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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: V ZB 149/06
Rechtsgebiete: FreihEntzG, FGG


Vorschriften:

FreihEntzG § 3 Satz 2
FGG § 25
FGG § 27
a) Der nach Eintritt eines erledigenden Ereignisses gestellte Antrag auf Feststellung, dass die Anordnung oder Verlängerung einer Abschiebehaft rechtswidrig war, kann nicht auf Verfahrensfehler gestützt werden, die bis zu dem erledigenden Ereignis geheilt wurden oder durch die Beschwerdeentscheidung geheilt worden wären.

b) Ein in der fehlenden örtlichen Zuständigkeit liegender Verfahrensfehler wird durch eine Sachentscheidung des Beschwerdegerichts jedenfalls dann geheilt, wenn das tätig gewordene und das zuständige Gericht zum Bezirk des Beschwerdegerichts gehören.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 149/06

vom 8. März 2007

in der Abschiebehaftsache

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 8. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Czub

beschlossen:

Tenor:

Die Sache wird an das Oberlandesgericht München zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückgegeben.

Gründe:

I.

Der Betroffene wurde am 17. Oktober 2000 aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz mit zunächst unbefristeter Wirkung aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Er reiste im Oktober 2003 freiwillig in die Türkei aus. Von dort betrieb er erfolglos die nachträgliche Befristung des Wiedereinreiseverbots. Zu einem nicht näher festgestellten Zeitraum reiste er ohne Erlaubnis mit einem gefälschten, auf andere Personalien lautenden türkischen Reisepass erneut in das Bundesgebiet ein, wo er am 30. Dezember 2005 festgenommen wurde.

Auf Antrag der beteiligten Ausländerbehörde ordnete das Amtsgericht Erlangen am 30. Dezember 2005 mit sofortiger Wirkung gegen den Betroffenen die Abschiebehaft zur Sicherung seiner Abschiebung bis längstens zum 30. März 2006 an, die in der Justizvollzugsanstalt N. vollzogen wurde. Das Amtsgericht Nürnberg hat am 28. März 2006 die Verlängerung der Abschiebehaft angeordnet. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht am 22. Mai 2006 nach Anhördung des Betroffenen und seiner Verfahrensbevollmächtigten zurückgewiesen. Der Betroffene ist am 23. Mai 2006 abgeschoben worden. Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde beantragt er die Feststellung, dass die Verlängerung der Abschiebehaft durch das Amtsgericht Nürnberg rechtswidrig war. Das vorlegende Oberlandesgericht möchte das Rechtsmittel zurückweisen. Es sieht sich daran jedoch durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 28. Februar 2006 (InfAuslR 2006, 333) gehindert und hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist nicht statthaft. Die Sache ist dem vorlegenden Gericht zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückzugeben

1. Der Bundesgerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG zwar an die Auffassung des vorlegenden Gerichts gebunden, es könne ohne Beantwortung der streitigen Rechtsfrage über die sofortige weitere Beschwerde nicht entscheiden (Senat, BGHZ 99, 90, 92; Beschl. v. 22. Januar 2004, V ZB 51/03 NJW 2004, 937, 938, insoweit in BGHZ 157, 322, nicht abgedruckt). Auf der Grundlage des in dem Vorlagebeschluss mitgeteilten Sachverhalts und der darin zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Beurteilung des Falls prüft der Senat jedoch, ob eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die das vorlegende Gericht abweichend von der im Verfahren der weiteren Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen OLG oder von einer Entscheidung des BGH beantworten will, für die dieselbe Rechtsfrage ebenfalls erheblich war (Senat, BGHZ 156, 279, 284). Mithin können nur solche Entscheidungen herangezogen werden, die auf einer anderen Beurteilung der Rechtsfrage beruhen. Dies setzt voraus, dass die strittige Rechtsfrage in der Entscheidung des anderen Gerichts erörtert und abweichend beantwortet wurde und das Ergebnis für die Entscheidung von Einfluss war (vgl. Senat, BGHZ 21, 234, 236; Beschl. v. 30. September 2004, V ZB 26/04, NJW 2004, 3339; Beschl. v. 29. September 2005, V ZB 107/05, NZM 2005, 952).

