse handelt und in welcher Rechtsform die gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird (Kuhls/Maxl aaO § 57 Rdn. 412 m. w. N.).
b) Im vorliegenden Fall wurden unmittelbare Gewinne aus den Seminarveranstaltungen weder erwartet noch erlangt. Die erwarteten und entstandenen Kosten teilten die T H und die Bank untereinander. Die Erwartung mittelbarer Gewinne kann kein Kriterium für das Vorliegen gewerblicher Tätigkeit sein. So trägt insbesondere nicht der vom Oberlandesgericht für wesentlich erachtete Gesichtspunkt, daß für die Steuerberater die mittelbare Gewinnerwartung im Vordergrund gestanden habe, indem sie gehandelt hätten, um schon vorhandene Kunden zu erhalten und neue Kunden zu gewinnen, um auch zukünftig aus dem so betreuten Kundenstamm gewinnbringende Einnahmen zu erzielen. Die damit beschriebene Absicht mittelbarer Gewinnerzielung ist nichts anderes als das Motiv jeder Werbung (BGH NJW 1998, 1965, 1966). In diesem Motiv ein Indiz, gar eine hinreichende Voraussetzung für das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit zu finden, hieße, aus Werbung auf gewerbliche Tätigkeit zu schließen. Dies widerspräche dem Verhältnis der Regelungen in § 57a StBerG einerseits und § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG andererseits.
Die Veranstaltung von Seminaren kann bei einem gewissen Umfang und entsprechender Nachhaltigkeit in gewerbliche Tätigkeit umschlagen (vgl. Kuhls/Maxl aaO § 57 Rdn. 418 m. w. N.). Der hiesige Umfang des Veranstaltungsprogramms - vier Seminarprojekte in einem Jahr, wenngleich jeweils an mehreren Orten durchgeführt - überschreitet diese Grenze jedoch noch nicht.
Die hier praktizierte Ansprache von Nichtmandanten und die Technik vorbereiteter Rückantworten sind Erscheinungsformen zulässiger Werbung. Aus den angekündigten und behandelten Themen der Seminare ergibt sich nichts anderes.
Auch begründet die Kooperation mit einer Bank hier kein Umschlagen zulässiger Werbung in gewerbliche Tätigkeit. Denn es war nach allen Umständen ohne weiteres erkennbar, daß die Bank gewerblich, die T H jedoch nur werbend tätig wurde. Daß die Steuerberater mit den Seminarveranstaltungen auch die Geschäfte der gewerblich tätigen Bank mittelbar förderten, bleibt ohne Bedeutung. Denn deren Geschäfte wurden damit von ihnen nicht "betrieben" (vgl. Kuhls/Maxl aaO § 57 Rdn. 436 f.). Daß die Bank etwa Einfluß auf den Inhalt der Vorträge genommen hätte, ist nicht erkennbar.
Schließlich ist zu bedenken, daß es bei Kooperationen werbender Steuerberater mit gewerblich tätigen Unternehmen zu einer Interessenkollision derart kommen kann, daß Mandanten der Steuerberater von dem gewerblich tätigen Mitveranstalter eine Unternehmensberatung erfahren (vgl. Kuhls/Maxl aaO § 57 Rdn. 422). Für eine derartige Interessenkollision bestehen im vorliegenden Fall jedoch keinerlei Anhaltspunkte.
III.
Danach - und angesichts umfassend aufgeklärten Sachverhalts - sind die Steuerberater freizusprechen.
Die Entscheidung entspricht dem Antrag des Generalbundesanwalts.
Ende der Entscheidung
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