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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.09.1998
Aktenzeichen: V ZB 11/98
Rechtsgebiete: UWG, BGB
Vorschriften:
WEG § 15 Abs. 2 | |
WEG § 23 Abs. 4 | |
WEG § 45 Abs. 1 | |
BGB § 139 |
V ZB 11/98
vom
10. September 1998
in der Wohnungseigentumssache
WEG §§ 15 Abs. 2, 23 Abs. 4, 45 Abs. 1; BGB § 139
a) Ein Eigentümerbeschluß, der Regelungen enthält, die auch für einen Sondernachfolger gelten sollten, ist wie eine Grundbucheintragung auszulegen. Die Auslegung ist nicht dem Tatrichter vorbehalten, sondern kann auch durch das Rechtsbeschwerdegericht erfolgen.
b) Ein Eigentümerbeschluß ist in der Regel nicht allein deshalb unwirksam, weil er für die Hausbewohner eine Ruhezeit von 20.00 Uhr bis 8.00 Uhr und von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr vorsieht.
c) Eine Regelung, die das Singen und Musizieren außerhalb von Ruhezeiten nur in "nicht belästigender Weise und Lautstärke" gestattet, ist mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam.
d) Unwirksam ist auch eine Regelung, welche das Singen und Musizieren ohne sachlichen Grund stärker einschränkt als die Tonübertragung durch Fernseh-, Rundfunkgeräte oder Kassetten- bzw. Plattenspieler.
e) Bei Teilunwirksamkeit eines Eigentümerbeschlusses findet § 139 BGB entsprechend Anwendung.
BGH, Beschl. v. 10. September 1998 - V ZB 11/98 - LG Heilbronn AG Marbach
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 10. September 1998 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Hagen und die Richter Dr. Vogt, Dr. Wenzel, Schneider und Dr. Klein
beschlossen:
1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird, soweit hierüber nicht bereits durch Teilbeschluß des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. Januar 1998 entschieden ist, unter Aufhebung des Beschlusses der 1b Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 20. Januar 1997 der Beschluß des Amtsgerichts Marbach vom 5. September 1996 teilweise abgeändert:
Der Beschluß der Wohnungseigentümerversammlung vom 16. Dezember 1995 unter Tagesordnungspunkt 14 (Hausordnung) Ziffer 13 (Musizieren u.a.) wird für ungültig erklärt.
2. Von den Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - einschließlich der Kosten des durch Teilbeschluß des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. Januar 1998 erledigten Teils - haben der Antragsteller 2/3, die Antragsgegner 1/3 zu tragen.
3. Der Geschäftswert des Verfahrens wird für alle Instanzen auf 5.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. In der Eigentümerversammlung vom 26. Februar 1995 beschlossen sie gegen die Stimme des Antragstellers die Übernahme einer vorformulierten, ursprünglich für Mietverhältnisse entworfenen Hausordnung. Ziff. 13 lautet:
"Das Singen und Musizieren ist nur von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr und nur in nicht belästigender Weise und Lautstärke gestattet. Rundfunk- und Fernsehgeräte, Plattenspieler usw. dürfen nur in der Lautstärke betrieben werden, daß die Mitbewohner nicht belästigt werden. In Fällen schwerer Erkrankung eines Hausbewohners ist dies nur in Zimmerlautstärke gestattet. Nähmaschinen sind auf schalldämpfende Unterlagen zu stellen. Alle unnötigen Geräusche, z.B. das Zuwerfen von Türen und störendes Treppenlaufen sind im Interesse der Hausbewohner zu vermeiden."
Der Antragsteller ist Saxophonspieler. Er hat beantragt, den Beschluß u.a. zu Ziff. 13 der Hausordnung für ungültig zu erklären.
Das Amtsgericht hat dem Antrag wegen dreier weiter beanstandeter Ziffern der Hausordnung entsprochen und ihn im übrigen zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hiergegen ist erfolglos geblieben.