2. An einer solchen Divergenz fehlt es hier.

a) Das vorlegende Oberlandesgericht ist der Meinung, dass ein Verstoß des Amtsgerichts gegen die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht zu der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer in der Sache zu Recht angeordneten Abschiebehaft oder Haftverlängerung führe. An einer entsprechenden Entscheidung sieht es sich durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 28. Februar 2006 (InfAuslR 2006, 333) gehindert. Das ist nicht der Fall.

b) Das Oberlandesgericht Oldenburg hatte zwar zu entscheiden, ob der Verstoß des Amtsgerichts gegen die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nach Erledigung der Abschiebehaft zur Feststellung von deren Rechtswidrigkeit führt. Es hat diese Frage auch bejaht und den Zuständigkeitsmangel als nach Erledigung nicht heilbar angesehen. Zu diesem Ergebnis ist es aber deshalb gelangt, weil das bei der Haftverlängerung tätig gewordene Amtsgericht und das zuständige Amtsgericht in dem von ihm zu entscheidenden Fall nicht im selben Landgerichtsbezirk lagen und das für das tätig gewordene Amtsgericht als Beschwerdegericht zuständige Landgericht mangels örtlicher Zuständigkeit keine eigene Entscheidung treffen konnte (InfAuslR 2006, 333, 334).

c) Diese Besonderheit liegt hier aber gerade nicht vor. Sowohl das zuständige Amtsgericht Erlangen als auch das tätig gewordene Amtsgericht Nürnberg gehören nach Art. 4 Nr. 16 des bayerischen Gesetzes über die Organisation der ordentlichen Gerichte im Freistaat Bayern (BayRS 300-2-2-J) zum Bezirk des Beschwerdegerichts. In einer solchen Konstellation führt ein Verstoß des Amtsgerichts gegen die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht zur Rechtswidrigkeit der - in der Sache nicht zu beanstandenden - Haftanordnung oder -verlängerung.

d) Solche Verfahrensfehler rechtfertigen die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer sachlich gerechtfertigten Haftverlängerung nur, wenn sie bis zu dem erledigenden Ereignis nicht geheilt worden sind und auch nicht durch die Entscheidung über das gegebene Rechtsmittel geheilt worden wären. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag soll dem Betroffenen nämlich nur die Möglichkeit verschaffen, diesen Rechtsbehelf im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes und zur Wahrung seines Rehabilitierungsinteresses auszuschöpfen. Er soll ihm aber keinen zusätzlichen Rechtsschutz eröffnen, der ihm ohne die Erledigung nicht zustand. Hier hatte der Betroffene Beschwerde gegen die Haftverlängerung eingelegt und eine Entscheidung des Beschwerdegerichts über diese Beschwerde erreicht. Durch die Abschiebung ist ihm die Möglichkeit entgangen, mit einer sofortigen weiteren Beschwerde die Aufhebung des Haftbefehls zu erreichen. Deshalb ist die Rechtswidrigkeit der Haftverlängerung nur festzustellen, wenn der Betroffene mit diesem Rechtsmittel eine Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und der Haftverlängerung hätte erreichen können. Dafür kommt es nach § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG nicht darauf an, ob dem Amtsgericht bei der Anordnung Verfahrensfehler unterlaufen sind, sondern darauf, ob das Beschwerdegericht aufgrund solcher Fehler die Haftverlängerung aus Rechtsgründen hätte aufheben müssen.

e) Das ist bei einem Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation, in der das zuständige und das tätig gewordene Amtsgericht zum Bezirk desselben Beschwerdegerichts gehören, nicht der Fall. Das Beschwerdegericht tritt nämlich in den Grenzen der Beschwerde als Tatsacheninstanz an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts. Das hat zur Folge, dass Fehler des erstinstanzlichen Gerichts grundsätzlich nicht zur Aufhebung seiner Entscheidung und zu einer - in Fällen wie dem vorliegenden nicht mehr möglichen - Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht, sondern dazu führen, dass das Beschwerdegericht selbst die sachlich gebotene Entscheidung trifft. Zu einer solchen eigenen Sachentscheidung ist es auch dann berechtigt, wenn im Einzelfall im Hinblick auf einen Verfahrensfehler ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht (dazu: BayObLG NJW-RR 2002, 679, 680 und 1086; OLG Zweibrücken NJW-RR 1993, 649; KG OLGZ 1982, 394, 398; Bassenge/Roth, FGG, 11. Aufl. § 25 Rn. 11; Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl., § 25 Rdn. 8; Keidel/Kuntze/Winkler/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 25 Rdn. 21; von Schuckmann/Sonnenfeld/Briesemeister, FGG, 3. Aufl., § 25 Rdn. 23) gegeben sein sollten (BayObLG WE 1995, 32).

f) Hiervon geht auch das Oberlandesgericht Oldenburg in seinem von dem vorlegenden Gericht angeführten Beschluss aus (InfAuslR 2006, 333, 334). Damit fehlt es an einer Divergenz.

Ende der Entscheidung

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