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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.12.2005
Aktenzeichen: V ZB 144/05
Rechtsgebiete: KostO
Vorschriften:
KostO § 36 Abs. 1 | |
KostO § 147 Abs. 2 |
b) Die Errichtung einer sogenannten Verweisungsurkunde löst eine volle Gebühr nach § 36 Abs. 1 KostO und nicht nur eine halbe Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO aus. Darauf, ob sie Erklärungen nur tatsächlichen oder auch rechtsgeschäftlichen Inhalts sind, kommt es nicht an.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 8. Dezember 2005
in der Notarkostensache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 8. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub
beschlossen:
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 22. März 2005 aufgehoben.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird insgesamt zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde beträgt 2.118,74 €.
Gründe:
I.
Der Kostengläubiger errichtete am 3. März 2003 für die Kostenschuldnerin eine Verweisungsurkunde, in welcher die Kostenschuldnerin ihre Absicht bekundete, ein von ihr zu erwerbendes Grundstück in Parzellen aufzuteilen und mit Gebäuden unterschiedlichen Typs zu bebauen. Der Urkunde waren als Anlage zwei Baubeschreibungen für die geplanten beiden Haustypen beigefügt. Hierüber erteilte der Kostenschuldner am gleichen Tag eine Kostenberechnung über 4.451,96 €, in welcher er bei einem Wert von 2,4 Mio. € eine Geschäftsgebühr gem. § 36 Abs. 1 KostO in Höhe von 3.657 € (netto) ansetzte.
Die Kostenschuldnerin hat sich gegen den ihrer Auffassung nach zu hoch angesetzten Geschäftswert sowie den Ansatz einer Geschäftsgebühr gem. § 36 Abs. 1 KostO gewehrt. Für die Errichtung der Verweisungsurkunde sei nur eine halbe Gebühr gem. § 147 Abs. 2 KostO entstanden.
Auf ihre Beschwerde hat das Landgericht die Kostenberechnung gekürzt und die Kosten bei Annahme des von dem Kostengläubiger zugrunde gelegten Geschäftswerts, aber bei Ansatz nur einer halben Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO auf insgesamt 2.333,22 € festgesetzt. Die hiergegen gerichtete weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin hat das Oberlandesgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Es möchte auch die weitere Beschwerde des Kostengläubigers zurückweisen. Daran sieht es sich durch die Beschlüsse des Kammergerichts vom 21. Oktober 1986 (DNotZ 1987, 381), des Oberlandesgerichts Schleswig vom 26. Januar 1990 (DNotZ 1990, 679) und des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. Juli 1995 (FGPrax 1995, 205) gehindert. Es hat die Sache deshalb insoweit dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist statthaft (§ 156 Abs. 4 Satz 4 KostO i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG).
1. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, für die Errichtung einer Verweisungsurkunde entstehe nur eine halbe Gebühr gem. § 147 Abs. 2 KostO. Demgegenüber vertreten die anderen genannten Oberlandesgerichte die Auffassung, für die Errichtung einer solchen Urkunde entstehe eine volle Gebühr entweder unmittelbar aufgrund von § 36 Abs. 1 KostO oder in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift. Das vorlegende Gericht und die genannten anderen Gerichte sind mithin unterschiedlicher Auffassung in der Frage, welche Gebühr die Errichtung einer Verweisungsurkunde auslöst. Das rechtfertigt die Vorlage.
2. Ihrer Statthaftigkeit steht auch nicht entgegen, dass das Vorlageverfahren bei der Notarkostenbeschwerde erst durch Art. 33 Nr. 3 des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) eingeführt worden ist und die Auffassung des vorlegenden Gerichts von Entscheidungen abweicht, die vor dem 1. Januar 2002 ergangen sind (Senat, Beschl. v. 21. November 2002, V ZB 29/02, NJW-RR 2003, 1149, insoweit in BGHZ 153, 22, nicht abgedruckt).
III.
Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 156 Abs. 2, 4 KostO). Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 156 Abs. 2 Satz 3 KostO). Bei der Errichtung einer Verweisungsurkunde entsteht entgegen der Annahme des Landgerichts eine volle Gebühr nach § 36 Abs. 1 KostO und nicht nur eine halbe Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO.