Das Oberlandesgericht hat mit Teilbeschluß vom 21. Januar 1998 (GA 204 ff) das weitere Rechtsmittel des Antragstellers zurückgewiesen, soweit es nicht die Ziffer 13 der Hausordnung betrifft. In diesem Punkt möchte es die Rechtsbeschwerde im wesentlichen ebenfalls zurückweisen, sieht sich hieran aber durch die Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 28. März 1985 (BayObLGZ 1985, 104) und des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 15. August 1990 (MDR 1990, 1121) gehindert. Es hat deshalb die Sache mit Beschluß vom 16. März 1998 (FGPrax 1998, 101) dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist statthaft (§§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 WEG, § 28 Abs. 2 FGG).
Das vorlegende Gericht hält es für zulässig, daß die Wohnungseigentümer in Abwägung der widerstreitenden Interessen an einem jeweils ungestörten Gebrauch ihres Sondereigentums durch Mehrheitsbeschluß eine Regelung gemäß § 15 Abs. 3 WEG treffen, durch die sowohl die Dauer der Musikausübung beschränkt wird als auch feste Ruhezeiten vorgesehen werden. Dabei bleibe es den Wohnungseigentümern überlassen, den jeweiligen Besonderheiten - so u.a. Intensität der Beeinträchtigung je nach Art der Instrumente, Qualität der vorhandenen Schalldämmung, besonderes Ruhebedürfnis von Kindern oder älteren Personen - Rechnung zu tragen. Der Erlaß eines Musizierverbots ab 20.00 Uhr bewege sich grundsätzlich innerhalb des Gestaltungsspielraums und sei nur dann unzulässig, wenn besondere Gründe für ein längeres Musizieren dargetan werden könnten. Denn es sei im allgemeinen davon auszugehen, daß Berufstätige, die abends arbeiten müßten, dafür zu anderen Zeiten einen Ausgleich erhielten, der es ihnen ermöglichte, außerhalb der späteren Abendstunden zu musizieren.
Demgegenüber hat das Bayerische Oberste Landesgericht in der auf weitere sofortige Beschwerde ergangenen Entscheidung vom 28. März 1995 die Auffassung vertreten, ein Mehrheitsbeschluß, der das Musizieren in der Zeit vor 10.00 Uhr vormittags und nach 20.00 Uhr abends generell untersage, greife in die Gebrauchsrechte der Wohnungseigentümer in unzulässiger Weise ein. Auch das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken hält in seinem Beschluß vom 15. August 1990 ein schutzwürdiges, das Recht auf Musizieren überwiegendes Ruhebedürfnis in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr nicht für gegeben.
Die beiden Oberlandesgerichte sind mithin anderer Auffassung in der Frage, wie § 15 in Verbindung mit § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG auszulegen ist. An die Auffassung des vorlegenden Gerichts, daß die Rechtsfrage entscheidungserheblich sei, ist der Senat im Rahmen der Statthaftigkeitsprüfung gebunden (st. Rspr. vgl. BGHZ 99, 90, 92; 109, 396, 398; 113, 374, 376; 116, 392, 394).
III.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG; §§ 27, 29 FGG) und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts dazu, den Beschluß der Wohnungseigentümerversammlung vom 16. Februar 1995 zu Ziff. 13 der Hausordnung für ungültig zu erklären.
1. Zutreffend geht das vorlegende Oberlandesgericht allerdings davon aus, daß Verfahrensfehler des Landgerichts, welche das Rechtsbeschwerdegericht an einer Sachentscheidung hindern könnten, nicht vorliegen.
