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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.02.2008
Aktenzeichen: V ZB 108/07
Rechtsgebiete: ZVG, BGB


Vorschriften:

ZVG § 57
ZVG § 93 Abs. 1 Satz 2
BGB § 117 Abs. 1
BGB § 535 Abs. 1
BGB § 566
BGB § 578 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 108/07

vom 14. Februar 2008

in dem Zwangsversteigerungsverfahren

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 9. August 2007 wird auf Kosten der Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 11.475 €.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 erwarb den im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundbesitz des Beteiligten zu 2 durch Erteilung des Zuschlags in der Zwangsversteigerung. Die Büroräume des aufstehenden Gebäudes werden von der Beteiligten zu 3 genutzt. Die Rechtsgrundlage hierfür sieht sie in einem Vertrag vom 11. März 2003, wonach sie alle Rechte und Pflichten des Einzelunternehmens G. B. Support aus einem Mietvertrag vom 20. Januar 2003 zwischen diesem Unternehmen und dem Beteiligten zu 2 übernommen hat.

In dem Zwangsversteigerungsverfahren meldete der Beteiligte zu 2 als Mieter Baukosten an.

Der Beteiligte zu 1 hat eine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses beantragt, die sich in der Vollstreckungsklausel gegen die Beteiligte zu 3 richtet. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde hat das Landgericht das Amtsgericht angewiesen, die Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht wegen des Vertrags vom 11. März 2003 zu versagen.

Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Beteiligte zu 3 die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen. Der Beteiligte zu 1 beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts darf der Beteiligte zu 1 gegen die Beteiligte zu 3 die auf Räumung und Herausgabe gerichtete Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss betreiben, weil der Vertrag vom 11. März 2003 keinen ausreichenden Anhaltspunkt für ein Besitzrecht der Beteiligten zu 3 nach § 57 ZVG bietet. Bedenken bestünden gegen die Wirksamkeit dieses Vertrags, weil der Mietvertrag vom 20. Januar 2003 wegen Personenidentität auf Vermieter- und Mieterseite unwirksam sein dürfte. Selbst wenn der Vertrag vom 11. März 2003 wirksam sei, begründe dies kein Besitzrecht der Beteiligten zu 3; denn die Vereinbarung sei ein Scheinvertrag.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

III.

Das Rechtsmittel ist - ungeachtet des Umstands, dass die Sache entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts keine grundsätzliche Bedeutung (siehe dazu nur Senat, BGHZ 154, 288, 291 m. umfangr. N.) hat und deshalb kein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand - statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Es ist jedoch unbegründet. Das Beschwerdegericht hat ein die Klauselerteilung hinderndes Besitzrecht der Beteiligten zu 3 zu Recht verneint.

1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 2 ZVG soll der Ersteher aus dem Zuschlagsbeschluss die Zwangsvollstreckung gegen den Besitzer auf Räumung und Herausgabe von Geschäftsräumen nicht betreiben, wenn dieser aufgrund eines Rechts besitzt, welches durch den Zuschlag nicht erloschen ist. Ein solches Recht kann dem Mieter nach Maßgabe des § 57 ZVG zustehen. Sind ihm die Räume überlassen, findet die Vorschrift des § 566 BGB i.V.m. § 578 Abs. 2 BGB Anwendung. Dies setzt allerdings voraus, dass es noch vor der Versteigerung zur Überlassung der Räume durch den Vermieter in Erfüllung seiner Pflichten aus § 535 Abs. 1 BGB gekommen ist; die Besitzeinräumung muss gerade im Hinblick auf das Mietverhältnis erfolgt sein. Denn § 57 ZVG will allein den im Zeitpunkt des Zuschlags bereits besitzenden Mieter vor einer nachfolgenden Räumung schützen. Durch das vereinfachte Klauselerteilungsverfahren, das es dem Ersteher ermöglicht, aus dem Zuschlagsbeschluss gegen den Besitzer von Räumen vorzugehen, darf dann nicht in ein bestehendes Recht zum Besitz eingegriffen werden, wenn es nach § 57 ZVG schützenswert ist. Wird ein solches Recht geltend gemacht, ist nach § 93 Abs. 1 Satz 2 ZVG zu prüfen, ob es einer Klauselerteilung entgegensteht. Auch wenn der Besitzer nicht den vollen (materiellen) Beweis für sein Besitzrecht erbringen muss, genügt es nicht, dass er sich lediglich auf ein solches Recht beruft. Es müssen - von ihm im Einzelnen darzulegende - Anhaltspunkte gegeben sein, die sein Besitzrecht zumindest nahe legen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass der Missbrauch der Schutzvorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes - insbesondere des § 57 ZVG - zum Nachteil des Erstehers gefördert und das vereinfachte Klauselerteilungsverfahren dadurch entwertet würde (siehe zu allem BGH, Beschl. v. 27. Februar 2004, IXa ZB 269/03, WM 2004, 754 f.).

