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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.06.2009
Aktenzeichen: V ZB 1/09
Rechtsgebiete: BGB, GBBerG
Vorschriften:
BGB § 1104 Abs. 1 | |
GBBerG § 6 Abs. 1a |
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 4. Juni 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger,
die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch,
die Richterin Dr. Stresemann und
den Richter Dr. Roth
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Charlottenburg vom 5. Juni 2008 und der Zivilkammer 51 des Landgerichts Berlin vom 10. Dezember 2008 aufgehoben.
Das Amtsgericht Charlottenburg wird angewiesen, den Antrag, den Berechtigten des in Abteilung II unter laufender Nummer 1 des Grundbuchs für das eingangs bezeichnete Grundstück eingetragenen Vorkaufsrechts im Wege des Aufgebotsverfahrens nach § 1104 BGB mit seinem Recht auszuschließen, nicht aus den in den aufgehobenen Beschlüssen angeführten Gründen zurückzuweisen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller war zunächst als einer von mehreren, später als alleiniger Eigentümer des eingangs genannten, im ehemaligen Westteil von Berlin belegenen Grundstücks eingetragen. Das Grundstück ist mit dem aufzubietenden Vorkaufsrecht belastet, das auf Grund einer Bewilligung vom 31. März 1933 am 5. April 1933 zugunsten des am 6. Juni 1918 geborenen H. B. eingetragen wurde.
Der Antragsteller hat unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung sowie amtlicher Auskünfte geltend gemacht, der Berechtigte sei ihm unbekannt. Ob dieser - im Hinblick darauf, dass nach dem Inhalt der notariellen Urkunden stets sein Vater für ihn aufgetreten sei - jemals gelebt habe, ob er noch lebe und wo er sich aufhalte, sei mit den zu Gebote stehenden Mitteln nicht in Erfahrung zu bringen. Die fehlende Registrierung im Berliner Adressbuch von 1943 spreche vielmehr dafür, dass H. B. schon zu Beginn des Zweiten Weltkrieges verstorben sei. Darüber hinaus sei das Vorkaufsrecht trotz vielfacher Verfügungen über das Grundstück zu keiner Zeit ausgeübt worden. Gestützt darauf betreibt der Antragsteller das Aufgebotsverfahren mit dem Ziel, H. B. nach Maßgabe des § 1104 BGB mit seinem Recht auszuschließen.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der er seinen Antrag auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens weiterverfolgt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Aufgebotsverfahren ist statthaft.
1.
Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts. Ein Aufgebotsverfahren nach § 1104 Abs. 1 BGB gegen den eingetragenen Inhaber eines Vorkaufsrechts ist ebenso wie ein Aufgebotsverfahren nach § 1170 BGB nur zulässig, wenn der Inhaber unbekannt ist. In diesem Sinne unbekannt ist der Inhaber eines Vorkaufsrechts nicht schon dann, wenn sein Aufenthalt nicht ermittelt werden kann, sondern nur, wenn er von Person unbekannt ist (BGH, Beschl. v. 3. März 2004, IV ZB 38/03, NJW-RR 2004, 664, 665; Senat, Beschl. v. 29. Januar 2009, V ZB 140/08, WM 2009, 756, 757). Das ergibt sich insbesondere daraus, dass die Vorschrift des § 6 Abs. 1a Satz 1 GBBerG ein Aufgebot, soweit auf § 1170 BGB verwiesen wird, "auch dann" zulässt, wenn nicht die Person des Rechtsinhabers, sondern ihr Aufenthalt unbekannt ist. Für § 1104 Abs. 1 BGB gilt im Ausgangspunkt nichts anderes. Ein Aufgebot des Vorkaufsrechts wäre deshalb hier unmittelbar nach § 1104 Abs. 1 BGB nur statthaft, wenn der als Inhaber eingetragene H. B. verstorben ist.
2.
Das hat der Antragsteller nicht, wie nach §§ 988 Satz 1, 985 ZPO geboten, glaubhaft gemacht. Er schließt zwar aus der fehlenden Registrierung im Berliner Adressbuch von 1943, dass H. B. schon zu Beginn des Zweiten Weltkrieges verstorben ist. Dieser Umstand belegt aber ebenso wenig wie das hohe Alter von über 90 Jahren, das dieser zwischenzeitlich erreicht haben müsste, dessen Ableben nicht. Dem Antragsteller sind die zur Identifizierung erforderlichen Angaben bekannt (anders bei LG Berlin, Beschl. v. 29. Juli 2008, 36 T 3/07, unveröff.). Die Standesämter von Berlin haben das Ableben von H. B. nicht bestätigt, sondern nur mitgeteilt, sie hätten keinen Geburtseintrag, was aber auch daran liegen kann, dass dieser nicht in Berlin geboren ist. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass H. B. an einen anderen Ort gezogen ist und noch lebt.