a) Nach der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts geltenden Fassung des § 29 DRiG war die Mitwirkung eines Richters auf Probe und eines abgeordneten Richters zulässig, wenn hierfür eine sachliche Notwendigkeit bestand (Senat BGHZ 130, 304, 307 ff). Diese hat das Oberlandesgericht zu Recht für gegeben erachtet. Zum Zeitpunkt der Entscheidung war die Kammer des Landgerichts mit dem Vorsitzenden und einer planmäßigen, zur Hälfte ihrer Arbeitskraft tätigen Richterin sowie zwei weiteren nicht planmäßigen Richtern besetzt; die planmäßige Halbtagsrichterin war zusätzlich noch anstelle eines abgeordneten Richters mit Verwaltungsaufgaben betraut und deswegen kammerintern zur Hälfte entlastet. Eine geschäftsplanmäßige Besetzung mit einem weiteren planmäßigen Richter kam nicht in Betracht, weil sie nur zu Lasten einer neu gebildeten Zivilkammer möglich gewesen wäre. Hiervon wurde im übrigen auch deswegen abgesehen, weil nach etwa zwei Monaten ein bis dahin abgeordneter, mit der Spezialmaterie der entscheidenden Kammer vetrauter planmäßiger Richter wieder zurückkehren sollte. Damit war die Arbeitsfähigkeit der Kammer anders als durch die Bildung einer Spruchgruppe mit zwei nicht planmäßigen Richtern nicht gewährleistet.
b) Die angefochtene Entscheidung ist auch nicht deswegen aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung zurückzuverweisen, weil das Landgericht über die sofortige Beschwerde nicht mündlich verhandelt hat. Allerdings ist in Wohnungseigentumssachen in den Tatsacheninstanzen in der Regel mündlich zu verhandeln (Bärmann/ Pick/Merle, WEG, 7. Aufl., § 44 Rdn. 21; Staudinger/Wenzel, WEG, 12. Aufl., § 44 Rdn. 12; Weitnauer/Hauger, WEG, 8. Aufl., Anh. § 43 Rdn. 18). Die mündliche Verhandlung dient vorrangig dem Versuch der gütlichen Einigung und der Sachaufklärung (BayObLG NJW-RR 1988, 1151, 1152; WE 1993, 171) sowie der Gewährung rechtlichen Gehörs (Niedenführ/Schulze, WEG, 3. Aufl., § 44 Rdn. 3; Staudinger/Wenzel, WEG, 12. Aufl. § 44 Rdn. 11). Ist ersteres allerdings nicht zu erwarten und das rechtliche Gehör auf andere Weise sichergestellt, ist eine mündliche Verhandlung ausnahmsweise entbehrlich. Dies ist hier der Fall. Das Landgericht hat den Beschwerdegegnern eine Frist zur Beschwerdeerwiderung gesetzt und die Beteiligten darüber informiert, daß es im Hinblick darauf, daß es nur um die Entscheidung von Rechtsfragen gehe, ohne mündliche Verhandlung entscheiden wolle, sofern die Beteiligten eine solche nicht wünschten. Dieses Verfahren ist, wenn - wie hier - wenigstens in erster Instanz schon einmal mündlich verhandelt wurde, nicht zu beanstanden. Im übrigen beruht die angefochtene Entscheidung nicht auf dem Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung.
2. Die angefochtene Regelung in Ziff. 13 der beschlossenen Hausordnung ist für ungültig zu erklären, weil es ihr einerseits an der erforderlichen Bestimmtheit und Klarheit fehlt und sie andererseits die Geräuschquellen ohne sachlichen Grund ungleich behandelt. Die sich daraus ergebende teilweise Unwirksamkeit der Regelung erfaßt die Ziff. 13 der Hausordnung insgesamt.