2. Solche Anhaltspunkte hat die Beteiligte zu 3 nicht ausreichend dargelegt.

a) Unklar ist allerdings, was das Beschwerdegericht im Hinblick auf den Vertrag vom 11. März 2003 mit dem Begriff "Scheinvertrag" hat ausdrücken wollen. Falls es von einem Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB ausgegangen ist, trägt seine Begründung diese Annahme nicht. Denn der Umstand, dass die Beteiligte zu 3 zur Sicherung ihres sich aus § 57 ZVG ergebenden Besitzrechts in dem Zwangsversteigerungsverfahren nicht als Mieterin benannt wurde, ist kein Indiz dafür, dass sie und der Beteiligte zu 2 einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, die mit dem Vertrag vom 11. März 2003 verbundenen Rechtsfolgen jedoch nicht eintreten lassen wollten. Auch spricht der Vortrag der Beteiligten zu 3, dass die Vermietung der Räume steuerrechtliche Gründe gehabt habe, gegen ein Scheingeschäft; die von dem Beteiligten zu 2 erstrebten Steuervorteile ließen sich nämlich nur mit einem wirksamen Mietvertrag erzielen. Schließlich hat das Beschwerdegericht den Vortrag der Beteiligten zu 3 nicht berücksichtigt, dass sie seit Februar 2005 für die Überlassung der Räume Miete an den Beteiligten zu 2 zahle. Diese Zahlungen sprechen ebenfalls gegen ein Scheingeschäft.

b) Rechtlich nicht zu beanstanden ist es, dass das Beschwerdegericht die Frage der Wirksamkeit des Mietvertrags vom 20. Januar 2003 offen gelassen hat. Die gegen seine Bedenken gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde sind deshalb unerheblich. Denn sowohl im Fall der Wirksamkeit als auch im Fall der Unwirksamkeit beurteilt es sich nach dem Vertrag vom 11. März 2003, ob die Beteiligte zu 3 ein die Klauselerteilung hinderndes Recht zum Besitz hat. Entweder hat sie - angeblich - die Rechte und Pflichten der vorherigen Mieterin übernommen, oder es ist - im Wege der Auslegung (§ 157 BGB) oder der Umdeutung (§ 140 BGB) - (vgl. Senat, Urt. v. 11. Dezember 1981, V ZR 222/80, NJW 1982, 2381, 2382) davon auszugehen, dass - angeblich - zu ihren Gunsten ein Mietvertrag mit dem Inhalt des Vertrags vom 20. Januar 2003 neu vereinbart wurde.

c) Wie das Beschwerdegericht weitgehend zutreffend dargelegt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Vertrag vom 11. März 2003 die Erteilung der von dem Beteiligten zu 1 beantragten Vollstreckungsklausel hindert.

aa) Zwar können sowohl die Mietzahlungen der Beteiligten zu 3 seit Februar 2005 als auch die Inbesitznahme der Räume durch sie im Jahr 2003 Indizien sein, die für den Abschluss eines Mietvertrags vor der Zuschlagserteilung sprechen. Auch mag es zur Zerstreuung der von dem Zwangsverwalter in seinem Bericht vom 21. November 2005 geäußerten rechtlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit des Mietvertrags vom 20. Januar 2003 sinnvoller gewesen sein, einen eigenständigen neuen Mietvertrag zu schließen, als sich auf den Vertrag vom 11. März 2003 zu berufen, wenn ein Mietverhältnis der Beteiligten zu 3 nur vorgeschoben werden sollte.

bb) Aber gegen das tatsächliche Bestehen dieses Mietverhältnisses spricht neben den übrigen von dem Beschwerdegericht angeführten Umständen entscheidend, dass nicht die Beteiligte zu 3, sondern der Beteiligte zu 2 am 9. Januar 2006 persönlich und am 16. November 2006 unter seiner Einzelfirma (vgl. den im Mietvertrag vom 20. Januar 2003 verwendeten Stempel) als Mieter bei dem Vollstreckungsgericht einen Baukostenzuschuss angemeldet hat. Diese Anmeldung entbehrte der Grundlage, wenn man davon ausgeht, dass der Beteiligten zu 3 mit dem Vertrag vom 11. März 2003 dieselbe Rechtsstellung wie die der früheren Mieterin übertragen wurde. Die Anmeldung konnte keinen Kündigungsschutz zugunsten der Beteiligten zu 3 (§ 57c ZVG) bewirken; sie war - die von der Beteiligten zu 3 behauptete Wirksamkeit des Vertrags vom 11. März 2003 unterstellt - unsinnig. Weshalb dieser Weg gleichwohl beschritten wurde, hat die Beteiligte zu 3 nicht erklärt, sondern sich lediglich auf den Vertrag berufen.

4. Somit hat sie nicht genügend Anhaltspunkte vorgetragen, die ihr Besitzrecht im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung nahe legen. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hat deshalb Bestand.

IV.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Sie ist hier veranlasst, weil es sich um eine gegenüber dem vorhergehenden Zwangsversteigerungsverfahren eigenständige Streitigkeit handelt, bei der sich die Beteiligten zu 1 und 3 wie Parteien in einem Zivilprozess gegenüberstehen.

2. Die Entscheidung über den Gegenstandswert beruht auf § 41 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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