3.
Dem Antragsteller hilft auch nicht, dass ein Vorkaufsrecht abweichend von dem gesetzlichen Regelfall (vgl. §§ 1098 Abs. 1 Satz 1, 473 Satz 1 BGB) übertragbar sein kann und bei einer zeitlichen Beschränkung im Zweifel vererblich ist (vgl. §§ 1098 Abs. 1 Satz 1, 473 Satz 2 BGB). Solche Regelungen fehlen in der Bewilligung, die der Eintragung zugrunde liegt. Außerdem scheidet - anders als bei Briefgrundpfandrechten (dazu Senat, Beschl. v. 29. Januar 2009, V ZB 140/08, WM 2009, 756, 758) - bei übertragbaren Vorkaufsrechten ein Inhaberwechsel außerhalb des Grundbuchs, vom Erbfall abgesehen, aus, weil die rechtsgeschäftliche Übertragung eines Vorkaufsrechts nach § 873 BGB zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung in das Grundbuch bedarf (MünchKomm-BGB/H. P. Westermann, 4. Aufl., § 1094 Rdn. 13; RGRK/Rothe, BGB, 12. Aufl., § 1094 Rdn. 15). Deshalb führt der Umstand, dass der Verbleib von H. B. unbekannt ist, nicht dazu, dass auch unbekannt wäre, wem das Vorkaufsrecht jetzt zusteht.
4.
Das Beschwerdegericht hat aber übersehen, dass ein Vorkaufsrecht im Westteil von Berlin nach § 6 Abs. 1a Satz 1, Abs. 3 Satz 2 GBBerG auch dann nach näherer Maßgabe von § 1170 BGB aufgeboten werden kann, wenn nicht die Person des Inhabers, sondern sein Aufenthalt unbekannt ist.
a)
§ 6 Abs. 1a Satz 1 GBBerG gilt nach Absatz 3 Satz 1 dieser Vorschrift unmittelbar nur in den neuen Bundesländern und im Ostteil von Berlin. Im übrigen Bundesgebiet kann die Vorschrift indes durch Rechtsverordnung der Landesregierung in Kraft gesetzt werden. Das ist für den Westteil von Berlin durch § 1 der Verordnung des Senats von Berlin vom 27. Februar 1995 (GVBl. 65) geschehen.
b)
Diese Verordnung ist im Westteil von Berlin auch über den 31. Dezember 1996 anzuwenden. Sie war zwar bei ihrem Erlass bis zum 31. Dezember 1996 befristet. Diese Befristung ergab sich aber nicht aus der Verordnung des Senats, sondern aus dem damals noch geltenden § 6 Abs. 3 Satz 3 GBBerG, wonach Verordnungen (der Landesregierungen) gemäß Absatz 3 Satz 2 dieser Vorschrift mit dem Ablauf des 31. Dezember 1996 außer Kraft traten. Diese Befristung ist durch Art. 2 Nr. 1 des Eigentumsfristengesetzes (vom 20. Dezember 1996, BGBl. I S. 2028) mit Wirkung vom 28. Dezember 1996 (Art. 3 des Gesetzes) ersatzlos aufgehoben worden. Das hat zur Entfristung der landesrechtlichen Regelungen (dazu DNotI, DNotI-Report 2007, 9, 10) geführt, die damit vorbehaltlich späterer landesrechtlicher Befristung Dauerrecht geworden sind. Die Berliner Verordnung vom 27. Februar 1995 ist weder durch Landesrecht befristet noch aufgehoben oder eingeschränkt worden. § 6 Abs. 1a Satz 1 GBBerG gilt deshalb uneingeschränkt auch im Westteil von Berlin.
c)
Die Möglichkeit, ein Aufgebotsverfahren auch bei unbekanntem Aufenthalt des Rechtsinhabers durchzuführen, besteht nach § 6 Abs. 1a Satz 1 GBBerG nur bei Rechten, die vor dem 3. Oktober 1990 begründet worden sind, und nur, soweit auf § 1170 BGB verwiesen wird. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
aa)
Das Vorkaufsrecht ist am 5. April 1933 und damit vor dem nach § 6 Abs. 1a Satz 1 GBBerG maßgeblichen Stichtag in das Grundbuch eingetragen worden.