a) Das Rechtsbeschwerdegericht kann den angefochtenen Eigentümerbeschluß selbst auslegen und ist nicht auf eine begrenzte Nachprüfung der Auslegung durch den Tatrichter verwiesen. Allerdings wird in Rechtsprechung und Literatur überwiegend die Auffassung vertreten, die Auslegung von Eigentümerbeschlüssen sei grundsätzlich Sache des Tatrichters; das Rechtsbeschwerdegericht könne sie nur dann selbst vornehmen, wenn die tatrichterliche Auslegung rechtsfehler- oder lückenhaft sei (BayObLGZ 1985, 171, 175; 1986, 322, 325; NJW-RR 1990, 210, 211; WuM 1991, 711, 712; WE 1991, 289; WE 1991, 294, 295; WE 1991, 50; WE 1997, 236; WuM 1992, 90, 91; OLG Düsseldorf, WE 1996, 68; OLG Hamm, NJW-RR 1989, 1161; KG WE 1996, 233; WE 1997, 227, 228; OLG Zweibrücken, WE 1997, 234; Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 45 Rdn. 85; Keidel/Kuntze, FGG, 13. Aufl., § 27 Rdn. 45, 48; Staudinger/Bub, aaO, § 23 Rdn. 182 ff; Weitnauer/Lüke, aaO, § 23 Rdn. 21). Dieser Ansicht kann sich der Senat zumindest für die Fälle nicht anschließen, in denen der Beschluß - wie hier - Regelungen enthält, die auch für den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers gelten sollen (Dauerregelungen, vgl. BayObLG WE 1994, 154, 155; 1997, 236).
Hinsichtlich der Auslegung von Eintragungen im Grundbuch und der dort in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung, Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung ist bereits entschieden, daß das Rechtsbeschwerdegericht die Erklärungen uneingeschränkt selbst auslegen kann (Senat BGHZ 37, 147, 149; 113, 374, 379; 121, 236, 239; 136, 187). Maßgebend sind dabei der Wortlaut der Eintragung und ihr Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt; Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGHZ 121, 239; 113, 378; Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 10 Rdn. 53; Staudinger/Kreuzer, aaO, § 10 Rdn. 72; Weitnauer/Lüke, aaO, § 10 Rdn. 44). Entsprechendes muß für die Auslegung von Eigentümerbeschlüssen gelten, die auch für Sondernachfolger gelten sollen. Denn sie wirken auch ohne Eintragung in das Grundbuch wie Grundbucherklärungen für und gegen sie, § 10 Abs. 3, Abs. 4 WEG. Es besteht daher wie bei der Gemeinschaftsordnung ein Interesse des Rechtsverkehrs, die durch die Beschlußfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlußformulierung entnehmen zu können. Die Beschlüsse sind deshalb "aus sich heraus" - objektiv und normativ - auszulegen (BayObLG WE 1987, 14; KG OLGZ 1981, 307; Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 23 Rdn. 44; Staudinger/Bub, aaO, § 23 Rdn. 178; Weitnauer/Lüke, aaO, § 23 Rdn. 21). Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind, z.B. weil sie sich aus dem - übrigen - Versammlungsprotokoll ergeben. Wenn aber andere Umstände keine Berücksichtigung finden, besteht kein Grund, die Auslegung dem Tatrichter vorzubehalten (OLG Stuttgart WuM 1991, 414, 415; OLG Köln WE 1995, 221; Staudinger/Wenzel, aaO, § 45 Rdn. 40; Weitnauer/Lüke, aaO, § 23 Rdn. 21; a.A. Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 45 Rdn. 85; Staudinger/Bub, aaO, § 23 Rdn. 184). Insoweit unterscheidet sich die objektive Auslegung von der Auslegung nach dem objektiven Erklärungswert, so daß aus der beschränkten Nachprüfbarkeit der Auslegung von Willenserklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert nicht auf eine beschränkte Nachprüfung von Eigentümerbeschlüssen geschlossen werden kann. Auch der von der Literatur (Bärmann/Pick/Merle, aaO, Rdn. 47; Staudinger/Bub, aaO, § 23 Rdn. 184) hervorgehobene Umstand, daß alle für die Auslegung maßgeblichen Anknüpfungstatsachen einer Beweiswürdigung zugänglich sind, die in der Regel dem Tatrichter vorbehalten ist, zwingt nicht zu einem anderen Ergebnis, weil insoweit kein Unterschied zur Auslegung von Grundbucherklärungen besteht, für die eine entsprechende (restliche) tatrichterliche Beurteilungskompetenz des Rechtsbeschwerdegerichts anerkannt ist.
