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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.06.1998
Aktenzeichen: V ZB 12/98
Rechtsgebiete: GBO


Vorschriften:

GBO § 71
GBO § 78
GBO §§ 71, 78

Wird im Beschwerdeverfahren eine Zwischenverfügung des Grundbuchamtes aufgehoben, die aufgrund eines Eintragungsantrags ergangen war, so steht dem von der begehrten Eintragung Betroffenen ein Recht zur weiteren Beschwerde gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts jedenfalls dann nicht zu, wenn das Grundbuchamt nicht zugleich angewiesen worden ist, die Eintragung vorzunehmen.

BGH, Beschl. v. 10. Juni 1998 - V ZB 12/98 - BayObLG LG München II AG Garmisch-Partenkirchen


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 12/98

vom

10. Juni 1998

in der Grundbuchsache

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 10. Juni 1998 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Hagen und die Richter Dr. Lambert-Lang, Tropf, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

beschlossen:

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 29. September 1997 wird auf Kosten des Beteiligten zu 2, welcher der Beteiligten zu 1 auch die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu erstatten hat, als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Mit notarieller Urkunde vom 9. Juni 1939 ließ der Großvater des Beteiligten zu 2 ein ihm gehörendes 23 qm großes Grundstück (Flurstück 699/1) dem Beteiligten zu 1 auf. Die Vertragsparteien bewilligten und beantragten in der Urkunde die Eigentumsumschreibung; dazu kam es aber nicht.

Mit notariellem Vertrag vom 3. August 1943 übertrug der Großvater des Beteiligten zu 2 seinen Grundbesitz einschließlich des vorgenannten Flurstücks auf seinen Sohn, den Vater des Beteiligten zu 2, der am 10. Oktober 1944 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde.

Der Beteiligte zu 1 hat am 11. September 1996 die Eigentumsumschreibung aufgrund der Auflassung vom 9. Juni 1939 beantragt. Er meint, der Beteiligte zu 2 sei an diese Auflassung aufgrund einer Gesamtrechtsnachfolge gebunden. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 18. Juli 1997 beanstandet, es fehle eine Auffassungserklärung des Beteiligten zu 2 als jetzigen Eigentümers. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht die Zwischenverfügung mit Beschluß vom 29. September 1997 aufgehoben. Gegen diesen Beschluß richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2, mit der er die Zurückweisung des Eintragungsantrags erstrebt und im übrigen die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt.

Das Bayerische Oberste Landesgericht möchte das Rechtsmittel als unzulässig verwerfen, sieht sich daran aber durch die Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 20. Januar 1997 (MittBayNot 1997, 293 = FGPrax 1997, 125) gehindert und hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist statthaft (§ 79 Abs. 2 GBO).

Das vorlegende Gericht hält eine weitere Beschwerde gegen eine Entscheidung des Beschwerdegerichts, mit der dieses eine Zwischenverfügung des Grundbuchamtes aufgehoben hat, mangels Beschwerdeberechtigung für unzulässig. Demgegenüber hat das Brandenburgische Oberlandesgericht in dem angeführten Beschluß den Standpunkt vertreten, daß die weitere Beschwerde bei einer solchen Fallgestaltung zulässig sei; mit ihr könne zwar nicht die Wiederherstellung der Zwischenverfügung, wohl aber die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts angestrebt werden. Die beiden Gerichte sind mithin über dieselbe, hier entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedlicher Auffassung. Dies trägt die Vorlage.

III.

Die weitere Beschwerde ist unzulässig. Der Senat teilt die Auffassung des vorlegenden Gerichts, daß der Beteiligte zu 2 nicht beschwerdeberechtigt ist.

1. Beschwerdeberechtigt nach § 71 GBO ist derjenige, der durch die angefochtene Entscheidung in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt ist und ein rechtlich geschütztes - nicht lediglich wirtschaftliches - Interesse an ihrer Beseitigung hat (Senat, BGHZ 80, 126, 127 m.w.N.).

a) Für das grundbuchrechtliche Antragsverfahren wird im allgemeinen angenommen, daß die Beschwerdeberechtigung mit der Antragsberechtigung korrespondiere. Nur dem Antragsberechtigten sei - gleichsam als Verlängerung der Antragsberechtigung - das Beschwerderecht eingeräumt, zu dem Zweck nämlich, dem Antrag zum Erfolg zu verhelfen. Hingegen stehe es nicht demjenigen zu, der das Grundbuchamt von einer Eintragung abzuhalten bezwecke (vgl. BayObLGZ 80, 37, 41; 87, 431, 433; Kuntze, in: Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht, 4. Aufl., § 71 Rdn. 70 a; Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 11. Aufl., Rdn. 489; Meikel/Streck, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 71 Rdn. 122; Demharter, GBO, 22. Aufl., § 71 Rdn. 63 ff).

Dem ist im Ergebnis grundsätzlich zuzustimmen, da die Beschwerde eine Entscheidung des Grundbuchamtes voraussetzt (§ 71 Abs. 1 GBO), eine solche aber erst vorliegt, wenn das Grundbuchamt den Eintragungsantrag beschieden hat, sei es durch Zwischenverfügung, sei es durch Ablehnung des Antrags oder durch Vornahme der beantragten Eintragung. Vorläufige Meinungsäußerungen des Grundbuchamtes stellen keine Entscheidung dar und unterliegen somit nicht der Anfechtung (Senat, Beschl. v. 27. Februar 1980, V ZB 28/78, Rpfleger 1980, 273).

