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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.09.2008
Aktenzeichen: V ZB 22/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 765a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 22/08

vom 18. September 2008

in der Zwangsversteigerungssache

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 18. September 2008 durch die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 9. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 12.600 €.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin betreibt seit Juni 2005 die Zwangsversteigerung des in dem Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundbesitzes. Es handelt sich um ein Wohnhaus mit zwei vermieteten Wohnungen nebst Schuppen und Außenanlagen. Die Schuldnerin bewohnt mit ihrem schwer kranken Ehemann ein in deren gemeinsamen Eigentum stehendes Wohn- und Gewerbeobjekt. Ferner ist sie Eigentümerin eines vermieteten Einfamilienhausgrundstücks, welches ihr und ihrem Ehemann als Alterswohnsitz dienen soll. Die Gläubigerin betreibt auch die Zwangsversteigerung dieses Grundbesitzes; das Verfahren wurde wegen Suizidgefahr der Schuldnerin einstweilen eingestellt. In dem vorliegenden Verfahren erteilte das Amtsgericht den Beteiligten zu 3 in dem Versteigerungstermin am 27. November 2007 den Zuschlag auf ihr Meistgebot von 126.000 €. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin, die sie auf ihre weiter bestehende Suizidgefahr wegen der Zwangsversteigerung des Einfamilienhausgrundstücks gestützt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses weiter. Die Gläubigerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. II.