b) Der Eigentümerbeschluß ist nicht schon deshalb für ungültig zu erklären, weil er die Ruhezeiten von 20.00 Uhr bis 8.00 Uhr und von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr festlegt. Diese Entscheidung liegt grundsätzlich innerhalb des im Rahmen des Selbstorganisationsrechts der Wohnungseigentümergemeinschaft bestehenden Ermessensspielraums (vgl. zum Ermessens- und Gestaltungsspielraum Derleder in FS Seuss, 1987, 115, 121; Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 43 Rdn. 106; Staudinger/Kreuzer, aaO, § 15 Rdn. 112; Weitnauer/Lüke, aaO, § 15 Rdn. 18). Die Ermessensgrenze für Ruhezeitregelungen kann gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB (Derleder, aaO, S. 127), nur dort gezogen werden, wo der Beschluß entweder ein völliges Musizierverbot oder eine dem praktisch gleichzusetzende Reglementierung enthält. Denn das Musizieren innerhalb der eigenen Wohnung ist Bestandteil eines sozial üblichen Verhaltens und Element der Zweckbestimmung der Wohnanlage. Es darf zwar auf bestimmte Zeiten und einen bestimmten Umfang beschränkt, nicht jedoch insgesamt verboten werden (allg. M., vgl. OLG Hamm, NJW 1981, 465; NJW-RR 1986, 500, 501; OLG Frankfurt, aaO, NJW 1985, 2138; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1989, 1179; BayObLG aaO, 1985, 108; OLG Zweibrücken, aaO, MDR 1990, 1121; Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 15 Rdn. 9; MünchKomm-BGB/Röll, 3. Aufl., § 15 WEG Rdn. 2; Staudinger/Kreuzer, aaO, § 15 WEG Rdn. 114; Weitnauer/Lüke, aaO, § 15 Rdn. 17). Eine Ruhezeit ab 20.00 Uhr und von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr kann jedoch einem Musikverbot nicht gleichgesetzt werden. Sie läßt den Hausbewohnern zu den übrigen Zeiten ausreichend Freiräume zum Musizieren. Eine derartige Regelung verletzt daher nur im Ausnahmefall die Grenzen des Ermessens. Maßgebend sind die tatsächlichen Gegebenheiten. Handelt es sich z.B. um eine Anlage mit älteren, ruhebedürftigen Personen (Seniorenwohnanlage), wird ein größeres Maß an Rücksichtnahme seitens der musizierenden Bewohner erwartet, als dies bei Wohnungseigentümergemeinschaften mit überwiegend jüngeren Mitgliedern der Fall ist (vgl. bzgl. Lärm durch spielende Kinder in einer speziell für Familien mit Kindern errichteten Wohnanlage BayObLG, WuM 1989, 653; OLG Karlsruhe, aaO, NJW-RR 1989, 1179). Weitere zu berücksichtigende Gesichtspunkte sind die baulichen Gegebenheiten, z.B. Abstand der einzelnen Wohnungen zueinander, Hellhörigkeit im Gebäude, Vorhandensein von Schallschutzmaßnahmen, der Pegel der Umgebungsgeräusche sowie die Art des Musizierens. Umstände, die danach die beschlossene Regelung als ermessensfehlerhaft erscheinen ließen, sind weder dargelegt worden, noch sonst ersichtlich.