b) Anders stellt sich die Frage hingegen, wenn eine Entscheidung des Grundbuchamtes vorliegt. Hat es eine Zwischenverfügung erlassen, so kann der Antragsteller diese mit der Beschwerde anfechten (§ 71 Abs. 1 GBO). Hebt das Beschwerdegericht - wie hier - die Zwischenverfügung auf, so liegt darin eine Entscheidung, die an sich die weitere Beschwerde eröffnet (§ 78 GBO). Die in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung, ein Recht zur weiteren Beschwerde sei dem von der Eintragung Betroffenen deswegen abzusprechen, weil die Beschwerde stets nur das Ziel haben könne, das Antragsrecht durchzusetzen (vgl. BayObLGZ 1980, 37, 40 f; Haegele/Schöner/Stöber Rdn. 489; Demharter § 71 Rdn. 65), entbehrt der Begründung. Aus dem Umstand, daß die Berechtigung zur Stellung des Antrags gesetzlich festgelegt ist (vgl. §§ 9 Abs. 1 Satz 2, 13 Abs. 1, 14 GBO), ist der Schluß gerechtfertigt, daß zur Einlegung der Beschwerde derjenige befugt ist, der auch als Antragsberechtigter in Betracht kommt. Antragsberechtigt ist aber auch der von der Eintragung Betroffene (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GBO), vorliegend also der Beteiligte zu 2. Daß er selbst den Eintragungsantrag nicht gestellt hat, steht einer Beschwerdeberechtigung nicht entgegen; § 20 Abs. 2 FGG findet keine Anwendung (BayObLGZ 1980, 37, 40; Haegele/Schöner/Stöber Rdn. 489 m.w.N.). Der gesetzlichen Regelung kann nicht entnommen werden, daß das Beschwerderecht immer nur mit dem Ziel der Antragsverwirklichung eingeräumt ist.

Solches ergibt sich auch nicht aus § 71 Abs. 2 GBO. Diese Vorschrift schließt die Beschwerde gegen eine Eintragung mit Rücksicht auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs grundsätzlich aus und eröffnet nur in den Fällen, in denen das Grundbuchamt von Amts wegen einzuschreiten verpflichtet wäre (§ 53 GBO), den Beschwerdeweg mit dem Ziel, das Grundbuchamt zum Tätigwerden zu veranlassen. Zur Frage, ob im Vorfeld einer Eintragung ein Rechtsmittel gegeben ist, die beantragte Eintragung zu verhindern, enthält die Vorschrift nichts.

2. Läßt sich somit dem Gesetz nicht entnehmen, daß im Antragsverfahren dem von einer beabsichtigten Eintragung Betroffenen generell ein Beschwerderecht zu versagen ist, so beurteilt sich die Frage der Beschwerdebefugnis nach allgemeinen Grundsätzen, also danach, ob der Betroffene durch die Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Dabei ist davon auszugehen, daß die Rechtsbeeinträchtigung grundsätzlich erst mit der Eintragung eintritt. Die vorher lediglich drohende Beeinträchtigung betrifft die Frage eines vorsorglichen Rechtsschutzes. Eine vorbeugende Bekämpfung einer beantragten Eintragung ist dem Gesetz aber fremd (vgl. Meikel/Streck § 71 Rdn. 122; Demharter, MittBayNot 1997, 270, 271, jeweils m.w.N.).

Anders kann die Rechtslage zu beurteilen sein, wenn die Eintragung nach Aufhebung der Zwischenverfügung durch das Beschwerdegericht nicht nur droht, sondern sicher ist. Hier kann daran gedacht werden, eine unmittelbare Beeinträchtigung des von der Eintragung Betroffenen schon ab dem Zeitpunkt anzunehmen, zu dem die Eintragung sicher zu gewärtigen ist. Dafür kann sprechen, daß es unbefriedigend erschiene, wenn der Betroffene den Vollzug der Eintragung abwarten müßte, um diese dann in den Grenzen des § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO zu bekämpfen. Eine solche Fallgestaltung ist etwa anzunehmen, wenn das Beschwerdegericht die Zwischenverfügung nicht nur aufgehoben, sondern das Grundbuchamt auch zur Eintragung angewiesen hat (vgl. Meikel/Streck § 71 Rdn. 122; Demharter, MittBayNot 1997, 270, 272, die in solchen Fällen ein Beschwerderecht geben wollen, und zwar ohne die Beschränkungen des § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO; offengelassen von BayObLGZ 1987, 431, 433).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Ob es zur Eintragung kommt, liegt in der Verantwortung des Grundbuchamtes, das zwar an die in der Aufhebung der Zwischenverfügung zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts gebunden ist, im übrigen aber über den Eintragungsantrag eigenverantwortlich neu zu befinden hat. Die Bindung an die Beschwerdeentscheidung erhöht die Aussichten des Antragstellers auf die begehrte Eintragung und schmälert demgemäß die Chancen desjenigen, der sie bekämpfen will. Eine gegenwärtige Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung liegt darin jedoch noch nicht (Demharter, MittBayNot 1997, 270, 271 f; a.A. Meikel/Streck, § 71 Rdn. 122).

3. Ist die Beschwerde - wie dargelegt - unzulässig, kann der Betroffene ihrer Verwerfung nicht dadurch entgehen, daß er die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt. Ein - behaupteter - Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG eröffnet grundsätzlich keine vom Gesetz nicht vorgesehene Rechtsmittelinstanz (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 1989, IX ZB 84/89, NJW 1990, 1794, 1795; Urt. v. 8. November 1994, XI ZR 35/94, NJW 1995, 403; Beschl. v. 27. Februar 1997, BLw 2/97, MDR 1997, 590; BVerfGE 28, 88, 95; 42, 252, 254; 60, 96, 98; Keidel/Amelung, FGG, Teil A, 13. Aufl., § 12 Rdn. 154).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO, 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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