bb)
Das dingliche Vorkaufsrecht gehört auch zu den Rechten, bei denen im Sinne der genannten Norm auf § 1170 BGB verwiesen wird. § 1104 BGB bestimmt zwar die Grundvoraussetzung für das Aufgebotsverfahren, nämlich dass der Inhaber des Vorkaufsrechts unbekannt sein muss, selbst und verweist nur im Übrigen auf § 1170 BGB. Das reicht aber für die Anwendung des § 6 Abs. 1a Satz 1 GBBerG aus (Eickmann/Böhringer, Stand Juni 2006, § 6 GBBerG Rdn. 10; Wehrstedt, RNotZ 2001, 516, 518). Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nämlich, dass der Gesetzgeber mit der Bezugnahme auf einen Verweis auf § 1170 BGB die Durchführung eines Aufgebots gerade auch in dem Fall ermöglichen wollte, dass der Aufenthalt des von Person bekannten Inhabers eines dinglichen Vorkaufsrechts unbekannt ist (Beschlussempfehlung zum Sachenrechtsbereinigungsgesetz in BT-Drucks 12/7425 S. 93 f.). Das dingliche Vorkaufsrecht muss auch nicht unter Geltung des § 306 ZGB/DDR begründet worden sein. Wie sich schon aus der Möglichkeit der Erstreckung der Vorschrift auf das übrige Bundesgebiet ergibt, kann das dingliche Vorkaufsrecht auch, wie hier, unter Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs begründet worden sein (Maaß in Bauer/von Oefele, GBO, 2. Aufl., § 6 GBBerG Rdn. 15).
5.
Ist das Aufgebotsverfahren aber schon nach geltendem Recht statthaft, wenn nicht die Person, sondern der Aufenthalt des Inhabers eines dinglichen Vorkaufsrechts unbekannt ist, fehlt der angeregten Vorlage nach Art. 100 GG die Grundlage. Es bedarf auch keiner Entscheidung darüber, ob eine solche Vorlage schon deshalb ausscheidet, weil das Bundesrecht den Ländern in § 6 Abs. 3 Satz 2 GBBerG die Möglichkeit gibt, die Regelung des § 6 Abs. 1a GBBerG in den Teilen des Bundesgebiets, in denen sie nicht unmittelbar gilt, durch Rechtsverordnung der Landesregierung in Kraft zu setzen.
III.
Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
1.
Die - dem Senat aus einem Parallelverfahren wegen eines anderen Rechts am gleichen Grundstück bekannte - zwischenzeitliche Veräußerung des Grundstücks durch den Antragsteller berührt dessen Aktivlegitimation nach den auch im Aufgebotsverfahren anwendbaren Vorschriften der §§ 265, 266 ZPO (dazu: Senat, Beschl. v. 29. Januar 2009, V ZB 140/08, WM 2009, 756, 758 f.) nicht.
2.
Für die Glaubhaftmachung kann auf die zu § 185 ZPO entwickelten Anforderungen zurückgegriffen werden (BGH, Beschl. v. 3. März 2004, IV ZB 38/03, NJW-RR 2004, 664, 666). In diesem Sinne ist der Aufenthalt einer Person unbekannt, wenn er nicht nur dem Gegner und dem Gericht, sondern allgemein unbekannt ist (BGHZ 149, 311, 314). Um das glaubhaft machen zu können, muss der Antragsteller selbst Nachforschungen anstellen (BGH, Beschl. v. 3. März 2004, aaO; a. A. Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2002] § 1170 Rdn. 9). Dazu ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Antragsteller die nach den Umständen des Falles in Betracht zu ziehenden Erkenntnisquellen ausschöpft. Hier wird zu beachten sein, dass der Antragsteller zwar eine Suchumfrage bei den Standesämtern Berlins hat durchführen lassen, diese aber einen Geburtseintrag zum Gegenstand hatte. Da H. B. auch außerhalb von Berlin geboren und im Krieg vermisst sein kann, spricht einiges dafür, dass der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, dass der Aufenthalt von H. B. unbekannt ist, wenn die noch einzuholenden Auskünfte aus dem Melderegister und ggf. noch eines Vermisstensuchdienstes keine Hinweise auf den Aufenthaltsort bieten.
IV.
Eine Kostenentscheidung ist im Verfahren über eine Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Einleitung eines Aufgebotsverfahrens nicht veranlasst (Senat, Beschl. v. 29. Januar 2009, V ZB 140/08, WM 2009, 756, 759).
Ende der Entscheidung
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