c) Die beanstandete Regelung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil sie auch auf das Singen und Musizieren in Zimmerlautstärke erstreckt werden könnte. Zwar fällt unter den Wortlaut der Ruhezeitregelung auch solche Musik, die außerhalb der Wohnung gar nicht wahrzunehmen ist. Geräusche, welche überhaupt nicht nach außen dringen, können aber auch zu besonderen Ruhezeiten nicht untersagt werden, weil ein schützenswertes Interesse anderer Hausbewohner dieser Betätigung nicht entgegensteht (allg. M., BayObLGZ 1985, 109; OLG Hamm, NJW-RR 1986, 500, 501; OLG Frankfurt, NJW 1985, 2138; Bärmann/Pick/ Merle, aaO, § 15 Rdn. 9; Staudinger/Kreuzer, aaO, § 15 Rdn. 113; Weitnauer/Lüke, aaO, § 15 Rdn. 17). Allein vom Wortlaut her wäre der Beschluß deshalb bereits aus diesem Grunde ungültig. Eine sinn- und zweckorientierte Auslegung führt jedoch dazu, daß nur die aus einer Wohnung nach außen dringende Geräuschentwicklung erfaßt sein soll. Dies folgt auch aus der Überschrift in Ziff. 13 der Hausordnung ("Unterlassung der Belästigung der Mitbewohner"). Dieses Verständnis gilt auch für die Regelung über die Benutzung von Nähmaschinen (Ziff. 13 Satz 4). Nach dem Wortlaut sind Nähmaschinen zwar ohne Rücksicht darauf, in welchem Maße der Betrieb der Maschine Lärm verursacht, auf schalldämpfende Unterlagen zu stellen. Nach ihrem Sinn und Zweck werden von der Regelung aber nur solche Nähmaschinen erfaßt, welche überhaupt zu Geräuschbeeinträchtigungen für die Mitbewohner führen können.
d) Der angefochtene Eigentümerbeschluß ist jedoch insoweit unwirksam, als er das Singen und Musizieren nur in "nicht belästigender Weise und Lautstärke" unabhängig davon gestattet, ob die in Satz 1 der Regelung aufgestellten Ruhezeiten eingehalten werden. In welchen Fällen und unter welchen Umständen das Musizieren eine Belästigung darstellt, die zum völligen Verbot führen soll, läßt sich weder der getroffenen Regelung noch den Umständen aus der Niederschrift der Wohnungseigentümerversammlung entnehmen. Der einzelne Wohnungseigentümer oder auch ein Nachfolger im Sondereigentum kann anhand der verwendeten Formulierung daher nicht erkennen oder ermitteln, welches Maß der Musikausübung außerhalb der festgelegten Ruhezeiten ihm noch gestattet und wann die zulässige Grenze überschritten ist. Der Regelung mangelt es deshalb an der für die rechtliche Beachtlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen notwendigen inhaltlichen Bestimmtheit und Klarheit (vgl. BayObLG WE 1991, 50; KG OLGZ 1981, 307; Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 23 Rdn. 42; Palandt/Bassenge, BGB, 57. Aufl., § 23 WEG Rdn. 12; Staudinger/Bub, aaO, § 23 Rdn. 256; Weitnauer/Lüke, aaO, § 23 Rdn. 21).
Beschränkt sich eine Hausordnung nicht darauf, bestimmte Ruhezeiten festzusetzen, sondern will sie darüber hinaus die Lautstärke und Intensität der Musik auch außerhalb der Ruhezeiten reglementieren, so darf sie nur schwerwiegende, nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen nicht mehr hinnehmbare Störungen erfassen (vgl. zum Nachbarrecht Senat, BGHZ 120, 239, 255; 121, 248, 255; Urt. v. 8. Mai 1992, V ZR 89/91, NJW 1992, 2019). Denkbare Beispiele sind Schlagzeugübungen oder Proben einer Band in den Räumen eines Wohneigentümers. Der Regelungstatbestand muß jedenfalls hinreichend bestimmt und "aus sich heraus" von den Fällen zulässiger Betätigung abgrenzbar sein. Dazu kann auf bestimmte Immissionsrichtwerte verwiesen werden, die Orientierungshilfe dafür bieten, ob das Musizieren dem Verbot der Hausordnung unterfällt oder außerhalb der Ruhezeiten zulässig ist (Pfeifer, ZMR 1987, 361; Gramlich, NJW 1985, 2131 m.w.N.; BGHZ 97, 361, 367; 46, 35, 38; OLG Frankfurt, WuM 1984, 303). Dem genügt die gewählte Fassung nicht.