1. Welche Kosten für eine Verweisungsurkunde anfallen, auf die in anderen Urkunden nach § 13a BeurkG verwiesen werden soll, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die wohl herrschende Meinung nimmt an, dass die Errichtung einer Verweisungsurkunde eine volle Gebühr nach § 36 Abs. 1 KostO auslöst (KG, DNotZ 1987, 381, 382; OLG Schleswig, DNotZ 1990, 679; OLG Hamm, FGPrax 1995, 205, 206; LG Hannover, JurBüro 1992, 552; Assenmacher/Mathias/Mümmler, KostO, 15. Aufl., Stichwort Verweisungsurkunde Anm. 2.1; Bengel/Tiedtke in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl., § 36 KostO Rdn. 9; Bengel, Anm. zu BayObLG, DNotZ 1985, 572, 574, 576 ff.). Eine Verweisungsurkunde werde errichtet, um die Beurkundung einzelner Kaufverträge, die einen stereotypen Inhalt haben, zu erleichtern. Inhaltlich stelle sie deshalb eine vorweggenommene und gewissermaßen ausgelagerte Erklärung der künftigen Vertragsparteien dar. Diese stehe den Willenserklärungen der Vertragsparteien jedenfalls so nahe, dass eine entsprechende Anwendung von § 36 Abs. 1 KostO angezeigt sei. Es spiele deshalb auch keine Rolle, ob die Verweisungsurkunde nur technische Erklärungen wie etwa eine Baubeschreibung oder auch rechtsgeschäftliche Erklärungen wie etwa eine noch anzunehmende Verpflichtung, bestimmte begleitende Verträge nur in der einen oder anderen Weise abzuschließen (Beispiel nach Bengel, DNotZ 1985, 574, 575), enthielten (so ausdrücklich KG und OLG Hamm, jeweils aaO). Demgegenüber will das Bayerische Oberste Landesgericht, dem das vorlegende Gericht folgen möchte, auf die Errichtung einer Verweisungsurkunde jedenfalls dann nicht § 36 Abs. 1 KostO, sondern § 147 Abs. 2 KostO anwenden (DNotZ 1985, 572, 573), wenn sie keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen enthält. § 36 Abs. 1 KostO sei nur auf rechtsgeschäftliche Willenserklärungen anwendbar, die eine Verweisungsurkunde aber nicht notwendig enthalte. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Verweisungsurkunden scheitere daran, dass der Gesetzgeber die vorausgesetzte Lücke bereits durch die Auffangvorschrift des § 147 Abs. 2 KostO geschlossen habe.
2. Die zu entscheidende Frage hängt maßgeblich davon ab, ob die in § 36 Abs. 1 KostO bestimmte Gebühr nur für einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärungen anfällt oder für jegliche einseitige Erklärungen.
a) Auch diese Frage ist umstritten. Nach einer Ansicht erfasst § 36 Abs. 1 KostO nur einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, nicht andere Erklärungen (BayObLG, DNotZ 1985, 572, 573; Beushagen/Küntzel-Kersten/Bühling, KostO, 5. Aufl., § 36 Anm. 1; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 36 Rdn. 3; Rohs in Rohs/Wedewer, KostO, § 36 Rdn. 1). Sie beruft sich hierzu auf die Auslegung von § 29 Abs. 1 RKostO, den § 36 Abs. 1 KostO wörtlich übernimmt. Jene Vorschrift wurde einschränkend in dem Sinne verstanden, dass Erklärung grundsätzlich nur eine einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärung sein konnte (Jonas/Melsheimer/Hornig/Stemmler, RKostO, 4. Aufl., § 29 Anm. I; Korintenberg/Wenz, KostO, 3. Aufl., § 29 Anm. 1). Allerdings wurde auch schon für § 29 Abs. 1 KostO vertreten, dass der bürgerlich-rechtliche Begriff der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung "kostenrechtlich zu eng" sei (KG, DNotZ 1940, 366). Auch heute wird angenommen, dass eine einseitige Erklärung im Sinne von § 36 Abs. 1 KostO etwa auch bei Betreuungs- und Patientenverfügungen vorliegt, die nicht notwendig rechtsgeschäftlichen Charakter haben (Rohs in Rohs/Wedewer, aaO, § 36 KostO Rdn. 7a). Daran anknüpfend ist nach der Gegenmeinung unter einer einseitigen Erklärung nicht nur eine einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärung, sondern jede einseitige Erklärung zu verstehen (Bengel/Tiedtke in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl., § 36 Rdn. 2; in diese Richtung neigend auch: KG, DNotZ 1990, 381, 382; OLG Schleswig, DNotZ 1990, 679; OLG Hamm, FGPrax 1995, 205, 206).