Das Beschwerdegericht hält es für rechtlich möglich, erstmals mit der sofortigen Beschwerde die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens wegen der ernsthaften Gefahr einer Selbsttötung des Schuldners zu verlangen. Allerdings müsse sich diese Gefahr auf Grund erst nach der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses während des Beschwerdeverfahrens zu Tage getretener neuer Umstände ergeben. Solche seien weder von der Schuldnerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zwar sei das Zwangsversteigerungsverfahren betreffend das - derzeit vermietete - Einfamilienhausgrundstück der Schuldnerin einstweilen eingestellt worden, weil sie gerade unter dem Aspekt des Verlustes des seit jeher ins Auge gefassten Alterswohnsitzes und eines darauf gerichteten Tunnelblicks konkrete Suizidgedanken entwickelt habe. Diese Situation sei in dem vorliegenden Verfahren aber nicht gegeben; der Schuldnerin drohe weder der Verlust des momentan bewohnten Eigenheims noch der des späteren Alterswohnsitzes. Sie habe nicht vorgetragen, dass bereits der Verlust des Eigentums an dem vermieteten Zweifamilienhaus bei ihr zu Suizidgedanken führe. Im Übrigen ergebe eine umfassende, an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Würdigung der Gesamtumstände ein Überwiegen der Gläubigerinteressen; die Schuldnerin könne die Zwangsversteigerung eines vermieteten Grundstücks, welches sie nicht selbst nutzen wolle, nicht verhindern, wenn das von ihr bewohnte Haus nicht der Zwangsvollstreckung unterliege und das Zwangsversteigerungsverfahren betreffend den in Aussicht genommenen Alterswohnsitz einstweilen eingestellt sei. Das hält der rechtlichen Prüfung stand. III.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO), obwohl der von dem Beschwerdegericht angenommene Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht vorliegt (siehe dazu schon Senat, BGHZ 151, 221), und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet. 1. Ob die Ansicht des Beschwerdegerichts zutrifft, die umfassende, an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Würdigung der Gesamtumstände führe zu einem Überwiegen der Gläubigerinteressen, weil in das von der Schuldnerin bewohnte Grundstück die Zwangsversteigerung nicht betrieben werde und das Verfahren betreffend den als Alterswohnsitz ins Auge gefassten Grundbesitz einstweilen eingestellt sei, kann offen bleiben. Diese Erwägungen sind nicht entscheidungserheblich, weil das Beschwerdegericht die sofortige Beschwerde aus anderen Gründen zutreffend für erfolglos angesehen hat. 2. Zu Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die ernste Gefahr einer Selbsttötung des Schuldners wegen der Zwangsversteigerung seines Grundstücks auch dann zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und zur einstweiligen Einstellung des Verfahrens führen kann, wenn sie sich erst nach der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses auf Grund während des Beschwerdeverfahrens zu Tage getretener neuer Umstände ergibt (Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, WM 2006, 813, 815). Dabei spielt es keine Rolle, ob die auf den Zuschlagsbeschluss zurückzuführende Gefahr der Selbsttötung sich erstmals nach dessen Erlass gezeigt hat, oder ob sie schon zuvor latent vorhanden war und sich durch den Zuschlag im Rahmen eines dynamischen Geschehens weiter vertieft hat (BVerfG NJW 2007, 2910). 3. Ob, wie die Schuldnerin rügt, das Beschwerdegericht nicht erkannt hat, dass es ausreicht, wenn die auf den Zuschlagsbeschluss zurückzuführende Gefahr der Selbsttötung latent bereits vor dessen Erlass vorhanden gewesen war und sich durch den Zuschlag noch weiter vertieft hat, kann dahinstehen. Denn die Schuldnerin hat in der Beschwerdeinstanz eine zuschlagsbedingte Erhöhung der Suizidgefahr nicht geltend gemacht. a) Der Inhalt ihrer Beschwerdeschrift erschöpft sich in dem Hinweis auf ihre weiter bestehende erhebliche Suizidgefährdung auf Grund der Zwangsversteigerung des Einfamilienhauses sowie in der rechtlichen Wertung, dass ihre gesundheitlichen Aspekte höher als die Gläubigerinteressen anzusetzen seien, und in der "insoweit" beantragten Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Damit hat die Schuldnerin nicht einmal das Bestehen einer Suizidgefahr wegen des in dem vorliegenden Verfahren erteilten Zuschlags behauptet. b) Später hat sie vorgetragen, immer wieder versucht zu haben, "die Sache in den Griff zu bekommen"; dies sei ihr jedoch wegen der Erkrankung ihres Ehemannes, wegen der ihre eigenen Probleme immer mehr in den Hintergrund getreten seien, nicht gelungen. Auch habe sie sich an den Sozialpsychiatrischen Dienst und an die Amtsärztin gewandt, die in dem anderen Zwangsversteigerungsverfahren ein Gutachten über sie erstellt habe; von beiden habe sie jedoch keine Hilfe erhalten. Auch diesem Vortrag ist nicht zu entnehmen, dass die Suizidgefahr der Schuldnerin auch wegen des in dem vorliegenden Verfahren erteilten Zuschlags bestehen soll. c) Vielmehr hat die Schuldnerin - entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Ansicht - in dem Beschwerdeverfahren lediglich auf ihre bereits vor dem Zuschlag bestehende Suizidgefährdung hingewiesen, die sie jedoch in dem Zwangsversteigerungsverfahren betreffend das als Alterswohnsitz gedachte Hausgrundstück ausschließlich mit dem drohenden Verlust des Eigentums daran begründet und durch ärztliche Gutachten nachgewiesen hat. Das reicht nicht aus, um der Zuschlagsbeschwerde in dem hier vorliegenden Verfahren zum Erfolg zu verhelfen. Mit der Zuschlagsbeschwerde kann sie nämlich nur die Gefahr einer auf den Zuschlagsbeschluss selbst zurückzuführenden Gefahr der Selbsttötung geltend machen (BVerfG aaO). 4. Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe den Anspruch der Schuldnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, weil es das in der Beschwerdeschrift beantragte weitere Sachverständigengutachten nicht eingeholt hat. Es ist nämlich weder von der Schuldnerin vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass das beantragte Gutachten eine auf dem Zuschlagsbeschluss beruhende konkrete Gefahr der Selbsttötung bestätigen sollte. Eine solche Gefahr erscheint grundsätzlich eher unwahrscheinlich (vgl. BVerfG aaO, 2911). Deshalb hätte die Schuldnerin deutlich machen müssen, dass diese bei ihr gleichwohl besteht. Das hat sie - wie ausgeführt - nicht getan. 5. Ebenfalls erfolglos bleibt die Rüge, das Beschwerdegericht habe den Anspruch der Schuldnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs auch dadurch verletzt, dass es ihren Vortrag nicht zur Kenntnis genommen habe, die bei ihr fachärztlich diagnostizierte dauerhafte latente Gefahr der Selbsttötung bestehe fort und werde durch die Zwangsversteigerung erneut aktualisiert. Diesen Vortrag gibt es nicht. Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Ansicht ist dem Vorbringen der Schuldnerin in der Beschwerdeinstanz weder "ohne weiteres" noch "zwanglos" zu entnehmen, dass bereits der Verlust des Eigentums an dem Zwangsversteigerungsobjekt bei ihr Suizidgedanken hervorruft. Davon war bisher nicht einmal ansatzweise die Rede. IV.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (siehe nur Senat, Beschl. v. 15. März 2007, V ZB 95/06, WM 2007, 1284, 1285). Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht dem Wert einer Zuschlagsbeschwerde der Schuldnerin, die auf der Zurückweisung eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765a ZPO beruht. Diesen Wert bemisst der Senat mit einem Bruchteil von 1/10 des Zuschlagswertes (Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1669).

Ende der Entscheidung

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