e) Entsprechendes gilt für Ziff. 13 Satz 2, wonach Rundfunk- und Fernsehgeräte sowie Plattenspieler nur in einer Lautstärke betrieben werden dürfen, die Mitbewohner nicht "belästigt". Darüberhinaus ist die Regelung zusammen mit Satz 1 deswegen unwirksam, weil sie die verschiedenen Geräuschquellen in bezug auf Ruhezeiten unzulässigerweise unterschiedlich behandelt. Vom Schutzzweck der Anordnung einer Ruhezeit her macht es keinen Unterschied, ob die Mitbewohner in der Ruhezeit durch die Ausübung oder das Anhören von vokaler oder instrumentaler Musik bzw. durch lautstarke Wortsendungen gestört werden. Die Ungleichbehandlung ist nicht von dem der Wohnungseigentümergemeinschaft bei der Beschlußfassung zustehenden Ermessensspielraum gedeckt. Ihr Selbstorganisationsrecht geht nicht so weit, durch Mehrheitsbeschluß einzelne Störer gegenüber anderen ohne sachlichen Grund zu bevorzugen. Die Gebrauchsregelung darf nicht willkürlich sein, sondern muß in den Grenzen des billigen Ermessens unter Beachtung des Gebotes der allgemeinen Rücksichtnahme in Abwägung der allseitigen Interessen erfolgen; andernfalls ist Einstimmigkeit erforderlich (BayObLGZ 1972, 109, 113; 1973, 267; Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 15 Rdn. 24; Staudinger/Kreuzer, aaO, § 15 WEG Rdn. 122; Weitnauer/Lüke, aaO, § 15 Rdn. 18; zum Verstoß gegen Treu und Glauben: Derleder, aaO, S. 126; OLG Braunschweig, NJW-RR 1987, 845; OLG Hamm, aaO, NJW-RR 1986, 500).
f) Die beschlossene Regelung ist darüber hinaus auch insoweit unklar, als sie in Satz 3 eine Beschränkung der Lärmverursachung auf Zimmerlautstärke vorsieht, wenn ein Mitbewohner schwer erkrankt ist, ohne eindeutig zu bestimmen, ob sich dies nur auf Lärm durch Fernseh-, Rundfunkgeräte und Plattenspieler bezieht, oder auch auf Geräusche durch Singen und Musizieren.
3. Die teilweise Unwirksamkeit des Beschlusses führt zur Unwirksamkeit der Regelung in Ziff. 13 der Hausordnung insgesamt. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 139 BGB. Danach hat die Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts im Zweifel die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts zur Folge. Nach allgemeiner Auffassung handelt es sich bei einem Wohnungseigentümerbeschluß um ein mehrseitiges Rechtsgeschäft eigener Art, einen sog. Gesamtakt, durch welchen mehrere gleichgerichtete Willenserklärungen der Wohnungseigentümer gebündelt werden (BayObLGZ 1977, 226, 231; Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 23 Rdn. 15; Bruns, Der Beschluß als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht, 1965, 175 ff; Staudinger/Bub, aaO, § 23 Rdn. 65; Weitnauer/Lüke, aaO, § 23 Rdn. 12). Zwar unterscheidet er sich von einem Vertrag, weil er nicht aus gegenseitigen, in Bezug aufeinander abgegebenen, sondern aus gleichgerichteten Willenserklärungen besteht (Staudinger/Bub, aaO; Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 23 Rdn. 16; für den Bereich gesellschaftsrechtlicher Beschlüsse Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 15 I 2 a). Zudem setzt der Beschluß nicht die Willensübereinstimmung aller Wohnungseigentümer voraus, sondern bindet auch die überstimmten oder der Versammlung ferngebliebenen