b) Dieser zweiten Meinung folgt der Senat. § 36 Abs. 1 KostO bezeichnet als die Tätigkeit des Notars, die die Gebühr auslöst, nicht die Beurkundung einseitiger rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen, sondern die Beurkundung einseitiger Erklärungen. Gründe für die Annahme, der Wortlaut der Vorschrift gehe über das Gewollte hinaus und sei unter Orientierung am Zweck der Vorschrift einschränkend auszulegen, werden von den Vertretern dieser Ansicht nicht angeführt und sind auch nicht ersichtlich. Der Rückgriff auf die Auslegung des § 29 Abs. 1 RKostO offenbart, dass schon damals eine an dem bürgerlich-rechtlichen Begriff der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung ausgerichtete Auslegung des kostenrechtlichen Begriffs der einseitige Erklärung als "kostenrechtlich zu eng" und damit in der Sache als nicht hilfreich angesehen wurde. Sie hatte schon damals keine Grundlage, weil auch § 29 Abs. 1 RKostO nicht von Willenserklärungen sprach. Daran hat § 36 Abs. 1 KostO nichts geändert. Auch die systematische Stellung der Vorschrift gibt keinen Anlass, den Begriff anders zu deuten. Die Vorschrift ist Teil des 1. Unterabschnitts "Beurkundungen und sonstige Geschäfte" des Zweiten Abschnitts der Kostenordnung. Dieser bildet das kostenrechtliche Gegenstück zu den Vorschriften des Beurkundungsgesetzes über die Beurkundungen. Diese enthalten aber nicht nur Vorschriften über die Beurkundung von Willenserklärungen (§§ 6 bis 35 BeurkG), sondern auch Vorschriften über die Beurkundung sonstiger Erklärungen, darunter in § 36 BeurkG Vorschriften über die Beurkundung anderer Erklärungen. Die Beurkundung solcher Erklärungen wird im 1. Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts der Kostenordnung auch abgebildet, teilweise mit eigenen Gebührentatbeständen, z. B. für die Abnahme von Eiden (§ 49 KostO). Weshalb nur ein Teil der in den §§ 36 bis 38 BeurkG geregelten Fälle der Beurkundung in dem korrespondierenden Unterabschnitt der Kostenordnung kostenrechtlich erfasst sein soll, erschließt sich nicht. § 36 Abs. 1 KostO gilt deshalb nicht nur für einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, sondern für alle einseitigen Erklärungen, soweit sie nicht Gegenstand eines besonderen Gebührentatbestands sind.
c) Fällt die Gebühr nach § 36 Abs. 1 KostO für die Beurkundung jeder einseitigen Willenserklärung an, ist es für die kostenrechtliche Einordnung einer Verweisungsurkunde ohne Bedeutung, ob sie tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Erklärungen enthält (vgl. KG, DNotZ 1990, 381, 382; OLG Schleswig, DNotZ 1990, 679; OLG Hamm, FGPrax 1995, 205, 206) oder ob sich zwischen tatsächlichen und rechtgeschäftlichen Teilen einer Verweisungsurkunde überhaupt sinnvoll unterscheiden lässt. Wesentlich ist allein, ob sie überhaupt eine einseitige Erklärung enthält. Daran aber bestehen keine Zweifel. Mit einer Verweisungsurkunde werden stereotyp wiederkehrende Teile der Vertragserklärungen der Parteien künftig abzuschließender Kaufverträge in eine besondere Urkunde ausgelagert, um auf deren Vorlesen nach Maßgabe von § 13a BeurkG verzichten zu können. Eine solche Auslagerung in eine Verweisungsurkunde ist nur möglich, wenn der Errichtende den ausgelagerten Teil der Vertragserklärung zum Gegenstand einer eigenen Erklärung macht, die in der für die Beurkundung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen bestimmten Form beurkundet wird. Damit soll erreicht werden, dass die ausgelagerten Teile der Vertragserklärungen in der Urkunde, in welcher auf die Verweisungsurkunde verwiesen wird, auch wie die Bezug nehmende Vertragserklärung verlesen und geprüft sind (Huhn/von Schuckmann/Renner, BeurkG, 4. Aufl., § 13a BeurkG Rdn. 2) und den gleichen Beurkundungswert haben. Dass diese im Moment ihrer Errichtung noch keinen Empfänger hat und erst durch die Bezugnahme in dem später zu beurkundenden Vertrag rechtsgeschäftliche Bedeutung erlangt, ändert an dem Erklärungscharakter des Inhalts einer Verweisungsurkunde nichts. Deshalb ist auch ohne Bedeutung, dass eine Verweisungsurkunde keine geschäftswesentlichen Vereinbarungen enthalten soll (Bamberger/Roth/Litzenburger, BGB, § 13a BeurkG Rdn. 2; Eylmann/Vaasen/Limmer, BNotO/BeurkG, 2. Aufl., § 13a BeurkG Rdn. 4; Huhn/von Schuckmann, aaO). Das betrifft nur den für das Entstehen der Gebühr unerheblichen Gehalt der Erklärung, stellt sie aber als Erklärung nicht in Frage.
IV.
Einer Entscheidung über die Kosten des vorliegenden Verfahrens bedarf es nicht (vgl. §§ 2, 156 Abs. 5 S. 2, 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO). Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO.
Ende der Entscheidung
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