Mitglieder, § 10 Abs. 4 WEG. Dennoch erfüllt er insoweit die Merkmale eines Rechtsgeschäfts, als sein wesentlicher Bestandteil ein oder mehrere Willenserklärungen sind und er die kollektive und rechtsverbindliche Entscheidung der Gemeinschaft über einen Antrag zum Ausdruck bringt. Jedenfalls gilt dies dort, wo die Beschlüsse nicht lediglich interne Wirkung haben, sondern auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung rechtlicher Befugnisse oder Pflichten gerichtet sind. Für diesen Fall ist deshalb bei Teilunwirksamkeit § 139 BGB entsprechend anwendbar (BayObLG, WE 1995, 245, 247; OLG Hamm NJW-RR 1986, 500, 501; vgl. auch BGHZ 124, 111, 122 [Aktiengesellschaft]; RGZ 140, 174, 177 [Genossenschaft]; Palandt/Heinrichs, aaO, § 139 Rdn. 3; Staudinger/Wenzel, aaO, § 43 Rdn. 46). Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Nach seinem Inhalt beschränkt der angefochtene Beschluß zur Hausordnung Ziff. 13 die individualrechtlichen Befugnisse des einzelnen Wohnungseigentümers hinsichtlich der Nutzung seines Sondereigentums. Da der unbeanstandet gebliebene Teil der Hausordnung in Ziff. 13 allein sinnvollerweise keinen Bestand haben kann und nicht anzunehmen ist, daß ihn die Wohnungseigentümergemeinschaft so beschlossen hätte, ist die genannte Ziffer insgesamt unwirksam (BayObLGZ 1985, 176; OLG Hamm, NJW-RR 1986, 500, 501; Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 31 Rdn. 131; Staudinger/ Bub, aaO, § 23 WEG Rdn. 260).
4. Die aufgezeigte Fehlerhaftigkeit läßt den Eigentümerbeschluß nicht nichtig, sondern nur anfechtbar sein, so daß er für ungültig zu erklären ist. Dies ist allerdings für den Mangel hinreichender Bestimmtheit umstritten (für Nichtigkeit: KG, aaO, OLGZ 1981, 307; Soergel/Stürner, BGB, 12. Aufl., § 23 WEG Rdn. 12; Weitnauer/Lüke, aaO, § 23 Rdn. 21; vgl. zur Anfechtbarkeit: BayObLGZ 1971, 313, 318; BayObLG, WE 1994, 247; aaO, WE 1995, 247; Staudinger/Wenzel, aaO, § 43 Rdn. 48; offengelassen BayObLGZ 1989, 13, 17; WE 1993, 342). Das Wohnungseigentumsgesetz enthält, anders als die aktienrechtliche Regelung in § 241 AktG, keinen ausdrücklichen Katalog von Nichtigkeitsgründen, sondern verweist auf den Verstoß gegen zwingende Rechtsvorschriften, § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG (vgl. Staudinger/Bub, aaO, § 23 WEG Rdn. 227). Jedenfalls dann, wenn der Beschluß, wie hier, eine durchführbare Regelung noch erkennen läßt, die Unbestimmtheit also nicht auf inhaltlicher Widersprüchlichkeit beruht, führen die aufgeführten Mängel nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit (Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 23 Rdn. 129; Staudinger/Bub, aaO, § 23 Rdn. 257; OLG Hamm, aaO, OLGZ 1991, 177; OLG Frankfurt, aaO, OLGZ 1993, 300). Der Beschluß ist deshalb für ungültig zu erklären. Der Senat ist dagegen mangels eines entsprechenden Antrags nicht befugt, über den Antrag hinaus den angefochtenen Beschluß durch eine eigene Gebrauchsregelung nach § 15 Abs. 3 WEG zu ersetzen (Staudinger/Wenzel, aaO, § 43 Rdn. 46).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Festsetzung des Geschäftswertes auf § 48 Abs. 3 WEG.
Ende der Entscheidung
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